Vom „Bassplayer“ zum „Baseplayer“

Interview: Jason Newsted über Metallicas Black Album

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(Bild: Sadowsky)

Während die Aufnahmen zum Black Album für die übrigen Bandmitglieder bereits die fünfte Runde im Studio darstellte, war es für den damals 28-jährigen Jason Newsted erst das zweite, reguläre Metallica-Full-Length-Album, an dem er mitwirkte. Bis heute erinnert sich Newsted gerne an diese äußert arbeitsreiche Zeit und weiß die eine oder andere Anekdote zu berichten.

Jason Newsteds Gedächtnis ist phänomenal. Ohne lange nachdenken zu müssen, kann er sich an jedes noch so kleine Detail aus seiner Zeit bei Metallica erinnern. Egal ob ein Fotoshooting, Konzertdaten, Studiotermine, Equipment oder andere Zusammenhänge – all dies scheint der mittlerweile 58-jährige Bassist wie selbstverständlich auf Abruf parat zu haben.

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Dabei erinnert er sich vor allem an eine großartige und sehr kreative Zeit, die Anfang der 90er-Jahre mit dem Black Album begann und Newsteds Status als einen der renommiertesten Metal-Bassisten überhaupt bis heute festigt. Wie die Aufnahmen abliefen, warum Bob Rock ihn im Studio „einmauern“ ließ und welches Equipment für den fetten Basssound sorgte, erzählt uns ein ausgesprochen gut gelaunter Jason Newsted im Interview.

(Bild: Zamrznuti Tonovi)

INTERVIEW

Jason, schön dass es geklappt hat. Ich kann mir vorstellen, dass deine Perspektive auf das Black Album vielleicht noch nicht so bekannt ist, wie die deiner damaligen Kollegen.

Das kann ich natürlich nicht beurteilen, aber ich genieße es total, mich durch die ganzen Interviews daran zu erinnern. Jetzt wo du es gerade ansprichst: es gibt doch in ,Nothing Else Matters‘ die Textzeile: „Open mind for a different view“. Daran musste ich gerade denken. Ich glaube tatsächlich, dass ich eine ganz interessante Perspektive anbieten kann: Ich bin der einzige Mensch auf diesem Planeten, der anfangs in einer tollen Band war, die mehr oder weniger versucht hat, das zu machen, womit Metallica bereits sehr bekannt waren.

In dieser Band habe ich etwa fünf Jahre gespielt. Danach war ich für 15 Jahre ein Bandmitglied von Metallica und bin nun seit 20 Jahren nicht mehr Teil der Band. Na ja, zumindest spiele ich nicht mehr mit ihnen. Wir sind natürlich immer noch Geschäftspartner und müssen immer mal wieder Dinge entscheiden, um die man sich halt kümmern muss. Ich habe in den letzten 20 Jahren gar nicht so viel Zeit gehabt, zurück auf meine aktive Zeit bei Metallica zu blicken, weil ich immer so viel um die Ohren hatte. Nun habe ich mal ein paar Wochen Zeit und merke, wie viele großartige und positive Erinnerungen ich an diese Zeit habe.

Kannst du dich auch daran erinnern, wie du dich kurz vor Beginn der Aufnahmen 1991 gefühlt hast?

Ich hatte damals einfach wenig Erfahrung, was das Aufnehmen von Alben angeht. Ich kannte eigentlich nur einen Weg im Studio zu arbeiten: alles musste innerhalb von Tagen, manchmal nur Stunden passieren. Es gab eigentlich nie eine Anleitung oder Führung von jemandem außerhalb der Band. Als ich zu Metallica gestoßen bin, ging es vor allem darum, die Band weiter zu etablieren, richtig viel auf Tour zu sein und eine Fanbase aufzubauen. Für das Black Album wurde dann unglaublich viel Geld in die Band investiert, um uns einen Aufnahme-Prozess zu ermöglichen, wie er eigentlich sein sollte.

Wir saßen alle zusammen im Studio, in einem großen Kreis, jeder mit seinen Kopfhörern und ich kann mich erinnern, dass wir alle unglaublich konzentriert gearbeitet haben – wirklich hyperfokussiert! Es war, als würde uns Bob Rock unter einem riesigen Mikroskop beobachten. Mein Gefühl war damals schon, dass dies etwas ganz Neues werden würde. Es hat mir Selbstvertrauen gegeben, dass alle so sehr an Metallica geglaubt haben – mir ging es damals richtig gut. Die vielen Touren hatten meinen Platz in der Band gestärkt und ich fühlte mich richtig zuhause. Ich war eben einer der vier Typen von Metallica. Außerdem glaubte ich sehr an den Beitrag, den Bob Rock uns bieten konnte.

