Aus dem neuen Heft

Interview: Status Quo

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(Bild: Tina Korhonen)

Mit dem Tod von Gitarrist Rick Parfitt an Heiligabend 2016 schien das Ende von Status Quo endgültig besiegelt zu sein. Man mutmaßte, dass Gründungsmitglied Francis Rossi keine Lust an einer Fortsetzung der Bandgeschäfte ohne seinen langjährigen Partner haben würde. Doch jetzt, gut drei Jahre später, ist alles anders: Rossi hat mit dem 33 Jahre jungen Iren Richie Malone einen geeigneten Nachfolger für Parfitt gefunden, die Band tourt weiterhin erfolgreich und hat im letzten Spätsommer mit ‚Backbone‘ ein erstklassiges Studioalbum veröffentlicht.

Wir haben Rossi und Malone in einem Hamburger Hotel getroffen und sie zur aktuellen Situation befragt. Bei dieser Gelegenheit hat der 70-jährige Gitarrist auch gleich den Mythos um Quo als Inbegriff einer reinen Telecaster-Band entzaubert.

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Francis, kannst du mal kurz erklären, wie es zur Verpflichtung deines neuen Gitarrenpartners gekommen ist?

FR: Gerne. Richie kam erstmals 1999 mit seinem Vater Karl Malone zu einer Status-Quo-Show. Karl ist seit vielen Jahren riesiger Fan der Band, durch ihn erfuhren wir, dass sein 13-jähriger Sohn auch Gitarre spielt. Wir bemerkten, dass Richie immer total fasziniert Rick beobachtete. Im Laufe der Jahre kamen die beiden öfter zu Besuch, mitunter holten wir Richie zum Soundcheck auf die Bühne und er spielte mit uns. Er hat einen ganz ähnlichen Stil wie Rick, und als Rick entschied, dass er nicht mehr mit uns auf Tournee gehen kann, bestimmten wir Richie zu seinem Nachfolger. Rick und ich hatten schon Jahre vorher darüber gescherzt, dass als Ersatz für einen von uns nur dieser 15-jährige Bubi infrage käme.

Francis Rossi & Richie Malone (Bild: Matthias Mineur)

Gab es dafür bestimmte Kriterien?

FR: Eben nicht! Die Plattenfirma, das Management, unsere Agentur, sie alle hätten garantiert nach einem blonden, langhaarigen Musiker in Ricks Alter gesucht. Aber genau das wollten wir nicht. Also schickte Rick eine Nachricht an Richie und erklärte ihm, dass er perfekt für diesen Job sei. Die Story klingt so unglaublich, dass man sie verfilmen könnte und jeder sagen würde: „OK, lustige Story, der kleine Sohn eines Quo-Fans spielt Gitarre, wird älter und steigt schließlich als Nachfolger des verstorbenen Originalgitarristen in der Lieblingsband seines Vaters ein. So etwas würde in Wahrheit nie passieren.“ Aber bei uns ist es so passiert. Und wir sind damit sehr glücklich.

Richie, wie überrascht warst du, als dich die Band kontaktierte?

RM: Gute Frage, denn viele Leute denken, dass ich mein Leben lang davon geträumt habe, Rick Parfitt bei Status Quo zu ersetzen. Eigentlich ist es genau umgekehrt, nämlich dass ich immer gehofft habe, dass Rick ewig Gitarrist der Band bleibt. Natürlich habe ich davon geträumt, ein erfolgreicher Musiker zu werden. Aber eben mit einer eigenen Band, nicht als Mitglied von Status Quo. Auf diese Idee wäre ich niemals gekommen. Insofern war es eine wunderbare Überraschung, als Rhino anrief und mich fragte, ob ich immer noch Gitarre spiele.

Musstest du einen Moment lang über das Angebot von Status Quo nachdenken? Immerhin ändert eine solche Entscheidung das ganze Leben. Hattest du Sorgen, die großen Schuhe eines Rick Parfitt nicht ausfüllen zu können?

RM: In den ersten zwei Wochen, in denen ich mir zu Hause die Quo-Songs draufschaffte, merkte ich, wie groß die Verantwortung werden würde. Ich war mir nicht sicher, ob ich der Sache nervlich gewachsen sein würde. Also setzte ich mich zwei Wochen jede Nacht drei Stun­den lang hin und probte die Songs so gut wie möglich. Und offenbar hat es am Ende ja gereicht.

Wie hast du im Studio für den gewünschten Status-Quo-Sound gesorgt?

RM: Ich habe bereits bei mir zu Hause an meinem Ton gebastelt, der nicht zu viel Gain hat und sehr angenehm für die Ohren klingt. Ich wusste, dass ich für ‚Backbone‘ überwiegend Rhythmusgitarre spielen würde, und dafür suchte ich einen crunchy aber nicht allzu sehr verzerrten Sound. Den habe ich gefun­den, indem ich mein Boss-Board mit einem Marshall Vintage Modern Halfstack kombinierte.

