Im Interview

Felix Pastorius & Niels Lan Doky: Jazz/Takes Supergroup

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(Bild: Matthias Mineur)

Es kommt nicht allzu häufig vor, dass es einem Musiker gelingt, erfolgreich in die Fußstapfen seines berühmten Vaters zu treten. Felix Pastorius ist dies gelungen. Als jüngster Sohn der im September 1987 auf dramatische Weise ums Leben gekommenen Bass-Legende Jaco Pastorius erspielt sich der 41-Jährige zurzeit den Respekt und die Anerkennung namhafter Kollegen sowie eines weltweiten Publikums.

Und obwohl er nach eigenen Aussagen eher mit Grunge, Rock und Heavy Metal aufgewachsen ist und in diesem Bereich bereits allerlei Erfahrungen sammeln konnte, widmet er sich von Zeit zu Zeit auch jazzigeren Klängen – wie eben seinerzeit Jaco Pastorius.

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Ende April gastierte Felix Pastorius mit dem Quartett Jazz/ Takes Supergroup, der Band des dänischen Pianisten und Komponisten Niels Lan Doky, auf einem Festival in Gronau. Natürlich haben wir die Gelegenheit genutzt, um den Bassisten mit dem großen Namen zu treffen und uns mit ihm und Lan Doky über das bemerkenswerte Konzept dieser illustren Gruppe zu unterhalten. Man erfährt: Pastorius (FP) und Lan Doky (NLD) verfolgen einen neuen, sehr interessanten Ansatz, der dem zeitgenössischen Jazz vielversprechende Möglichkeiten eröffnet.

Niels, kannst du bitte mal die Vorgeschichte dieser Band erzählen?

NLD: Gerne. Die Idee dazu entstand in Humlebaek in Dänemark am Louisiana Museum Of Modern Art, einem der renommiertesten Museen des Landes. Ich habe für das Museum eine Konzertreihe produziert, bei der wir berühmte Songs unterschiedlicher Genres zu Jazz-Versionen umarrangiert haben. Es gibt Stücke aus Grunge, Heavy Metal, New York Post Punk, New Wave, Britpop oder 70erJahre Disco, umgewandelt in Jazz-Standards. Eigentlich knüpft dies an die Tradition früherer Jazz-Standards an, die auch überwiegend aus Popsongs der 30er und 40er bestanden. Merkwürdigerweise wurde diese Tradition irgendwann nicht fortgesetzt. Dabei haben einige der Jazz-Adaptionen länger überlebt als ihre Originalvorlagen.

FP: Der Song ‚Body & Soul‘ etwa ist eines der bekanntesten Beispiele eines Pop-Standards, der anschließend zum Jazz-Klassiker wurde.

NLD: Wir machen also quasi genau dasselbe mit zeitgenössischen Popsongs. Für die Konzertserie am Museum gab es unterschiedliche Besetzungen mit ausschließlich instrumentalen Stücken. Dieses Konzept haben wir im vergangenen Jahr zwei Mal auf Tournee geschickt. Die erste Tour war mit einem Quintett aus Billy Cobham, Randy Brecker, Linley Marthe, Bill Evans und mir, die zweite Tour bestand neben mir aus Harvey Mason, Bill Evans und Darryl Jones. Dies hier ist jetzt die dritte Konzertreise, außer mir sind diesmal wieder Harvey Mason und Bill Evans dabei, und als Neuzugang Felix Pastorius. Das Konzept funktioniert prächtig, denn durch die unterschiedlichen Besetzungen klingen die Stücke immer ein wenig anders. Für uns sind die Songs lediglich ein Vehikel, um ständig neue Fassungen davon zu machen.

Es existieren also immer festgeschriebene Notenblätter, plus ein variabler Improvisationsteil?

FP: Genau. Niels hat mir die Noten sowie einige Audiofiles mit Aufnahmen vom vergangenen Jahr mit Darryl geschickt. Danach hatte ich eine bestimmte Zeit, um alles zu lernen und mich in die Songs einzugrooven. Erfreulicherweise gibt es viele musikalische Freiheiten und nur wenige strikte Vorgaben. Ich kann also meine eigenen Ideen umsetzen, muss mich aber auch an

dem orientieren, was meine Mitmusiker vorgeben. Es gibt eine gewisse Kontinuität, von der ausgehend wir die Songs variieren, um am Ende wieder zu Ground Zero zurückzukehren. Genauso funktioniert Jazz generell: Man hält sich an einige goldene Regeln und nutzt die freien Passagen, um sich musikalisch zu artikulieren.

