Je länger, desto lieber

Über oberflächenoptimierte Gitarrensaiten

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Drei verschiedene Beschichtungen v.l.n.r.: GHS Infinity Steel, 90er-Jahre-Elixir-Saite, Elixir Optiweb (Bild: Dieter Stork)

Saiten kennt man bereits seit Jahrtausenden, spätestens seit der Mensch entdeckt hat, dass die schwingende Darmsaite eines Bogens Töne erzeugen kann. Während Saiten ursprünglich aus dem Darm von Schafen oder anderen Huftieren, aus Pflanzenfasern oder Tierhaar hergestellt wurden, waren in China schon früh Saiten aus Seide bekannt, die man etwa ab dem 9. Jahrhundert in Spanien zur Lautenbesaitung verwendete. Metallsaiten aus Eisen und Messing stammen indes aus dem vorderasiatischen und nordafrikanischen Raum.

Bei Saiten für E-Gitarren und -Bässe sind die magnetischen Eigenschaften der verwendeten Materialien für die Saiten-Performance entscheidend. So bestehen die sogenannten Plain Strings, also die Diskantsaiten ohne Wicklungen, wie auch der Wicklungsdraht der Basssaiten heute aus vernickeltem oder gar rostfreiem Stahldraht.

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In den 50er- und 60er-Jahren umwickelte man den Stahlkern noch mit einem Draht mit hohem Nickelanteil. Letzterer verschlechterte die magnetischen Eigenschaften, sodass die Saiten zwar sehr leise klangen, andererseits aber einen warmen, ausgewogenen Klang erzeugten. Im Zuge des Vintage Booms bieten daher verschiedene Hersteller auch wieder Saiten mit der Bezeichnung Pure Nickel oder Vintage Reissue an.

Stainless Steel Strings aus Edelstahl sind erheblich haltbarer und zudem unempfindlicher gegen Rost, klingen klar und brillant und besitzen ausgeprägtere Mitten. Da jedoch Edelstahl härter ist als Nickellegierungen, erfordern Vibratos und Bendings höheren Kraftaufwand.

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Plasma-behandelter Wicklungsdraht (links) vs. normalen Wicklungsdraht (rechts) (Bild: Ernie-Ball)

Auch die Form des Kerndrahtes beeinflusst die Bespielbarkeit und den Klang umwickelter Saiten. So sind runde Kerndrähte flexibler und klingen fetter und ausgewogener. Sechskantdrähte fühlen sich dagegen bei Bendings und Fingervibratos etwas steifer an, klingen jedoch heller und brillanter.


Neben Edelstahl-Saiten bieten sich speziell für Nickelallergiker die galvanisch 24 Karat vergoldeten Gold Strings des deutschen Traditionsherstellers Optima an, der Brian May und immer noch Randy Bachman und Frank Zappa als Endorser führt. Da die Saiten bei Vibratos und Bendings ein wenig steif erscheinen, hat Optima die 24K Gold Electrics Maxiflex entwickelt. Für alle Gold Strings wird eine bis zu dreifache Lebensverlängerung garantiert.


Inzwischen ist unter den renommierten Saitenherstellern ein regelrechter Konkurrenzkampf um die physische und klangliche Haltbarkeit von Saiten entstanden. Pionier auf diesem Gebiet ist die US-Firma W.L. Gore & Associates, die sich auf die Verarbeitung von Fluorpolymere und PTFE (Polytetrafluor-Ethylen) spezialisiert hat und in den Bereichen Elektronik, Industrieprodukte, Medizin und Textilien tätig ist (z.B. Gore-Tex).

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Elixir vs. andere Coatings (Bild: Elixir)

Ihre Elixir-Saiten sind trotz der inzwischen drei unterschiedlichen Beschichtungen (Polyweb, Nanoweb und Optiweb) die einzigen, die komplett inklusive der Wicklungszwischenräume ummantelt werden. Schließlich setzen sich hier die meisten der den Klang beeinträchtigenden Schmutzpartikel ab, zudem werden Greifgeräusche effizient verringert. Allerdings löst sich der PTFE-Mantel nach einiger Zeit an den am stärksten beanspruchten Stellen ab bzw. franst aus. Dennoch verspricht Elixir eine um drei- bis fünfmal längere Lebenszeit als konventionelle Saiten. Die blanken Elixir-Saiten versieht W.L.Gore mit einer Anti-Rust-Auflage, die vor Rost und Korrosion schützen soll.


