Im Interview

Gary Clark Jr.: Drei sind keiner zuviel

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Gary Clark JR(Bild: Warner)

In kurzer Zeit hat sich der Texaner in der Blues-Hierarchie weit nach oben gespielt und prominente Fans von Clapton bis Obama gewonnen. Anlässlich seines neuen Albums ‚This Land‘ sprachen wir mit dem 35-Jährigen über seine Liebe zum P-90-Pickup, die Veränderungen seit seinem letzten Werk und seine Wurzeln in Austin.

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Gary, man kannte dich lange Zeit mit einer Epiphone Casino, mittlerweile ist die Gibson SG die Gitarre deiner Wahl. Was gibt dir die SG, was die Casino nicht hat – abgesehen von ihrem Look und dem dritten P-90-Tonabnehmer?

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(schmunzelt) Weniger Feedback bei hohen Lautstärken. Außerdem ist sie ein bisschen leichter, ich kann mich also besser bewegen. Die Casino ist vollkommen hohl, sie sind also beide leicht, ich kann mich nicht beschweren… Was den Ton angeht: Ich liebe den Sound der drei P-90-Pickups. Das ist etwas, was ich zuvor noch nie gespielt hatte. Es gibt mir eine größere Bandbreite an Sounds, mit der ich noch immer experimentiere. Ich finde jeden Tag neue Sachen heraus. Es ist wie ein neues Spielzeug.

Wie kam es zu dieser Gitarre? Trat Gibson an dich heran oder war es deine Idee, die dann umgesetzt wurde?

Wenn ich die Fakten richtig im Kopf habe, stammt die Idee von meinem Gitarrentechniker und Production Manager Dave Holman sowie Patrick Genovese von Gibson. Diese beiden Genies brachten mir einen Haufen Gitarren zum Ausprobieren und kamen schließlich damit an.

Wie sind die Pickups verkabelt? Wie bei einer Strat mit einem Fünfweg-Schalter?

Ja, und das ist wunderbar. Das ist für mich komplett neues Terrain. Drei P-90 und ein Fünfweg-Schalter – damit bin ich im Himmel.

Warum überhaupt der P-90? Wieso hast du diesen Pickup für deinen Sound gewählt?

Ich habe vorher sowohl Strats und Telecasters als auch klassische Humbucker-Gitarren gespielt. Als ich dann meine erste Casino in die Hand genommen und den Sound eines P-90 über einen Fender Princeton Reverb gehört habe, war das Liebe auf den ersten Anschlag. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie etwas so wunderschönes gehört.

Hast du auf dem Album neben deinen Fender-Amps auch für dich neues Equipment verwendet?

Habe ich, und zwar ein Cesar-Diaz-100- Watt-Topteil. Es lief über eine Marshall-Box, ich glaube, es war ein 4×12“-Cabinet, ganz sicher bin ich mir aber nicht. Ich habe das Teil voll aufgerissen – es war der lauteste und großartigste Ton, der mir je untergekommen ist. Die Kombination mit den neuen SGs war sehr inspirierend.

Zu deinem charakteristischen Ton gehört auch ein Wah. Dein Techniker Dave hat einmal gesagt, dass du den „Under Water“-Sound magst. Was ist das?

Ich habe ihn das noch nie sagen hören. (lacht). Für diesen „Under Water“-Sound nehme ich das Wah zurück, bewege das Pedal also in die obere Position und befinde mich damit in den unteren Registern. Ich mag diesen Ton, vor allem in Kombination mit dem Hals-Pickup und dem voll aufgerissenen Tone-Poti. Das klingt wie die Stimme der Lehrerin von Charlie Brown bei den Peanuts.

Gary Clark JR(Bild: Warner)

Dein letztes Studioalbum ‚The Story Of Sunny Boy Slim‘ kam im September 2015 heraus. Was ist seitdem passiert, das einen Einfluss auf ‚This Land‘ hatte?

Kinder! Ich habe mittlerweile zwei. Songs wie ‚Feed The Babies‘ oder ,When I’m Gone‘ sind definitiv davon beeinflusst. Im Text von ,Guitar Man‘ geht es um das Verheiratetsein. Das alles hat sich in den letzten drei Jahren verändert. Ich hatte Zeit, mich hinzusetzen und das zu reflektieren. Und ich bin viel getourt.

Auch die politische Situation in den USA ist eine andere als 2015. Von außen betrachtet, scheint die Kluft innerhalb der Gesellschaft immer größer zu werden. Im Text des Titelsongs ,This Land‘ greifst du das Thema Rassismus auf.

Rassistisch motivierte Handlungen sind heute beinahe an der Tagesordnung. Dabei ist es das Schönste überhaupt, dass wir so viele verschiedene Menschen haben – mit all ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten. Das Gerede darüber, keine Moslems mehr in das Land zu lassen – es fühlt sich an, als ob wir alles abreißen, das wir über die Jahre aufgebaut haben und wofür meine Vorväter Blut, Schweiß und Tränen vergossen. Es scheint, als ob das alles auf eine Art weggewaschen oder von negativer Energie überschattet wird. Das ist frustrierend und beschämend. Unter Präsident Obama schien alles sehr positiv. Ich rede dabei nicht über Politik, sondern über die Gesellschaft. Es war ein Gefühl von Glaube, Hoffnung und Gemeinschaft. Plötzlich kam der Cut, und alles fühlte sich anders an. Meine Musik reflektiert auch das.

