Back to basics: Robben Ford im Interview

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(Bild: Mascha Photography 2017)

Beim letzten Soloalbum ‚Purple House‘ beschäftigte sich der Grenzgänger zwischen Blues, Jazz und Rock eingehend mit Gitarren und Amps. Mit ‚Pure‘ kehrt der Altmeister zurück zum Konzept der Einfachheit – und gab sich erst zufrieden, als das Resultat exakt seinen Vorstellungen entsprach. Selbst wenn dies einen Neuanfang erforderte.

Der Mann aus dem kalifornischen Woodlake kann auf einen beneidenswerten musikalischen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Nicht umsonst wird der ehemalige Kopf der Fusion-Formation Yellowjackets und Sideman von Miles Davis, George Harrison, Steely Dan, Joni Mitchell und vielen anderen zu den Top 100 der Gitarrenliga gezählt. Die Zahl seiner Sessions und Studioaufnahmen ist geradezu ehrfruchtgebietend. Entsprechend konkret sind seine Vorstellungen hinsichtlich Instrumenten und Verstärkung, Mikrofonierung, Aufnahmetechnik und Raumklang.

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Robben bei einem Konzert mit Miles Davis (Bild: Kelly Roberts)

INTERVIEW

Robben, du stellst jedem deiner Alben ein übergeordnetes Konzept voran. Was bedeutete dies für ‚Pure‘?

‚Pure‘ ist seit langer Zeit mal wieder ein reines Instrumentalalbum. Ich hatte vor Corona verschiedene Gigs gespielt, die mich wieder in die Stimmung für Instrumentalmusik gebracht hatten. Dazu hatte ich in Nashville zwei Instrumental-Alben produziert, für Gitarrist John Jorgensen und Pedal-Steel-Player Paul Franklin. Als uns dann die Pandemie stoppte, habe ich versucht die Zeit mit positiver Energie zu nutzen und begann selbst Songs zu schreiben. Mein Kopf war voll auf Instrumentalmusik fokussiert.

Du hast wieder eine Vielzahl an Gästen dabei mit Bill Evans und Jeff Coffin, und du hast mit Nate Smith, Toss Panos und Shannon Forest gleich drei Schlagzeuger eingeladen.

Jeder Musiker bringt seinen eigenen Charakter ein. Auf die Art entwickelt und verändert sich ein Song fast immer von seiner ursprünglichen Idee weg. So war das auch diesmal. Ich hatte jedoch sehr exakte Vorstellungen, wie diese Songs umgesetzt werden sollten. Als ich die ersten Aufnahmen abhörte, war ich überhaupt nicht zufrieden. Deshalb brach ich die Aufnahmen ab und zog einen Schlussstrich. Ab da kam mein Tontechniker und Produzent Casey Wasner ins Spiel. Er betreibt ein winziges Studio, hat aber sensationelles Equipment und vor allem ein exzellentes Vorstellungsvermögen. Wenn ich ihm sagte, dass ich zum Beispiel mit einem Schlagzeug-Sound nicht zufrieden sei, brachte er verschiedene Vorschläge ein, wie wir meiner Idee am nähesten kommen könnten. Das hat ‚Pure‘ letztlich dorthin gebracht, wie ich mir das vorgestellt hatte.

Sehr konsequent.

Ich war schon immer ein „Ton“- und kein „Licks“-Fanatiker. (lacht) Leute wie Steve Vai können aus dem Stand Licks abfeuern, ohne Pause. Ich dagegen mag den Ton, mag den Klang des Holzes, den Klang der Saiten, kleine Nuancen, eben die Textur eines Instruments. Am Ende drehte sich alles um meine Gitarre, wie ich damit umgehe und wie ich sie einsetze, im Kontext von Blues und Jazz.

Bei unserem letzten Gespräch hattest du gerade bei Norman‘s Rare Guitars eine 1954er Gibson Les Paul Gold Top gekauft, die refinished und zu einer Burst umgewandelt wurde. Jetzt, mit etwas Spielerfahrung: Erfüllt sie deine hohen Erwartungen an deine Instrumente?

Nun, diese Gitarre hat inzwischen eine schier endlose Reise hinter sich, um jetzt in dem Zustand zu sein, den ich von meinen Instrumenten erwarte. Als ich sie kaufte, stellte ich fest, dass sie sich nicht so gut spielen ließ. Und dass sie sehr wahrscheinlich bundiert werden müsste, was ich dann auch machen ließ. Doch danach ließ sie sich noch deutlich schlechter spielen. Also stellten wir fest, dass sie ein neues Griffbrett braucht. Ein nicht unerheblicher Eingriff.

