Stringshaker

Interview: Airbourne

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(Bild: Universal / Travis Shinn)

2007 war die australische Band mit ihrem Debüt ,Runnin‘ Wild‘ eine Sensation. Der unglaublich straighte Hardrock in der Tradition von AC/DC und Rose Tattoo sowie die energetischen Auftritte der Brüder Joel (g, voc) und Ryan O’Keeffe (dr) plus David Roads (g) und Justin Street (b) sprachen Heavy-Fans über Genre-Grenzen hinweg an. Es folgten drei weitere Studioalben, 2016 ,Breakin‘ Outta Hell‘, mit denen das Quartett zu einer festen Größe im Rock-Geschäft avancierte.

Zuletzt kam mit ,Boneshaker‘ ein richtig starkes Album, auf dem Airbourne stellenweise reduzierter klingen, zugunsten kompakter Songs und purer Gitarren-Sounds. Auf dem Album spielt erstmals Harri Harrison mit, der vor zwei Jahren für Rhythmiker Roads in die Band kam. Wir sprachen mit dem Neuen über Recording, Gitarren, Amps und Rock‘n‘Roll.

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(Bild: Universal / Danny Kötter)

Interview

Harri, wie bist du zu Airbourne gekommen?

Ich bin schon seit Jahren mit den Jungs befreundet. Ich habe mich jahrelang regelmäßig mit Joel getroffen, und wir haben dann bis in den frühen Morgen gejammt. David entschied sich die Band zu verlassen, um auf dem Familienhof zu arbeiten. Sie haben mich dann gefragt einzusteigen und es war einfach, mit ihnen auf Tour zu gehen. Es fühlte sich so an, als hätten wir dies seit Jahren schon so gemacht. Jetzt habe ich meine erste Platte mit der Band und es wird sehr cool sein, die neuen Stücke zu spielen.

Joel O‘Keeffe geht mit seinen Gibson-Explorer- Modellen gerne mal an die frische Luft (Bild: Universal / Danny Kötter)

Kommst du auch aus Warrnambool/ Victoria wie der Rest der Band?

Nein, ich wuchs in der Nähe von Melbourne auf, vielleicht 45 Minuten von der Stadt entfernt. Ich mochte die Vegetation dort und es gab als Kind viel Platz, um Krach zu machen und später die Gitarre in den Marshall zu stöpseln, ohne dass es irgendwelche Beschwerden über Lärmbelästigung gab.

Welche Musik hast du damals gehört?

Mein Interesse an der Musik und speziell an der Gitarre begann so etwa mit zehn Jahren, als mir eine meiner Tanten zu Weihnachten eine Queen-Compilation schenkte. Sie hieß ,Queen Rocks‘ und war mein erstes eigenes Album, neben der Plattensammlung meiner Eltern. Die bestand aus AC/DC, Deep Purple und solchen Sachen. Ich fing an mein Taschengeld zu sparen, um Vinyl-Platten und später auch CDs zu sammeln. Meine erste Gitarre bekam ich mit zwölf. Ich habe fast die nächsten 20 Jahre damit verbracht, mich leidenschaftlich mit dem Instrument auseinanderzusetzen. Ich habe mir die ganzen Platten angehört, viel gelesen und herausgefunden, wie die Musiker ihren Krach gemacht haben, welche Amps, Gitarren und sonstige Sachen sie benutzten.

Hattest du damals Gitarrenunterricht?

Ja, so im Alter von 13 bis 17. Das gute war, dass der Lehrer kein sehr viel älterer Erwachsener war, der mir Dinge beibringen wollte, die mich nicht interessierten. Er war nur vier Jahre älter als ich und wir waren an ähnlichen Sachen interessiert. Dadurch lernte ich das, was ich mit der Gitarre machen wollte, anstatt mit einem Klassiklehrer aus einem Notenbuch zu lernen. Nach sechs Monaten bekam ich ein WahWah-Pedal, sodass ich ausprobieren konnte, wie Hendrix diese ganzen Geräusche machte. Das war sicher furchtbar anzuhören, aber es hat mich angetrieben herauszufinden, wie diese Typen ihre Sounds machten.

