Im Interview

DeWolff: Modern Vintage

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DeWolff(Bild: Mineur)

Wer die Augen schließt und nur die Musik von DeWolff auf sich wirken lässt, fühlt sich automatisch in die goldenen Siebziger zurückversetzt. Das niederländische Bluesrock-Trio – bestehend aus Gitarrist Pablo van de Poel, seinem Schlagzeug spielenden Bruder Luka und Keyboarder Robin Piso – bedient die Retro-Schiene dermaßen perfekt, dass man über das Alter der drei Protagonisten zwischen 25 und 28 Jahren wirklich nur staunen kann.

Umso bemerkenswerter, mit welcher spielerischen und kompositorischen Reife diese Band zu Werke geht. Ihr psychedelisches Rockgebräu, das sie selbst als Mischung aus Deep Purple und The Band charakterisieren, ist mit so vielen Details und raffinierten Feinheiten ausgestattet, wie man es in dieser Geschmackssicherheit nur äußerst selten findet.

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Um DeWolff einmal etwas genauer auf die Finger zu schauen, haben wir uns auf der Rythm & Blues Night in Groningen mit Pablo van de Poel verabredet und ihn nicht nur zu seiner grandiosen Band, sondern auch zu seinen Gitarren (vornehmlich Gibson-Modelle), seinen Verstärkern (Marshalls!) und Effektpedalen befragt. Das Ergebnis: In technischer Hinsicht alles retro und vintage, die Musik dagegen auf ganz wunderbare Weise zeitlos und modern im gleichen Atemzug. Ein Phänomen!

interview

Pablo, mit deinen 27 Jahren schaust du bereits auf eine mehr als zehnjährige Karriere als Profimusiker zurück. Wie fing alles an, und vor allem: Wie kommt man als Jugendlicher auf die Musik der 60er und 70er?

Mein Vater sang in einer holländischen Coverband und ich begleitete ihn schon als sechs- oder siebenjähriger Knirps jede Woche zu den Proben. Ich war vor allem vom Gitarristen seiner Gruppe fasziniert, der eine Les Paul spielte. Daher stammt auch meine Liebe zu Les Pauls bzw. ganz generell zu Gibson. Eigentlich stand damit für mich fest, dass ich auch unbedingt Musik machen will. Mit neun fing ich an Gitarre zu spielen, war am Anfang aber ziemlich schlecht und auch nicht sonderlich talentiert. Trotzdem war ich wildentschlossen und sparte mein gesamtes Taschengeld, um mir meine erste Gitarre, eine Squier Telecaster, zu kaufen.

Bereits mit elf hatte ich meine erste Band, entdeckte Jimi Hendrix, der bekanntlich als bester Gitarrist aller Zeiten gilt. Dementsprechend war ich überrascht, dass ich trotzdem zu seinen Songs spielen konnte, und so kam ich nach und nach auch auf Cream, Led Zeppelin, Deep Purple. Für mich sind diese Bands die Grundlage für alles, was ich heute mache.

Mit 22 fing ich an, auf amerikanische Musik zu stehen, auf alte Soulscheiben und auf Southern Rock. Die Allman Brothers kannte ich schon vorher, doch dann entdeckte ich auch unbekanntere Bands wie Cowboy oder Sachen von Link Wray, Leon Russell und vor allem The Band. Bevor ich diese Gruppen kannte, bestand unser Songwriting vorwiegend aus Riffs und relativ simplen Strukturen. Aber mit der Entdeckung von The Band änderte sich das grundsätzlich.

DeWolff
DeWolff-Gitarrist/Sänger Pablo van de Poel (Bild: Mineur)

Wenn du von „unserem Songwriting“ sprichst, meinst du dich, deinen Bruder bzw. euren Schlagzeuger Luka sowie euren Keyboarder Robin, richtig?

Korrekt. Robin kenne ich seit meinem zehnten Lebensjahr, und meinen Bruder natürlich schon seit seiner Geburt. Mit der Entdeckung von The Band entstand bei uns die Vision, unsere Riff-orientierten Ideen à la Deep Purple ‚Made In Japan‘ mit diesem großartigen Songwriting von The Band oder Leon Russell zu verbinden und damit wirklich epische Stücke zu kreieren. In diesem Zusammenhang muss ich auch meine großen Gitarrenhelden Peter Green, Eric Clapton und Paul Kossoff erwähnen.

Allesamt Gitarristen aus dem England der 60er- und 70er-Jahre.

Richtig. Natürlich gibt es zwischen Deep Purple und The Band riesige Unterschiede, und selbst zu deren Hochphase hätte ein Fan von Deep Purple niemals The Band gehört. Aber für mich passen diese Bands durchaus zusammen, denn sie sind zwar verschieden, aber nicht völlig wesensfremd.

Wie groß ist der Improvisationsanteil in euren Live-Shows? Das alles sieht so unglaublich spontan und frei aus! Wie intensiv probt ihr euer Material?

