Nachhaltig beeindruckend und beeindruckend nachhaltig?

Test: STS Tomo Double Cut

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ASA-NO-HA?

Wieso plötzlich japanische Elemente nach all der regionalen Zuwendung? Jonas Mehne ist, wie ich, als Teil der Generation der „Millennials“ in einer Welt aufgewachsen, in der die Medienlandschaft zunehmend bunter wurde. Was mir aus meiner Kindheit nach Abenden vor Nintendo-Konsolen, den ersten Folgen Pokémon im TV und anderen japanischen Zeichentrickserien geblieben ist, kann ich auch immer noch auf der „Ocarina of Time“ spielen. Und so ist es nach Jonas’ eigener Aussage wohl unter anderem die Serie Dragonball, die sein Interesse an der japanischen Kultur geweckt und ihn nachhaltig inspiriert hat.

Japan hat neben seiner bei uns relativ jungen Popularität in der Medienlandschaft aber vor allem auch Jahrhunderte an Tradition in der Handwerkskunst zu bieten, und so kommt es zum Ursprung der optisch außergewöhnlichen Ahorn-Gitarrendecke: Durch geschickt gesägte Winkel entsteht ein aus Dreiecken zusammengesetztes Mosaik, genannt „Asa no Ha“; was übrigens übersetzt Hanfblatt heißt. In der japanischen Kultur steht dieses Muster für Wachstum und lange Lebensdauer – irgendwie auch ein passender Querverweis.

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Ausnahmsweise nicht aus Deutschland: das japanische Asanoha-Muster (Bild: Dieter Stork)

Mich persönlich faszinierte vor der Recherche der Herkunft schon die Geometrie des Musters. Je nach vom Blick fixiertem Punkt entdecke ich auch einen sechszackigen Stern oder einen räumlichen auf der Spitze stehenden Würfel. Sechseckige Formen finden sich neben den Inlays und der Decke aber auch an weiteren Elementen der Gitarre wieder. Die „Schnecke“ am Ende des 2-zu-4 bestückten Reverse-Headstocks ist genauso hexagonal wie die Sechskantschlüssel-Aufnahmen fast aller auffindbaren Schrauben am Instrument. Vorbei scheinen hier die Zeiten, als Kreuzschlitz-Linsensenkkopfschrauben mit Blechgewinde ins Holz getrieben wurden.

Fast alle Verschraubungen, inkl. der fundamentalen Halsschrauben, sind mit metrischen Einsatzgewinden und modernen Inbus-Schrauben ausgeführt – ein Faible, der wohl aus Jonas Mehnes Zeit als Ingenieur für die Automobilindustrie geblieben ist. Nur die Gurtpin-Schrauben sind hier (noch) eine Ausnahme.

Inbusschrauben, wohin das Auge sieht. (Bild: Dieter Stork)

Als Brücke kommt auf dieser Gitarre eine feste Schaller-3D zum Einsatz. Mit ihren Saitenreitern, die in drei Dimensionen verstellbar sind – also Saitenlage, Intonation und sogar String Spacing – ist sie schon ziemlich lange ein Klassiker des deutschen Hardware-Herstellers. Die massive Brücke sorgt mit ihrer großen Auflagefläche für eine gesunde Übertragung der Schwingungen in den Korpus; auch hier ist die Befestigung von STS mit Einsatzgewinden und Gewindeschrauben nochmal deutlich optimiert worden.

Die Mechaniken, ebenfalls von Schaller, sind M6 mit eleganter Pin-Arretierung und Saitenklemm-Funktion für ultimativen Saitenwechselkomfort und Stimmstabilität. STS verbauen auf Kundenwunsch übrigens alle deutschen Hardwarehersteller, und so wären auch ABM, KMS oder ETS Alternativen. Die Pickups kommen von Harry Häussel. Als „Direct Mount“ sitzt in den rahmenlosen Fräsungen der Decke ein Vin+ B mit Keramikmagnet in der Stegposition und ein P90 Hot im Humbucker-Format in der Halsposition.