Angus Young hatte einen massiven Einfluss. In der Theorie sind die Sachen von AC/DC für Anfänger und Fortgeschrittene simpel genug, um etwas zu spielen, das zumindest ,Highway To Hell‘ oder ,Back In Black‘ ähnelt. Wenn du mehr über die Gitarre herausfindest, merkst du, dass ihre Songs schwieriger und komplizierter sind, als man am Anfang denkt. Als ich älter wurde, hatte ich im Vergleich zu vorher eine viel größere Wertschätzung für Malcolm und die Schönheit der Einfachheit.

Du warst vor Airbourne bei Palace Of The King. Wo siehst du musikalisch den Unterschied zwischen beiden Bands?

Palace Of The King war eine größere Band mit Keyboarder und zwei Gitarristen. Deswegen gingen wir natürlicherweise mehr in Richtung solcher Bands wie Deep Purple und Black Crowes. Ich hatte ein Pedalboard mit einem Fuzz, einem WahWah und einigen weiteren Effekten. Und die wurden ständig eingesetzt. Selbstverständlich sind die Herangehensweise und der Sound von Airbourne sehr viel einfacher. Es gibt keine Effektpedale zwischen Gitarre und Amp. Das ist zwar auf den ersten Blick einfacher, aber es zwingt dich dazu, ein besserer Musiker zu werden und in der Lage zu sein, mehr Ton und mehr Klänge nur mit deinen Händen zu produzieren, anstatt dich auf ein Pedal zu verlassen. Ich habe gelernt, wie man den Lautstärkeregler der Gitarre einsetzt. Es ist wunderbar, Sounds nicht mit Effektgeräten, sondern nur mit einem Stück Holz mit Saiten drauf zu machen.

Manche der neuen Songs klingen vom Gitarren-Sound her sehr nach den frühen AC/DC. Und im Vergleich zum letzten Album klingen die Gitarren insgesamt etwas trockener. Weniger nach 80er-Metal, dafür mehr nach 70er-Hardrock. War das Absicht oder Zufall?

Unser Produzent Dave Cobb ist im Herzen Rock‘n‘Roller, er liebt dieselbe Musik wie wir und ist selbst Musiker. Er hat eine riesige Sammlung von Vintage-Gitarren und -Amps und alle möglichen Spielsachen zum Ausprobieren. Besonders am ersten Tag kamen wir uns vor wie im Süßigkeitenladen. Ich denke, wir sind automatisch bei dem Sound gelandet, den wir uns vorgestellt hatten. Den wir lieben und genauso wollten. Es ging nur darum, die Dinge im ersten oder zweiten Take einzufangen, eben diese natürliche Energie, wenn du sogar noch nicht mal den Song vernünftig gelernt hast.

Das ist wohl eine australische Herangehensweise, die Saiten hart anzuschlagen und ausdrucksvoll zu spielen und dabei deine rechte Hand einzusetzen, um etwa mit dem Handballen in der Strophe die Saiten abzudämpfen. Das ist dieser Aussie-Pubrock-Sound. Letztlich haben wir unsere Lieblingsgitarren ins unsere Lieblingsverstärker eingestöpselt und losgelegt.

Habt ihr sehr laut aufgenommen?

Ja, wir haben große Amps benutzt. Das Studio A, in dem wir aufgenommen haben, ist ein großer, mit Holz verkleideter Raum, der ursprünglich entworfen worden war, um 100-köpfige Orchester aufzunehmen. Wir bauten uns nebeneinander auf: Bass, Gitarren und Drums, wie bei einem Live-Gig. Die Gitarren waren superlaut, weil wir alle Non-Master-Volume-Verstärker mögen, die wir für die meisten Parts benutzt haben. Wir waren eben scharf darauf, eine Platte zu machen, die eine rohe Art von Schlag-Ins-Gesicht-Energie hat.

