Surf & Turf

Test: PJD Guitars Carey Custom

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(Bild: DIETER_STORK)

Schraubhals mit T-style-Kopfplatte trifft auf LP-style-Body mit Humbucker-Elektrik. Hm, hier Fender, dort Gibson – das waren doch mal quasi isolierte Welten mit oftmals orthodox gläubigen Anhängern. Pah, freedom rules, ist heute doch alles kein Problem mehr!

Die Firma PJD Guitars wurde 2010 von Leigh Dovey in London gegründet. Bei Tage arbeitete Leigh damals noch als Sound und Video Engineer am Royal Opera House in Londons Covent Garden, an den Abenden widmete er sich in einer kleinen Werkstatt seiner Passion, dem Gitarrenbau. Mit wachsender Kunstfertigkeit wuchs auch der Erfolg, was einen Umzug nach York in größere Räumlichkeiten nötig machte, wo er heute mit seinen fünf Angestellten um die 250 Gitarren im Jahr fertigt. Seine prototypischen Entwürfe Carey und St John sind inzwischen zu schlüssigen Standards gereift, auf die der Kunde aber in allen Ausstattungsdetails vollen Zugriff hat.

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ANDROGYNE KONSTRUKTION

Fisch oder Fleisch? Müßige Frage – das geht doch inzwischen längst alles auch zusammen. Warum ausschließen, was Sinn macht? Das misst sich dann ja immer spätestens an der Funktion. Gut, nicht immer kommt etwas besonders Tolles dabei heraus, mischt man Stilelemente bunt durcheinander. Das biologische Kuriosum Schnabeltier etwa – ein Eier legendes Säugetier, irgendwas zwischen Ente und flachgeklopftem Biber – soll selbst Gott schon aus „leftover pieces“ verschiedener anderer Schöpfungen geformt haben, sagen zumindest die Aborigines, und bitte: Das schräge Wesen überlebt nun schon seit mehr als hunderttausend Jahren. Da wird man doch heute auch einen maßvollen Crossover-Versuch bei Gitarren wagen dürfen.

Mit der Carey Custom liegt uns ein speziell zum zehnjährigen Firmenjubiläum gefertigtes Modell vor. Es betritt die Bühne mit einem zweiteiligen Korpus von typischem, nur leicht breiter ausgelegtem Single-Cutaway-Zuschnitt aus brasilianischem Mahagoni, plan belassen, jedoch mit effektiven Verrundungen der Korpuskanten am Boden versehen. Dem hinten recht rustikal erscheinenden Mahagonibrett verschaffte man vor dem Aufsetzen des flachen Tops aus spiegelgleich gefügtem, attraktiv geriegeltem Ahorn Hohlkammern. Alle Carey-Modelle sind semiakustisch gebaut, meist auch durch ein einzelnes f-Loch kenntlich gemacht. Mit rund 4,2 cm Plattenstärke liegt der unkonturierte semi-hollow-Body etwa in der Nähe einer LP Junior oder Special.

Halsbefestigung mit versenkten Zylinderkopfschrauben (Bild: DIETER_STORK)

Die Decke ist mit einem cremefarbenen Binding breit eingefasst, vermittelt an den Zargenrändern allerdings ein leichte Schärfe. Der sauber in die Korpustasche platzierte Hals aus prachtvoll gemasertem „Flame Roasted Maple“ ist mit vier versenkten Zylinderkopfschrauben im Korpus verankert, der im Aufnahmebereich eine spieltechnisch förderliche Abflachung erfuhr. Im Palisandergriffbrett von 10″-12″ Radius sind 22 penibel seitenverrundete, mittelstarke und recht hohe Bünde (Jescar 55090), sowie dezente ovale Einlagen zur Lagenkennung untergebracht. Auf der Sichtkante ist, abgesehen von den üblichen Dots, der 12. Bund durch ein X besonders hervorgehoben.

Prachtvoll geriegelter Ahornhals mit Tele-style-Kopf (Bild: DIETER_STORK)

Der schmale Kopf der Carey Custom ist in T-style-Art parallel herausgeführt und mit Gotoh-Vintage-style Tuners ausgestattet. Ein Saitenniederhalter sorgt für den nötigen Andruck auf den Sattel. Am Korpus sind die Saiten per Thru-Body-Methode in der Gotoh Hardtail Bridge geankert. Die auf Platte platzierten und individuell justierbaren Einzelreiter zeichnen sich durch eine angenehm glatte Oberfläche aus. Bleibt noch die lange 648-mm-Mensur zu erwähnen!

