Rock ‘n‘ Roll Highway

Test: Slick SL50 SG

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(Bild: Dieter Stork)

Es ist wirklich selten, dass im Low-Budget-Bereich auch ungewöhnliche Design-Ideen ihren Platz finden. In der Regel verlassen sich hier die „Marketer“ auf die Traditionsverliebtheit von uns Gitarristen:innen und damit auf längst Bekanntes. Einmal Klassiker, immer erfolgreich – so lautet die einfache Formel, die gerade am unteren Ende der Budget-Fahnenstange seit Jahrzehnten erfolgreich breitgetreten wird.

Eine Marke, die mit dieser langweiligen Erfolgsformel auf ihre eigene Art und Weise aufgeräumt hat, war von Anfang an Slick. Initiiert von Earl Slick, einem der richtig coolen Gitarristen der Rock-Zunft, hat diese Marke die alten Klischees zwar bewusst weiter genutzt, aber gekonnt der Langeweile Einhalt geboten, indem hier bunt durchmischt wird, was man eigentlich aus anderen Zusammenhängen kennt. So wird das Rad zwar nicht neu erfunden, aber es läuft plötzlich cooler den Rock-Highway runter.

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TELE, ABER …

So haben die Slicker auch diese T-Style durch ihren Kakao gezogen. Korpusform, Optik und Anordnung der Pickups sind zwar eindeutig dem Klassiker der Westküste entlehnt – aber das war’s auch schon mit Schönwetter! Kein Pickguard, keine Controlplate, kein typischer Tele-Steg – sondern eine direkte Verschraubung der Pickups in den Body, ein einsames Volume-Poti und ein (aufgrund des fenderesken 0°-Halswinkels) versenkt eingebauter Wraparound-Steg im Gibson-Style drehen das Tele-Design auf links. Ganz dieser Mismatch-Thematik verpflichtet, ist zudem die Hardware verchromt oder pures Messing. Mal dies, mal das, so als ob man sich aus einem Grabbelkasten bedient, in den aller Hardware-Vorrat des Herstellers geschüttet worden ist.

Die Wraparound-Brücke ist aus massivem Messing gefräst und trägt sechs fette Saitenreiter (Bild: Dieter Stork)

Dazu dann noch die sparsame, so nachlässig wirkende Versiegelung, die man gar nicht „Lackierung“ nennen möchte. Diese Art der Oberflächenbehandlung erreichen die Slicker, indem sie keinerlei Füller und Grundierung verwenden. Vielmehr wird das rohe, angeschliffene Holz mit einer Schicht Autolack besprüht und dann wiederum angeschliffen. So erreicht man diese offenporige, leicht satinierte Oberfläche.

Hier und da entdecken wir einen Hauch von Roadworn, während der ebenfalls seidenmatt lackierte Ahornhals mit seiner nach hinten gewinkelten Kopfplatte und Schäftung am 2. Bund erfolgreich der künstlichen Alterung entgangen ist. Für meinen Geschmack könnte der Hals der SL50, der in den oberen Lagen kaum dicker wird als am 1. Bund, gerne kräftiger sein. Aber vermutlich erreicht man mit diesem handlich-bequemen Profil mehr Menschen als mit dem fetteren Fender-50s-Prügel, den der Schreiber dieser Zeilen bevorzugen würde. Schön, dass die Bundierung mit Dunlop 6105 im Medium-Jumbo-Format richtig sauber und korrekt ausgeführt ist, sowohl was die Bearbeitung der Bundenden als auch die finale Politur angeht. Das ist in dieser Preisklasse schon ein Statement.

Cool – das Slick-Logo mit Earl Slicks Silhouette als „k“ (Bild: Dieter Stork)

MORE HARDWARE

Die bereits erwähnte Wraparound-Brücke, vom chinesischen Hersteller XGP exklusiv für Slick gefertigt, ist in ihren Einzelteilen – Basisblock und die sechs Saitenreiter – aus massivem Messing herausgefräst und bis auf ein finales Polieren schlicht unbehandelt belassen worden. Wer die Patina, die sich mit der Zeit hier entwickeln wird, nicht mag, kann sie eben schnell weg polieren. Solche fetten Saitenreiter habe ich – glaube ich – noch nie gesehen! Sie sitzen auf einer Schiene, ihre genaue Längsposition kann über je zwei Madenschrauben zwecks Oktavreinheit eingestellt werden.

