Im Interview

Dawes & Taylor Goldsmith: Das Potential ausschöpfen

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(Bild: Jacob Blickenstaff)

Mit ihrem siebten Studioalbum ‚Good Luck With Whatever’ untermauert die im Herbst 2009 in Los Angeles gegründete Folkrock-Band Dawes um die Brüder Taylor (Gitarre/Gesang) und Griffin Goldsmith (Schlagzeug) ihren Ruf als eigenwillige, aber zugleich selbstbewusste Gruppe. Etwa alle zwei Jahre erfindet sich das Quartett mit einem weiteren Album scheinbar neu und erklärt dabei alle künstlerischen Stereotypen zum absoluten No-Go.

Die neun Tracks von ‚Good Luck With Whatever‘ wurden in den historischen RCA-Studios in Nashville, Tennessee vom sechsfachen Grammy-Preisträger Dave Cobb (u.a. Rival Sons, Chris Stapleton, Jason Isbell) produziert. Gleichzeitig haben Dawes einen Vertrag beim legendären amerikanischen Indie-Label Rounder Records unterschrieben und artikulieren in Interviews nun umso deutlicher ihre von Ehrgeiz und großen Visionen geprägte Band-Philosophie.

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Wie uns Taylor Goldsmith in einem interessanten Gespräch verriet, spielt dabei der Team-Gedanke die entscheidende Rolle, der so weit ging, dass er in den letzten Monaten zu Promo-Zwecken immer wieder mit seiner Frau Mandy Moore (selbst auch Pop-Sängerin) sehr sympathische Unplugged-Videos aufnahm.

Taylor, könntest du hinsichtlich eurer bisherigen Karriere kurz beschreiben, welchen künstlerischen roten Faden man bei Dawes finden kann, und inwiefern ihr euch in der jüngeren Vergangenheit musikalisch verändert habt?

Gute Frage, sie gehört sicherlich zu den spannendsten Aspekten eines jeden Musikers. Ich denke, was die Dawes-Laufbahn durchgehend auszeichnet ist das bewusste Feiern unserer generellen Band-Situation. Mein Bruder Griffin und ich wollten immer schon Mitglied einer richtigen Rockgruppe sein. Heute spielt Griffin bei Dawes das Schlagzeug, während ich singe und die Gitarren übernehme. Uns geht es darum, als Einheit zu funktionieren, gleichzeitig aber die Persönlichkeit jedes einzelnen Bandmitglieds hervorzuheben. Natürlich entwickeln wir uns permanent weiter, wir erforschen ständig neue Territorien, auch weil jeder von uns dem jeweils anderen musikalisch blind vertraut.

Auf unserem neuen Album gibt es beispielsweise eine Nummer namens ‚Like A Kid‘, bei der ich zunächst nicht wusste, ob man sie schnell oder langsam, als Rocksong oder als Ballade spielen sollte. Griffin schlug vor, es im Halftime-Shuffle zu probieren, eine Idee, auf die ich nie gekommen wäre. Auf unserem vorherigen Album ‚Passwords‘ gibt es mit ‚Telescope‘ eine Nummer, die ich ursprünglich völlig anders im Kopf hatte. Aber ich liebe so etwas, ich mag es, wenn man als Künstler überrascht wird. Es hält die eigene Fantasie frisch.

Würdest du ‚Good Luck With Whatever‘ als Antwort oder Reaktion auf ‚Passwords‘ bezeichnen?

Ja, könnte man so sagen. Bevor ‚Good Luck‘ fertig war, wäre ich zu dieser Einschätzung wohl nicht gekommen, denn so etwas weiß man nie vor dem Ende einer Produktion. Ein Beispiel: Unser Debütalbum ‚North Hills‘ bestand damals aus sehr roh eingespielten Demos, die wir auf ziemlich verrückte Weise im Studio produzierten. Das zweite Album war demgegenüber vergleichsweise ruhig und eher in sich gekehrt, weshalb uns Fans fragten, ob wir unseren Elan verloren hätten.

Ich sehe ‚Good Luck With Whatever‘ als unsere Antwort auf die Frage, ob Dawes eine eher glattpoliert klingende oder doch überwiegend raue Rockband ist. Denn unsere zwei vorherigen Scheiben ‚We‘re All Gonna Die‘ und ‚Passwords‘ waren ziemlich aufwändig produziert, mit einer Menge Overdubs und Massen an Tonspuren. Auf ‚Good Luck‘ dagegen haben wir all das wieder deutlich stärker zurückgefahren, haben das Album weniger opulent produziert, sondern mehr die pure Spielfreude und die Identität dieser Band in den Fokus gerückt.

