Im Interview

Lamb Of God & Mark Morton: Groove Metal Strikes Again

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(Bild: Travis Shinn)

Eine Band der Superlative: Ihre Alben verkaufen sich wie geschnitten Brot, ihre weltweiten Tourneen sind absolute Publikumsmagnete, und allein zwischen 2006 und 2015 waren Lamb Of God fünf Mal für einen Grammy nominiert. Keine schlechte Bilanz für eine Gruppe, deren eigenwillige Mischung aus Death Metal, Thrash, Hardcore und progressiven Versatzstücken sich vor allem durch unbarmherzige Aggressivität, eine Vielzahl beinharter Rhythmen und die wutschnaubenden Growls ihres Frontmannes Randy Blythe auszeichnet.

Ideengeber und Hauptkomponisten der amerikanischen Formation sind die Gitarristen Mark Morton und Willie Adler, deren eng verzahnte Spielweise den Songs Schärfe, Kontur und Vielseitigkeit verleiht. Morton ist zugleich Gründungsmitglied und hat seit 1994 nicht nur die stilistischen Direktiven der Band kontinuierlich weiterentwickelt, sondern seine wenige freie Zeit auch dafür genutzt, um als Gastkünstler beispielsweise für GWAR oder Devildriver zu spielen und unter eigenem Namen zwei EPs mit verschiedenen Sängern zu produzieren.

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Wir haben anlässlich des neuen Lamb-Of-God-Albums, das Mitte Juni 2020 veröffentlicht worden ist, mit dem 47-Jährigen gesprochen und uns dabei auch wichtige Eckpfeiler seines aktuellen Sounds erklären lassen.

INTERVIEW

Mark Morton (Bild: Travis Shinn)

MARK MORTON

Mark, angesichts der erneut fantastischen Gitarrenarbeit auf eurem aktuellen Album hat man als Außenstehender den Eindruck, dass sich sowohl dein Geschmack als auch dein Stil spürbar weiterentwickelt haben.

Natürlich verändern sich Geschmack und technische Fertigkeiten eines Musikers im Laufe der Zeit von ganz alleine. Aber das Gitarrespielen war für mich immer schon die natürlichste Sache der Welt, vergleichbar mit dem Erlernen von Sprache oder dem Aneignen einer eigenen Ausdrucksweise, die bekanntlich zwischen dem 16. und 60. Lebensjahr ebenfalls vielen Veränderungen unterworfen ist. Eine solche Evolution gilt in meinem Fall auch für mein Spiel. Allerdings könnte ich das zumindest in den zurückliegenden fünf Jahren an keinem konkreten Beispiel festmachen, es ist vielmehr der fließende Übergang von einem Level zum nächsthöheren.

Lamb of God (2020) (Bild: Nuclear Blast)

Im Unterschied dazu haben sich meine kompositorischen Fähigkeiten geradezu sprunghaft verbessert, wie ich finde. Wenn man sich das Material anhört, das ich für die drei letzten Alben von Lamb Of God oder auch für meine Soloaktivitäten geschrieben habe, dann stellt man gleich mehrere signifikante Änderungen fest. Ich bin mittlerweile nicht mehr ausschließlich aufs Shredding oder auf akrobatische Spielweisen fokussiert, sondern konzentriere mich stärker darauf, dass alles im Fluss ist und der Hörer einen emotionalen Zugang zu den Songs findet. Insofern könnte ich deine Frage dann doch konkreter beantworten, als ich zunächst gedacht hätte: Mein Spiel ändert sich eher sukzessiv und über einen längeren Zeitraum, mein Fokus auf gute Songs dagegen ist seit einigen Jahren ausgeprägter als jemals zuvor.

Profitierst du diesbezüglich von einer erblichen Veranlagung oder einer profunden musikalischen Ausbildung?

