Visionär, Universalgenie, Querdenker

Adrian Belew & Gizmodrome: Ich bin einfach nur ein Typ, der das Musikmachen liebt

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Gizmodrome
(Bild: earMUSIC)

Er war Sideman für Frank Zappa, David Bowie, die Talking Heads und Nine Inch Nails, hat mit Robert Fripp King Crimson geprägt und ganz nebenbei 20 Soloscheiben veröffentlicht. Jetzt ist er auch noch Gitarrist bei Gizmodrome.

Gizmodrome? Richtig! Die neue All-Star-Band von Stewart Copeland (The Police), Mark King (Level 42), Vittorio Cosma (PFM) und eben Adrian Belew. Anfangs nur zum Spaßaustausch gedacht, bekam das prominente Quartett schnell Appetit auf mehr. Das gleichnamige Debütalbum erschien im September, eine Tour soll folgen.

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Belew, Jahrgang 1949, gehört fraglos zu den innovativsten Köpfen im Bereich moderner Musik, ob bei theoretischen Diskursen und Workshops, als Gitarrist oder Produzent. Seit 1981 ist er bei King Crimson an Bord, einer Band, die mit eigenwilliger Kunstmusik zwischen Rock, Jazz, E-Musik und Pop legendär geworden ist. Dort umgibt den gut gelaunten Multiinstrumentalisten aus Covington, Kentucky, die Ausstrahlung eines Universalgenies, das mit professoraler Erfahrung und stoischer Ruhe jeden scheinbar unlösbaren kompositorischen Knoten mit spielerischer Leichtigkeit aufdröselt und damit das Publikum immer wieder aufs Neue verblüfft. Der Mann ist ein Querdenker und Visionär, für den sich Einflüsse wie Stockhausen, Roy Orbison und Gershwin nicht gegenseitig ausschließen. Obendrein ist er ein ungemein unterhaltsamer Gesprächspartner.

Gizmodrome
(Bild: earMUSIC)

interview

Stewart sagt „Adrian is an Enigma“. Was meint er wohl damit?

Adrian Belew: Keine Ahnung! (lacht) Ich bin einfach nur ein Typ, der das Musikmachen liebt. Ich weiß, mein Musikgeschmack und meine Vorlieben sind leicht verrückt. Ich glaube, ich habe Stewart damit überrascht. Ich habe schnell gemerkt, dass er meinen Background nicht so gut kennt. Von King Crimson hatte er gehört, klar. Aber meine 20 Soloscheiben kennt er gar nicht.

Adrian Belew
(Bild: Adrian Belew, Edel)

Du hast einen unverwechselbaren Stil. Erklärst du uns mal dein Selbstverständnis als Gitarrist?

Adrian Belew: Nun, zunächst mal: Ich spiele auch Schlagzeug und Keyboard, ich singe, schreibe Songs und produziere andere Künstler. Ich habe eine Menge Anzüge, die mir passen. Doch die meisten Leute kennen mich nur als Gitarrist. Und da sehe ich die Gitarre als perfektes Werkzeug, um mich auszudrücken. Sie ist die Verlängerung meines Gehirns. Was ich im Kopf höre, setze ich direkt mit den Fingern um. Manchmal geschieht das sogar, bevor ich einen Gedanken vernünftig zu Ende gedacht habe! (lacht) Das Schöne an der Gitarre ist, dass sie so universell ist. Wenn ich ein Orchester höre, kann ich sie wie ein Orchester klingen lassen. Die Technologien erlauben uns heute Dinge mit der Gitarre anzustellen, von denen wir früher nur geträumt haben. Diese Vielfalt inspiriert mich, Songs zu schreiben. Die Technologien und ich haben da eine prima Abmachung! (lacht)

Gizmodrome
(Bild: Lorenza Daverio)

Frank Zappa, David Bowie, Trent Reznor, Robert Fripp, nun Stewart Copeland. Worin liegt dein Geheimnis, mit schwierigen Charakteren und großen Egos klarzukommen?

Adrian Belew: Ich hatte nie Probleme mit irgendjemandem. Die erstgenannten Künstler beziehen sich ja auf meine Jahre als Sideman. Ich war jung und unbedarft. Ich war noch nie um die Welt gereist und hatte noch nichts erreicht. Ich war froh arbeiten zu dürfen: Sag mir was du hören willst und ich spiele es dir! (lacht) Frank Zappa war sehr generös, urkomisch und ein Genie. David Bowie war freundlich, warmherzig und bodenständig. Während Frank verlangte, dass ich seine Kompositionen exakt nachspiele, wollte David, dass ich einfach nur an der Gitarre durchdrehe. (lacht) Robert Fripp wiederum suchte einen Schreib-Partner, einen Gegenpol, sozusagen.

Fripp hat mal gesagt, am besten seien King Crimson immer „wenn die Musik vorbeischaut“. Er meint, die besten Resultate entstünden, wenn man loslasse und sich der Musik hingibt. Gilt das auch für Gizmodrome?

