Im Interview

Bryan Ferry Band: Jakob Quist Quistgard & Neil Hubbard

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Bryan Ferry ist zurück. Nach überstandener hartnäckiger Kehlkopfentzündung ist der Sänger der britischen Kultband Roxy Music seit einigen Monaten wieder auf Solotournee. Mit ihm unterwegs präsentiert sich eine exzellente Begleit-Band, aus der neben dem überaus erfahrenen Neil Hubbard (bekannt von Roxy Music, Joe Cocker, Juicy Lucy) auch der junge Lead-Gitarrist Jakob Quist Quistgard herausragt.

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(Bild: Brill, Universal, Mineur)

Wir trafen die beiden Gitarristen in Hannover bei einem Ferry-Konzert der Avonmore-Tour, schauten uns ihr exquisites Equipment an und unterhielten uns mit ihnen über den Vorteil unterschiedlicher Generationen und die besondere Herausforderung, in der Band einer Musikerlegende zu spielen. Kurze Anmerkung: Obwohl der schüchterne Neil Hubbard offiziell eigentlich gar nicht für Interviews zur Verfügung stand gesellte er sich zu uns, um sich dann erstaunlich redselig zu zeigen.

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Neil, was ist nach so vielen Jahren Saite an Seite mit Bryan Ferry der größte Spaß für dich in dieser Band?

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(Bild: Brill, Universal, Mineur)

Hubbard: Jeder einzelne Song. Es gibt unzählige tolle Stücke in Bryans Repertoire, aus dem mir ständig irgendeine andere Nummer besonders gut gefällt. Ich habe immer schon für ,Avalon‘ geschwärmt, aber letztendlich ändert sich meine Vorliebe von Tag zu Tag.

Welche Nummer findest du besonders schwierig zu spielen, welche ist aus deiner Sicht eher einfach gestrickt?

Hubbard: Ich würde sagen, dass ,Avalon‘ die einfachste und gleichzeitig auch die schwierigste Nummer ist. Es sind Nuancen, die den Unterschied ausmachen, kleine Dinge, die den Charakter des Stückes herausbilden oder ihn gegebenenfalls verändern. Für mich ist dieser Song immer wieder eine besondere Herausforderung, gleichzeitig aber auch die größte Genugtuung.

Das heißt, es gibt Unterschiede zwischen den Versionen der Songs, je nachdem, wie der Abend läuft?

Hubbard: Solche Unterschiede gibt es in jeder Hinsicht, nicht nur in spielerischer. Das Publikum ist immer anders, auch Bryan selbst ist nicht immer gleich gut gelaunt. Wenn er glücklich ist, sind es alle anderen auch. Aber ist es so nicht in jeder Band?

Quistgard: Ja, ganz sicher.

Ihr als Begleit-Band spürt also, ob euer Chef zufrieden oder unzufrieden ist?

Quistgard: Oh ja, absolut! Jeder in der Band ist komplett auf ihn geeicht. Auch wenn es das Publikum möglicherweise nicht mitbekommt, aber während des gesamten Konzertes kommuniziert Bryan mit uns Musikern. Er sendet kleine Zeichen und Gesten aus, an denen man ablesen kann, was er gerade möchte, wie es ihm geht, was ihm ge- oder missfällt.

Neil, hat sich nach so vielen Jahren auf der Bühne eigentlich Routine bei dir eingeschlichen?

Hubbard: Nein, überhaupt nicht. Ich bin beispielsweise immer noch jeden Abend ein wenig aufgeregt. Nicht im negativen Sinne, zumal ich denke, dass ein wenig Nervosität zum Musikerleben dazugehört. Wenn es fehlen würde, hätte man diesen Job schon zu lange gemacht. Ein wenig Aufregung gehört dazu, wenn man sein Bestes abrufen will.

Diese Band besteht aus drei Generationen. Was kann eurer Meinung nach die ältere der jüngeren beibringen? Oder umgekehrt?

Hubbard: Quist kann uns alten Säcken tausend Sachen beibringen. Und er macht das zum Glück auch. Ich denke, dass wir genauso viel von ihm lernen wie er von uns. Bryan, Fonzi (Thornton, Background-Sänger) und ich profitieren ungeheuer viel von Quist und unserem Bassisten Jimmy Sims.