Hat Bob denn im Vorfeld mit dir über die Rolle, die dein Bass auf dem Album spielen sollte, gesprochen? Auf dem Vorgängeralbum war dein Beitrag ja ganz klar zu leise gemischt.

Wir haben Bob ja aufgrund seiner Arbeit, seiner Erfahrung und seiner Reputation zu uns eingeladen, in unser Allerheiligstes. Er sagte mir damals, dass es bisher noch niemand geschafft habe, das einzufangen, was er live von uns gehört hatte. Versteh mich bitte nicht falsch, ,Kill ‘Em All‘, ,Master Of Puppets‘, ‚Ride The Lightning‘, die übrigens meine Lieblingsplatte ist, sind alles brillante Alben, die wir verehrt haben und das bis heute tun. Auch Bob fand diese Alben großartig.

Aber der gesamte klangliche Umfang der Band war zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht auf einer Aufnahme eingefangen worden. Ich war damals ein „Frontman-Bassplayer“. Lemmy, Geddy Lee, Steve Harris – das waren meine Helden. Ich habe mit Plektrum gespielt und oft einen Gitarrenverstärker benutzt, für einen richtig lauten, ätzenden Sound. Bob war der Erste, der mit gezeigt hat, was als Bassist alles möglich ist. Wir sind mit unseren Riesen-Egos ins Studio gegangen – wir alle waren damals schon Multimillionäre und jeder wollte beweisen, dass er der Coolste ist. Ich dachte, ich hätte meinen Sound und meinen Stil schon gefunden. Aber Bob zeigte mir eine für mich ganz neue Herangehensweise an mein Instrument. Vor allem hat er mir gezeigt, wie wichtig es ist, so sauber wie möglich zu spielen – wir alle mussten das!

Das absolut Wichtigste war für Bob Rock aber immer der Gesang – dem mussten sich alle anderen Instrumente unterordnen. Für mich bedeutete das vor allem, weniger zu spielen und mit meinem Bass ein Fundament für die gesamte Band zu bauen, sozusagen den Rest der Band mit meinem Sound zusammenzuhalten. Ich war dafür zuständig, eine Basis zu errichten, auf der zum Beispiel James Hetfields Gitarren noch gewaltiger klingen konnten, als jemals zuvor. Man könnte also sagen, dass ich damals von einem „Bassplayer“ zu einem „Baseplayer“ geworden bin.

Würde man den Bass stummschalten, würde der Mix des Black Albums wahrscheinlich ziemlich in sich zusammenfallen.

Ja, da hast du recht. Der Bass ist das Betonfundament, auf dem das gesamte Gebäude steht.

Erinnerst du dich noch, wie lange es gedauert hat, deine Bass-Parts einzuspielen?

Das ist etwas schwierig zu sagen, weil es kein linearer Prozess war. Ich habe immer mal wieder hier und da ein paar Tage eingespielt. Aber insgesamt waren es auf jeden Fall mehrere Wochen, wenn man die einzelnen Tage zusammenrechnet.

Stimmt eigentlich diese Geschichte mit der Schaumstoff-Mauer, die Bob Rock im Regieraum um dich herum aufbauen ließ?

Hahahahaha … oh ja, die ist absolut wahr. Schau, es gab in meinem Leben eine – sagen wir mal – fragwürdige Zeit. Ich war im Grunde obdachlos und ich besaß einen Schlafsack, eine Kühlbox und meinen Bass. Einen Verstärker hatte ich nicht, und wenn ich das, was ich spielte auch hören wollte, musste ich einfach sehr hart und laut mit dem Plektrum anschlagen. Das mache ich bis heute so, das ist der Grund, warum ich klinge, wie ich klinge.

Im Regieraum ist natürlich alles sehr leise und Bob hörte viel über einen kleinen Auratone-Lautsprecher ab – da waren störende Geräusche natürlich eine Katastrophe. Als ich dann meine Parts einspielen sollte, ist Bob völlig verzweifelt, weil das Anschlagsgeräusch meines Plektrums unglaublich nervig beim Abhören durch die Monitore war. Also musste Zach Hamon, unser Chefroadie, eine etwa 20cm dicke Wand aus Schaumstoff um mich herumbauen, die so hoch war, dass ich so gerade noch darüber schauen konnte.

