Die Ruhe nach dem Sturm

Interview: J Mascis & Dinosaur Jr.

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(Bild: Cara Totman)

J Mascis gilt dank stilprägender Garage-Rock-Alben seiner ohrenbetäubend lauten Band Dinosaur Jr. in den 80ern und 90ern nicht nur als Grunge-Vorreiter und Noise-Koryphäe, der 55-Jährige hat sich seitdem auch als schwieriger und wortkarger Interview-Partner einen Namen gemacht. Anlässlich des neuen auf Melodie und zugängliche Country-Soundästhetik fokussierten Albums ‚Sweep It Into Space‘ erwischten wir den Mastermind aber an einem besseren Tag und konnten mit ihm über seine liebsten Vintage-Gitarren, Musik während der Pandemie und die Arbeit mit Kurt Vile sprechen.

INTERVIEW

J, hat die Pandemie den Produktionsprozess des Albums beeinflusst?

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Das Album war größtenteils fertig, als die Pandemie losging. Auch alle Gesangsaufnahmen. Die letzten Dinge, wie Gitarren-Overdubs und Keyboards, musste ich dann selbst engineeren. Das war komisch – ich bin nicht gut darin, Tontechniker zu sein. Da musste ich also etwas herumprobieren, bis ich es raushatte, mich selbst aufzunehmen. Der Typ, der das Album gemixt hat, hat das auch woanders gemacht. Ende April war aber alles fertig und gemastert. Seitdem warten wir darauf, dass es veröffentlicht wird.

Die Zeit hast du also damit verbracht, alleine Musik zu machen?

Ja, ich spiele einfach für mich selbst etwas. Ich habe ein bisschen Zeug für Heavy Blanket (Nebenprojekt von J Mascis, Anm. d. Aut.) aufgenommen, ein Instrumental-Album. Und ich habe versucht, ein paar Songs für ein Soloalbum zu schreiben. Und manchmal spiele ich einfach nur Gitarre und Schlagzeug.

Das Artwork zum neuen Album

‚Sweep It Into Space‘ könnte euer melodischstes und leisestes Album bis dato sein. Wie kam es dazu?

Ich bin nicht sicher – ich habe es noch nicht mit unseren anderen Alben verglichen. Es ist einfach das, was dieses Mal herausgekommen ist. Wir hatten aber natürlich Kurt Vile da, der den Vibe vielleicht ein bisschen aufgelockert hat. Ich hatte das Gefühl, dass die anderen sich in seiner Nähe entspannter gefühlt haben. Und er hat ein paar Gitarren und Vocals hinzugefügt, die dem Ganzen eine andere Perspektive geben. Er gab etwas zu unserer Chemie hinzu, das einfach anders war.

Was genau steuerte er zum Album bei?

Er spielte einfach etwas Gitarre und sang verschiedene Sachen. Wenn es mir gefiel und ich dachte, dass es dem Song etwas gab, ließ ich es drin. Ansonsten war er aber oft auch nur der Cheerleader und spornte die anderen Jungs an, als sie versuchten, die Songs zu lernen. Permanent zu Demotracks zu spielen, kann etwas ermüdend sein. Früher haben wir erst geprobt und dann aufgenommen, sobald wir die Songs kannten. Heute starten wir direkt mit dem Recording. Also üben wir im Grunde auch noch während der Aufnahme, was sich manchmal etwas lästig anfühlt. Und gerade anfangs klingen die Songs dann auch noch nicht so toll.

Die Single ‚I Ran Away‘ eröffnet ihr mit einem wunderbar twangigen Country-Leadsound. Stammt der auch von Kurt?

Genau, das spielte er mit meiner Rickenbacker-Zwölfsaiter, durch einen AC30. Er hat danach sogar die gleiche Gitarre gekauft, weil er sie so gerne mochte. Sie stammt aus den 60ern, glaube ich.

Welche anderen Instrumente und Amps hast du auf ‚Sweep It Into Space‘ gespielt?