Quistgard: Mich inspiriert es natürlich unglaublich, erfahrene Musiker wie Neil, Fonzi oder Bryan beim Spielen beobachten zu können. Sie haben das gewisse Extra, sie sind etabliert, berühmt, versiert, und das bereits seit vielen Jahren. Sich in der Nähe von solch großartigen Musikern aufhalten zu dürfen ist unglaublich inspirierend. Neil ist ein fabelhafter Gitarrist, ist doch klar, dass ich seine Aura aufsauge.

Hubbard: Aber noch einmal: Dieses Prinzip funktioniert in beide Richtungen. Denn jüngere Kollegen haben uns Älteren Frische und Enthusiasmus voraus. Und davon profitieren natürlich auch wir.

Gibt es aus Sicht der Instrumentalisten eigentlich signifikante Unterschiede zwischen Songs von Roxy Music und Songs von Bryan Ferry Solo?

Hubbard: Für mein Empfinden verschwimmen die Unterschiede. Ich habe größten Respekt vor Phil Manzanera und Andy Mackay (Gitarrist und Saxophonist von Roxy Music), aber Bryan war immer der wichtigste Teil dieser Songs. Ich sehe daher keine großen Unterschiede. Allerdings darf man nicht vergessen, dass Roxy Music seit vielen Jahren keine neue Scheibe aufgenommen hat. Insofern kann man gar nicht abschließend beurteilen, ob die Band heute anders klingen würde als das, was Bryan unter eigenem Namen veröffentlicht. Es existieren einfach unglaublich viele verschiedene Songs, sowohl von Bryan als auch von Roxy Music, sodass allein dadurch schon eine immense Bandbreite an Stilen und Einflüssen abgedeckt wird.

Ist das Ziel dieser Band, den Originalen möglichst nahe zu kommen?

Hubbard: Nein, aus meiner Sicht jedenfalls nicht … Bryan überlässt es seinen Musikern, die richtige Mischung aus originaler Vorlage und frischer Attitüde zu finden. Er gibt der Band ein bestimmtes Maß an künstlerischer Freiheit. Natürlich entsprechen wir dann seinem Wunsch, wenn er einen alten Song möglichst originalgetreu gecovert haben möchte. Generell aber hat jeder auch eine Menge Freiraum.

Quistgard: Meine Soli sind beispielsweise überwiegend improvisiert. Selbstverständlich gibt es Soli, die ich Ton für Ton wie im Original spiele, weil der Part fester Bestandteil der besonderen Magie einer Nummer ist. Das Solo zu ,Virginia Plain‘ beispielsweise darf man nicht verändern, es ist dermaßen eingängig, so einzigartig, dass man es exakt nachspielen muss.

Vor ein paar Tagen habe ich Phil Manzanera im Rahmen einer David Gilmour-Show interviewt und ihn nach seiner Meinung zur aktuellen Bryan Ferry Band gefragt. Er hat erzählt, dass er vom gegenwärtigen Lead-Gitarristen sehr viel hält, weil der einen Song auf die Bühne bringt, den er selbst nie spielen konnte.

Quistgard: Aha? Sehr interessant. Welchen meint er? Also ich meine: Welchen Gitarristen meint er? (lacht laut los)

Manzanera sprach vom Song ,Stronger Through The Years‘, und dass er den Song nur ein einziges Mal wirklich gut gespielt habe, nämlich bei den Studioaufnahmen, danach aber nie wieder. Quist, wusstest du das?

Quistgard: Nein, so konkret nicht. Aber im vergangenen Jahr haben wir ,More Than This‘ in einer ziemlich abgespeckten Version gespielt und Bryan hat mir erzählt, dass er diesen Song viele Jahre nicht gespielt habe, weil er die Version früherer Besetzungen nie mochte. Bryan sagte, dass erst die jetzige Band den Song so spielt, wie er ihn gerne hören möchte.

Hubbard: Ich finde es wirklich total nett von Phil, so etwas über die aktuelle Besetzung zu sagen.

Neil, lass uns über deine zwei aktuellen Gitarren sprechen: eine warm klingende Gibson ES-355 und eine altehrwürdige Firebird. Wundervolle Instrumente und sicherlich von beachtlichem Wert, oder? Gehören sie zu den wertvollsten Exemplaren deiner kleinen Sammlung?

