Der Super-Fan

Interview: Kansas & Zak Rizvi

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(Bild: EMily Butler Photography)

Es ist eine Geschichte wie aus einem Hollywood-Märchen: Zak Rizvi ist vom Fan zum neuen Gitarristen der Rock-Veteranen Kansas geworden. Allerdings nicht über Nacht, sondern erst nach 15 Jahren Songwriting, Produktion und Toursupport.

Jetzt hat der Mittfünfziger maßgeblichen Anteil am neuen Kansas-Album ‚The Absence Of Presence‘, das sich als genialer Prog-Rock-Streich erweist.

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The Absence of Presence (2020)

INTERVIEW

Kannst du dich noch an dein erstes Kansas-Konzert erinnern?

Aber sicher! Das war während ihrer Tour 1985 und da hat es mich umgehauen, wie sehr diese Band gerockt hat. Sie war unglaublich kraftvoll. Nicht, dass die Platten das nicht waren, aber ich dachte bei Kansas immer an eine orchestrierte Band und war absolut platt, wie direkt sie waren.

Wie oft hast du sie live gesehen, bevor du Mitglied wurdest?

Oh, ich war geradezu fanatisch und habe sie über 50 Mal erlebt.

In der Zeit bis zu deinem Einstieg hast du eine interessante Entwicklung vom Opening Act zum Songwriter, Produzenten und zum Bandmitglied durchlaufen. Ein ziemlicher Trip, oder?

Wenn einem das so vor Augen geführt wird, schon. Aber es ist toll und ich hätte nie damit gerechnet. Ich kenne den Schlagzeuger Phil Erhart seit 2001 – und ihm habe ich damals einen Brief geschrieben und ihm gesagt, dass ich mich gerne bei Kansas einbringen würde. Überraschenderweise hat er mir umgehend geantwortet, war sehr nett, hat sich lange mit mir unterhalten und mir die Chance gegeben, vier Songs einzureichen, die ich mir für die Band vorstellen könnte. Sie sind allerdings erst mal im Regal gelandet, weil die Band zu der Zeit nichts aufgenommen hat.

Aber als es an ‚The Prelude Implicit‘ ging, war eine der ersten Fragen, die mir Phil gestellt hat: „Hast du noch diese vier Songs, die du mir mal geschickt hast“? Also haben wir sie entstaubt, überarbeitet und sie sind wirklich auf dem Album gelandet. Wobei sie aber auch so angelegt waren, dass sie ihn beeindrucken sollten. Der allererste Track, den ich ihm damals geschickt habe, war ‚The Voyage Of Eight Eighteen‘, und daran hatte ich über zwei Monate gebastelt, weil ich alles perfekt machen wollte. Weil ich dachte, dass ich vielleicht nur eine Chance erhalte, um da bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Insofern habe ich Phil keinen netten, dreiminütigen Song geschickt, sondern etwas, das ihn regelrecht plätten sollte. Zum Glück gefiel es ihm. Und er hat anhand der Demos erkannt, dass ich zumindest ein bisschen Ahnung vom Produzie­ren habe, einfach, weil sie ziemlich gut klangen und komplett ausgear­beitet waren. Dann führte eins zum anderen: Er fragte, ob ich mit meiner Band vor Kansas spielen wolle, wenn sie nach New York kämen.

Also haben wir ein paar gemeinsame Shows bestritten, er hat mich live erlebt und mich Jeff Glixman, ihrem Haus- und Hofproduzenten vorge­stellt. Mit dem habe ich mich ange­freundet und wir haben sechs Jahre lang zusammengearbeitet. In der Zeit bin ich Kansas wirklich nahegekommen. Trotzdem habe ich fast 15 Jahre gebraucht, um mich schließlich bei der Band einzu­schleichen. (lacht) Und 2014, als Ronnie Platt und Dave Manion einstiegen und sie wieder ein Sextett waren, hatte ich das schon komplett abgeschrieben. Aber als es an ‚The Prelude Implicit‘ ging, haben sie mich tatsächlich gefragt – als Musiker, als Co-Produzent und als jemand, der ein bisschen jünger ist, aber den sie kennen und dem sie vertrauen. Bislang ist es toll: Jeden Abend, wenn wir auf der Bühne stehen und irgendeinen Klassiker anstimmen, den ich seit meinem 16. Lebensjahr kenne, haut mich das immer noch um. Es ist das Größte.

Das heißt: Du kanntest die Stücke alle schon, als du anfingst Kansas-Konzerte zu spielen? Oder musstest du einige noch lernen?