Die gesamte Brücke wird an ihren beiden Bolzen generell in der Höhe eingestellt. Sie ist insgesamt konkav gewölbt und passt sich so gut an den Radius des Griffbretts an, sodass ich eine individuelle Höheneinstellung der Saitenreiter nicht vermisste. Genau wie die Brücke kommen auch die Mechaniken von XGP, mit Knöpfen aus massivem, unbehandeltem Messing und, laut Firmenangaben, einem Getriebe (Zahnrad + Schnecke) aus Bronze. Diese Mechaniken arbeiten extrem sauber, ohne jeglichen Leerlauf und bringen die Saiten ganz konkret und direkt auf die richtige Tonhöhe. Und sie halten stabil die Stimmung, wozu auch der korrekt gefeilte Kunststoffsattel und die absolut gerade Saitenführung vom Sattel zu den Mechaniken beitragen.

XPG-Mechaniken mit Bronze-Getriebe und Flügeln aus massivem Messing (Bild: Dieter Stork)

PICKUPS & ELEKTRONIK

Auch hier hat Slick Eigenes zu bieten. Die beiden sogenannten Fullerton-Pickups basieren auf sandgestrahlten Alnico-V-Magneten und Formvar-Draht und sind sowohl optisch als auch magnetisch geaged worden. Wie genau die Slick-Mannschaft auf die Magnete einwirkt, wird leider nicht übermittelt. Dies alles erfolgt mit dem Ziel, die Pickups alt aussehen, alt anfühlen und eben auch alt klingen zu lassen.

Ein mit einem Knopf aus massivem Messing versehenes Volume-Poti muss reichen, aber das Elektronikfach ist absichtlich so groß gehalten, dass die Montage eines zweiten Potis ohne große Holzarbeiten vonstattengehen kann. Apropos Elektronikfach: Es zeigt ein Poti mit großem Gehäuse und einen robusten Schalter, beides Teile, die nicht aus dem Regal mit den Billig-Parts stammen. Das gesamte Fach ist zudem handwerklich sehr sauber mit Abschirmlack ausgepinselt.

Auch der 3-Weg-Toggle trägt einen massiven Messing-Knopf und wird durch eine verchromte Rändelmutter fixiert, während die beiden Messing-Gurtpins per verchromter Schrauben im Body verankert sind. Mismatch auch im Detail!

Gitarren in dieser Preislage dienen ja vielen Gitarrenbastler:innen gerne als Grundlage für diverse Modifikationen, um die Performance zu verbessern. Ganze Squier-Generationen haben bekanntlich dadurch ihre Existenzberechtigung erhalten. Wandert man jedoch über diese Slick SL50, wüsste ich nicht ein einziges Feature, das ausgetauscht werden müsste, um die Performance entscheidend zu verbessern. Vielleicht könnte man – mehr aus altem Aberglauben – den Kunststoffsattel durch einen aus Knochen oder Grafitmaterial ersetzen, aber das wäre es auch schon. Mechaniken, Pickups, Brücke – also all das, was bei vielen günstigen Gitarren fast schon chronisch ausgetauscht wird, ist hier top of the art und absolut richtig am Platz.

PLAY IT LOUD

Ja klar, der klassische Country-Twanger wird auf den ersten Blick kaum von einer Slick T-Style angezogen werden – es sei denn, seine verborgene, dunkle Rocker-Seite meldet sich zu Wort. Und wenn ja, dann wird diese auch richtig gut bedient! Denn schon im Trockendock, also ohne Amp, präsentiert die SL50 einen erwachsenen, kultivierten Ton, geprägt durch einen fetten Anschlag und ein gleichmäßiges, langes Sustain, auch in den oberen Lagen.

Auch verstärkt finden sich diese Komponenten deutlich wieder, gepaart mit einem markanten Klangcharakter, für den die beiden Tonabnehmer verantwortlich sind. Der Hals-Pickup überzeugt clean mit einem vollen, runden Sound mit eindeutigen Strat-Anteilen, sehr soulig und mit einer feinen Glocke. Konterkariert wird er von seinem Team-Kameraden am Steg, der sich mit einem überraschend deutlichen Twang-Sound in den Vordergrund schiebt. Höhen habe ich keine vermisst, trotz der Gibsontypischen Messingbrücke. Vielmehr erhält der Pickup durch diese Konstruktion mehr Muskeln, mehr Bottom-End, und ja: Das ist einfach ein fetter, richtig guter T-Style-Steg-Pickup-Sound!

