Im Interview

Christone “Kingfish” Ingram: Videogame Blues

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(Bild: Fender)

Als der Blues entstand, gab es noch keine Videospiele. Das hindert Christone Kingfish Ingram nicht daran, einen Song zum Rockstar-Game ‚Red Dead Redemption‘ beizusteuern und dabei zu klingen wie der gute alte Robert Johnson. Ein Gespräch über den Blues in modernen Zeiten.

Parallel zum Videospiel gibt es auch ein neues Album namens ‚662‘, auf dem der 22-jährige Amerikaner seinen klassischen Ton mit einer modern klingenden Produktion verbindet – Blues meets Soul im Nashville-Soundgewand. Sogar der Tourbus fährt wieder, was bei Kingfish für gute Laune beim Interview sorgt.

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ROCKSTAR GAMES

Blues und Videospiele sind ja nicht die üblichste Konstellation. Wie kam der Kontakt zu Rockstar Games zustande?

Das lief über meinen Manager. Er hat das Angebot bekommen. Es war noch ein bekannter Name im Gespräch und es hieß, wenn der nicht zusagen würde, würden wir den Zuschlag bekommen. Und so ist es passiert!

Stehst du selbst auf Videospiele oder war das ein rein geschäftliches Ding?

Ich war schon seit Jahren ein Fan von Rockstar Games und hatte richtig Lust auf den Job.

Inwieweit warst du in die Gestaltung des Spiel-Charakters Bluewater John eingebunden?

Sie haben uns gesagt, dass er Robert Johnson nachempfunden werden sollte, und gaben uns ein paar Songs zum Anhören. Dann habe ich mir überlegt, wie ich ihn in dem Song darstellen möchte und habe Text und Musik geschrieben. Der Charakter ist eine recht genaue Kopie von Robert Johnson.

Gab es schon eine Idee für den Song oder war das deine Idee?

Es gab die unausgesprochene Vorgabe, dass es ein akustischer Delta-Blues-Song sein sollte.

Musstest du dich an Timecodes oder irgendwelchen anderen technischen Details orientieren?

Nein, damit hatte ich nichts zu tun, aber ich musste im Studio ein paar Zeilen einsprechen. Also Bluewater John’s Stimme liefern, die dann mit dem Bild zusammengebracht wurde.

Wo und wie hast du den Song aufgenommen?

Ich habe ein Demo in meinem Heimstudio aufgenommen. Dann wurde er nochmal in einem richtigen Studio live eingespielt. Dort haben wir ein paar Versionen mit unterschiedlicher Herangehensweise gemacht.

Hattest du schon Erfahrungen damit, Musik für Filme, Werbung oder Ähnliches zu machen?

Ich habe etwas für eine Marvel’s-Luke-Cage-Episode für Netflix gemacht, ein Gastauftritt als Künstler. Mit Apple habe ich auch schon gearbeitet und durch diese Kontakte sind wir an den Rockstar-Job gekommen.

Macht dir solche Arbeit Spaß? Gibt es vielleicht schon neue Projekte in der Richtung?

Ich liebe diese Art von Arbeit! Das ist etwas ganz Neues für mich, ich sehe dadurch andere Sachen und treffe neue Leute. Ich bin auch ein großer Fan von Videospielen, von daher würde ich gerne mehr in dem Bereich arbeiten. Ich warte auf Anrufe. (lacht)

THE BLUES

Du bist Anfang 20. Viele deiner Altersgenossen hören wahrscheinlich keinen Blues. Wie ist dein Interesse für den Blues entstanden?

Ich komme aus einer Stadt namens Clarksdale im Bundesstaat Mississippi. Clarksdale ist quasi das Mekka für den Blues. Als ich jung war, war der Blues 24 Stunden am Tag präsent. Ich habe neben einer Bluesband gewohnt und das Delta-Blues-Museum in der Stadt besucht. Mein Vater hat mir auch einiges im Fernsehen gezeigt, Dokumentationen und Bluesbands.

Hast du Unterricht genommen und Musik studiert oder spielst du eher nach Gehör?

In dem Delta-Blues-Museum haben sie ein Künstler-Ausbildungs-Programm, wo sie Leuten das Spielen beibringen. Da habe ich mit acht Jahren am Bass angefangen und bin dann mit 14 zur Gitarre gewechselt. Das ist der Unterricht, den ich hatte. Nachdem der Kurs fertig war, habe ich allein weiter gemacht oder auf Tour von anderen gelernt. Ich kann etwas Notenlesen. In der Middle School habe ich Blattlesen geübt und Kontrabass gespielt. In der Quarantäne-Zeit habe ich mich auch etwas mit Musiktheorie beschäftigt, mit verschiedenen Skalen wie Mixolydisch oder wie man über Akkordwechsel spielt.

Hast du dir als Jugendlicher auch andere Sachen angehört, Rock oder Hip Hop, oder hast du direkt mit dem Blues angefangen?

Ich habe definitiv als Kind auch andere Sachen gehört. Aber damit das, was du spielst, eine wirkliche Bedeutung bekommt, musst du es mögen, und auf den Blues bin ich total abgefahren. Aber ich habe auch die Foo Fighters gehört und ein paar Rapper, die zu der Zeit angesagt waren.

Du bist also kein totaler Bluespurist?

Nein. (lacht)

Gibt es denn in den USA noch ein generelles Bewusstsein für den Blues als eine Art amerikanische Tradition oder interessiert das viele Leute gar nicht mehr?