Ja und nein. Ich wuchs in einem sehr musikalischen Haushalt auf, allerdings nicht, weil meine Eltern selbst Musiker waren, sondern weil sie Musik generell geliebt haben. Ich bin mittlerweile 47 und dementsprechend als Kind der Siebziger aufgewachsen. Meine Mutter stammt aus Frankfurt, deshalb habe ich einen großen familiären Background in Deutschland. Die erste Kassette, die mir meine Mum damals in Frankfurt kaufte, war AC/DC ‚Highway To Hell‘. Zu der Zeit war ich gerade sieben, mein älterer Bruder knapp 14. Wir hörten alles, was damals angesagt war und zuhause bei meinen Eltern liefen Alben von Aerosmith, AC/DC, Led Zeppelin, Kiss, Lynyrd Skynyrd. So gesehen waren wir permanent von Musik umgeben, es war also fast folgerichtig, dass ich selbst Musik machen wollte. 1985 bekam ich meine erste eigene Gitarre, damals war ich 12 oder 13.

Warst du in deiner Jugend eher Les-Paul- oder der Strat-Typ, sprich: lieber Humbucker oder Singlecoil?

Mein erster großer Gitarrenheld war Eddie van Halen. Damals waren Hybrid-Gitarren, wie sie insbesondere von Kramer oder Charvel angeboten wurden, schwer in Mode, mit einem schlanken Strat-Korpus und fett klingenden Humbucker-Pickups. Meine erste Gitarre war ein solcher Hybrid, insofern bin ich wohl eher der typische Humbucker-Spieler. Ich liebe Les Pauls, aber ich mag auch Strats und Telecaster. Vor 15 Jahren entwickelten mir Jackson ein eigenes Signature-Modell, die ‚Dominion Pro‘, bei der es sich um einen ähnlichen Hybriden handelt, wie er damals in den Achtzigern modern war.

Ist es ausschließlich der kräftige Humbucker-Ton, der dich anspricht, oder sind es auch Optik und Image dieser Modelle?

Ich bekam mit 16 meine erste Les Paul. Damals war ich glühender Fan von Randy Rhoads und Jimmy Page, mochte aber auch Jimi Hendrix und Stevie Ray Vaughan. Was ich damit sagen will: Ich stand auf starke Charaktere und auf einen signifikanten Sound, wie ihn nur wirklich große Gitarristen haben. Jeder von ihnen hat oder hatte einen ganz ganz eigenen, unverwechselbaren Ton. Aber natürlich ändert sich mein Geschmack von Zeit zu Zeit.

Bereits sehr früh entdeckte ich den Thrash Metal, stand auf Slayer, Metallica, Megadeth und wählte dementsprechend meine Gitarren aus. Trotzdem ist meine Liebe zur Les Paul nie verlorengegangen. Zurzeit bin ich gerade auf der Suche nach einem möglichst hochwertigen Exemplar. Generell gilt für mich: Je mehr ich im Laufe der Zeit über Gitarren lerne, umso genauer weiß ich, wie das perfekte Instrument für mich aussieht.

Und zwar?

Das Spielgefühl entscheidet. Wenn ich eine Gitarre in die Hand nehme, muss sich vor allem der Hals angenehm anfühlen. Mir sind technische Details wie Mensur, Brücke, Elektrik egal, solange mich der Hals überzeugt. Ich bevorzuge Rosewood- und Ebony-Fingerboards, aber eigentlich gibt es keine feste Formel, nach der ich die Qualität einer Gitarre beurteile. Ob ich ein Instrument mag oder nicht, entscheidet einzig und allein das Spielgefühl. Eine Gitarre muss darauf reagieren, was ich mit meinen Fingern anbiete, und das machen, was ich von ihr erwarte.

Mitunter bekomme ich neue, sündhaft teure Modelle zum Testen, aber sie klingen steif und haben keinen eigenen Charakter. Hin und wieder entdecke ich aber auch irgendein preisgünstiges Standardexemplar von der Stange und spüre sofort, dass hier alles stimmt. Es gehört ja sowieso zu den nur schwer erklärbaren Phänomenen, dass man drei Gitarren aus der exakt gleichen Baureihe und einem nahezu exakt gleichen Herstellungsdatum nebeneinander stellen kann, ohne dass zwei von ihnen auch nur ansatzweise identisch sind. Oftmals ist nur ein einziges Exemplar aus einer kompletten Produktionsphase wirklich gut, was sich wohl nur mit dem exakten Gewicht, der Beschaffenheit des Holzes und einigen unergründlichen Faktoren, die in Summe zusammenwirken, erklären lässt.