Gab es damals einen Hauptbass, mit dem du das Album eingespielt hast?

Im Grunde waren es drei Bässe, die ich benutzt habe. Das allermeiste habe ich mit einem Spector eingespielt, ein Teil aus den frühen 80erJahren – ein NS2, wenn ich mich richtig erinnere. Dann hatte ich einen Fender Precision von 1958, den ich zum Beispiel auf ,The Unforgiven‘ benutzt habe. Und dann war da noch ein Fünfsaiter-Fretless-Bass von Zon mit einem Walnuss-Korpus, den ich auf ,Nothing Else Matters‘ gespielt habe. Dieser komische Effekt-Sound auf ,Wherever I May Roam‘ ist ein Hamer-12-Saiter. Als Verstärker habe ich meinen alten Ampeg SVT benutzt und meine Ampeg-8x10erBox, die ich, als ich noch bei Flotsam And Jetsam gespielt habe, auf Raten kaufen musste. Die müsste Baujahr 1982 sein.

Du wurdest dann auch ziemlich schnell Ampeg-Endorser. Ich kann mich an die Werbung erinnern, wo du vor einer Wand aus Ampeg-Boxen stehst.

Ja, stimmt. Ist das nicht bescheuert? Als ich noch wirklich arm war, musste ich mir mein Equipment mühsam ersparen und als ich genug Geld hatte, um mir jeden Verstärker kaufen zu können, kriegte ich sie umsonst. An das von dir angesprochene Fotoshooting erinnere ich mich übrigens gut: St. Louis Music (die Firma, der damals Ampeg gehörte – Anm. d. Verf.) hat einen ganzen LKW voller Ampeg-Equipment zu dem Ort gebracht, an dem wir gerade spielten. Zach und unsere Roadies haben dann diese Mauer aus Boxen auf unserer Bühne aufgebaut, die immer höher wurde. Ich stand da und staunte wie ein kleines Kind im Spielzeugladen.

Um zu deiner Frage von eben zurückzukommen: Neben meinem Ampeg-Rig hatte ich noch einen Fender-400-PS-Verstärker, der etwa so schwer wie ein Auto war – ein Riesenteil! Dazu hatte ich eine Fender-15“-Box mit Bassreflexöffnungen, die dafür da war, das richtig tiefe Low End meines Sounds zu übertragen. Wir haben dann ein Mikrofon ein paar Meter entfernt aufgestellt, um diesen Sound einzufangen. Und jetzt muss ich etwas aufpassen, um das Ganze nicht mit meiner Zeit bei Voivod zu verwechseln: Ich glaube, dass ich auch bei Metallica einen kleinen 10-Watt-Marshall-Combo hatte, den ich mit einem direkt auf die Kalotte gerichteten SM57 abgenommen habe. Ich hatte also drei Rigs: die Fender-Anlage für die ganz tiefen Frequenzen, den Ampeg für den normalen Bass-Sound und den Marshall für das ganz hohe, fiese Kratzen im Ton. Außerdem haben wir ein Direktsignal über eine Evil-Twin-DI-Box laufen lassen. Aus all dem hat Bob dann den Sound zusammengemischt, den wir letztendlich verwendet haben. Auf der Tour hatte ich dann ein paar Racks voll mit Ampegs SVT II. Als dann später die Reissues der alten SVTs kamen, habe ich die Topteile einfach in ein Rack gepackt.

Ich wusste übrigens gar nicht, dass du mal einen Spector gespielt hast. Ich hatte dich in den späten 80ern immer bei Alembic und in den 90ern bei Sadowsky vermutet.

Alembic habe ich schon vor den Aufnahmen zum Black Album gespielt, das ist richtig. Das muss so um 1989 gewesen sein. Die Teile habe ich dann bis zum Ende der Black-Album-Tour gespielt. Davor hatte ich ein paar Bässe von ESP. Den Spector habe ich eigentlich nur auf dem Black Album eingesetzt und auf einer Menge der Aufnahmen meiner Chophouse Band, die dieses Jahr übrigens ebenfalls 30 Jahre alt wird. Auf Sadowsky-Bässe bin ich 1994 gestoßen und danach habe ich ausschließlich Rogers Instrumente gespielt – sowohl live als auch im Studio.