D’Addario konterte mit seinen EXP Coated Nickel Strings, deren Plain-Saiten und sechskantigen Basssaitenkerne aus High Carbon Steel (Kohlenstoff- oder AHS-Stahl, Advanced High Strength Steel) bestehen. Hier wurde der vernickelte Draht vor dem Wickeln mit einer ultra-dünnen EXP-Ummantelung versehen, die Täler zwischen den Windungen blieben also erhalten. Diese Saiten boten zwar das von konventionellen Saiten gewohnte Spielgefühl und eine 3-4 mal längere Lebensdauer – speziell die Acoustic-Strings erzeugten jedoch deutlich höhere Greifgeräusche.

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D’Addario EXP Coating Bronze (Bild: D'Addario)

Auch die D´Addario NYXL besitzen einen Kern aus Kohlenstoffstahl, sollen 30% reißfester und bis zu 131% stimmstabiler sein und dank des neu legierten vernickelten Wicklungsdrahtes höheren Output liefern. Ihre Anhebung bei 2-5 kHz sorgt für mehr Punch, Crunch und Biss.

Nach der EXP-, die komplett durch die XT-Reihe ersetzt wurde, hat sich der renommierte Saitenhersteller keineswegs auf seinen Lorbeeren ausgeruht und fleißig weiter entwickelt bzw. gewickelt. XS heißt die neue Serie beschichteter Akustikgitarrensaiten, die laut D‘Addario die längste Haltbarkeit aller aktuell auf dem Markt angebotenen Saiten besitzt.


Ein völlig anderes Verfahren zur Verlängerung der Lebensdauer von Saiten präsentierte schon vor über 30 Jahren Dean Markley mit seinen Blue Steels. Stichwort „Cryogenic Treated“. Dabei wickelt man einen vernickelten Stahldraht um einen verzinnten Sechskantkern, kühlt das Ganze mit Hilfe von flüssigem Stickstoff auf -180° bis -190° Celsius ab und bringt es anschließend in einem schonenden Verfahren zurück auf Raumtemperatur. Immerhin offeriert Dean Markley mit diesem Verfahren eine bis zu 3- fache Lebensverlängerung.


Auch der Akustik-Gitarren-Hersteller Martin reiht sich mit seinen Lifespan Strings in die Riege der Anbieter beschichteter Saiten ein. Dort hat man ein firmeneigenes, streng gehütetes Verfahren zur Oberflächenbehandlung der Saiten entwickelt, welches mit dem Ziehen des Drahtes beginnt. Dabei wird eine chemische Reaktion erzeugt, die die Oberfläche des Metalls auf molekularer Ebene schützt. Abschließend durchlaufen die Saiten ein spezielles Vakuumverfahren, um winzigste Verunreinigungen der Wicklungen und des Kerndrahtes zu entfernen. Die Oberflächenbehandlung beeinträchtigt das Schwingungsverhalten weniger als eine Ummantelung und blättert weder ab noch löst sie sich auf.


Der US-Hersteller DR Strings hat schon sehr früh mit beschichteten Saiten experimentiert, und zwar basierend auf der patentierten K3- Technologie – sowohl mit glasklarer als auch farbiger und sogar lumineszierender (Neon-)Beschichtung des Wicklungsdrahtes. Ein echter Hingucker! Die K3-Beschichtung, benannt nach ihrem Erfinder, dem DR-Betriebsleiter Tom Klukosky und dessen 3 Kindern, schützt nicht nur vor Korrosion, sondern verbessert auch den Klang einer schwingenden Saite. Die DR Dragon Skins besitzen eine klare K3-Beschichtung.