In der Kombination beider Pickups wird besonders ersichtlich, wie ausgewogen abgestimmt dieses Pärchen ist, sowohl was die Lautstärke als auch die Übertragungseigenschaften angehen: Offenheit, Transparenz, reichlich Höhen und warm-federnde Bässe inspirieren zu komplexen Akkordfolgen oder auch nur zum reinen Zuhören des eigenen Spiels. Hier in diesem klanglichen Zusammenhang habe ich erstmals ein Ton-Poti vermisst – einfach, um noch mehr mit diesem offenen, reichen Klang experimentieren zu können.

Je mehr Verzerrung der Amp und die Pedale anbieten, desto mehr erwacht das Biest im T-Style-Land. Aber auch hier gilt: Alle Sounds sind einerseits von einer Fettheit, anderseits von einer Offenheit geprägt, was eben der grundsätzliche, klangliche Charakterzug der SL50 darstellt. Der Hals-Pickup zeigt angezerrt sofort ein singendes, irgendwie bluesiges Timbre, verzerrt wird er nie mulmig oder matschig, sondern behält immer seinen singenden Charakter bei. Natürlich ist der Steg-Pickup viel bissiger am Werk; er erinnert hier tatsächlich eher an einen P90 als an einen T-Style und liefert Rock pur. Solch ein massiver Wraparound-Steg bietet eben auch eine andere klangliche Übersetzung als die typische Tele-Brückenkonstruktion, und so klingt es eben insgesamt satter und fetter, mit einem Hauch Les Paul Junior – gerade am Steg. Was natürlich sehr attraktiv ist!

Und noch einmal wird auffällig, wie dynamisch diese Gitarre auf den Input des Spielers reagiert, sowohl was die Anschlagsstärke als auch die Verzerrung und gewisse Spieltechniken wie Vibrato, Pinch Harmonics, Bendings etc. angehen. Mit dieser Gitarre lässt sich im wahrsten Sinne des Wortes bestens spielen! Schön, dass man mit dem logarithmisch arbeitenden Volume-Poti erfolgreich Einfluss auf den Verzerrungsgrad nehmen kann. Das Clear Up ist deutlich einzupegeln und musikalisch einzusetzen, besonders im Hals-Pickup- und Kombinations-Betrieb.

 

RESÜMEE

Earl Slick entwickelt die Gitarren, die seinen Namen tragen, selbst. Und es wird schnell ersichtlich, dass die musikalischen Gene dieses Mannes, der seinen Ruhm mit dem Traktieren von Les Paul Juniors und Specials begründete, hier deutlich zu spüren sind. Wie alle Slick-Gitarren ist auch die SL50 SG auf das absolut Notwendige reduziert, wie alle Slicks klingt auch die SL50 SG laut, auf den Punkt, direkt und konkret. The Real Deal, wie die Slick-Promo erzählt. Erreicht wird dies durch das gute Zusammenspiel von Holz- und Hardware-Komponenten, dessen Ergebnis die Slick-Pickups gekonnt abnehmen und nach außen transportieren. An einem billigen Nylongurt zeigt die SL50 SG in „normaler“ Spielhöhe eine leichte Kopflastigkeit. Aber wenn man diesen rutschigen Gurt so justiert, dass die Slick tief hängt – so wie es bei diesem Typ T-Style eben auch sein soll – dann hängt sie genau waagerecht ausbalanciert und wartet ungeduldig auf dein A-Dur!

PLUS

● Pickups
● Sounds
● Hardware
● Verarbeitung
● Spielbarkeit
● Kompromisslosigkeit

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2022)

Produkt: Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Sehr coole Tele, sehr minimalistisch,aber irgendwie wirklich interessant,könnte durch Ihre Bridge ein echter Fendergegner sein. Eine echte ” Endzeittele”

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    1. Ich habe die Slick schon einige Jahre. Den Bridge Pickup habe ich gegen ein Telly Twister von Rockinger ausgetauscht. Damit klingt die Slick noch runder, vor allem an einer Röhre. Perfekt eingestellt ein absoluter Preistipp

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    2. Spiele die SL 55 mit den zwei Filter Tron anstelle der Single Coils. Der Hammer. Supercool. Natürlich in Surf Green 😉

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  2. Ich habe mir die SL50 aufgrund des Testberichts im Heft einfach mal bestellt. Total geile Geige muss ich sagen und werde sie auf jeden Fall behalten. Allerdings steht im Bericht das das Griffbrett aus Palisander besteht. In allen Onlineshops wird aber Jatoba angegeben. Was stimmt denn jetzt? Das Holz macht zwar einen sehr guten Eindruck, sieht aber z.B. dem Palisander meiner Gibsons nicht so ähnlich.

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