Hubbard: Nein, würde ich nicht sagen. Aber trotzdem mache ich mir immer Sorgen um sie. Jeder Gitarrist, der Vintage-Instrumente mit sich herumträgt, macht sich Sorgen, dass etwas passieren könnte. Aber ich spiele diese beiden Gitarren schon seit den späten Siebzigern und bisher ist zum Glück nichts passiert. Ich habe beide etwa 1978/1979 gekauft, ich fühle mich seither mit ihnen wohl. Die wertvollste Gitarre meiner Laufbahn wurde leider gestohlen. Es war eine Gibson ES-335, mit Dot-Inlays und schwarzem Finish, was für dieses Modell sehr ungewöhnlich ist. Sie stammte aus den ersten Produktionsjahren, also von 1959 oder 1960. Diese ES-335 wurde mir zusammen mit einer wunderbaren pinkfarbenen Stratocaster gestohlen. Die Gitarre spielte sich von alleine, sie hatte einen wundervoll singenden Ton. Leider besaß ich sie nur ein oder eineinhalb Jahre. Seitdem spiele ich diese beiden Modelle und bin sehr glücklich mit ihnen. Meine ES-355 hat ein Ebenholzgriffbrett anstatt eines aus Palisander und besaß früher ein goldenes Bigsby-Vibrato, ähnelt aber ansonsten der ES-335.

Quistgard: Hast du das Bigsby selbst abmontiert?

Hubbard: Ja. Ich habe die Gitarre damit quasi ruiniert, oder? (lacht) Alles was man verändern konnte, habe ich im Laufe der Jahre geändert.

Quistgard: Weshalb?

Hubbard: Weil sie sich dadurch besser spielen lässt. Durch das Vibrato war sie sehr verstimmungsanfällig, außerdem mochte ich den Sound der Bigsbys sowieso noch nie sonderlich.

Quistgard: Das ist ja interessant, denn ich mag die Bigsbys, habe mich aber kürzlich mit Bryan darüber unterhalten und ihm gefällt der Bigsby-Sound auch nicht sonderlich.

Neil, ein Pedalboard, wie das auf dieser Tour, ist für dich eher ungewöhnlich, nicht wahr?

Hubbard: Das ist richtig. Wenn ich zu Hause bin und dort kleinere Gigs spiele, habe ich eigentlich immer nur ein Volume-Pedal dabei. Ansonsten bevorzuge ich, direkt in den Amp zu gehen, was zu dieser Art Gitarren auch am besten passt.

Bei Bryan Ferry musst du also ein paar spezielle Sounds anbieten?

Hubbard: Na ja, ehrlich gesagt ist Quist unser Experte für tolle Gitarren-Sounds. Das ermöglicht mir die Freiheit, mein Ding zu machen, was klanglich deutlich schmaler ausfällt als die Sachen, die von ihm kommen.

Quist, du hast dein Pedalboard also gezielt auf die Songs abgestimmt, die Bryan Ferry auf dieser Tour spielt?

Quistgard: Ich habe schon zu den Proben ein ganzes Arsenal an Effektgeräten mitgenommen und ausprobiert, was passen könnte und was nicht. Bryan ist sehr anspruchsvoll, was Sounds betrifft, und legt großen Wert darauf, dass es genauso klingt, wie er es in seinem Kopf hat. Wenn er sich nicht sicher ist, sagt er: „Lass uns noch einmal überprüfen, wie es im Original klingt.“ Bryan ist da sehr detailorientiert.

Hilft dir das, oder macht es die Sache mitunter auch ziemlich mühsam?

Quistgard: Nein, ich mag das, weil es zeigt, dass Bryan solche Dinge wichtig sind. Ich weiß, dass ich Vorschläge machen darf und Bryan dann genau darauf achtet, dass der Sound zum Song passt. Das entlastet mich natürlich auch in erheblichem Maße.

Danke Neil und Jakob, für das nette Gespräch!