Wird es nach bislang sieben Alben schwieriger für euch, sich musikalisch nicht zu wiederholen? Oder kommt euch eure mittlerweile große Erfahrung zugute?

Ich fand die Arbeiten an ‚Good Luck‘ nicht sonderlich schwierig, da wir – wie gerade erwähnt – vieles auf ein Minimum zurückgefahren haben. Aber ich muss zugeben: Ich habe mir im Vorfeld der Produktion tatsächlich ein paar Sorgen gemacht, dass wir Gefahr laufen, das gleiche Album zweimal zu produzieren.

Was hilft in einem solchen Fall?

Man muss sich und seiner Kreativität trauen, muss an die neuen Songs glauben und während der Produktion darauf achten, dass man sorgsam arbeitet und auf wirklich jedes Detail Wert legt. Genau dies haben wir getan und fühlen uns jetzt umso reicher belohnt. Wir fühlen uns mehr denn je als Gruppe, als Einheit, ein wenig wie in einer Jazz-Band, die sich auf ihre eigene Improvisationskunst verlassen kann.

Passt irgendwie auch zu der Art, wie du zur Musik gekommen bist, oder?

Das stimmt, zumal es im Grunde genommen keinen ausgewiesenen „Tag X“ gibt, an dem ich begonnen habe, Musik zu machen. Es fing bei mir einfach auf ganz natürliche Weise an: Ich sang zuhause mit meinem Vater Lieder, bekam mit zwölf eine Akustikgitarre, spielte anschließend Klavier und lernte mit Hilfe eines Beatles-Songbooks erste Stücke. Mein Vater war großer Fan von R‘n‘B und dem Motown-Sound, dadurch lernte ich Künstler wie Otis Redding oder James Brown kennen. Mit 20 entdeckte ich dann Bob Dylan, die Rolling Stones und Leonard Cohen.

(Bild: Jacob Blickenstaff)

Bezeichnest du dich eher als Sänger und Gitarrist oder als Komponist?

In erster Linie würde ich mich als Songwriter betiteln. Wenn ich den Begriff Sänger in den Mund nehme, denke ich eher an Ausnahmeerscheinungen wie Tina Turner oder Joe Cocker, die eine wirklich grandiose Stimme und einen ganz eigenen Ausdruck haben. Ich selbst orientiere mich eher an Paul Simon, Bob Dylan oder Leonard Cohen, die – wenn man es auf den Gesang reduziert – zwar keine übermäßig überragende Stimme haben, als ganzheitliche Künstler aber absolute Phänomene sind.

Bei Bob Dylan habe ich beispielsweise immer eher unscheinbare Alben wie ‚Highway 61 Revisited‘ geliebt, auf denen die Texte und der Rock‘n‘Roll im Vordergrund stehen. Ich fand immer, dass wahre Rockmusik genauso klingen sollte wie hier. Bei Leonard Cohen waren es im Übrigen fast nur die Texte, die mich begeisterten, und bei den Stones war es vor allem die Interaktion der beteiligten Musiker, speziell das eng verzahnte Zusammenspiel zwischen Charlie Watts und Keith Richards.

Kannst du dich noch an deine erste eigene Gitarre erinnern?

Ja, das kann ich. Es handelte sich um eine ganz einfache, etwa 60 Dollar teure Klampfe, die mir mein Vater kaufte. Er sagte: „Wir schauen jetzt erst einmal, ob du wirklich langfristig Lust auf Gitarre hast, bevor wir mehr Geld für ein Instrument ausgeben.“ Dennoch war ich hellauf begeistert, schnappte mir ein Gitarrenlehrbuch und konnte innerhalb weniger Stunden alle Lektionen spielen, die eigentlich für die gesamte erste Woche vorgesehen waren.

Gleichzeitig wollte ich aber eigene Songs schreiben. Deshalb fing ich sofort zu komponieren an, nachdem ich die ersten drei Akkorde greifen konnte, nämlich G, D7 und A7. Natürlich lernte ich anschließend weitere Akkorde, insbesondere durch die Beatles-Songs, die ich mir vornahm. Als mein Vater bemerkte, mit welchem Eifer ich bei der Sache war, kaufte er mir eine Martin-Acoustic für 400 Dollar. So fing alles an.

Und deine erste E-Gitarre?

Mein Vater war selbst Musiker und spielte in einer Gruppe, zu der auch Miles Joseph gehörte. Miles hatte schon in der Band von Bob Dylan gespielt und besaß drei Strats, von denen er eine verkaufen wollte. Er bot mir an, alle drei zu testen. Anschließend fragte er mich: „Und? Welche findest du am besten?“ Ich hatte mich in das 1969er-Modell mit einer größeren Kopfplatte verliebt, und mein Vater kaufte es mir. Leider wurde mir die Gitarre irgendwann aus unserem Tour-Van gestohlen.