Billy Corgan von den Smashing Pumpkins hat mal in einem Interview seine Lieblings-Strat aus den Siebzigern vorgestellt, ein reguläres Modell, wie man es seinerzeit in jedem Laden kaufen konnte. Er sagte: „Ich weiß nicht weshalb, aber diese Strat hat etwas ganz Besonderes. Es gibt sicherlich schönere Modelle, aber nur diese eine klingt und spielt sich so außergewöhnlich gut.“

(Bild: Nuclear Blast / Travis Shinn)

Bist du als Gitarrist eigentlich eher rhythmisch oder melodisch orientiert?

Ehrlich gesagt ist das immer abhängig davon, wofür ich komponiere. Bei Lamb Of God liegt der Schwerpunkt natürlich eindeutig auf rhythmischen Aspekten. Wir haben mit Randy einen Frontmann, der ausschließlich schreit und growlt, dementsprechend rhythmisch müssen auch die Gitarren ausgerichtet sein. Wir nennen unsere Stilmischung ‚Groove Metal‘, was ja bereits alles erklärt. Wäre Randys Gesang melodisch, müsste man auch die Gitarren-Parts daran angleichen. So wie es bei meinen Sologeschichten der Fall ist, bei denen ich mit unterschiedlichen Sängern arbeite und in diesem Kontext spürbar melodischer spiele.

Kannst du bitte erklären, mit welchem Equipment du das neue Lamb-Of-God-Album eingespielt hast?

Es kamen schwerpunktmäßig zwei Röhren-Amps zum Einsatz, nämlich ein Mesa/Boogie Mark IV mit entsprechender 4x12er-Box, und für einige Soundvarianten ein Mesa/Boogie Mark V. In den Soli habe ich meine Jackson Dominion Pro gespielt, für die Rhythmusparts überwiegend eine Gibson Les Paul. Für die Nummer ‚Roots‘ brauchte ich zusätzlich eine Gitarre mit Tremolo-Arm, also bat ich Jackson, mir eine King V zu schicken. Bei den Effekten habe ich fast ausnahmslos auf Plug-Ins zurückgegriffen.

Wurde das Gitarrensignal trocken eingespielt? Oder hast du die Effekte schon beim Aufnehmen hinzugeschaltet?

Sowohl als auch. Es gab immer ein direktes DI-Signal, um im Mix gegebenenfalls noch etwas ändern zu können. Aber mitunter wurden die Effekte auch direkt hinzugeschaltet, um ein angenehmeres Spielgefühl zu bekommen.

Wie lange hast du für das Einspielen deiner Parts benötigt?

Etwas weniger als zwei Wochen. Unser Ziel war, einen Song pro Tag zu schaffen. Mit Willie (Adler, Anm. d. Verf.) und mir gibt es bei Lamb Of God zwei Gitarristen, insofern muss man die vorhandene Studiozeit sorgsam koordinieren. Manchmal habe ich beide Rhythmusgitarren links und rechts eingespielt, ein anderes Mal hat Willie beide Spuren übernommen. So etwas spart Zeit und Mühe, denn natürlich spielt man exakter, wenn man sich an seiner eigenen Gitarrenspur orientieren kann. Mitunter habe ich den gesamten Chorus und Willie dann die Strophe übernommen, oder umgekehrt. Als diese Arbeit verrichtet war, haben wir uns um Ambient-Parts, Overdubs und kleinere Verzierungen gekümmert.

Wie werdet ihr die ultradynamische Produktion der neuen Scheibe auf eure kommenden Konzerte übertragen?

Wir werden es gar nicht erst versuchen. Live und Studio sind für uns zwei Paar Schuhe. Wenn man unsere Songs exakt so wie im Studio hören möchte, kann man sich ja das Album kaufen. Unser Anspruch auf der Bühne ist, das Beste aus dieser Band herauszuholen, ohne mit technischen Tricks oder anderen Hilfsmitteln zu arbeiten. Im Studio hat man unendlich viele Möglichkeiten, um den Sound fetter und mächtiger zu machen. Solche Möglichkeiten gibt es auf der Bühne nur sehr bedingt. Diesen Anspruch haben wir auch gar nicht, uns geht es mehr darum, ein bestimmtes Gefühl zu erzeugen.

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2020)

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