Im Interview

Eric Gales: Kronjuwelen

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(Bild: Katrena Wize)

Als wir Eric Gales im Frühjahr 2018 auf der ‚Mascot Blues Rock Tour‘ in Dortmund trafen, erzählte er von den Plänen für ein neues Studioalbum. Die Scheibe, so seine damalige Ankündigung, werde die Fans garantiert überraschen. Ob dies nun tatsächlich auf die Musik von ‚Crown‘ zutrifft, muss jeder selbst entscheiden. Tatsache aber ist: Mit Joe Bonamassa hat Gales für das Album nicht nur einen exzellenten und visionären Produzenten, sondern auch einen Partner beim Komponieren und Arrangieren der Songs gewinnen können.

Zudem ist Bonamassa auf der ersten Single ‚I Want My Crown‘ in einem fantastischen Soloduell zu hören, visuell aufbereitet im gleichnamigen Video, einem der humorvollsten Bluesrock-Clips der letzten Jahre. Die wohl größte Überraschung ist allerdings Gales Ehefrau LaDonna, die als Gastsängerin in ‚Take Me Just As I Am‘ auf ganzer Linie begeistert und sich scheinbar mühelos in einen illustren Kreis hochkarätiger Musiker und Songschreiber einreiht.

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Eric, nach Zeiten schwerer Drogensucht bis hin zum Gefängnisaufenthalt geht es dir nach eigenen Angaben seit mehr als fünf Jahren wieder deutlich besser. Spiegelt dein neues Album deine derzeit gute körperliche und mentale Verfassung wider?

Alles dreht sich um Kreativität, ums Songwriting. Ich bin seit einigen Jahren in guter Verfassung, körperlich wie mental, daran hat sich erfreulicherweise nichts geändert. Dementsprechend haben meine neuen Songs sehr emotionale, sehr leidenschaftliche und tiefgehende Themen. Wie du weißt, waren meine Probleme selbstverschuldet. Ich war drogenabhängig, musste ins Gefängnis, habe aber trotzdem überlebt. Seit mehr als fünf Jahren bin ich clean und genieße mein Leben. Jetzt möchte ich um jeden Preis das Eric-Gales-Erbe fortsetzen, und dabei hilft mir Joe Bonamassa. Ich habe dir ja schon vor vier Jahren erzählt, dass mir eine Menge wichtiger Themen auf der Seele brennen. Diese findet man nun auf meinem neuen Album.

Wusstest du schon damals, dass du mit Joe Bonamassa produzieren würdest?

Nein, das wusste ich damals noch nicht. Es war lediglich eine vage Idee, von der ich hoffte, dass sie umsetzbar sein würde. Ich bin zufrieden damit, wer alles in die Produktion involviert war.

War Bonamassa auch am Songwriting beteiligt?

Joe war bereits in die Vorproduktion und ins Songwriting involviert. Wir trafen uns bei ihm zuhause, arbeiteten an den Songs, und als die Vorproduktion abgeschlossen war, gingen wir ins Studio und nahmen das Material auf.

Ihr beide habt eine lange gemeinsame Geschichte, die durch deine Drogensucht unterbrochen wurde. Wie war es für dich, ihn nach so vielen Jahren wiederzutreffen und zu sehen, dass er Weltkarriere gemacht hat, während du wieder von fast ganz vorne anfangen musstest?

Ich ging durch ein sehr dunkles Kapitel meines Lebens, während er genau die entgegengesetzte Richtung einschlug. Dann trafen wir uns wieder und beschlossen, gemeinsame Sache zu machen. An dieser Geschichte ist nichts Romantisches, man muss auch keine Geheimnisse hineininterpretieren. Wir haben uns einfach wiedergetroffen und sind jetzt erneut eng miteinander verbandelt.

Na ja, ein gewisser Mythos umgab deinen Namen ja immer, allein schon deshalb, weil Bonamassa all die Jahre häufig von dir erzählt hat, und wie groß sein Respekt vor dir ist. Für ihn hat diese Verbindung offenbar eine große Bedeutung.