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Die DR-Neon-Saiten leuchten im Dunkeln. (Bild: DR Strings)

DR String-Life-Saiten werden für eine noch längere Haltbarkeit mit Polymer beschichtet. DR Veritas Strings besitzen Wicklungen aus Quantum Nickel, das magnetischer und damit dynamischer und kraftvoller klingt als konventioneller 8% vernickelter Draht. DR verspricht mit diesen Saiten eine 4 mal längere Haltbarkeit.


Als Basis für die Ernie Ball Coated-Slinky-Saiten dienen die legendären Slinkys, die aus einem zinnüberzogenen Stahlkern bestehen, der mit Nickel-Stahl umwickelt ist. Sowohl die Plain- als auch die Wound-Strings sind mit einer ultra-dünnen Schicht überzogen, zusätzlich umwickelt man die Plain-Strings am Ball-End mit Titanium. Dies macht sie besonders reißfest und langlebig. Das sich nicht ablösende Coating weist Schmutzrückstände ab. Wischt man nach dem Spielen über die Saiten, sollen sie nahezu ewig halten. Zusätzlich verpackt Ernie Ball die Saiten luftdicht, daher bleiben sie frisch wie am Tag der Herstellung.

Noch höher legt der Hersteller die Messlatte seiner Ansprüche mit den neuen Paradigm Slinky Strings. Entsprechend vollmundig tönen auch die Versprechungen. Der revolutionäre Wickelprozess soll in Kombination mit Ernie Balls patentierter RPS (Reinforced Plain Strings) Technologie die Reißfestigkeit um bis zu 35% erhöhen, die Saiten sollen um bis zu 70% resistenter gegenüber Materialermüdung als herkömmliche sein. Der Paradigm-Wickeldraht wird einem plasmagestützten Prozess zur „Fehlerbeseitigung“ und einer stark verbesserten Korrosionsfestigkeit unterzogen. Die patentierte Everlast Nanotechnologie verändert nach dem Wickeln der Saiten die Art und Weise, wie die Oberfläche auf Feuchtigkeit und Fette reagiert.

Das Ergebnis sind Saiten, die länger halten und frischer klingen sollen – ohne die unerwünschten Nebeneffekte einer beschichteten Saite. Die Paradigms sollen die stärksten und haltbarsten Saiten überhaupt sein. Sollten sie innerhalb von 90 Tagen nach dem Kauf reißen oder rosten, ersetzt Ernie Ball sie. Punkt. Allerdings sollte man nicht vergessen, einen Blick auf die Garantiebedingungen zu werfen. Einige unterhaltsame Videos auf der EB-Homepage – u.a. von Paul Gilbert und John Petrucci – demonstrieren eindrucksvoll die Stabilität der Paradigms.

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Martin SP Lifespan mit Hex Core (Bild: Martin)

S.I.T. Strings (Stay In Tune) waren schon in den 80ern populär und wurden als besonders stimmstabil beworben. Während bei den Power-Steel-Stainless-Electric-Saiten Edelstahldraht über einen gehärteten Sechskantkern gewickelt wird, sind die Oberflächen der CRT Bronze Acoustic Strings mit einem Korrosion-Resistenz-Verfahren (CRT) behandelt. Dieses verleiht den Saiten den warmen und reichhaltigen Klang und das Spielgefühl unbeschichteter Saiten.


Mit seiner Hausmarke Harley Benton bietet auch Thomann beschichtete E-Gitarrensaiten an. Die Coated Electric Guitar Strings – erhältlich in Standard .009- und .010-Sets zu jeweils sensationellen € 3,90 – bestehen aus gegen Rost beschichtetem, vernickeltem Stahl mit Sechskantkern.


Cleartone beschichtet seine Coated Electric Strings per EMP-Verfahren (Enhanced Molecular Protection = verbesserter molekularer Schutz), was auch immer dies bedeuten mag. Klingt jedenfalls nach einer chemischen Prozedur. Verwendet wird dabei ein Sechskantstahlkern und Wicklungsdraht aus vernickeltem Stahl. Die Saiten sollen 36% lauter sein als herkömmliche, 3-5 mal länger halten, und die Oberfläche soll nicht abblättern.