Der erste Amp deiner Laufbahn?

Meinen ersten Amp schenkte mir mein Großvater Bob. Es war ein 1959er Supro Thunderbolt mit 12“-Speaker. Übrigens hat Jimmy Page mit exakt dem gleichen Combo das erste Led- Zeppelin-Album eingespielt und beispielsweise auch das Solo zu ‚Stairway To Heaven‘.

Würdest du dich als einen grundsätzlich auf Stratocaster-Modelle ausgerichteten Gitarristen bezeichnen?

Ich mag Strats ganz besonders, das stimmt, aber ich habe kürzlich zum ersten Mal eine Telecaster in die Hand genommen und war sofort begeistert. In meiner kleinen Sammlung gibt es auch eine 1959er Gibson ES-335, eine 1957er Esquire und eine 1956er Les Paul, die irgendwann in den Siebzigern refinished wurde und deshalb schwarz ist.

Wenn du mal eine prozentuale Gewichtung vornehmen müsstest: Auf welchen Instrumenten komponierst du schwerpunktmäßig?

Ich würde sagen: zu 80 Prozent auf einer Akustikgitarre und zu je 10 Prozent auf E-Gitarre und Klavier. Meistens habe ich zu Beginn ein Riff, eine kleine Harmoniefolge, den Titel eines Songs oder eine kurze Textzeile. Damit starte ich und suche dann nach den weiteren Bestandteile der Nummer. Oft existiert der Songtitel zuerst, danach arbeite ich mich kontinuierlich zum finalen Arrangement vor.

Taylor Goldsmith mit Gibson ES-335 von 1959. Im Hintergrund Bassist Wylie Gelber und Schlagzeug-Bruder Griffin. (Bild: Jacob Blickenstaff)

Gibt es signifikante Unterschiede in der Art, wie ihr auf der Bühne und im Studio spielt und klingt?

Mir erscheinen eure Konzerte dynamischer und als eure Scheiben. Das ist wohl auch so. Aber ich mag das und finde es besser, als wenn Leute nach einem Dawes-Konzert nach Hause gehen und denken: Auf Platte klingen sie überzeugender. Das ist auch der Grund, weshalb wir manchmal Songs umarrangieren, bevor wir sie live spielen. Denn nicht alles, was im Studio funktioniert, funktioniert auch auf der Bühne.

Und natürlich macht es einen riesigen Unterschied, ob man in einem Tonstudio oder auf der Bühne in die Bassdrum tritt. Im Studio macht es „klock“ oder „plopp“, auf der Bühne denkt man dagegen, dass gerade eine Kanone abgefeuert wurde. Und genau darauf reagiert man als Gitarrist oder Bassist natürlich automatisch. Man spielt lauter, härter, und entwickelt beim Spielen eine besondere Dynamik. Nimm nur einmal Bruce Springsteen: Seine Alben finde ich okay, aber auf der Bühne ist er wilder und lauter, wie ein Tornado. Ich bin ehrlich gesagt dankbar dafür, dass Dawes in Konzerten so viel mehr Energie versprühen als auf Scheibe.

Magst du Studioarbeit dennoch?

Für mich ist Studioarbeit absolut OK, aber Dawes sind und bleiben nun einmal zuvorderst eine Live-Band. Ich fühle mich im Studio durchaus wohl, aber das wirkliche Leben findet für mich auf der Bühne statt.

Letzte Frage: Wohin soll deiner Meinung nach die Reise gehen? Und welche konkreten Ziele hast du mit Dawes?

Ich finde, dass man als Künstler unbedingt sein Potential ausschöpfen sollte. Das ist Leuten wie Elvis Costello, Willie Nelson, aber auch Charlie Chaplin oder Mark Twain gelungen. Sie alle haben tolle Arbeit geleistet und ihre Möglichkeiten voll ausgeschöpft. Ich finde so etwas vorbildlich, sie alle sind meine Idole. Wer weiß, vielleicht nehme ich ja irgendwann einmal ein eigenes Soloalbum auf, aber vor allem möchte ich mit Dawes unbedingt noch mindestens 15 bis 20 weitere Scheiben veröffentlichen. Solange diese Band ihr Bestes gibt und das leistet, wozu sie imstande ist, bin ich mit mir, meiner Musik und meinen Kollegen im Reinen.

Danke Taylor, und alles Gute für die Zukunft!

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2021)

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