Lange habe ich eine Les Paul Junior über einen Tweed-Amp gespielt, das war mein Rhythm-Ton. Vor ein paar Jahren bekam ich dann eine Les Paul TV Junior, die ich schon immer haben wollte. Die ist von 1957. Die spiele ich meistens durch einen Fender Bandmaster oder einen Tweed Deluxe. Außerdem habe ich noch eine Telecaster von 1958, die ich gerne für Lead-Sounds benutze. Die spiele ich immer über einen Vox AC15 von 1959. Dazu probiere ich irgendwelche Pedale aus – ich benutze immer mindestens ein Pedal. Meistens aber eher fünf oder sechs. Ich versuche einfach, einen Sound zu kreieren, der für mich interessant klingt.

J Mascis mit seiner Squier Signature Jazzmaster (Bild: Cara Totman)

Verschiedene Gitarren zu benutzen, um andere Sounds zu kreieren, inspiriert mich – besonders bei Lead-Melodien. Ich habe auch ein wenig die St.- Vincent-Gitarre von Ernie Ball gespielt, weil die sehr gut in Stimmung bleibt. Viele der neuen Songs haben einen Capo auf dem neunten Bund und die Stimmung vieler alter Gitarren hält dort nicht besonders. Aber die Ernie Ball kommt damit gut zurecht. Die Mini-Humbucker habe ich vorher nie benutzt, aber irgendwie haben sie es mir angetan. Die klingen echt cool. Und es gab auch noch eine Les Paul Deluxe mit Mini-Humbuckern, die ich manchmal gespielt habe. Ich war während des Album-Entstehungsprozesses in einer Thin-Lizzy-Phase und wollte die Gitarre haben, die sie hatten. Daher habe ich diese Les Paul für Rhythm-Sounds genommen, über einen AC30. Größtenteils benutze ich also alten Kram, außer der St.-Vincent-Gitarre.

Hast du wieder mit neuen Pedalen herumexperimentiert?

Ja, ich habe mir ein Fulltone Rangemaster gekauft, das ist cool. Und unterschiedliche Fuzz-Pedale. Ich habe ein Tonebender MKI benutzt. Den Jerms Tonebender spiele ich immer noch sehr viel. Ansonsten habe ich bestimmt über hundert Pedale. Davon verkabel ich dann einfach ein paar, um zu schauen, ob es cool klingt.

Wie hat sich dein Gear über die Jahre verändert?

Ich probiere immer neue Sachen aus. Als wir anfingen, hatte ich nicht viel Geld, also benutzte ich einfach das, was gerade da war. Als ich dann mehr Geld hatte, versuchte ich, Dinge zu kaufen, die einen anderen Klang besaßen – einen, der mir gefiel. Viele Gitarren beispielsweise, um all die Gitarrensounds abzudecken, die ich kannte und erreichen wollte. Pedale, um neue Sounds zu kreieren, die mich inspirieren.

Viele ältere Bands werden mit zunehmender Zeit nicht gerade besser, während eure jüngeren Alben auf großen Anklang bei Fans und Kritikern stießen. Was ist deiner Ansicht nach der Grund dafür?

Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke bei vielen Bands, die sich wieder zusammentun, genauso. Ich sah die Band Magazine, als wir ein Festival mit ihnen spielten, und mochte sie sehr. Dann machten sie ein neues Album, und das gefiel mir überhaupt nicht. Ich weiß nicht, warum.

Wie stehst du zu der Ansicht, dass alle Songs und Melodien bereits geschrieben wurden? Wie gehst du ins Songwriting?

Ich denke darüber nicht nach. Es ist einfach so, dass wir mit dem Touren weitermachen wollen, also müssen wir ein Album machen und brauchen neue Songs, um sie zu singen. Es hat also mit dem Touren zu tun – es ist so, wie als wir angefangen haben: Ein Album war eher wie eine Werbung für dich, um Gigs spielen zu können. Es war besser, in einem Club ein Album weiterzugeben, als ein Demotape. Du wirst dadurch ernster genommen. Es war also wie ein Flyer für die Shows. Und ich denke, heute ist es so wie früher: Man macht ein Album, um mehr Shows zu spielen.

Wie fühlt es sich für dich an, dass das gerade nicht stattfinden kann?

Es ist schwierig, weißt du. Manchmal weiß ich nicht so recht, was genau ich tun soll. Dass ich das so lange gemacht habe und es plötzlich nicht mehr kann – das ist sehr merkwürdig.

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2021)

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