Diese Wichtigkeit gilt aber auch in umgekehrter Richtung. Joe hat als Mensch und Musiker ein enormes Gewicht für mich und ist eine riesige Inspiration. Außerdem ist er ein wirklich guter Freund, ich bin froh, dass er wieder Teil meines Lebens ist.

Auffallend ist die große stilistische Bandbreite der Songs, von Blues über Rock bis zu Soul und Funk. War eine größtmögliche Vielfalt das erklärte Ziel?

Es gab zumindest keinen Masterplan. Das einzige Ziel lautete: Alles was in der Kooperation mit Joe spontan entsteht, soll auf das Album kommen. Wir haben einfach unserer Inspiration freien Lauf gelassen und all das in die Songs hineingepackt, was für mich immer schon von Bedeutung war. Insofern lag der Fokus nicht auf einer bestimmten Stilrichtung, sondern tatsächlich eher auf Vielfalt. Und das hat großartig funktioniert.

Mit welchem Equipment hast du ‚Crown‘ aufgenommen?

Mein Verstärker war der DV Mark Raw Dawg Eric Gales, also mein Signature-Amp. Die Gitarren waren meine Magneto Eric Gales RawDawg Custom und meine nagelneue RawDawg II Custom, mit einem zweiteiligen Korpus aus amerikanischer Erle, einem Hals aus kanadischem Ahorn und einem Griffbrett aus indischem Palisander. Als Effekte kamen ein WahWah, ein Digitech Whammy, ein Tech-21-Delay, mein MXR-Raw-Dawg-Boost-Pedal sowie mein EWS-Eric-Gales-Brute-Drive-Distortion zum Einsatz.

Magneto Eric Gales RawDawg Custom in Light Mercury Silver
DV Mark Raw Dawg Eric Gales Amp
Einige von Gales Effekten: Auf dem neuen Album kamen unter anderem Digitech Whammy, Tech 21 Boost DLA Delay und EWS Eric Gales Brute Drive zum Einsatz.

 

Gibt es bezüglich deiner Palette an Signature-Instrumenten etwas, an dem du aktuell arbeitest?

Nein, zurzeit ist in dieser Hinsicht Pause. Ich bin sehr zufrieden mit dem, was bereits von mir existiert. Natürlich gibt es immer mal wieder Anfragen von Firmen, aber ich konzentriere mich lieber auf das, was ich bereits entwickelt habe. Mehr brauche ich nicht, deswegen kümmere ich mich auch um nichts Neues.

Deine neue Scheibe klingt in weiten Teilen wie live im Studio eingespielt. Täuscht der Eindruck?

Die Songs wurden tatsächlich als Instrumentalversionen live im Studio aufgenommen. Nur die Gesänge, ein paar Bläser und einige Keyboards kamen später als Overdubs hinzu. Die Soli waren übrigens allesamt first takes. Aufgenommen wurde alles in ProTools, um größtmögliche Flexibilität zu haben.

Waren die Soli spontane Improvisationen, oder hast du sie vorher festgelegt, eventuell sogar notiert?

Ausschließlich spontane Improvisationen. Deshalb hatte auch jede Version, die wir aufnahmen, völlig unterschiedliche Soli.

Wie oft wurde jede Nummer aufgenommen, bevor ihr eine Version hattet, mit der du zufrieden warst?

Nicht allzu oft, nur ein paar Mal, denn wir hatten relativ schnell verwertbare Ergebnisse.

Habt ihr die Songs in unterschiedlichen Tempi getestet?

Ja, die Versionen variierten ein wenig, aber wir hatten recht schnell ein Gefühl dafür, welches Tempo das richtige ist. Man spürt so etwas intuitiv.

Wobei dem Tempo eines Songs eine überragende Bedeutung zukommt, oder?

Oh ja, dieser These würde ich sofort zustimmen. Das falsche Tempo kann eine Nummer mitunter komplett ruinieren.

Bist du eher der Laid-Back-Gitarrist, oder muss man dich mitunter bremsen, damit du hinsichtlich der Geschwindigkeit nicht übers Ziel hinausschießt?

