50 Years of Blues

Interview: John Mayall

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Blues. Etwas anderes hat den Briten mit Wohnsitz Los Angeles nie interessiert. Seit 56 Jahren hegt und pflegt der 85-Jährige diese Spielart nach allen Regeln der Kunst, gilt als Koryphäe, Institution oder Gralshüter, war Sprungbrett für viele berühmte Kollegen und denkt gar nicht daran, auf seine alten Tage noch etwas anderes zu machen – zum Glück.

Schließlich ist er sich immer treu geblieben, hat konsequent sein Ding durchgezogen, nie aufs große Geld geschielt, sondern Musik als Lebensaufgabe, Berufung und Mission erachtet und dabei einen hohen Qualitätsstandard gewährleistet. Auf seinem neuen Werk ,Nobody Told Me’ glänzt er mit illustren Gästen, sieben gelungenen Cover-Versionen (neben drei Eigenkompositionen) sowie einem energetischen Sound. Wir haben den Altmeister zur Veröffentlichung seines mittlerweile 36. Albums gesprochen.

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Interview

John, ,Nobody Told Me’ ist im 606 Studio von Dave Grohl entstanden. Hast du ihn persönlich getroffen?

Nein, er war nicht da. Er war auch nicht der Grund, warum ich dort aufgenommen habe. Um ehrlich zu sein, hat Eric Corne, der Produzent, das Studio ausgewählt. Ich selbst beschäftige mich nicht mit solchen Sachen, weil sie nicht wichtig sind. Solange ich das nötige Equipment vorfinde, also ein Klavier und ein paar gute Verstärker, und direkt loslegen kann, ist alles OK. Wir haben auch dieses Album in gerade einmal drei Tagen aufgenommen. Mehr Zeit habe ich dafür noch nie gebraucht.

Klingt nach einem sehr altmodischen, aber auch ökonomischen Ansatz…

Definitiv. Wir wissen schließlich, was wir tun. Wir probieren nicht lange herum, sondern alles steht, bevor wir ins Studio gehen – wir müssen es dann nur noch festhalten.

An ,Nobody Told Me’ sind ein paar illustre Gäste beteiligt. Haben sie ihre Parts per E-Mail geschickt oder dich direkt im Studio begleitet?

Der einzige, der uns während der Aufnahmen besucht hat, war Joe Bonamassa – weil er halt in Los Angeles wohnt und Zeit hatte, vorbeizuschauen. Bei den anderen, die kreuz und quer übers Land verteilt wohnen, war es eher so, dass wir ihnen die Aufnahmen geschickt und sie ihren Teil dazu beigesteuert haben.

Wie hast du die Gäste ausgewählt – kennst du Alex Lifeson, Todd Rundgren und Steven Van Zandt schon länger?

Nein, keinen von ihnen. Aber nachdem es sich herumgesprochen hatte, dass ich nach Gast Gitarristen für ein neues Album suche, haben sie sich bei mir gemeldet – und nicht umgekehrt. Ich musste mich also nicht groß darum kümmern, ein paar Freiwillige zu finden. Was ein schönes Kompliment ist – und das Ergebnis spricht für sich.

Du bist in Macclesfield, in der Nähe von Manchester, aufgewachsen. Wie hast du den Blues für dich entdeckt?

Ganz einfach: Mein Vater, der selbst Gitarrist war, hatte eine riesige Sammlung an Jazz-Platten. Von daher wuchs ich in einem Haus auf, in dem ständig Musik lief. Und mit zehn oder elf Jahren fand ich meine eigene Richtung: Ich entdeckte die Boogie-Woogie-Pianisten und danach hat sich alles von selbst entwickelt. Ganz egal, ob Jazz oder Blues – für mich ist das alles Teil von einer Sache. Nämlich guter Musik.

Wobei du das Glück gehabt haben dürftest, viele deiner Helden noch live zu erleben…

Stimmt. Und ich habe auch mit vielen von ihnen gearbeitet. Der einzige, den ich nie auf der Bühne erlebt habe und mit dem ich nie etwas gemacht habe, war wahrscheinlich Howlin´ Wolf. Mit allen anderen hatte ich dagegen Kontakt – und das Vergnügen, auch mal mit ihnen aufzutreten. Worauf ich wahnsinnig stolz bin.

Erinnerst du dich noch an deine erste Begegnung mit Eric Clapton?

Daran kann ich mich wirklich nicht erinnern. Es ist einfach zu lange her. Aber es muss während seiner Zeit bei den Yardbirds gewesen sein. Denn als er die verlassen hatte und verfügbar war, habe ich ihn verpflichtet. Einfach, weil er ein Gitarrist nach meinem Geschmack war.

Auf ihn folgten Peter Green und Mick Taylor. Was hast du in ihnen gesehen – was hat sie zu Gitarristen nach deinem Geschmack gemacht?

Ich suche immer nach Musikern, zu denen ich eine Beziehung aufbauen kann. Mit deren Spiel ich etwas anfangen kann. Und die ihren eigenen Stil haben, der sie von anderen unterscheidet. Dabei ist es egal, welches Instrument sie spielen – sie müssen nur ihre eigene Note besitzen.

Und diesen Ansatz verfolgst du noch immer?

Schon. Aber in den letzten Jahren war das nicht mehr erforderlich. Greg Rzab am Bass und Jay Davenport an den Drums sind jetzt schon zehn Jahre bei mir. Die einzige Neuerung bei der kommenden Europa-Tournee ist, dass ich jetzt Carolyn Wonderland dabei habe.

