Im Interview

Alice Cooper: Gitarrenfan

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(Bild: Jenny Risher)

Wenn Alice Cooper endlich wieder nach Deutschland kommt, wird es – wie gewohnt – neben einer spektakulären Bühnenshow inklusive Guillotine, Schlangen und anderer Gruselrock-Devotionalien auch drei erstklassige Gitarristen zu bewundern geben: Ryan Roxie, Nita Strauss und Tommy Henriksen.

Jede/r für sich eine Koryphäe am Arbeitsgerät, in dieser Kombination nahezu unschlagbar. Das findet auch Alice Cooper himself, der uns im Vorfeld der Konzerte einen kleinen Überblick über die bisherigen Saitenartisten früherer Bandbesetzungen gibt und auch die Kombination Strauss/Roxie/ Henriksen noch einmal etwas genauer unter die Lupe nimmt.

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Alice, Gitarristen hatten in deinen Bands immer schon eine enorme Bedeutung, weshalb du diese Position stets sorgfältig und besonders hochkarätig besetzt hast.

Ja, das ist richtig. Schau dir mal die Geschichte der Rockmusik in den zurückliegenden 60 bis 70 Jahren an: Es haben sich immer diejenigen Bands besonders lange gehalten, die erstklassige Gitarristen in ihren Reihen hatten. Ich erinnere mich noch gut daran, dass mein allererstes Album, das ich mir als Teenager gekauft habe, von Chuck Berry war. Der Grund: Seine Musik wurde von einer schneidigen Leadgitarre angetrieben. Später passierte das Gleiche bei den Beatles und den Rolling Stones. Bei denen war der Leadgitarrist immer nahezu genauso wichtig wie der Sänger.

Denk nur mal an George Harrison, für mich der am ökonomischsten spielende Gitarrist aller Zeiten. Jeff Beck, Jimmy Page und Eric Clapton waren sicherlich deutlich virtuoser und gehören zu Recht zu den besten Gitarristen aller Zeiten. Aber George Harrison wusste genau, was er an welcher Stelle eines Songs zu spielen hatte. Er nutzte diesen Freiraum perfekt aus und beendete seine Soli zum exakt richtigen Zeitpunkt. Zurück zu deiner Frage: Als es losging und ich mit meiner Band erste Erfolge feierte, stand fest, dass ich gleich zwei Leute an der Gitarre haben will, das war für mich der Big Deal! Deshalb habe ich mich immer mit großartigen Gitarristen umgeben, sie waren für meine Band stets von elementarer Wichtigkeit.

Worauf achtest du besonders, wenn du jemanden für deine Band verpflichtest? Müssen sie möglichst virtuos sein oder eher Song-orientiert spielen können?

In meiner Band ist beides wichtig. Mitunter lasse ich bei einer neuen Produktion ein Solo vorher Ton für Ton, Note für Note festlegen und überprüfe dann, ob es tatsächlich zum Song passt. Aber ein anderes Mal komme ich ins Studio und sage einfach: „Feuer frei! Spiel was immer dir einfällt!“ So kommen manchmal die tollsten und ungewöhnlichsten Soli zustande. Natürlich ist so etwas immer abhängig vom entsprechenden Song. Ich hatte lange Jahre mit Steve Hunter und Dick Wagner zwei absolute Experten in der Band. Steve Hunter hat einige meiner absoluten Lieblingssoli gespielt. Hör dir nur mal seine Gitarre in ‚Cold Ethyl‘ an, einfach elektrisierend!

Ein anderes Beispiel ist die Nummer ‚I Am Made Of You‘, mit meinem ultimativ liebsten Gitarrensolo. Die Geschichte dahinter ist interessant: Ich fragte Steve, ob er den Song ‚I Say Goodbye To Love‘ von den Carpenters kennt. Ich sagte: „Hör dir mal den Solopart im Mittelteil genau an, dieser Ton, diese Melodieführung. So etwas hätte ich gerne auch für ‚I Am Made Of You‘.“ Es gibt auch von Jeff Beck, als er bei den Yardbirds war, einige Soli zum Niederknien. Hör dir mal seine Gitarre in ‚Evil Hearted You‘ an, einfach göttlich!