Das ist so 50/50, würde ich sagen. Es gibt diese Gruppe von Leuten, die wie Historiker sind und alles darüber wissen. Aber es gibt auch eine sehr ignorante, engstirnige Gruppe, die denken der Blues ist „diese traurige Musik“. Die wissen nicht, dass es eigentlich eine Protestmusik ist und viel Bedeutung und Kulturgeschichte dahinterstecken.

Hast du schon junge Leute für den Blues gewonnen?

Sicher, das war schon immer eines meiner Ziele. Du kannst unterschiedliche Genres mischen und so ihre Aufmerksamkeit wecken. Wenn ihr Interesse geweckt ist, kannst du ihnen das wahre Ding beibringen!

Hast du einen bestimmten Gitarrenhelden oder ist es mehr die Musik im Allgemeinen?

Das ist für mich ein riesiger Schmelztiegel – von den alten Bluestypen wie Son House und Robert Johnson über die Leute, die den Blues elektrifiziert haben wie Muddy Waters, B.B. und Albert King bis zu Rocktypen wie Gary Moore, Prince und Hendrix, und Jazzleuten wie Charlie Christian und Kenny Burrell. Ich habe eher 25 verschiedene Helden. (lacht)

Spielst du Jazzstücke, wenn du übst? Manche deiner Sololinie erinnern an George Benson.

Ich sage dazu lieber nein. (lacht) Ich habe mal ,Naima‘ von Coltrane gespielt und ‚Autumn Leaves‘, aber das war es.

Dein neues Album wurde in Nashville aufgenommen. Interessierst du dich für die Country- und Pop-Produktionen, die dort gemacht werden?

Als Künstler würde ich nicht unbedingt Countrymusik spielen, aber ich hätte nichts dagegen, auf einer Pop-Platte die Gitarre beizusteuern oder an einer Produktion teilzunehmen.

Gerade der letzte Song auf dem Album klingt etwas danach und ganz anders als der Rest. Wie kam diese Nummer zustande?

Es war eine schöne Ergänzung, was die Vielseitigkeit des Albums angeht, diesen „Ruhe vor dem Sturm“-Vibe dabeizuhaben. Eine Songwriterin und Künstlerin aus Nashville kam im Dezember 2019 auf eine meiner Shows. Meine Mutter war gerade gestorben und sie hatte einen Song über ihre Mutter geschrieben. Mein Manager kam dazu und sie hat uns erlaubt den Song aufzunehmen, den Text etwas zu ändern und ein paar Sachen hinzuzufügen.

Habt ihr live als Band aufgenommen oder war das eher eine typische Pop-Produktion mit vielen Overdubs?

Nein, live mit der Band. Es gab ein paar Overdubs und ein paar Session-Leute haben noch kleine Parts hinzugefügt.

Du bist ja sehr viel unterwegs. Wie hast du die Zeit im Lockdown verbracht?

Wir haben ein paar Livestream-Konzerte gespielt, aber größtenteils haben wir am neuen Album gearbeitet. Das hat ganz gut gepasst.

GEAR

Auf deiner Website habe ich dich mit vielen unterschiedlichen Instrumenten gesehen. Hast du eine Hauptgitarre oder magst du die Abwechslung?

Eine Zeitlang habe ich Gitarren gespielt, die ein Freund von mir gebaut hat. Das war ein Les-Paul-Modell und eine Mischung aus Tele und Paula. Dann habe ich mit Fender gearbeitet und eine Custom-Shop-Strat gespielt. Zurzeit mag ich alles mit Humbuckern und spiele eine Japan-Tele.

(Bild: Fender)

Hast du auch alte Gitarren im Einsatz?

Ich hätte nichts gegen Vintage-Gitarren, aber mir fehlen die finanziellen Mittel. (lacht) Ich mag aber alte Peavey-Gitarren und habe eine T-60 auf einigen Songs verwendet.

Wie sieht es bei den Amps aus?

Für die Platte hatte ich einen Fender Super Reverb, aber live benutze ich einen Peavey Delta Blues, Peavey-Classic-4×10-Combo oder Fender Twin und Fender DeVille.

Kommt die Verzerrung vom Amp oder einem Pedal?

Ich benutze ein Overdrive-Pedal, das Way Huge Conspiracy Theory, ein Klon des Klon Centaur. Dazu kommt nur ein Wah, ein Stimmgerät und viel Reverb vom Amp. Ein lauter, punchy Clean-Ton mit viel Hall!

Simples Board: Way Huge Conspiracy Theory Overdrive, Dunlop Cry Baby Wah und TC Electronic PolyTune 3 (Bild: Christone Ingram)

Was für Saiten sind auf den Gitarren?

Ich spiele Ernie Ball Power Slinky .011-.058. Für die Singlecoil-Gitarren auch mal .011-.056.

Ist dir die Marke sehr wichtig?

Ich spiele hauptsächlich Ernie Ball, weil sie sich gut anfühlen. Das Wichtigste ist eine bestimmte Stärke, ich will definitiv dicke Basssaiten.

Mit was schlägst du die Saiten an?

Mit Heavy-Picks in der Stärke 1.06.

Danke für das Gespräch und viel Spaß auf Tour!

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2021)

Produkt: Gitarre & Bass 1/2023 Digital
Gitarre & Bass 1/2023 Digital
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