Adrian Belew: Sicher. Die Musikalität dieses Quartetts steht außer Zweifel. Und ich habe aus zwei Gründen zugesagt: Erstens wegen Stewart Copeland. Zweitens: weil wir in Mailand aufnahmen! Die Jungs sind verdammt gut, musikalisch, lustig – wir hatten Spaß. Stewart ist eine Mischung aus Frank Zappa und Les Claypool! Wir wollten nur eine Session spielen und hatten am Ende ein Album. Ich bin eigentlich nur als Session-Gitarrist angerufen worden. Jetzt bin ich Mitglied einer Band!

Adrian Belew
(Bild: Adrian Belew, Edel)

Wie dürfen wir uns das Songwriting vorstellen?

Adrian Belew: Nun, es gab Demos, die Stewart und Vittorio über Jahre hinweg geschrieben hatten. Mark und ich haben zunächst die Song-Gerüste gelernt. Wir sind da recht flott. Dann gingen wir in einen großen Studioraum wo wir gemeinsam aufnehmen konnten und haben losgelegt. Die meisten Stücke sind First Takes! Ich hatte gar keine Zeit, um etwas großartig auszuarbeiten. Ich hab auch keinen Gedanken daran verschwendet, ob das ein Pop-, Rock- oder Jazz-Album werden soll. Ich habe meine Parts einfach rausgehauen. Ohne Limitierungen. Ich habe gespielt, was mir gerade gefiel. Und ich hoffe, ihr mögt es.

Auf ‚Amaka Pipa‘ spielst du ein paar spektakuläre Bendings in Verbindung mit dem Whammy-Bar. Ein Markenzeichen von dir.

Adrian Belew: Für mich ist ein Vibratosystem ein Werkzeug, um eine Note zu formen. Jeff Beck ist ein Meister darin. Wenn du ihn spielen hörst, hast du den Eindruck, du hörst einer Stimme zu. Und genau so sehe auch ich die Gitarre. Ich habe in meiner Karriere einige Möglichkeiten entwickelt, wie ich eine Note formen kann, etwa indem ich den Vibratohebel nach hinten drehe und ihn dann bewege. Damit erzielst du erstaunliche Ergebnisse, bis hin zu perkussiven Effekten. Es gibt unendliche Möglichkeiten, was man mit einem Vibratosystem anstellen kann! Ich bin noch nicht einmal nahe dran, alles ausgelotet zu haben.

Gizmodrome
(Bild: Lorenza Daverio)

Ich vermute, es wäre ein ziemlicher Alptraum dein Spiel zu notieren.

Adrian Belew: (lacht) Nun, ich könnte es nicht, weil ich keine Noten lesen oder schreiben kann. Aber ich stimme dir zu. Das wäre vermutlich eine Herausforderung. Ich vermute sogar, dass ich einige Sachen mache, für die es keine Symbole gibt, um sie aufzuschreiben. Denk nur an die Kombination von Spielweisen mit Loops und Delays. Das wäre auf alle Fälle eine sportliche Aufgabe!

Erzähl uns etwas über by Belew, das es einmal als Music App und einmal als Effects App gibt.

Adrian Belew: Nun, ich saß vor Jahren mit David Bowie am Hafen von Marseille in einem Café. Dort lief Musik und im Café nebenan auch. Zwei verschiedene Radiosender. Möwen über uns. Neben uns Gäste die sich unterhielten. Da kam mir die Idee, dass Musik genau so sein sollte: veränderlich, lebendig, einmalig. So wie das Leben selbst. Ein Stimmungsbild, das sich ständig verändert und kein zweites Mal so sein wird. Ich habe also zwei Apps entwickelt. Zum einen eine Effects App, mit der du eine Vielzahl an Effekten in nahezu unendlichen Kombinationsmöglichkeiten abrufen kannst, einfach durch das Wischen deines Fingers über dein iPhone. Die Entwicklung der Software für die Music App war deutlich komplizierter, damit sich die Musik tatsächlich nie wiederholt. Die Entwicklung hat sechs Jahre gedauert. Ich denke, ich habe mit FLUX das Musikformat aufgebrochen.

Flux App
Flux ist eine von Adrian Belew entwickelte App, die Effekte, Musik und visuelle Konzepte miteinander vernetzt, um die eigene Kreativität herauszufordern. (Bild: Adrian Belew, Edel)

Dann zu deiner Parker Signature Gitarre: Welche Features waren dir wichtig?