Jimmy Sims

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(Bild: Brill, Universal, Mineur)

Obwohl für die breite Masse ein noch relativ unbekannter Musiker, ist der englische Bassist Jimmy Sims beileibe kein Newcomer. Sims spielte bereits für Amy MacDonald, Judie Tzuke, James Morrison oder George Ezra. Zur Band von Roxy-Music-Sänger Bryan Ferry kam er erst vor ein paar Monaten, hat sich aber bereits zu einer festen Größe der Band gemausert und genießt unter seinen Kollegen höchsten Respekt. Wir trafen Sims ebenfalls bei besagtem Ferry-Konzert in Hannover und befragten ihn zu Werdegang, Herausforderungen und Zukunftsperspektiven.

Jimmy, bitte stelle dich kurz vor. Wo bist du aufgewachsen und wie bist du zur Musik gekommen?

Ich stamme aus keiner sonderlich musikalischen Familie, aber immerhin gab es in unserem Haus ein Klavier. Mit sechs bekam ich erstmals Unterricht. Ich stamme aus Birmingham, wo es eine tolle Kulturförderung gibt. Jeder kann sich jedes Instrument in der Schule kostenlos ausleihen. Es existiert ein riesiges Lager mit gebrauchten Instrumenten, und ich lieh mir unter anderem eine Geige, eine Trompete und – allerdings nur für einen Tag – sogar ein Saxophon aus. Also: mit sechs Klavier, mit elf Trompete und mit etwa 15 dann die Gitarre. Von da an war es die wohl typische Geschichte der meisten Bassisten. Denn alle meine Freunde spielten Gitarre, und als wir eine Band gründen wollten, hatten wir niemanden, der Bass spielt. Ich fand es interessant, also machte ich es. Ich hatte zu Hause eine Menge Rock-Musik gehört, Deep Purple, Simple Minds, interessanterweise auch Roxy Music. Später entdeckte ich dann Nirvana oder die Smashing Pumpkins und spielte verstärkt zu Grunge-Scheiben. Irgendwann entstand der Wunsch, Session-Musiker zu werden, weil ich möglichst vielseitig sein wollte, anstatt nur eine Sache zu machen. Mir gefielen immer schon die unterschiedlichsten Stile, ich wollte nie nur in einer Band sein und ständig das gleiche Zeugs spielen.

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Fender Jazz Bass in Black, Baujahr 1977 (Bild: Brill, Universal, Mineur)

Das bedeutete auch: üben, üben, üben!?

Ich saß vor dem Fernsehen und spielte, ich saß in meinem Bett und übte die halbe Nacht. Überall! So wurde ich schnell besser, belegte Musikkurse am College und spielte überall dort, wo man mich bezahlte: irische Folkmusik, Cover-Bands, ganz egal. In den späten 90er-Jahren bekam ich dann einen Job in einem Musikgeschäft namens Bass Center. Sie hatten Filialen in London, Birmingham und Manchester. Heute existiert der Shop nur noch im Internet. Diese Läden waren das reinste Mekka für Bassisten. Alle namhaften oder unbekannten Bassisten kamen dort vorbei und erzählten aus ihrem Musikerleben. Insgesamt arbeitete ich dort sechs Jahre, einige Zeit davon in London. Meine gesamten 20er-Jahre stand ich entweder im Shop, im Studio oder auf der Bühne. Alle meine Freunde erzählten mir von ihren Urlauben, von ihren Freundinnen und allerlei Abenteuern. Ich konnte mit solchen Geschichten nicht dienen, für mich gab es in dieser Zeit nur eines: Musik. Aber ich denke, das ist das Opfer, das man einfach bringen muss, wenn man Profimusiker werden will.

Hast du in dieser Phase deines Lebens etwas verpasst, das du heute vermisst?

Ja, ein wenig schon. Aber dafür konnte ich ab 25 von der Musik leben, mittlerweile also schon elf Jahre. Aber Profimusiker zu sein bedeutet halt auch, in Kneipen zu spielen, was ich viele Jahre machte. Jaco Pastorius, mit dem ich mich weiß Gott niemals vergleichen würde, hat einmal gesagt: „Wenn man mir einen Job angeboten hat, sagte ich bereits zu, bevor ich genau wusste, worum es sich konkret handelt.“ Das ist auch mein Berufsethos, und das ist es auch, woraus Jaco Pastorius seine unglaubliche Vielseitigkeit gezogen hat. Für mich ist Musikmachen meine Arbeit. Es ist sicherlich auch ein bestimmter Lebensstil, aber in erster Linie ist es ein Job und keine Party.