Die erste Gitarristin, mit der du je gespielt hast. Wie kommt´s?

Es ist nicht so, als ob ich mich da verweigert oder ein Problem mit Frauen an der Gitarre hätte. Im Gegenteil. Es hat sich einfach nur nie ergeben. Was Carolyn betrifft, so bin ich sehr froh, dass ich sie getroffen habe und sie Lust hatte, mit mir zu spielen. Denn sie hat ihren eigenen Stil und ich mag die Art wie sie dabei vorgeht.

Die Tatsache, dass sie eine Frau ist, macht keinerlei Unterschied für mich. Wenn ich mag, was jemand macht, ist es egal, wo er oder sie herkommt, wer sie beeinflusst hat oder was auch immer. Ich bewerte einen Menschen nur nach seinem Spiel. Das ist alles, was zählt. Und da ist sie ganz hervorragend.

Mayalls Gitarren sind definitiv speziell und teilweise bis zur Unkenntlichkeit modifiziert.
Mayalls Gitarren sind definitiv speziell und teilweise bis zur Unkenntlichkeit modifiziert.

Wie sieht dein aktuelles Setup aus: Was verwendest du auf dem Album und wie festgefahren oder flexibel bist du bei der Wahl deiner Instrumente?

Ich habe mich nie auf ein bestimmtes Instrument beschränkt oder versteift. Deshalb verfahre ich auch nach dem Ansatz: Was immer ich im Studio an Equipment vorfinde, ist gut genug für mich.

Demnach sind Gitarren nur Werkzeuge?

Alle Instrumente sind Werkzeuge. Egal ob Keyboards, Harmonika oder Gitarren. Sie dienen dazu, das, was man ausdrücken will, so gut wie eben möglich rüberzubringen. Und so lange dir das Studio hilft, etwas so festzuhalten, wie es dir vorschwebt, lassen sich dort auch Platten aufnehmen. Ich meine, ich habe nie gelernt, Noten zu lesen oder auf dem Papier zu komponieren. Ich kann nicht mal eine Tonleiter spielen. Insofern ist die Gitarre einfach ein Mittel zum Zweck.

Bedeutet das auch, dass du kein Sammler bist?

Ich muss sagen, ich finde es irre, wie viel manche Leute in bestimmte Instrumente investieren. Nur: Das war halt nie mein Ding. Ich schätze, ich habe vielleicht drei Gitarren. Mehr nicht.

Das ist alles?

Den Rest – also vielleicht ein halbes Dutzend – habe ich 1968 bei einem Feuer verloren. Danach habe ich aufgehört zu sammeln und versucht, mit dem klarzukommen, was ich habe.

Also war der Verlust eine wertvolle Lektion?

Alles im Leben ist eine Lektion. Es ist ein Abenteuer und du lernst von allem, was du erlebst und tust. Du lässt dich einfach treiben.

Und diese drei Gitarren verwendest du auf der Bühne wie im Studio?

Auf Tour habe ich nur eine dabei: Eine halbakustische Gibson von 1957, die ich über die Jahre so modifiziert habe, dass man sie kaum noch erkennt. Das gilt auch für die anderen Modelle: Ich habe da so viel verändert und umgebaut, dass sie nicht mehr viel mit den Original-Instrumenten zu tun haben, aber halt umso mehr mit mir. Und auf Tour reicht mir die eine Gitarre. Wir sind halt nicht die Band, die in großen Bussen reist und ganze LKWs voller Equipment dabei hat. Wir haben einen ganz normalen Mini-Van, also nichts Besonderes. Deswegen ist da auch nicht viel Equipment am Start. Einfach, weil wir das nicht brauchen, um Musik zu machen. Es sind die Musiker an sich, die zählen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Vielen Dank für die Fragen!


Diskografie

Blues Breakers With Eric Clapton (1966)
A Hard Road (1967)
Crusade (1967)
The Blues Alone (1967)
Bare Wires (1968)
Blues From Laurel Canyon (1968)
Empty Rooms (1970)
USA Union (1970)
Back To Roots (1971)
Memories (1971)
Ten Years Are Gone (1973)
The Latest Edition (1974)
New Year, New Band, New Company (1975)
Notice To Appear (1975)
A Banquet In Blues (1976)
A Hard Core Package (1977)
Bottom Line (1979)
No More Interviews (1980)
Road Show Blues (1981)
Return Of The Bluesbreakers (1985)
Chicago Line (1988)
A Sense Of Place (1990)
Cross Country Blues (1992)
Wake Up Call (1993)
Spinning Coin (1995)
Blues For The Lost Days (1997)
Padlock On The Blues (1999)
Along For The Ride (2001)
Stories (2002)
Road Dogs (2005)
In The Palace Of The King (2007)
Tough (2009)
A Special Life (2014)
Find A Way To Care (2015)
Talk About That (2017)
Nobody Told Me (2019)

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2019)

Produkt: Gitarre & Bass 1/2023 Digital
Gitarre & Bass 1/2023 Digital
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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ich durfte John Mayall zweimal live erleben. Das letzte mal 2018. Ein großartiger Musiker, dem man den Spaß an der Musik ansieht und den man bei ihm fühlen kann. Aber auch bei der Band hat man jederzeit das Gefühl, dass die Musiker den Zuhörer gerne Unterhalten und dadurch entsteht einfach tolle Musik. Ein Muss für jeden Bluesfan.

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