Ganz unterschiedlich, es hängt immer vom Song ab. Wenn eine Nummer einen schleppenden Groove benötigt, dann spiele ich immer schön hinter dem Beat. Wenn es sich um eine Uptempo-Nummer handelt, bin ich meistens die Lokomotive, die voraneilt.

Am auffälligsten ist die große Weiterentwicklung deines Gesangs, seitdem du keine Drogen mehr nimmst.

Danke, es freut mich sehr, dass dir das aufgefallen ist. Wir haben uns auf ‚Crown‘ allerdings auch mehr als jemals zuvor auf meinen Gesang konzentriert, und auch auf meine Texte. Deshalb wurde bei den Gesangsaufnahmen auf jedes Detail geachtet.

Mir scheinen die Songs generell und bereits von ihrer Grundstruktur stärker auf den Gesang ausgerichtet zu sein. Stimmst du mir zu?

Oh ja, absolut. Ich stimme dir zu 100 Prozent zu, genau dies war meine Absicht. Bei etwa der Hälfte der Songs hatten wir eine brauchbare Gesangsmelodie und richteten danach die Texte aus. Bei der anderen Hälfte hatte ich zunächst den Text und arbeitete dann an den Gesangsmelodien.

Hattest du Hilfe bei den Texten?

Ja, nämlich von Tom Hambridge, James House, Josh Smith, Joe, meiner Frau LaDonna und Keb’ Mo’. Mit all denen habe ich auf dem neuen Album zusammengearbeitet.

In ‚Take Me Just As I Am‘ ist LaDonna sogar als Sängerin zu hören.

Das war Joes Idee. Er schlug vor, meine Frau die Nummer singen zu lassen. Es war nicht ganz einfach, sie zu überreden, aber nachdem sie den Song eingesungen hatte, war sie sehr glücklich damit.

Eric Gales und seine Frau LaDonna (Bild: Katrena Wize)

Wusstest du schon vorher, dass sie so großartig singen kann?

Zunächst: Danke für das Kompliment, ich werde es weitergeben. Zu deiner Frage: Ja, ich wusste es, ich war mir ganz sicher, dass sie eine tolle Performance abliefern wird.

Die Texte drehen sich diesmal zwar auch wieder um die persönlichen Probleme, die du in deinem Leben hattest, oft gehen sie aber darüber hinaus und betrachten die Welt eher universell.

Das ist richtig. Ich habe schon auf dem letzten Album ‚Middle Of The Road‘ sehr viel über die problematischste Zeit meines Lebens gesungen, und ein paar Mal kommt dieses Thema auch jetzt wieder auf den Tisch. Aber darüber hinaus gibt es andere Inhalte, die mir auf der Seele brannten und über die ich unbedingt singen wollte.

Wie etwa über den Tod des schwarzen Amerikaners George Floyd durch einen US-Cop.

Genau einen Tag bevor ich anfing, mit Josh Smith und Joe an den neuen Songs zu arbeiten, wurde George Floyd getötet. Für mich war das ein schlimmer Tag, und deshalb taucht diese Thematik auch auf dem neuen Album bei etwa 40 Prozent der Stücke auf. Ich finde, es handelt sich um eine sehr wichtige Angelegenheit, über die man unbedingt sprechen sollte. Und genau das mache ich auf ‚Crown‘.

Letzte Frage: Wirst du zum neuen Album auf Tour gehen?

Das hoffe ich. Die Planungen für eine Tour in England und Europa laufen auf Hochtouren, insgesamt sind bereits 45 Konzerte ab Anfang März bestätigt, die Shows in den USA noch nicht einmal komplett mitgerechnet.

Vielen Dank, Eric, wir freuen uns riesig auf deine Konzerte!

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2022)

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ein richtig interessantes Interview. Die CD habe ich auch schon gehört und bin begeistert. Die Show zu “Crown”, auf YouTube zu sehen, mit seinen besten Freunden als Gastmusiker auf der Bühne, einfach ein MUSS für Fans. Ich bin ein großer Fan von Eric Gales.

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