GHS ist ein renommierter amerikanischer Saitenhersteller und bereits seit 1964 am Markt. Seine Bestseller heißen Boomers. Die Coated Boomers stellen die aktuellste Entwicklung dieser Traditions-Reihe dar. Der Wickeldraht besteht aus vernickeltem Stahl, der mit einer feinen Ummantelung überzogen wird. Um ein ausgewogenes Spielgefühl zu erzielen, beschichtet GHS auch die Diskantsaiten.

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Elixir-Saiten neben anderen beschichteten und unbeschichteten Saiten in der Nahaufnahme. (Bild: Elixir)

Fender bietet beschichtete Saiten ausschließlich für Akustik-Gitarren an. Die Dura-Tone Coated Strings bestehen aus 80/20 Phosphor Bronze und sind zum Schutz vor Schmutz und Korrosion mit einer speziellen Mikrobeschichtung versehen. Erhältlich in den gewohnten Stärken .010, .011, .012 und .013, besitzen die .011er- und .012er-Sets erstaunlicherweise identische D4, A5- und E6-Saitenstärken.


Der deutsche Großhändler GEWA Music bietet im Rahmen seiner Hausmarke Fire&Stone ebenfalls beschichtete E- und A-Gitarrensaiten zum Street-Preis von ca. € 7 an. Bei den Premium Coated Strings finden nur die besten Materialien Verwendung, und zwar vernickelter Stahl aus den USA sowie 80/20-Bronze aus Deutschland. Gewickelt wird auf automatischen, computergesteuerten Präzisionsmaschinen. Auch die Diskantsaiten sind beschichtet. Die Haltbarkeit soll drei- bis fünfmal höher sein als die konventioneller Saiten.

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Eine ältere Elixir-Saite mit deutlich sichtbarer Beschichtung (Bild: Elixir)

Diese Auflistung erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aus Platzgründen konnten lediglich die populärsten Brands Berücksichtigung finden, die oberflächenveredelte bzw. beschichtete Saiten anbieten. Leider halten sich die Hersteller auf Fragen zu ihren jeweiligen mitunter auch patentierten Verfahren zur Beschichtung bzw. Oberflächenbehandlung extrem bedeckt. Manche präsentieren hübsche, zumeist aber wenig informative Grafiken, Präsentationen oder auch aufwendige, zum Teil sogar unterhaltsame Videos mit hohem Spaßfaktor. Unterm Strich sollte sich ohnehin jeder Gitarrist seine Saiten durch Vergleiche selbst „erarbeiten“. Das ist zwar mühselig und zumeist kostenintensiv, aber lehrreich. In jedem Fall zu empfehlen sind Saiten, die vakuumverpackt geliefert werden. Dies erhält die Haltbarkeit auch nach längerer Lagerung.

Übrigens: Die Bezeichnung 80/20 Bronze bei Akustik-Saiten ist eigentlich falsch, da hier 80% Kupfer und 20% Zink legiert werden. Ergo müsste es 80/20 Messing heißen, denn Bronze besteht aus Kupfer und Zinn. Irgendwie erinnert mich das an das ewige Thema: „Tremolo oder Vibrato?“


(erschienen in Gitarre & Bass 07/2017)

Produkt: Gitarre & Bass 12/2023
Gitarre & Bass 12/2023
IM TEST: Nik Huber Piet +++ Jackson American Series Virtuoso +++ Guild Polara S-100 Kim Thayil +++ Squier Sonic Precision Bass +++ Fender Tone Master Pro +++ Blackstar HT Club 40 MK III +++ Aguilar SL 110 +++ Beetronics Seabee +++ 901SOUND Fulcrum EXP

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Warum “vakuumverpackte” Saiten empfohlen werden, verstehe ich nicht. Oder sind die Beschichtungen und sonstigen lebensverlängernden Maßnahmen doch kein so guter Schutz der Saiten?

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    1. Na ja, die korrodieren halt nicht schon in der Packung – einmal ausgepackt ist es wurscht, wie die Saiten verpackt waren.

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  2. “… lumineszierender (Neon-)Beschichtung des Wicklungsdrahtes.”
    fluoreszierend nicht lumineszierender

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