Nicht übermäßig intensiv. Wir haben einen neuen Song, proben ihn, und bevor wir ihn das erste Mal live spielen, sind wir ziemlich nervös, ob er funktioniert. Aber dann entwickelt sich die Nummer fortwährend weiter. Wir versuchen etwas Neues und schauen, ob es funktioniert. Und wenn es funktioniert, wiederholen wir es am nächsten Abend. Dinge, die nicht funktionieren, werden einfach nicht noch einmal gespielt. Natürlich gibt es ein festes Gerüst, das jeden Abend gleich ist. Aber dazwischen nehmen wir uns die Freiheit zu improvisieren und das zu spielen, was uns in der jeweiligen Situation in den Sinn kommt.

Du hast auch heute wieder einige sehr schöne Gibson-Modelle dabei, unter anderem eine Les Paul mit besonderer Geschichte.

Stimmt, ich habe sie von den Gibson-CEOs Cesar Gueikian und James Curleigh persönlich geschenkt bekommen. Wir haben auf einer Gibson-Party in Amsterdam gespielt, bei der Gueikian und Curleigh anwesend waren. Wir hatten sofort einen tollen Draht zu den beiden. Luca und ich und ein paar Freunde haben dort ein paar Led-Zeppelin-Songs gespielt. Den Gibson-Chefs hat das so gut gefallen, dass sie mir nach der Show diese Gitarre geschenkt haben. Es ist meine absolute Traumgitarre. Ich wollte immer schon eine 59er in Burst haben. Dieses ist eine Custom Shop Reissue in Lemon Burst. Ich habe vor Kurzem die originalen Pickups gegen welche von Throbak ausgetauscht.

Die Gibson Les Paul 59 Custom Shop Reissue in Lemon Burst, Baujahr 2015, ein persönliches Geschenk der Gibson-Chefs Cesar Gueikian und James Curleigh
Van de Poels Gibson Firebird, Baujahr 2006, mit Vibrola-System
Van de Poels Epiphone Olympic aus dem Jahr 1976
Seine Gibson Flying V von 2007

Ich hörte, dass die Firma aus Michigan die alten Wickelmaschinen von Gibson aus den 50ern erworben hat.

Ja, richtig. Deshalb können sie die PAFs exakt genauso herstellen, wie Gibson in den Jahren 1958 und 1959.

Deine aktuelle Hauptgitarre ist allerdings eine Gibson Firebird.

Ja, eine von 2006. Ich habe sie 2010 gekauft, damals sah sie noch wie geleckt aus, quasi brandneu. Jetzt, nach acht Jahren, in denen ich sie permanent gespielt habe, gibt es natürlich ein paar Macken und Kratzer. Außerdem habe ich ein Vibrola-System hinzugefügt und gerade gestern die Kondensatoren ausgetauscht. Die Gitarre ist wirklich perfekt. Übrigens habe ich mir vor ein paar Monaten eine zweite Firebird gekauft, eine Golden Mist Firebird VII, quasi die Superversion der Gitarre mit drei Pickups und Vibrola-System. Die Gitarre hat den dicksten Hals, den ich jemals gesehen habe, fast wie ein Baseball-Schläger.

Ich habe kurzzeitig darüber nachgedacht, ob ich die Gitarre wieder verkaufe. Doch dann habe ich jemanden gefunden, der mir den Hals shaped. Ich habe sie noch nicht zurückbekommen und kann deshalb noch nicht allzu viel über sie sagen.

Ich habe bei dir auch eine Flying V gesehen.

Die Flying V habe ich von Barry Hay geschenkt bekommen. Barry ist Sänger von Golden Earring, mit ihm spiele ich noch in einer anderen Band. Die Flying V stammt von 2007. Zusätzlich habe ich heute noch eine Epiphone Olympic aus dem Jahre 1976 dabei. Die Epiphone ist eigentlich meine am besten klingende Gitarre, aber mit ihr zu spielen ist immer ein kleines Abenteuer, da sie ziemlich empfindlich ist. Zuhause habe ich noch eine sehr schöne ES-335 und eine Gibson Acoustic.

Auch bei den Verstärkern gibt es für dich ganz offenbar nur ein Glaubensbekenntnis: Marshall.

Richtig, aber das war früher völlig anders. Ich habe viele Jahre einen Fender Super Six Reverb gespielt, den wohl größten Combo, der jemals gebaut wurde. 100 Watt, mit sechs 10“- Speakern, richtig laut. Vor einiger Zeit habe ich jedoch gewechselt, zu einem Marshall Bluesbreaker, die 2x12er-Version mit 50 Watt, dem ich einen 18- Watt-Handwired-Bluesbreaker zur Seite gestellt habe. Ein wunderbar warm klingender Combo, der aber leider für die Bühne nicht laut genug ist.

Deshalb spiele ich jetzt stattdessen einen Marshall JTM45 mit 4x12er-Box, die Handwired-Version. Der 18-Watt-Bluesbreaker steht bei mir zu Hause, ich nehme ihn für alle meine Studioaufnahmen. Aufgrund des JTM45 brauche ich jetzt auch nur noch einen Verstärker auf der Bühne, anstatt wie früher zwei.