Das Bühnen-Equipment von Neuzugang Richie Malone
Das Bühnen-Equipment von Neuzugang Richie Malone
Das Bühnen-Equipment von Neuzugang Richie Malone
Das Bühnen-Equipment von Neuzugang Richie Malone

Ich kreierte zwei Sounds, einen relativ klassischen und den anderen geboostet. Allerdings habe ich mich nicht an früheren Quo-Produktionen orientiert, sondern hatte immer einen zeitgemäßen Sound im Hinterkopf, der zum neuen Material passt. Die Fans sagen zwar, dass die Scheibe wie eine Mischung aus den Klassikern der Siebziger klingt, doch das war nicht beabsichtigt. Trotzdem freut es mich natürlich, dass unsere Anhänger den Sound als „klassisch Quo“ empfinden.

Welche Gitarren hast du auf ‚Backbone‘ eingesetzt?

RM: Vor allem eine Telecaster, die Mike Smith gebaut hat und der wir den Spitznamen „Cobra“ gegeben haben. Die Gitarre hat DiMarzio-Pickups und den gleichen Hals wie meine Fender Jim Root Signature, die jedoch EMG-Pickups besitzt und nicht zu Sta­tus Quo passen würde. Der Hals der Jim Root ist jedoch perfekt, also bat ich Mike, meine „Cobra“ mit dem gleichen Hals auszustat­ten. Wir haben sie dann zusätzlich mit Racing Stripes verziert, weil ich ein eigenes Design wollte.

Welche deiner Gitarren kamen zum Einsatz, Francis?

FR: Nur zwei: Meine grüne Status-Telecaster, die ich auch auf der Bühne spiele, plus eine alte Ibanez für ein paar Soli. Das genaue Modell kann ich dir lei­der nicht sagen, es ist eine Double Cut und sieht ein wenig wie eine SG aus. (vermutlich eine Ibanez-Artist d. Verf.).

Francis Rossis grüne Status Telecaster (Bild: Tina Korhonen)

Womit hast du euer neues Album eingespielt?

FR: Überwiegend mit der erwähnten Status, die ist wirklich super! Ich weiß, es ist gegen den Trend, aber ich liebe sie. Angeblich waren früher die Gitarren viel besser. Aber waren sie es wirklich? Hat­ten sie so gute Pickups wie heutige Modelle? Hatten sie einen so guten Sound wie moderne Gitarren? Es ist wie mit dem Brexit: Die Leute wollen zurück zu den 1950ern. Doch die Fünfziger waren kalt, dreckig, arm. „Ja, aber ich erinnere mich doch so gerne daran“, sagen sie. Und so ähnlich verhält es sich auch mit Gitarren, Verstärkern und so weiter. Ich habe immer so geklungen wie ich selbst, egal was ich gespielt habe.

Aber weshalb haben Status Quo dann den Ruf einer typischen Telecaster-Band?

FR: Keine Ahnung. Das gehört zu den gro­ßen Mythen des Rock’n’Roll. Es stimmt ja auch nicht, dass Rock-Bands Hotelzim­mer verwüstet haben, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen worden zu sein. Nein, wenn sie ein Zimmer zerlegt hatten, mussten sie anschließend dafür blechen. Wenn du so dämlich warst und unbe­dingt einen Fernseher aus dem Fenster schmeißen musstest, durftest du anschließend einen neuen kaufen. Was denn auch sonst?

Das alles gehört zu den großen Mythen des Rock’n’Roll, die mich mit zunehmendem Alter immer mehr nerven, da einige Leute meinen, sie müssten nach solchen Vorbildern leben. Warum? Warum sollte man solch einen Blödsinn machen? Letztlich ist es die Musik, die zählt, nicht die richtigen Klamotten, die richtigen Autos.

Aber immerhin waren die beiden Telecasters, die eine weiß, die andere grün, ein gutes Logo für Status Quo.

FR: Stimmt, da hast du absolut Recht! Aber auch da ist die Wahr­heit eine andere. Denn Rick wollte eigentlich, dass seine Gitarre etwas verwegener aussieht, während ich bei meiner mehr Holz sehen wollte. Also schmirgelte ich die gesamte Farbe herunter, fuhr mit der „nackten“ Gitarre zum Gig, kam nach Hause und dachte: OK, aber in schwarz wäre auch cool. Also lackierte ich sie schwarz.