Es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, ob und wie Musik eine Gesellschaft verändern kann. Was ist deine Meinung zu dem Thema? Kann sie Meinungen beeinflussen und sogar ändern? Oder ist sie nur der Soundtrack einer Generation?

Es ist ein bisschen von beidem. Musik kann definitiv einen Einfluss haben. Chuck Berry, Little Richard oder Ray Charles waren gezwungen, in nach Rassen getrennten Venues zu spielen. Auf einmal fielen all diese Barrieren. Weil die Menschen es geliebt haben. Sie sagten: „Ich stehe nicht hier, um aufgehängt zu werden. Wir sind alle aus dem gleichen Grund hier. Wir alle lieben Chuck Berry, den strahlenden Rock’n’Roller.“ Die Kraft der Seele und die Kraft der Musik brachten die Menschen zusammen.

Jimi Hendrix ist ein weiteres Beispiel dafür. Er hat über gesellschaftliche Dinge gesprochen und seine eigenen Gedanken dazu geäußert. Das reißt die Mauer ein, die wir aus Furcht errichten, und bringt den Menschen Liebe und Empathie. Warum verschwenden wir unsere Zeit und sind zornig, ohne einen Grund dafür zu haben? Ich denke, Musik ist machtvoll, sie hat die Fähigkeit, etwas zu verändern. Auf der anderen Seite ist sie aber auch ein Soundtrack.

Wie entstehen deine Gitarrenparts? Komponierst du Linien oder geht es eher darum, das Feeling des Songs aufzunehmen und sich dann kreativ gehenzulassen?

Definitiv das Zweite. Ich würde mich nicht als Komponisten bezeichnen. Ich bin ein Vibe/Sound-Arranger. (lacht)

Das ist eine coole Berufsbezeichnung. Wie sieht es bei den Songs aus? Wie sammelst du Ideen?

Das ist ganz unterschiedlich. Ich habe einen Notizblock, in den ich Gedanken und Ideen reinschreibe. Heutzutage scheint es, als ob die Leute nicht mehr schreiben. Ich will diese Fähigkeit jedoch nicht verlieren. Manchmal singe ich auch in mein Telefon, vor allem, wenn ich mitten in der Nacht aufwache und eine Idee habe. Vieles entsteht beim Herumspielen an verschiedenen Instrumenten – das kann eine Akkordfolge auf der Gitarre sein oder auch ein Groove auf dem Schlagzeug.

Der Song ,Gotta Get Into Something‘ vom aktuellen Album etwa entstand, als ich im Studio mit Schlagzeuger J.J. Johnson herumgebastelt habe. Er stammt aus San Antonio und war dort auch in der Punkszene aktiv, so passte es einfach. Aber das war eher eine Art Zufallstreffer der Inspiration. Es gibt keine Formel. Ich wünschte, es gäbe eine. Das würde mein Leben um einiges leichter machen.

Gary Clark JR(Bild: Arnd Müller)

Du bist in Austin geboren und lebst wieder dort. Zu Anfang deiner Karriere gab es zwei besondere Personen, die dich dort begleitet und gefördert haben. Die erste ist Jimmie Vaughan, über den sein berühmter Bruder Stevie Ray einmal sagte, er sei der beste Gitarrist, den er je gehört habe.

Ich denke, Jimmie ist der coolste und geschmackvollste badass-Gitarrist, der heute auf dem Planeten wandelt. Er scheint alles mit sehr großer Leichtigkeit zu machen. Wenn du dir die alten Platten der Fabulous Thunderbirds anhörst, bis hin zu seinen heutigen Sachen – er hat niemals irgendetwas gespielt, wo du denken könntest: Das ist zu viel. Mir kann es manchmal passieren, dass ich ein bisschen zu viel spiele. Er hingegen spielt immer genau die richtigen Noten. B.B. King war auch perfekt darin. Es ist beeindruckend, das zu beobachten. Ich liebe es, Jimmie spielen zu hören.

Die zweite im Bunde ist eine Gitarristin namens Eve Monsees. Deine Karriere startete quasi in ihrer Garage.

Das stimmt. Sie fing an Gitarre zu spielen, bevor ich es tat. Ich ging regelmäßig zu ihr rüber und sah ihr und ihrer Band zu. Kurz darauf wollte ich auch eine Gitarre. Meine Eltern kauften mir schließlich eine, meine Schwester bekam im gleichen Jahr ein Schlagzeug, mein Cousin einen Bass. Zusammen mit ein paar Schulfreunden legten wir los. Ich denke, ohne je wirklich darüber zu reden, versuchten wir eine passende Rhythm Section zu finden. Aber das kam nicht recht in Gang, die anderen verloren nach und nach das Interesse.

Also beschlossen wir, alleine weiterzumachen und gingen an ihrem 15. Geburtstag in einen Blues-Club. Dort betraten wir erstmals die Bühne für einen Blues-Jam und kehrten in der Folgezeit regelmäßig dorthin zurück. Dabei kamen wir mit aufstrebenden jungen Musikern in Kontakt. Bevor wir es wussten, standen wir am Beginn einer Musikerkarriere.

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2019)

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