NLD: Früher war dies ja auch bei traditionellen Jazz-Standards der Fall. Am Beginn des Songs gibt es die Erkennungsmelodie, an der man sich orientiert, dann folgt ein langer Improvisationsanteil auf Grundlage der generellen Songstruktur.

Gab es vorher reguläre Proben? Oder mussten sich alle Beteiligten ihre Parts allein draufschaffen?

FP: Es gab exakt eine Probe, nämlich vor zwei Tagen in Wendelstein. Einen Tag später gab es die zweite Show, und heute während des Soundchecks nochmal eine kürzere Probe. Insgesamt sind es fünf direkt aufeinanderfolgende Konzerte, danach haben wir eine kurze Pause, bevor es weitergeht. Aber man spürt schon jetzt, dass es Abend für Abend immer homogener wird. Meine drei Bandkollegen spielen die Stücke ja schon länger, doch aufgrund der großen Bandbreite unterschiedlicher Ausdrucksformen klingt diese Band jeden Abend ein klein wenig anders.

Wer hat die Songauswahl festgelegt?

NLD: Für mich stand fest, in welcher Besetzung wir spielen wollen, also mit Bass, Schlagzeug, Keyboards und Saxofon, wobei die signifikanten Melodien von Saxofon und Piano übernommen werden. Insofern entscheidet Bill Evans, welche Songs und welche Melodien für sein Saxofon am besten geeignet sind. Für die erste Probe gab es eine Shortlist mit mehr Songs, als wir benötigen, deshalb können wir das Programm von Abend zu Abend variieren.

FP: Für mich ist das hier ein großes Abenteuer, denn einige der Stücke kenne ich im Original noch aus der Zeit, als ich 13 oder 14 war. Natürlich habe ich auch die Musik meines Vaters gehört, aber darüber hinaus vor allem die Hymnen meiner Generation, sei es Rock, Punk oder Grunge. Ich weiß noch genau, als Nirvana mit ‚Smells Like Teen Spirit‘ rauskam und es mich förmlich umgehauen hat. Dann schaute ich im Kino ‚Batman‘ mit dem Seal-Soundtrack ‚Kiss From A Rose‘. Ich kann es kaum fassen, dass ich 30 Jahre später diesen Song selbst auf der Bühne spiele. Das Beste: Harvey war vor 30 Jahren an den Originalaufnahmen persönlich beteiligt. Dass ich mit ihm diese Nummer einmal spielen würde, hätte ich mir als Jugendlicher nicht träumen lassen.

(Bild: Matthias Mineur)

Du bist 1982 geboren, nicht wahr?

FP: Exakt. Ich war sechs oder sieben, als Grunge aufkam. In den Neunzigern habe ich dann die seinerzeit angesagtesten Rocksongs gehört. Soundgarden zum Beispiel waren für mich ein riesiger Einfluss.

Gibt es eine spezielle Musikrichtung, die für Jazz-Adaptionen einfacher ist als andere Genres?

NLD: Das kann man generell nicht sagen, es hängt immer vom entsprechenden Song ab. Entscheidend ist eine starke Melodie über möglichst interessanten Harmonien. Deswegen sind Jazz-Adaptionen von Hip-Hop-Stücken der 90er Jahre ziemlich mühsam, da Hip-Hop auf Samples basiert …

FP: … und fast immer in der gleichen Tonart und der gleichen Harmonie bleibt. Interessanterweise war eine Menge des 90er-Jahre-East-Coast-Jazz stark von Samples beeinflusst. Die Songs von A Tribe Called Quest basierten fast ausschließlich auf Samples, zu denen dann sogar unter anderem Ron Carter gespielt hat. Ich vermute, dass es auch mit Speed-Metal-Songs eher schwierig werden würde.

NLD: Allerdings haben wir auch schon mal einen Heavy-Metal-Gig mit Songs von Iron Maiden, Metallica und anderen veranstaltet. War ein großer Spaß!

Merkt das Publikum sofort, um welches Stück es sich handelt? Oder ändert ihr das Arrangement mitunter, um die Zuschauer bewusst in die Irre zu führen?

NLD: Ja, das kommt schon mal vor. (grinst) Manchmal nehmen wir zwar die originale Melodie, ändern aber die harmonische Begleitung oder die Rhythmik der Melodie.

FP: Manche Menschen erkennen Songs ausschließlich am Text. Wenn sie nur die Melodie ohne den Text hören, wissen sie zuerst nicht, um welche Nummer es sich handelt. Uns Musikern macht es natürlich großen Spaß, die eine oder andere Sache so geschickt zu verpacken, dass der berühmte Aha-Effekt erst später einsetzt. Ich liebe diese Momente.

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