Justin Street mit Fender Precision Bass (Bild: Universal / Danny Kötter)

Und wie stellst du dann deine Marshall-Amps ein?

Ich tendiere zu einem etwas dunkleren, härteren Sound in den tieferen Mitten. An einem klassischen Marshall-Verstärker drehe ich den Presence-Regler fast aus, er steht zwischen null und zwei. Der Bass-Regler ist weit aufgedreht, so bei acht, neun oder zehn. Bei Middle und Treble kommt es auf den Raum an und auf die Gitarre. Sie stehen so etwa bei sechs. Und den Volume-Regler drehten wir auf, weil wir die Rhythmus-Tracks verzerrt wollten. Dann habe ich den Volume-Regler der Gitarre so weit zurückgedreht, dass die Verzerrung weniger wurde, aber der Klang immer noch groß und ausdrucksstark war. Das ergibt einen wirklich starken crunchy Gitarren-Sound.

Habt ihr bei den Aufnahmen zu ,Boneshaker‘ eure Gibson-Explorer-Modelle eingesetzt?

Nein, eigentlich nicht. Interessanterweise habe ich fast in allen Stücken für meine Rhythmusgitarren-Parts Semiacoustic- oder Hollowbody-Instrumente benutzt – von Gibson oder bei ein oder zwei Songs auch eine Gretsch Black Falcon.

Harri Harrison mit Gretsch Black Falcon
Mr. Harrison und Gibson Explorer mit TV-Jones-Powertron-Tonabnehmer

Aber meistens war das eine ganz neue Gibson ES-335 Custom, die, glaube ich, auf einer 1958er basierte. Und wie du vorhin gesagt hast, haben die Gitarren einen klassischen Sound und gehen ein bisschen in Richtung 70er-Jahre. Ich habe auch noch auf einem Song eine Gibson Les Paul Junior mit P-90-Tonabnehmer benutzt, die nochmal etwas anders klang und etwas vollkommen anderes war im Vergleich zu den Gitarren, die wir live spielen. Aber im Studio klang sie einfach perfekt.

Du spielst vergleichsweise recht dicke Saiten.

Ja, definitiv. Das liegt an meiner Rolle in der Band als Rhythmusgitarrist. Der Aussie-Pubrock-Sound ist sehr rau und punchy. Und das erreicht man am besten mit dickeren Saiten. Aber im Studio ging es in erster Linie darum, die richtigen Gitarren zu finden. Wir wären wahnsinnig geworden, wenn wir ständig die Saiten von Daves Gitarren gewechselt hätten. Daher gibt es einige Songs, die wir mit Saiten in Standard-Stärken eingespielt haben. Wir schlugen die Saiten wie gewohnt kräftig an, und wenn in einem Stück in der Mitte die Saiten verstimmt waren, ließen wir es drin, sofern die Energie stimmte.

Habt ihr im Studio die Basic Tracks live eingespielt?

Ja, absolut! Üblicherweise lief es folgendermaßen ab. Wir kamen morgens ins Studio, nahmen uns einen Kaffee, griffen nach unseren Instrumenten und saßen auf den Amps herum. Wir haben dann eher rein akustisch an den Song-Ideen gearbeitet. Es beginnt meistens mit einem coolen Riff. Und dann bilden wir etwas darum, das sich anfühlt wie ein Song. Dann stöpseln wir uns in die Amps, fangen an zu spielen, schauen uns dabei an und lernen so den Song.

Dave war zunächst dabei und schlüpfte dann in den Regieraum. Er kam zurück und wir sagten: ,Super, wir haben den Take!‘ Wir kannten den Song noch gar nicht richtig. Wir gingen zurück in den Regieraum, hörten uns die Aufnahmen dann an und sie hatten die Art von roher Live-Energie, die wir wollten. Auf diese Art und Weise haben wir sehr coole Momente eingefangen, die nicht möglich gewesen wären, wenn wir alle einzeln eingespielt hätten, oder so etwas.