(Bild: Archiv)

Als ich Bob die Sadowsky-Bässe zum ersten Mal gezeigt habe, war er total platt. Bis dahin war er ein riesen Spector-Fan, vor allem wegen Loverboys ,Turn Me Loose‘. Aber die Sadowskys haben ihn dann völlig überzeugt. Ich habe sogar den Bass, der auf der Loverboy-Aufnahme zu hören ist, mal gespielt, ein alter Spector aus den späten 70ern. Aber für mich war das irgendwie nichts. Ich habe dann aber nach einem gesucht, der mir gefiel, und zu Beginn der Aufnahmen 1991 fand ich einen schwarz lackierten NS2 – den ich natürlich super fand, weil er schwarz war. (lacht)

Erinnerst du dich denn noch, wie genau du an Sadowsky geraten bist?

Das war, als wir gerade das ,Load‘-Album in New York aufgenommen haben. Wir haben damals in Manhattan gelebt, und ich bin unglaublich gerne mit meinem Mountainbike durch die Gegend gefahren. Irgendwie bin ich dann bei Aguilar im Shop gelandet, die ja damals im gleichen Gebäude wie Roger waren. Beide Firmen haben sich einen Showroom geteilt – so konnte ich beide Marken anchecken. Der erste Sadowsky, den ich ausprobiert habe, war blau, mit einem Rosewood-Griffbrett und schwarzer Hardware. Den Bass habe ich sofort gekauft. In den darauffolgenden Wochen durfte ich dann noch einige Bässe ausleihen und antesten.

Ich habe damals nach den Aufnahme-Sessions mit ein paar Freunden, mit denen ich später bei Echobrain gespielt habe, gejammt. Da hatte ich Gelegenheit, die Sadowskys in Ruhe zu testen. Ich war vollkommen umgehauen, und von da an konnten sie mir die Bässe gar nicht schnell genug bauen. Und glaub nicht, dass Roger Sadowsky irgendwie beeindruckt war, dass ich in einer sehr bekannten Band spielte – das war ihm völlig egal. Ich wurde behandelt, wie ein normaler Kunde. Aber es war unglaublich, wie viel Roger mir damals gezeigt hat. Der Typ ist einfach der Wahnsinn!

Roger Sadowsky und Jason Newsted (Bild: Sadowsky)

Ich habe die Bässe übrigens 1993 das erste Mal gesehen. Damals war ich in der Show von Conan O’Brien zu Gast, und Michael, der Bassist der Show-Band, hatte einen Sadowsky, den er mir zeigte. Schon damals war ich total beeindruckt. Und was ich noch sagen muss: Roger hat sich immer sehr nett um mich gekümmert, egal was für komische Wünsche ich hatte.

Ich finde es übrigens unglaublich, was für ein Gedächtnis du hast. Das Ganze ist ja immerhin schon knapp 30 Jahre her.

Ich hatte einfach eine wahnsinnig gute Zeit bei Metallica. Und es hat mir wirklich sehr sehr viel bedeutet. Ich habe absolut alles gegeben, was ich konnte. Absolut alles! Und egal was du in der Presse liest, egal wie sehr ich aus dem Kontext hier und da zitiert werde: Ich hatte eine unglaublich positive und schöne Zeit mit den Jungs. Es war eine Erfahrung, auf die ich extrem stolz bin. Das ist sicher nichts für jeden, man muss dafür irgendwie gemacht sein. Aber wir haben von den Fans so unheimlich viel positives Feedback bekommen.

Erfolg wird meistens in Dollar oder irgendwelchen Awards beziffert, aber das ist doch alles Quatsch: Es geht darum, ob man es schafft, bei seinem Publikum eine Emotion auszulösen. Und ganz ehrlich: Wenn Lars mich jetzt gleich anruft und fragt, ob ich irgendwo bei einer Show ein paar Songs mit Metallica spielen würde – einfach so zum Spaß – wäre ich sofort dabei.


(erschienen in Gitarre & Bass 12/2021)

Produkt: Gitarre & Bass 5/2022 Digital
Gitarre & Bass 5/2022 Digital
IM TEST: Zoom B6 +++ Framus Wolf Hoffmann WH-1+++ Valco FX KGB Fuzz, Bloodbuzz und Five-O +++ Sandberg California Central +++ Origin Effects Bassrig +++ Lava ME 2 Freeboost & ME 3 +++ One Control Strawberry Red +++ Fender Player Plus Meteora HH & Active Meteora Bass +++ Marshall 2525H & JVMC212 Black Snakeskin LTD

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