Natürlich musste sie dann erneut bundiert werden. Das Ergebnis war aber, dass das Griffbrett leider ein wenig zu dick war. Also fragte ich einen Gitarrenbauer hier in Nashville um Rat und er bot mir an, das Griffbrett abzuschleifen. Also stimmte ich zu. Danach schickte er die Gitarre zu einem befreundeten Gitarrenbauer, wo sie erneut bundiert wurde. Was für eine endlose Geschichte! (lacht) Aber jetzt spielt sie sich richtig gut. Jetzt kann ich sagen, dass ihr Holz einen tollen Klang hat und die Pickups unfassbar gut sind. Die Gitarre klingt fantastisch! Und jetzt spielt sie sich auch richtig gut. Ich gebe ihr 85 von 100 Punkten. (lacht)

Auf dem Artwork von ‚Pure‘ ist jedoch deine Hauptgitarre zu sehen, deine 1960er Fender Telecaster, die du im Laufe der Jahrzehnte am konstantesten gespielt hast. Wie hat sich die Gitarre im Laufe der Jahre klanglich entwickelt?

Aus meiner Sicht hat sie sich nicht merklich verändert, abgesehen von einem einschneidenden Ereignis vor vielen Jahren. Der Gitarrentechniker, der damals für mich arbeitete, wollte den Bridge-Pickup wechseln, um einen anderen Tonabnehmer zu probieren. Dabei beschädigte er leider den Spulendraht. Der Pickup musste neu gewickelt werden, was dann Lindy Fralin exzellent gemacht hat. Danach klang die Gitarre ein wenig anders. Doch die erstaunlichste Erkenntnis für mich kam, als ich vor einiger Zeit ‚Chevrolet‘ vom Album ‚Handful Of Blues‘ anhörte. Ich war total erstaunt wie ähnlich meine Telecaster heute klingt.

Im Dezember hast du auf YouTube eine Weltklang-Archtop von Stefan Sonntag angetestet. Ein Instrument, das dich begeistert hat.

Nun, die Gitarre, die Stefan Sonntag für mich gebaut hat, ist gerade an mich unterwegs. Es müsste jeden Moment an der Tür klingeln! Die Gitarre im Video gehört meinem Freund Bruce Forman. Die Gitarre klang rein akustisch, unverstärkt gespielt, unglaublich warm und hölzern. Und sie hatte einen wirklich gut klingenden Tonabnehmer. Aber was mich wirklich begeisterte, war die Bespielbarkeit. Archtop-Gitarren sind oft eine Herausforderung, weil sie nicht so einfach zu spielen sind. Aber die Art wie Stefan seine Instrumente baut, macht so ein Instrument wirklich leicht zu spielen.


EQUIPMENT

  • Gitarren/Bässe: 1960er Fender Telecaster, 1954 Gibson Les Paul Gold Top „converted“, PRS McCarty, 1968 Gibson ES-335, 1966 Epiphone Riviera
  • Amps & Boxen: Little Walter King Arthur 15 Watt EL84, 1×12 Cabinet
  • Effekte: keine
  • Kabel/Saiten/Plektren/Zubehör: D‘Addario Custom Cable, D‘Addario Heavy Pleks, Fender Heavy Pleks, D’Addario-Saiten 0.10-0.46
  • Mikrofone: Shure SM57 und Royer Labs R-121

www.robbenford.com & www.robbenfordguitardojo.com


Genau das erwarte ich von einer Jazzgitarre: gute Bespielbarkeit, einen schönen akustischen Ton und einen satt klingenden Rhythm-Pickup. Seine Gitarre bietet all das. Wirklich fantastisch. Ich müsste schon ein großartiges Vintage-Instrument kaufen, um etwas zu finden, das mir ein ähnliches Spielgefühl gibt wie diese Gitarre. Es ist verblüffend, dass jemand eine Gitarre bauen kann, die genauso gut performt wie ein Vintage-Instrument.

Vielleicht wird sie dich zu deinem nächsten Album inspirieren?

Nun, mich interessiert sehr, wie so eine Gitarre im Blues-Kontext funktioniert. Ich fand den leider viel zu früh verstorbenen Eric Gale fantastisch. Ich liebe sein Spiel und seinen Ton. Eric hat eine Gibson L-5 gespielt und seine Rhythmusarbeit war genial. Er war Teil der New Yorker Szene und hat für unglaublich viele Künstler gespielt. Im Grunde seines Herzens war er aber ein Blues-Player. Er hatte eine eigene Band namens Stuff mit Keyboarder Richard Tee, Bassist Gordon Edwards und Drummer Steve Gadd. Wenn er Soli spielte, waren die meist sehr einfach, aber trotzdem harmonisch sehr reif. So sehe ich mich, wenn ich eine Archtop wie die von Stefan Sonntag spiele.