Ich wusste nicht bei allen, wie man sie spielt. Und das Verrückte ist, dass die Musik von Kansas mitunter so kompliziert ist, dass mein 17/18-jähriges Gehirn – als ich anfing, Gitarre zu lernen – gar nicht in der Lage war, sie zu verstehen. Ich habe zwar eine Menge Rush-Songs hinbekommen, was nicht heißen soll, dass sie simpler gewesen wären. Aber das war halt eine Band mit drei Typen, bei denen klar war, was sie da spielten. Das machte es mir sehr einfach, die Gitarrenparts herauszu­filtern und sie zu lernen. Aber Kan­sas waren hingegen so komplex, dass das unmöglich war. Und Rich und ich frotzeln schon mal rum, wie lustig sich unsere Parts anhören, wenn man sie separat für sich hört. Aber im Gesamtkontext klingt es wunderbar. Insofern wusste ich zwar nicht, wie man die Songs spielt, aber ich kannte sie natürlich und hatte ein Gefühl dafür, wie sie konstruiert waren.

Stimmt es, dass Steve Morse dir mal Unterricht per Video erteilt hat?

Das hat er wirklich. Peinlicherweise habe ich es nicht hinbekommen, einen seiner Kansas-Songs zu spielen – nämlich ‚Taking In The View‘ von ‚Power‘. Den wollten wir zu einem Akustik-Set hinzufügen, das eine Weile lang Teil unseres Programms war. Phil rief mich an und meinte: „Kannst du dir den Part draufschaffen – kriegst du das hin?“ Also habe ich ihn mir angehört und er klang als hätte ihn ein Außerirdischer eingespielt.

 

Ich habe nicht verstanden, wie Steve das hingekriegt hat, geschweige denn, wie ich das reproduzieren sollte. Ich meinte zu Phil: „Sorry, Mann, aber das kriege ich nicht hin.“ Daraufhin rief er Steve an und bat ihn, mir zu erklären, was er da gemacht hat. Leider war Steve gerade auf Tour mit Deep Purple – und das ausgerechnet in Moskau. (lacht)

Das Irre an Steve ist: Er hat dieses Stück vor 25 Jahren aufgenommen und ewig nicht mehr gespielt – sich aber trotzdem problemlos daran erinnert. Er hat sich in Moskau in sein Hotelzimmer gesetzt und mir per iPhone gezeigt, was ich zu tun habe. Es war eine unglaubliche Sache zu erleben, wie er tickt und wie er vorgeht.

Zwischen Rich und dir: Wie entscheidet ihr, wer was spielt?

Meine Position war immer: „Rich, ich spiele, was du willst. Du legst vor und ich folge dir – ich übernehme den zweiten Part.“ Und Rich ist ein supercooler Typ, der überhaupt keine Marotten hat. Unsere Diskussionen über das, was wir spielen, klingen für gewöhnlich so: „Was willst du übernehmen?“ „Keine Ahnung. Wie steht es mit dir?“ Und dann tendiert er zu etwas, das ihm mehr zusagt – und ich mache etwas, das dazu passt. Das funktioniert immer und wir sind beide sehr zufrieden damit. Das ist keine Wissenschaft, und es gibt auch Momente, in denen ich spiele, was er normalerweise übernimmt – während er etwas ganz anderes probiert. Von daher ist das ziemlich egal. Es ist einfach das, was sich in einem bestimmten Moment ergibt.

Aber er ist doch eher der Gibson-Typ, während du Fender spielst – bildet ihr da einen Gegenpol?

Das hat sich so ergeben. Und wenn ich mir aktuelle Fotos von der Band auf der Bühne anschaue, dann mag ich den Look – also diese Les-Paul/ Strat-Dualität. Genau wie die Sounds, die sich auf der Bühne komplementieren, denn sie passen wunderbar zusammen – selbst, wenn wir das natürlich nicht geplant haben. Es ist eine gute Kombination.

 

(Bild: David Carstens)

Wie viele Gitarren verwendest du bei Kansas? Wie viele Strats kommen da zum Einsatz und was ist sonst noch am Start?

Im Grunde sind es nur zwei Gitarren. Nämlich meine beiden Strats, die ich im Studio und auf der Bühne einsetze – also die eine zum Live-Spielen, die andere zum Aufnehmen. Die Bühnen-Gitarre ist rot und auf diesem Album habe ich sie auch erstmals für ein paar Takes im Studio verwendet. Aber mein Hauptinstrument ist ein Duplikat davon. Meine Strats und mein Fractal-Gear sind tatsächlich alles, was ich brauche. Die Pickups der Gitarre und die Möglichkeiten des Fractal eröffnen mir so viele tolle Sounds, dass ich gar nicht mehr brauche.