Alice Cooper mit Nita Strauss und Tommy Henriksen (Bild: CC BY-SA 4.0 Biha)

Du gerätst offensichtlich geradezu ins Schwärmen, wenn man mit dir über Gitarristen spricht.

Weil ich ein Riesenfan von guten Gitarristen bin! Für mich sind Gitarristen die Gunslinger einer Band, die Sahne auf der Kirsche eines Songs. Wenn ich mir Stücke wie ‚East-West‘ oder ‚Work Song‘ von der Paul Butterfield Blues Band anhöre, genieße ich insbesondere die fantastische Gitarrenarbeit von Mike Bloomfield und Elvin Bishop. Mike ist für mich einer der unterbewertetsten Gitarristen aller Zeiten, ihn sollte man meines Erachtens in einem Atemzug mit Jeff Beck oder Jimmy Page nennen.

Wer waren die bislang wichtigsten Gitarristen deiner eigenen Band, abgesehen von den aktuellen Mitgliedern Ryan Roxie, Tommy Henriksen und Nita Strauss?

Davey Johnstone war ein großartiger Gitarrist, weil er in meiner Band auf einem unfassbar konstanten Niveau spielte. Kane Roberts dagegen war ein echter Shredder, der schnellste Gitarrist, den ich jemals selbst erlebt habe. Mit ihm sind eine Reihe meiner härtesten Scheiben entstanden, pure Metal-Werke wie ‚Constrictor‘, ‚Raise Your Fist and Yell‘ oder ‚Trash‘, zu denen Kane perfekt passte. Und natürlich darf man Orianthi nicht vergessen. Sie ist zwar eigentlich eine Blues-Musikerin, hat bei mir aber sensationell gerockt. Noch einmal kurz zu Kane Roberts: Einen wie ihn hatte ich lange Zeit nicht in meiner Band, bis Nita Strauss kam. Mit ihr sind diese Shredder-Sachen jetzt wieder möglich.

Ryan Roxie (Bild: CC BY-SA 4.0 VictorChalfant)

Wer hat eigentlich immer entschieden, wer auf deinen Alben spielt und wer fest in die Band geholt wird?

Nun, ich spreche alles mit meinem Produzenten Bob Ezrin ab, mit dem ich schon 20 Alben aufgenommen habe. Wir setzen uns zusammen und überlegen: „Was brauchen wir? Und wen brauchen wir?“ Ich folge Bobs Ratschlag fast immer. Meistens lautete das Ziel, den Fähigkeiten eines Steve Hunter möglichst nahezukommen. Aber natürlich hatte ich auch immer wieder das Glück, berühmte Gastmusiker gewinnen zu können, denk nur mal an Billy Gibbons oder Slash. Ich fragte diese Stars nicht etwa, weil meine eigene Band der Sache nicht gewachsen gewesen wäre, sondern weil es der Song quasi vorgab.

Bob und ich produzierten eine Nummer und sagten uns: „Das Solo müsste wie eines von Billy Gibbons klingen. Also fragen wir ihn doch gleich selbst!“ Ich hatte das Glück und den Luxus, dass kaum einer der Musiker, die ich um ihre Mitwirkung gebeten habe, meinen Wunsch ablehnte. Billy Gibbons hörte die Nummer, fand sie cool, und war sofort einverstanden.

Kommen wir zu deinem aktuellen Line-up mit Ryan Roxie, Tommy Henriksen und Nita Strauss.

Bevor du etwas fragst, muss ich erst einmal sagen: Dies ist die tighteste Band, die ich jemals hatte. Speziell die drei Genannten spielen so eng zusammen, dass kein Blatt Papier dazwischen passen würde. Ryan ist ein sensationeller Leadgitarrist, ein echter Rock’n’Roller, der immer alles aus sich herausholt. Tommy kam eigentlich als reiner Rhythmusgitarrist zu uns. Er hat sich in den zurückliegenden Jahren jedoch dermaßen weiterentwickelt, dass er heute auch ein glänzender Sologitarrist ist. Und Nita? Tja, Nita ist Nita, sie ist eine Show für sich selbst (O-Ton: She‘s a show of her own!). Sie ist erst 35 und schon fünf Jahre in meiner Band. Aber soll ich dir mal eine lustige Anekdote über Nita erzählen?