Auf ‚Pure‘ huldigst du mit ‚Blues For Lonnie Johnson‘ einem Grenzgänger zwischen Blues und Jazz, wie du selbst einer bist. Was bedeutet er dir?

Ich mag seinen Stil und ich kenne kaum einen Gitarristen, der so spielt wie er. Es gibt wenige Gitarristen, die seinem Stil folgen, wie T-Bone Walker. Er hat Lonnie sehr gut zugehört. Lonnie hat im Wesentlichen eine Gitarre mit nur einem Pickup benutzt und hat unglaublich konstant und fließend gespielt. Das war vielleicht nicht besonders dramatisch, aber es hatte Seele. Es war funky. Es war immer musikalisch. Seine Musik hat etwas, was mich total anspricht. Auf ‚Bringing It Back Home‘ habe ich ebenfalls nur mit dem Hals-Pickup meiner Epiphone Riviera gespielt. Das war meine erste Hommage an Lonnie Johnson. Diesmal wollte ich mich ebenfalls auf seinen Stil beziehen, auf den normalen, langsamen Blues.

(Bild: Kelly Roberts)

Welche Amps kamen zum Einsatz?

Mit den Aufnahmen zu ‚Purple House‘ begann ich, mich mit kleineren Amps zu beschäftigen. Es war das erste Album, auf dem ich meinen Dumble nicht eingesetzt hatte. Mit dem hatte ich so gut wie jedes Album eingespielt! Das war eine große Veränderung für meine Arbeitsweise im Studio. Während der Auseinandersetzung und Suche nach kleineren Verstärkern lernte ich dann Phil Bradbury von Little Walter Tube Amps kennen. Er baut großartige Amps im niedrigeren Leistungsbereich. Der Amp, den ich auf diesem Album benutze, ist der 15 Watt King Arthur mit einer 1×12-Box.

Dein Sound hat auffällig viel Reverb.

Stimmt. Aber sonst habe ich keinerlei Gitarreneffekte benutzt. Was man vielleicht an Effekten hört, kommt vom Studioequipment.

Du hast vor kurzem deine Gitarrenschule Guitar Dojo wieder ins Leben gerufen.

Nett, dass du das ansprichst. Ich habe meine Gitarrenschule, bei der man sich anmelden und dann Kurse oder Einzelunterricht belegen kann, neu aufgezogen. Man findet sie unter www.robbenfordguitardojo.com. Es gibt zudem Rubriken über Equipment, wo ich über meine Instrumente und Sounds rede, sowie Demovideos von verschiedenen Gitarren-Amps. Es gibt Interviews mit großartigen Musikern aus Nashville und es wird eine Story-Hour geben, in der ich über meine Zeit als Musiker für Joni Mitchell, Miles Davis, George Harrison usw. rede. Es gibt jede Menge Inhalt, tiefgreifend und frisch, kein altes Archivmaterial.

(Bild: Mascha Photography 2017)

Und woran arbeitest du für dich selbst?

Ich versuche mich harmonisch weiterzubilden. Ich arbeite an alterierten und verminderten Skalen – worüber ich übrigens auf meiner neuen Website ausführlich referiere. Ich arbeite weniger an meiner Technik. „I’m an old dog!“ (lacht) Ich werde auf meine alten Tage keine neuen Techniken mehr lernen. Aber ich finde immer wieder Dinge, die ich mit meiner Technik anders spielen kann. Kreativ zu sein, interessiert mich viel mehr. Das bedeutet, nicht immer dieselben Sachen abzurufen, sondern sie zu variieren, zu überarbeiten, neue Muster und Strukturen zu finden. Selbst bei den einfachsten Dingen. Ich habe so viel, an dem ich arbeiten kann!

Du hast unlängst mit Larry Carlton gejammt, unvergessen auch deine Kollaboration mit Mike Landau. Ist etwas in der Hinsicht geplant?

Bis jetzt nicht. Schauen wir, was in der Zukunft möglich ist. Ich würde mich freuen. Es würde mir definitiv Spaß machen.

Vielen Dank fürs Gespräch!

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2021)

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ein sehr sympathischer vielseitiger Gitarrist … 🎸

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