Beide Pickups übertragen die Substanz der Gitarre stimmig zum Verstärker. Der Steg-Pickup bietet viel Biss und Auflösung mit einer zarten Süße in den Obertönen. Er macht die Tomo für alles von Rock, über Metal bis zu Drop-Tuning-Eskapaden zur passenden Axt. Der P90 Hot am Hals komplementiert den Vin+ B und bietet mit seiner drahtigen, und bluesigeren Note eine enorme Erweiterung der klanglichen Bandbreite.

Mit einem 500-kOhm-Linear-Taper-Volume-Poti und Drei-Weg-Schalter steht dem Spieler die Grundausrüstung für die Tonkontrolle zur Verfügung. Der Volume-Regler ist mit einem Treble Bleed versehen, was die Gitarre ohne Höhenverlust beim Herunterdrehen angenehm aufklaren lässt. Ein letztes Wort noch zum Spielgefühl: Die gesamte Gitarre bietet ein angenehm samtiges und holziges Gefühl an der Oberfläche. Tatsächlich wurde bei der Oberflächenbehandlung komplett auf natürliche Rohstoffe gesetzt und man findet hier zeitaufwendig aufgetragene Schichten aus Ölen und Wachsen, die Gitarre ist somit alltagstauglich versiegelt.

 

RESÜMEE

Die Tomo von STS Guitars ist ein wunderschönes Beispiel dafür, was lokaler und individueller Gitarrebau unter der Verwendung ausschließlich regionaler Zutaten möglich macht. Hier wurden keine Mühen gescheut, um eine Gitarre zu bauen, die sich definitiv nicht hinter der Konkurrenz verstecken muss, was die Tomo mit ihrer wirklich besonderen Optik aber auch gar nicht will. Und allein die kurzen Transportwege aller Komponenten ermöglichen hier einen CO2- Footprint der seinesgleichen sucht.

PLUS

● Bespielbarkeit
● Verarbeitung
● Philosophie des Herstellers

MINUS

● Wachs/Öl-Oberflächen sind naturgemäß etwas empfindlicher als Lackierungen
● kein Koffer/Tasche standardmäßig inklusive

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2023)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Besondere Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind ja heute global ein aktuelles Thema. Kurze Transportwege,Transparenz der verwendeten einheimischen Hölzer und langlebige Hardwareteile sind der Garant für den Klimaschutz und der Nachhaltigkeit.

    Schade nur,daß Gitarren aus regionaler Fertigung stets mit so hohen Verkaufspreisen aufwarten,daß sich leider nur sehr wenige Gitarristen solch eine spezielles Saiteninstrument aus Germany finanziell leisten können,denn bei einem satten Preis von rund 3.600,-€ ohne Gitarrenkoffer bleibt der Anreiz hier auf der Strecke liegen!

    Die „Kritik“,daß laut Zitat: „Wachs/-Öloberflächen naturgemäß etwas empfindlicher als Lackierungen sind“,lasse ich mal dahingestellt.
    Die besonderen (völlig berechtigten!) Vorzüge eines gewachsten,-bzw. geölten Gitarrenhals/-Body gegenüber eines lackierten Halses bestätigen mittlerweile unzählige User. Manche Gitarristen schleifen bekanntlich sogar den Lackauftrag von ihrer E.-Solidbody Gitarre ab,und haben somit ein natürlicheres Spielgefühl,was ich selbst sehr gerne bestätigen möchte.

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  2. Absolut mit deinem Kommentar einverstanden. Leider ist so eine Gitarre “made in Germany ” für mich finanziell zu weit entfernt. Im Vergleich sind Mexico und China im Nahbereich.

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  3. Sorry, grausliches Design…

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  4. Für Gitarristen, die sie in die Hand nehmen, spielen und sagen: Das isses! Die bleibt für immer bei mir! Der Preis der Gitarre geht in Richtung Fender Custom Strat. Bei der hat man in Hinsicht auf einen eventuellen Wiederverkauf bessere Karten und man weiß auch, daß man, falls mal doch was passiert, die immer relativ kostengünstig reparieren lassen kann.

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