Die Tatsache, dass Kansas eine Band mit so vielen Musikern ist, bedeutet schließlich auch, dass es da Grenzen im Hinblick auf meinen Sound gibt. Also dass es gar nicht möglich ist, da wer weiß was anzustellen oder so verrückt zu werden, wie ich es vielleicht gerne möchte. Wir sind ja zu siebt und jeder einzelne muss irgendwie in den Mix reinpassen. Insofern wäre es für mich keine gute Idee, auf eine Wand aus Marshalls und jede Menge großer, alter Les Pauls zu bestehen. Die wären in diesem Kontext unangebracht. Und deswegen verwende ich lediglich die beiden Gitarren und den einen Prozessor. Indem ich meinen Sound ein bisschen mit Effekten und Pro-Tools manipuliere, habe ich mehr als ich brauche.

Zak Rizvi mit seiner Fender American Deluxe Mahogany Stratocaster (Bild: EMily Butler Photography)

Um was für eine Strat handelt es sich dabei genau?

Es ist eine Fender American Deluxe Mahogany Strat, und zwar ein Anniversary-Modell mit Pau-Ferro-Griffbrett anstelle von Palisander. Sie hat nicht die traditionellen drei Singlecoils, sondern einen Humbucker in der Bridge-Position, weil ich diesen klobigen, klotzigen Klang mag. Es sind wirklich sehr coole Strats, die man allerdings auch genauso im Handel findet. Das bedeutet: Wenn ich die Gitarre verliere oder zerbreche, kann ich immer überall Ersatz finden, und sie wird immer so sein, wie ich sie kenne und brauche. Eine beruhigende Vorstellung.

Was ist mit Effekten und Amps?

Tja, es ist wirklich so: Alles, was auf der Bühne den Einsatz von Effekten erfordert, wird durch die Programmierung meines Fractal Audio AX8 abgedeckt. Mit ein paar Expression-Pedals. Das Fractal ist eine wunderbare Kiste, die sich auf unterschiedliche Arten verkabeln lässt und mit der man so vieles kombinieren kann, dass ich damit mehr anstellen kann als mit den großen Bradshaw-Racks, die man vor 20 Jahren gebaut hat.

Simples Pedalboard: Fractal Audio AX8 und zwei Expression-Pedale (Bild: Mark Schierholz)

Wenn du für Kansas schreibst: Wie gehst du da vor? Was macht einen typischen Kansas-Song aus?

Ich wünschte, ich könnte das beantworten. (lacht) Aber natürlich folge ich einem Muster. Wenn ich für mich selbst schreibe, tue ich das zum Beispiel ausschließlich am Klavier – mit ein wenig Bass und Schlagzeug. Aber bei Kansas habe ich immer eine Geige im Kopf – und einen gesampelten Sound im Keyboard. Kansas ist ja nicht diese Art von Band, bei der durchweg gesungen wird, sondern es herrscht die Erwartung, dass es immer auch lange Instrumental-Passagen gibt, die musikalisch anspruchsvoll sind.

Das sind Dinge, die ich miteinbeziehe. Und was die Geige betrifft, kann ich sie wahlweise mit Gitarren, mit einem Moog oder wie auch immer kombinieren. Ich kann auch Gegenstimmen dazu entwickeln. Für Kansas zu schreiben, impliziert all diese Optionen, auf die ich jederzeit zurückgreifen kann. Ich versuche das zwar nicht bewusst zu tun, aber es passiert automatisch. Einfach, weil ich die Musik liebe, den Sound der Band kenne und ihren Wurzeln so treu bleiben möchte, wie irgend möglich. Gleichzeitig versuche ich aber auch immer Elemente einzubringen, die nicht typisch Kansas sind.

Ist ‚The Absence Of Presence‘ das Album, das die Band aus dem Classic-Rock-Kontext befreien könnte, der ja zwischenzeitlich wie ein Gefängnis, eine Art Vorruhestand erschien?

Das sehe ich auch so. Es war definitiv etwas, das uns eingeschränkt hat. Wobei ich bei diesem Album nicht groß darüber nachgedacht habe, was es werden könnte, geschweige denn werden soll. Ich agiere eher intuitiv. Es ist so schwer, diese Art von Songs zu schreiben, sie aufzunehmen und in Form zu bringen, dass ich nicht groß darüber nachdenke, in welche Schublade das Endergebnis passen könnte – ich bin einfach froh, dass ich überhaupt irgendetwas zustande bringe. (lacht) Aber wenn man den richtigen Instinkt hat, funktioniert es letztlich – irgendwie.

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2020)

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