Dann entdeckte ich in einem Modegeschäft ein wunder­bares Grau, fuhr nach Hause und lackierte die Gitarre grau. Das Gleiche tat ich mit meinen Möbeln. Es gab da diese neuen Farben, bei denen am Ende trotzdem noch die Maserung des Holzes durchschimmerte. Ich lackierte damit eine Kommode meiner Frau und dachte: Verdammt, sieht das gut aus! Also lackierte ich damit auch meine Gitarre.

Was ich sagen will: Die Geschichten um unsere Telecasters sind Mythen. Rick hat ebenso Gibson gespielt, ich spie­le Gibson, auf ‚On The Level‘ spiele ich sogar eine Rickenbacker. Weshalb? Ich weiß es nicht mehr. Es geht nicht um die Gitarre, es geht darum, dass jeder wie er selbst klingt, egal welche Gitarre er spielt. Wer weiß, vielleicht kaufe ich mir eines Tages noch einmal eine uralte, unverbastelte Telecaster, denn an meiner habe ich so ziemlich alles verändert, die Pickups, mal zwei, mal drei, die Tune-o-matic-Bridge. So ist das mit dem angeblichen Image.

Womit habt ihr aufgenommen?

FR: Mit Logic, also am Computer. Ich weiß, dass in meiner Genera­tion diese Technik nicht sonderlich beliebt ist, aber ich mag die große Flexibilität, die sie einem bietet. Früher nahm man ein Solo mit einem ganz bestimmten Sound auf, anschließend kamen viel­leicht noch Chöre oder Overdubs oder Keyboards hinzu, und plötz­lich klang das Solo, das sich beim Einspielen noch perfekt anfühl­te, zu dumpf oder zu matschig. Heute kann man so etwas mühelos korrigieren.

Es gab Zeiten, da wurden Quo-Scheiben nach einem bestimmten Raster aufgenommen. Der Produzent kam rein und sagte: „OK, Quo-Scheibe, das bedeutet AKG 414 für den Gesang, zwei Gitarren mit ordentlich Dampf“ – also wurde bis zum Erbre­chen  komprimiert – „und das Ganze zweimal eingespielt“ – sprich: noch mehr Kompression. Beim Mastering klang dann alles schrecklich nasal, also wurden Bass und Schlagzeug kräftig ange­hoben und es entstand ein fürchterlicher Quo-Krach. Ich habe mich jahrelang darüber geärgert.

Bei ‚Backbone‘ ist alles anders, wir haben nur wenige Spuren aufgenommen, die Verzerrung ext­rem zurückgefahren, somit bekam der Sound automatisch mehr Tiefe. Deswegen behaupten manche, dass ‚Backbone‘ wie aus den 70ern klingt, weil es nämlich bei Scheiben wie ‚Ma Kelly’s Greasy Spoon‘ oder ‚Dog Of Two Head‘ extrem wenig Kompression gab – eigentlich nur fürs Radio – aber niemals zu viel. Häufig klagen die Verantwortlichen bei Plattenfirmen und Agenturen, dass heutige Scheiben nicht mehr so lebendig wie damals klingen. Nein, tun sie auch nicht! Also: Quo geben keine Zugaben, sie klingen nicht wie alle anderen und sie ziehen sich völlig anders an! Sehr gut! Genauso möchte ich es. (lacht)

Offensichtlich bist du immer noch ein richtiger Rebell!

FR: Ja, natürlich, was denn sonst? Rock’n’Roll ist Rebellion! Die Leute sagen, dass ich wie ein verdammter Idiot aussehe. Ja, das stimmt! Ich sah schon als junger Mann wie ein verdammter Idiot aus. Aber bis heute hat dieses Lebensmodell bestens funktioniert.

Danke euch beiden für das interessante Gespräch!

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2020)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Schöner Bericht, danke dafür

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  2. Einen besseren Nachfolger als Richie Melone hätte Rick nicht bekommen können, als ich die Aufzeichnung des Wackenkonzert 2017 sah und hörte, war ich begeistert.
    Ich bin Jahrgang 1962 und mit 8 Jahren wurde ich Status Quo Fan, hörte damals von meiner älteren Schwester immer die Titels der Rolling Stones, Beatles, Tremelos, Turtels und vor allem von den Status Quo (Ice in the sun usw.).
    Leider hatte ich die Band noch nie Live erlebt, außer über YouTube.
    Falls mal Francis, Rhino und Andy müde werden, sollten auf alle Fälle Richie und Leon die Band aufrecht erhalten.
    Die Alten Hasen müssten hier Sorge dafür tragen, dass Ihre Nachfolger zu dem Sound und zum Charakter von Status Quo passt. Vielleicht wäre ja Ricks Sohn eine zukünftige Alternative für die Band!
    Allen Bandmitgliedern wünsche ich weiterhin alles Gute, viel Erfolg und vor allem viel Gesundheit.

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