Ja, bitte!

Wir wollten mal den The-Who-Song ‚Pinball Wizard‘, die Keith-Moon-Nummer, covern. Doch Nita meinte: „Was ist das? Kenne ich nicht!“ Ich musste lachen, jeder kennt ‚Pinball Wizard‘, oder?

Meine Generation auf jeden Fall!

Gutes Stichwort! Nita kannte auch ‚My Generation‘ nicht, ist das nicht lustig? Und Ray Davies von den Kinks war ihr auch kein Begriff.

Wen kannte sie denn?

Ihre Wahrnehmung fing offenbar erst mit Tom Morello an. Ich finde das total lustig, für Nita ist die Arbeit mit mir wie eine große Lehrstunde, sie kann bei mir richtig etwas über die Geschichte der Rockmusik lernen.

Letzte Frage: Wie man bei den Hollywood Vampires gesehen hat, kannst du auch ganz respektabel Gitarre spielen. Wärst du gerne ein berühmter Gitarrenheld geworden?

Na ja, ob das so respektabel ist, lassen wir mal dahingestellt, aber als Rhythmusgitarrist kann ich zumindest etwas zu einem Song beitragen, wenn Johnny Depp gerade den Leadgesang übernommen hat. Ich habe in jungen Jahren sehr viel Mundharmonika gespielt, daher auch meine Vorliebe für die Paul Butterfield Blues Band. Aber ich war nie neidisch auf all die großartigen Gitarristen, ich habe sie stattdessen immer sehr bewundert. Ich wünschte, dass ich ein besserer Gitarrist wäre, aber auch so macht es mir Spaß, meine alte Telecaster zu malträtieren. Alice, danke für das Interview, wir alle freuen uns, dich schnellstmöglich wieder auf der Bühne bewundern zu dürfen.

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2022)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ja,ganz klar,das sympathische „Urgestein des Horror-Schock Rocks“ Alice Cooper kann sich seine Musiker aussuchen.Ich erlebte ihn und seine ständig wechselnden Musiker (Gitarristen) bis dato insgesamt 5 mal live on Stage in Berlin.
    In sehr traurig-beklemmender Erinnerung blieb mir bis heute das damalig einzige Live-Event im alten Tempodrom-Zelt in Berlin,bei dem als Vorgruppe eine völlig unbekannte Band mit dem ulkigen Namen „Jesus Messerschmidt“ auftrat.Zum damaligen Zeitpunkt sah Alice Cooper körperlich erschreckend abgemagert aus,man sah deutlich,daß es ihm zu dieser Zeit gesundheitlich wirklich so richtig schlecht ging,und ging am Ende des Events mit einem extrem beklemmenden Gefühl heim.

    Es ist schön,daß er sich dann später von seinem bekannten Dämonen Alkohol befreien konnte,und bis jetzt total clean blieb,was ja wohl im besonderen Maße seiner langjährigen Ehefrau zu verdanken ist,die ihn schon damals von dieser diabolischen Alkoholsucht mit großer Unterstützung befreien konnte.

    Ich finde eigentlich alle bisherigen und derzeit agierenden Gitarristen sehr gut,jedoch gefiel mir persönlich Damon Johnson bislang als Gitarrist am besten.

    Mit Nita Strauss hat Alice Cooper zum gegenwärtigen Zeitpunkt vermutlich einen absoluten Glücksgriff getan,denn sie bleibt in der Riege der weiblichen Gitarristinnen eine der versiertesten Musikerin in der Alice Cooper Band.
    Die ehemalige Besetzung mit Orianthi an der Gitarre schien mir leider doch etwas zu schüchtern und eher zurückhaltender in ihrer Spielweise zu sein,obwohl auch sie zweifellos eine sehr gute Saitenhexerin ist!

    Bleibt schlußendlich zu hoffen,daß uns die Alice Cooper Band noch lange erhalten bleibt!

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