,Boneshaker‘ ist dein erstes Album mit Airbourne. Warst du auch am Songwriting beteiligt?

In Australien hatten wir schon gemeinsam Songs geschrieben und an ihnen gearbeitet. Und wir hatten bereits höllisch viele Sachen. Aber im Studio wollte Dave dann davon nichts hören. Er will eben mehr den Moment einfangen anstatt an Dingen zu arbeiten. Auf dieser Platte ist noch nichts, was ich geschrieben habe, aber ich bin sicher, dass dies in der Zukunft geschehen wird. Wir hoffen, dass wir das nächste Album wieder mit Dave machen werden. Wir mochten alle die Art und Weise wie die Platte entstanden ist.

Ihr habt die Aufnahmen in Nashville gemacht. Hat euch die Stadt mit ihrer langen Musiktradition in irgendeiner Weise beeinflusst?

Definitiv. Wir haben zwar keine Banjos und Geigen auf dem Album, aber was Instrumentierung und Herangehensweise betrifft, so konnte dies nur in Nashville passieren. Die Musikszene dort ist wirklich wunderbar. Die coole Sache an Country-Musik ist, dass der Rock‘n‘Roll von ihr und vom Blues kommt. Eine Country-Band besteht oft nur aus Gitarren, Bass, Drums und Gesang. Um diesen Kern werden dann andere Instrumente hinzugefügt. Country wurde nicht von der modernen Technik überrollt, es geht immer noch darum, den Sound deiner Lieblingsgitarre und deines Lieblingsverstärkers direkt einzufangen, anstatt alles durch Millionen von Prozessoren oder Computern zu schicken. Das war der Haupteinfluss auf der Platte. Ich denke, das hat uns Selbstvertrauen gegeben, sodass wir in der Lage waren, ohne Regeln live aufzunehmen und am Ende eine Platte hatten, mit der wir glücklich sind.


Airbourne Live-Gear

Harri Harrison

Gitarren:

  • 3x Gibson Explorer mit TVJones-Powertron-Pickups
  • 2x Gretsch Black Falcon
  • Gibson ES-335

Verstärker:

  • Marshall Silver Jubilee Reissue
  • Marshall 1959HW
  • Marshall JCM800

Cabinets:

  • Marshall 4×12“ mit Celestion-Vintage-30-Lautsprechern

Picks:

  • 1mm Dunlop Sharp Tortex

Saiten:

  • Ernie Ball .012-.054, Ernie Ball .013-.056 (für Eb- & D-Stimmung)

Joel O‘Keeffe

Gitarren:

  • 5x Gibson Explorer mit verschiedenen Seymour-Duncan-Tonabnehmern
  • Gibson SG ‘61 Reissue
  • Gretsch G6131-MY Malcolm Young Jet
  • Gretsch White Falcon

Verstärker:

  • Marshall Silver Jubilee Reissue
  • Marshall 1959HW
  • Marshall JCM800

Cabinets:

  • Marshall 4×12“ mit Celestion-25W-Greenback-Lautsprechern

Effekte:

  • SoloDallas Schaffer Replica Tower

Picks:

  • 1mm & 1.14mm Dunlop Sharp Tortex

Saiten:

  • Ernie Ball .009-.042, Ernie Ball .011-.046 (für D-Standard-Stimmung)

Justin Street

Bässe:

  • 3x Fender Precision Bass

Verstärker:

  • Ampeg SVT-VR

Cabinets:

  • Ampeg SVT-810E

Effekte:

  • Tech 21 SansAmp Rack Mount

Picks:

  • 1.14mm Dunlop Sharp Tortex

Saiten:

  • Ernie Ball .050-.110

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2019)

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