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Aguilar DB 751, Aguilar DB 115, Ridge Frams Gas Cooker DI-Box und DBX 160 XT Compressor (Bild: Brill, Universal, Mineur)

Wie groß ist der Studioanteil deiner Arbeit?

Nicht mehr so groß wie früher, denn es gibt immer weniger Studios, die einen Freelancer-Bassisten verpflichten. Komplette Bands werden sowieso kaum noch produziert, meistens spielt der Gitarrist den gewünschten Bass-Part ein, oder der Produzent. Heutige Popsongs brauchen ja meistens auch gar nicht mehr diese aufwendigen Bass-Tracks wie in den 1980ern oder 90ern. Ich werde zwar dann und wann noch gebucht, aber zum Leben würde das alleine nicht ausreichen.

Wie würdest du dich selbst als Bassist charakterisieren?

Als ziemlich lausigen. (lacht)

Ich meine: Steht bei dir die Melodie im Vordergrund, oder eher der rhythmische Aspekt?

Keine Ahnung, aber ich vermute eher der rhythmische Aspekt. Es hängt natürlich vom Song ab und vom Musikstil. Denn dieses hier heute Abend ist eine Bryan-Ferry-Show, keine Jimmy-Sims-Show. Und genau das muss man sich als Musiker dieser Band natürlich vor Augen halten. Ich versuche mich immer so eng wie möglich an die Originalvorlage eines Songs zu halten und gleichzeitig authentisch zu spielen, möglichst mit einem eigenen Ton.

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Sims Pedalboard mit (v.l.) Line 6 DL4, Chunk Brown Dog, Aguilar Chorusaurus, Mutron III, Aguilar Octamizer, Boss TU-3 und Quartermaster Switcher (Bild: Brill, Universal, Mineur)

Erwartet Bryan Ferry von dir, dass du dich eng an die Vorlage hältst, oder ermuntert er dich zu künstlerischer Freiheit?

Das hängt immer vom jeweiligen Song ab. Nimm nur mal ,Love Is The Drug‘, einer der größten Hits von Roxy Music. Diese Nummer basiert auf einer Basslinie, die von Andy Mackay, dem Saxophonisten, komponiert wurde. Ohne die Basslinie würde dieses Stück nicht funktionieren. Meine Aufgabe ist es, genau dieses zu gewährleisten, nämlich: Wie eng muss ich mich ans Original halten und wo könnte man auch leichte Variationen einstreuen? Bryan liebt es, wenn man sich zu 100% an die Vorlage hält, ohne dass er einem die Freiheit zur Improvisation nimmt. Es muss sich einfach nur richtig anhören.

Spielst du mit Fingern?

Mit Finger und mit Plektrum. ,Love Is The Drug‘ oder ,Virginia Plain‘ wurde ursprünglich von John Gustafson eingespielt, der einen sehr trockenen, perkussiven Sound hatte. Der Bass zu ,Avalon‘ wiederum stammt von Alan Spenner, meinem ultimativen Basshelden, der bei Roxy Music einen Wal-Bass spielte. Der hatte damals eine ziemlich verrückte Elektronik und ein tolles Sustain, es klingt fast wie Fretless, dabei ist auf ,Avalon‘ einfach nur ein Chorus dazwischengeschaltet. Es klingt sehr warm, poliert, überhaupt nicht punkig, wie manche der frühen Roxy Music-Stücke. Man sollte die älteren Stü- cke also mit Plektrum spielen, die jüngeren lieber mit Fingern.

Ist dies die Phase deiner bisherigen Karriere, in der du am meisten gelernt hast?

Ich habe aus jedem meiner bisherigen Jobs versucht zu lernen. Aber dies ist der Job, bei dem ich am härtesten arbeiten musste.

Weshalb?

Weil es so unglaublich vielschichtig ist. Bryan blickt auf eine 40-jährige Karriere mit beeindruckend vielen unterschiedlichen Songs zurück. Er hat Fans aus jeder Epoche seiner Laufbahn, die alle einen anderen bestimmten Song besonders lieben. Manche bevorzugen seine Solostücke, andere das Material von Roxy Music. Und alle möchte ich zufriedenstellen. Das alles zu lernen und jedem Stück gerecht zu werden war echt harte Arbeit. Außerdem habe ich auf dieser Tour nur zwei Bässe dabei, einen davon sogar nur als Ersatz, falls mal eine Saite reißt. Denn ich möchte dieser Herausforderung durch unterschiedliche Spielstile gerecht werden, nicht durch unterschiedliche Instrumente.