Elektrisch wird die Carey Custom durch Bare-Knuckle-„The Mule“-Humbucker in Nickelkappen. Dabei handelt es sich um detailgetreue Replika von 1959er-PAF-Pickups mit Alnico-IV-Magneten. Der Hals-Pickup ist auf das 3-ply-White-Pickguard montiert; der Kollege am Steg wurde mit Rahmen auf die Decke gesetzt. Generelle Regler für Volume und Tone stehen zur elektrischen Verwaltung bereit. Im letztgenannten ist das Splitten des Steg-Humbuckers über eine Push/Pull-Funktion angelegt. Der Blick in die mit Deckeln aus Riegelahorn verschlossenen Elektrikfächer zeigt saubere Verarbeitung an hochwertigen Komponenten.

Das Instrument ist tadellos gefertigt und mit Nitrocellulose seidenmatt versiegelt, will sich aber von serieller Industrieware auch bewusst unterscheiden. An der Korpuszarge hinten ist die Ziehklinge förmlich noch zu spüren, aber der tolle Hals lässt dafür größte Sorgfalt in jeder Hinsicht aufleuchten.

BESTE DYNAMIK – BEWEGLICHE SOUNDS

Die Carey Custom ist mit 2,8 kg zunächst einmal sehr schön leicht und sie atmet, der semi-akustischen Konstruktion sei Dank, auch tonal einfach ungemein luftig. Das attraktive Instrument fügt sich wohl gut an seinen Spieler, aber die etwas scharfe Deckenkante bringt sich schon in Erinnerung. Ansonsten: Spielfreude pur! Vom Spielgefühl her bewegen wir uns dank der langen Mensur und typischer Haptik eines Ahornhalses in kalifornischen Gefilden. Das perfekt verrundete Standard-C-Halsprofil greift sich ganz wunderbar und lässt die Finger lustvoll über die glänzend polierten, nicht zu breiten, aber angenehm hohen Bünde gleiten. Der glücklichen Kombination aus halbhohlem Mahagonikorpus mit langem Ahornschraubhals sind kraftvoll durchzeichnete, resonanzstarke Klangbilder von großer Offenheit zu danken. Von der Ansprache her fenderisch, öffnen sich auf straff zeichnendem Bassfundament plastische Mitten und ein glockenhelles Höhentop. Harmonisch rund greifen die Stimmen bei Mehrklängen ineinander, mit guter Festigkeit und Haltekraft artikulieren gehaltene Noten. Da sind wir nun wirklich gespannt, was sich davon über die Bare-Knuckle-PUs transportieren lässt.

Starke Bare Knuckle „The Mule“ Humbucker (Bild: DIETER_STORK)

Der Humbucker in Halsposition übersetzt die bestechende akustische Basis in stimmlich fein gestaffelte Akkorde von unerwarteter Tiefenschärfe. Nicht jeder, der mit dem berühmten Begriff „Vintage Tone“ kokettiert, kriegt das so gut hin wie diese Mule-Pickups. Jeder Tonabnehmer kann aber nur das übersetzen, was ihm angeboten wird. Konstruktion und Tonwandler geben sich in diesem Fall freundschaftlich die Hand und finden zusammen zu schlagenden Ergebnissen. Die harmonische Abstimmung ist fabelhaft, die Ansprache leicht, dazu schnell und die allgemeine Darstellung beeindruckt mit starker Farbkraft. Erst recht gelten diese Eigenschaften im Overdrive-Modus, wo Zweiklänge elegant ineinander schmelzen und aufleuchtende Höhen beste Rundung vermitteln. Sehr schön schnalzt es mit perkussiv herausgestelltem Anschlag bei Linienspiel im hohen Tonbereich, lang und stabil halten Töne aus, lassen sich liquide gestalten, singen aus voller Kehle.

In der Schaltposition Mitte erscheint der Sound etwas ausgekämmter, nimmt aber an Kehligkeit und Präsenz zu, hat etwas in bestem Sinne Glasiges. Sehr schön geeignet für die transparente Akkordarbeit, aber auch in der mittelbösen Crunch-Abteilung mit perkussiv markantem Anriss absolut nicht zu verachten. Selbst ein kerniges Brett lässt sich über die Kombi problemlos verlegen.