DeWolff
Marshall Bluesbreaker und JTM45 mit 4x12er-Box plus Fender Reverb Tank (Bild: Mineur)

Sind alle deine Gitarren in Standard-Tuning gestimmt?

Nein, aber die meisten. Lediglich die Epiphone Olympic und die zweite Flying V als Ersatz für die Epiphone sind in Open G gestimmt. Außerdem stimmt mein Gitarrentechniker Marty Black die Epiphone während der Show in Open E, für den Song ‚Don`t You Go Up The Sky‘, den wir allerdings nicht jeden Abend spielen.

Welche Saitenstärke bevorzugst du?

Zurzeit spiele ich .009 auf .046, jedenfalls auf der Firebird und der Les Paul. Auf der Epiphone und der Flying V mit ihren kürzeren Mensuren spiele ich 10er-Sätze.

Kannst du bitte mal kurz dein Pedalboard beschreiben?

Ich habe ein Dr. No Signature Fuzz mit einem Bias- und einem Contour-Regler. Dr. No ist ein geradezu wahnwitziger Pedal-Bauer aus den Niederlanden, der mit Fuzz und Overdrive angefangen hat und heute nur noch abgefahrene Pedale baut, die wie Autos oder Totenköpfe aussehen. Dazu kommt ein Dr. No Octofuzz, das ähnlich extrem arbeitet wie das Roger-Mayer-Octavia, dann ein Plasma-Pedal von Gamechanger Audio mit einem außergewöhnlich wilden Distortion-Sound.

Dazu ein Fender Reverb Tank, der auf dem Marshall Topteil steht, aber nur dann, wenn die Bühne nicht zu sehr vibriert, da das Teil sonst zu sehr durchgeschüttelt wird und nur Lärm erzeugt. Wenn ich den Reverb Tank nicht verwenden kann, habe ich als Ersatz ein Strymon Flint dabei, plus ein Fulltone Tube Tape Echo, das aber nicht immer einwandfrei funktioniert, weshalb ich zur Not das Dunlop Echoplex spiele, das ganz OK ist, wenn auch nicht so gut wie ein echtes Reverb.

Dann gibt es noch einen EP Booster, den ein Freund von mir gebaut hat, mit einem Gain-Regler, und für den Song ‚Big Talk‘ ein Empress Tremolo, bei dem ich einfach eines der Presets abrufe. Aber um ehrlich zu sein: Außer des Fuzz-Pedals brauche ich die meisten Effekte kaum oder gar nicht. Ich habe gemerkt, dass es für mich als Gitarrist sehr wichtig ist, eine Show auch ganz ohne Pedale spielen zu können. Ich setze die Pedale wirklich nur als Effekt ein, wenn mir in den Sinn kommt, etwas Abgefahrenes zu machen. Alle meine Lieblingsgitarristen wie Ritchie Blackmore oder Peter Green gehen mit ihrer Gitarre direkt in den Verstärker. Das ist genau der Ton, den ich liebe.

Das Pedalboard mit Dr. No Signature Fuzz & Octofuzz, Gamechanger Audio Plasma Pedal, Strymon Flint, Dunlop Echoplex, EP Booster und Empress Tremolo
Das Fulltone Tube Tape Echo

Letzte Frage: Vor wenigen Tagen ist euer neues Live-Album ‚Live & Outta Sight II‘ auf den Markt gekommen. Gleichzeitig habt ihr bereits ein neues Studioalbum fertig produziert in der Schublade liegen, das im Januar veröffentlicht wird. Kannst du schon etwas darüber verraten?

Eigentlich sollten beide Scheiben parallel erscheinen, aber unsere Plattenfirma hat sich dagegen entschieden, weil sie von den Studiosongs so begeistert ist, dass sie die als eigenständiges Album präsentieren will. Die Scheibe ist auch wirklich etwas ganz Besonderes: Wir haben einen kleinen Tascam-Kassettenrecorder auf unsere Tour im Dezember 2018 mitgenommen und Teile der Scheibe in unserem Tourbus, einem kleinen Sprinter, aufgenommen. Luca hat die Drums einiger Soul-Vinylscheiben gesampelt, Robin hatte einen portablen Bass-Synthesizer dabei, und ich habe meine Gitarre über ein Sans-Amp-Pedal direkt in den Kassettenrecorder gestöpselt.

Es war ein Heidenspaß: Wir hockten eng zusammen auf dem Rücksitz unseres Tour-Vans, hatten kleine aber brüllend laute Boxen angeschlossen und jammten wie die Wilden. Anschließend wurden im Studio nur ein paar Bass-Parts und einige Backing-Vocals hinzugefügt. Ich finde, das Ergebnis klingt wie eine Mischung aus HipHop und einer Deep-Purple-Scheibe.

Danke Pablo, für das interessante Gespräch, und weiterhin viel Erfolg mit deiner wirklich tollen Band!

DeWolff
Van de Poels Gitarrentechniker Marty Black (Bild: Mineur)

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2019)

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