Wie hat sich die Band auf diese Tour vorbereitet? Gab es vorher Proben mit der gesamten Besetzung, also auch mit Bryan Ferry?

Als erstes bekam jeder eine ellenlange Liste mit insgesamt 50 Songs, die man sich anhören sollte, daraus wurden 30 ausgewählt, die man zu lernen hatte. Später kristallisierten sich 25 für die endgültige Setliste heraus. Zwei Tage vor der ersten Band-Probe traf ich mich bei Bryan im Studio mit Luke Holland, unserem Schlagzeuger. Wir jammten mit den Songs und suchten die geeigneten Grooves. Denn nichts ist schlimmer, als wenn man mit allen probt und irgendjemand plötzlich sagt: „Irgendwie stimmt der Groove nicht.“ Denn wenn man mit der gesamten Band probt ist keine Zeit für Details. So aber konnte ich mir von Luke zeigen lassen, wie er die Bass-Drum setzt, wie er einen Groove anlegt. Dann kam die gesamte Band zusammen und wir probten die komplette Setliste. Mitunter stieß auch Bryan dazu, aber nur temporär, um seine Stimme für die Tour zu schonen.

Es waren lange aber sehr interessante Proben, bei denen ich sehr viel gelernt habe. Dadurch, dass die Proben in seinem Studio stattfanden, hatte ich ständig Zugriff auf digitale Tonspuren der Originalsongs, an denen ich mich orientieren konnte. Bryan beschäftigt einen Studio-Angestellten namens Simon, dessen Wissen über seinen Backkatalog schier unglaublich ist. Wenn ich also nur die Basslinie von ,Let’s Stick Together‘ hören wollte, die im Original von John Wetton eingespielt wurde, suchte Simon sie mir raus. Auf dem neuen Album ,Avonmore‘ spielen verschiedene Bassisten. Der Titeltrack stand natürlich als erstes für die Tour fest, denn immerhin ist dies ja die ,Avonmore Tour‘ . Ich fragte Simon: „Wie viele unterschiedliche Bass-Spuren gibt es in diesem Song?“ Er antwortete: „Vier.“ Ich darauf: „Und wer waren die Bassisten?“ Simon: „Paul Turner, Marcus Miller, Guy Pratt und Flea.“ Paul Turner ist einer meiner absoluten Helden, er spielte unter anderem für Jamiroquai. Über Marcus Miller muss man ja wohl nichts mehr sagen, oder? Guy Pratt wiederum war mein direkter Vorgänger in dieser Band. Er spielt jetzt bei David Gilmour. Ich sagte: „Also stammt dieses unglaublich schnelle Plug-In, das wie ein Maschinengewehr klingt, von Flea, richtig?“

Renommierte Namen!

Und ich musste nun aus vier Bass-Parts von einigen der renommiertesten Bassisten der Welt eine Live-Version zusammenstellen. Kein leichtes Unterfangen und eine echte Herausforderung.

Letzte Frage: Was wirst du machen, wenn dieser Job vorüber ist? Zumal ich vermute, dass du bereits während der laufenden Tour Ausschau nach dem nächsten Engagement halten musst. Wie organisierst du das?

Per E-Mail, über Facebook und Twitter. So bleibe ich in Kontakt zu anderen Musikern und jeder weiß, ab wann ich wieder verfügbar bin. Ich hoffe, demnächst eine neue Scheibe mit Amy MacDonald machen zu können, außerdem könnten für mich ein paar Wochen mit George Ezra herausspringen, obwohl ich bereits seit April 2014 wegen Bryan Ferry nicht mehr durchgehend dabei sein konnte. Aber natürlich möchte ich endlich wieder meine Frau und meine kleine Tochter länger als nur für ein paar Tage sehen.

Das muss hart sein, seine Familie nur sporadisch sehen zu können.

Ja, das ist es auch, aber dies ist nun einmal der Job, für den ich mich entschieden habe.

 

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