Adrian Belew: Die Elektronik! Als Ken Parker seine Fly Anfang der Neunziger vorstellte, konnte ich es kaum glauben: Die Gitarre war unglaublich leicht, einfach bespielbar und hielt die Stimmung perfekt. Das war ein wichtiger Aspekt für mich, weil ich exzessiv mit dem Vibratosystem arbeite, sagen wir ruhig es „vergewaltige“. Es hat mich früher genervt, nach jedem Song nachstimmen zu müssen. Bei der Fly wusste ich sofort, dass das mein Instrument ist. Sie hatte jedoch keine MIDI-Möglichkeit und auch keinen Sustainer-Pickup. Also setzte ich mich mit Ken zusammen und wir loteten alle Möglichkeiten und Details aus, bis hin zur Lackierung. Als dann Line6 mit der Variax-Technologie an den Start ging, haben wir das auch noch reingebaut. Ich finde meine Gitarre jetzt wirklich revolutionär. Es gibt heute zwei Adrian-Belew-Modelle, das erste im typischen Parker Fly Look, sehr kantig, modern und mit Variax an Bord. Das zweite ohne, was es etwas preiswerter macht. Der Look ist auch etwas gefälliger.

Parker Adrian Belew Signature
Adrians Parker Signature-Modell (Bild: Parker)

Hast du deine alte Strat noch?

Adrian Belew: Sicher! Ich habe noch alle meine alten Instrumente, meine Strat, meine handbemalten Twang-Bar-King-Gitarren, alle Gitarren von King Crimson. Ich habe nie Amps und Effekte verkauft. Mein Techniker Daniel Rowland hat mir vor zwei Jahren einen Raum in meinem Studio gestaltet, den wir „The Magic Closet“ nennen. Dort ist alles aufgebaut und verkabelt. Allein über 100 Tretbüchsen, alle über eine Patchbay betriebsbereit angeschlossen. Auch die alten Gitarren-Synthies sind dort. Wenn ich einen bestimmten Sound wiederbeleben will, kann ich das jederzeit. Denn meine Art zu arbeiten hat sich ziemlich verändert. Ich schleppe zum Beispiel keine Amps mehr mit mir herum.

Gizmodrome
(Bild: Lorenza Daverio)

Erzähl mal.

Adrian Belew: Ich spiele heute nur noch über ein Fractal Audio Axe-Fx Ultra Effektprozessor. Ich habe im Grunde zwei Boards, mit denen ich meine Sounds steuere. Mit dem rechten Fuß das Axe-Fx, mit dem linken ein Boss GP-10 (bis vor Kurzem hat er noch ein Roland VG-99 benutzt). Das GP-10 gibt mir zum Beispiel die Möglichkeit, Saiten einzeln anzusteuern und wie zwei Gitarristen zu klingen und obendrein verschiedene Sounds zu kombinieren. Beide Geräte laufen in ein Apple Laptop wo ich die Signale mixe, gleichzeitig auch mein In-Ear-Monitoring. Das geht dann raus zum Front-of-House. Auf meinem Pedalboard habe ich einen Liquid Foot Controller, mit dem ich die MIDI-Sounds steuere und ein Expression-Pedal für das Axe-Fx. Auf der anderen Seite ist ein Volume-Pedal für das GP-10. Dazu habe ich noch zwei weitere Effekte: ein DigiTech Harmony Man und einen Keeley C4 Kompressor – das war‘s. Das alles passt in einen kleinen Koffer den ich zusammen mit meiner Parker im Softcase an Bord jedes Flugzeugs nehmen kann. So reise ich heute. Mehr brauche ich nicht. Es hat nur ewig gedauert, bis ich dieses System ausgetüftelt hatte.

Vielen Dank für das Gespräch!

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(erschienen in Gitarre & Bass 01/2018)

website
www.adrianbelew.net

diskografie

Lone Rhino (1982)
Twang Bar King (1983)
Desire Caught By The Trial (1986)
Mr. Music Head (1989)
Young Lions (1990)
Desire Of The Rhino King (1991)
Inner Revolution (1992)
The Acoustic Adrian Belew (1993)
The Guitar As Orchestra (1995)
Op Zoo Too Wah (1995)
Belewprint (1998)
Salad Days (1999)
Raven Songs 101 (2003)
Side One (2004)
Side Two (2005)
Habitat (2005)
Side Three (2006)
Side Four (Live) (2007)
E (2009)
E for Orchestra (2011)
Live at Rockpalast (2015)
Mit King Crimson (Auszug):
Discipline (1981)
Beat (1982)
Three Of A Perfect Pair (1984)
Vrooom (1984)
Thrak (1995)
ProjeCKt (1999)
The ConstruCKtion Of Light (2000)
Happy With What You Have To Be Happy (2002)
The Power To Believe (2003)
Mit Anderen (Auszug):
Frank Zappa: Sheik Yerbouti (1978)
David Bowie: Lodger (1979)
Talking Heads: Remain In Light (1980)
The B52’s: The Snakeman Show (1981)
Joan Armatrading: The Key (1983)
Jean-Michel Jarre: Zoolook (1984)
Laurie Anderson: Home Of The Brave (1986)
Cindy Lauper: True Colors (1986)
Paul Simon: Graceland (1986)
Mike Oldfield: Earth Move (1989)
Crash Test Dummies: God Shuffeled His Feet (1993)
Nine Inch Nails: The Downward Spiral (1994)
Tori Amos: Strange Little Girls (2001)
The Bears: Car Caught Fire (2001)

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