Schalten wir auf den Steg-Pickup, so tönt es natürlich etwas schlanker, wenngleich von einer wärmenden Holznote getragen, aber auch immer noch höchst aufgeräumt und transparent. Dennoch schnappt es bei kraftvollem Anschlag schon gut zu. Diese mit dem Anschlag zu steuernde Öffnung ist ein Gedicht, ein Dynamikverhalten, das aber auch nach einer differenzierten Plektrumführung verlangt. Die vorausgesetzt, lassen sich im Gain-Bereich stimmig runde Sounds mit sattem Obertonspektrum realisieren, natürlich klassisch im Geiste, aber irgendwie auch voranstürmend aktuell. Selbstverständlich lassen sich damit Classic-Rock-Sounds par excellence kreieren, aber darauf muss man dieses Instrument keineswegs beschränken, denn es atmet ebenso gut den Geist der Moderne, den Tanz auf der Rasierklinge inklusive.

Klingt unverständlich? Nun, wir haben die zweite Klangebene ja auch noch gar nicht in Betracht gezogen. „Ziehen“ lautet das Stichwort: Den mit gezogenem Tone-Regler erschließt sich noch eine weitere Klangfacette und die korrespondiert perfekt mit der Kopfplatte der Carey Custom. Schönster Twang mit fenderischem Sound tritt nämlich nun auf den Plan, bissig, spritzig, scharf und durchaus angriffslustig. Ein Bonus von hohem Wert und absolut eine Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten – was will man mehr?

Und noch was zu Thema Ziehen: Der gute Widerstand bei langer Mensur gibt vor allem jenen Spielern bessere Kontrolle über die Intonation beim Saitenziehen, die generell das 648-mm-Format bevorzugen. Normalerweise besteht beim Wechsel auf kurzmensurige Single-Cut-Typen die latente Neigung oder Gefahr zum Überziehen. Bendings laufen bei der Carey nicht nur wie auf Schienen, sondern sind in diesem Sinne auch perfekt auf den Punkt zu bringen. Spieltechnische Aspekte bleiben aber natürlich immer eine sehr persönliche Angelegenheit.

RESÜMEE

PJD Guitars, die Firma des englischen Gitarrenbauers Leigh Dovey, verdient volle Aufmerksamkeit. Mit dem Modell Carey Custom ist dem Briten eine schlagende Synthese grundlegender amerikanischer Gitarrentypen gelungen. Klassisch inspiriert, modern zu Ende gedacht. Ziel dabei war keineswegs, zwei bewährte traditionelle Klangebenen nebeneinander abrufbar zu machen, sondern Elemente verschiedener Bauprinzipien miteinander in Kommunikation zu bringen, um zu durchaus eigenständigen Sounds zu kommen.

Die fein austarierte Konstruktion aus semiakustischem Mahagonikorpus mit Ahornschraubhals und langer Mensur sorgt nicht zuletzt dank der kongenial umsetzenden Humbucker für einfach großartige Ergebnisse. Leichte Ansprache, tolles Resonanz- und Dynamikverhalten sowie eine souveräne Klangumsetzung charakterisieren die Carey Custom somit als ein Instrument der Spitzenklasse. Willkommen im Club!

PLUS

  • stimmiges Crossover-Design
  • semi-hollow-Konstruktion
  • Ansprache, Dynamikverhalten
  • Bare Knuckle „The Mule“ Pickups
  • souveräne Sounds
  • Flame Roasted Maple Neck
  • Bundierung
  • Spieleigenschaften
  • Verarbeitung

MINUS

  • leichte Schärfe der Deckenkanten

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2021)

Produkt: Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ich bewundere immer wieder die dichterischen Fähigkeiten der Rezensenten von G&B. … “nimmt aber an Kehligkeit und Präsenz zu, hat etwas in bestem Sinne Glasiges” … “straff zeichnendes Bassfundament, plastische Mitten und ein glockenhelles Höhentop. Harmonisch rund greifen die Stimmen bei Mehrklängen ineinander, mit guter Festigkeit und Haltekraft artikulieren gehaltene Noten” … Das gemahnt an Degustationen hochwertiger Weine und könnte doch bitte mal mit einem Literaturpreis ausgezeichnet werden …

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  2. >die dichterischen Fähigkeitenglockenhelles Höhentop< vermittelt mir eher den Eindruck, als wäre es mit der Helle der Glocke nicht so ganz top auf der Höhe.
    Der Autor dieser Testnotizen sollte sich besser wieder seinem angefangenen Lyrikband widmen …mit besten Erfogsaussichten bei der geneigten Leserschaft solcher Emotionszeilen. Aha.

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