Synth sondergleichen

Test: Meris Enzo

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(Bild: Dieter Stork)

Dass Meris wenig Interesse an konventionellen Produkten hat, haben sie ja bereits hinreichend mit dem in Ausgabe 11/2017 getesteten Ottobit Jr. bewiesen. Mit dem Enzo werden uns Saitenakrobaten nun die Synth Klänge zugänglich gemacht. Und Arpeggiator Sounds. Und Delays. Und ein Kompressor. Und ein Pitch Shifter …

War ja klar: Das Enzo ist nicht einfach „nur ein Synth Pedal“. Hier lässt sich mal wieder fast alles einstellen, was man gerne hätte und das Pedal quillt förmlich über mit Sounds, Effekten und Regelmöglichkeiten. Wer also auf unkonventionelle Klänge steht, dürfte hier den nächsten heißen Anwärter auf einen freien Platz auf dem Pedalboard finden.

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Verarbeitung und Anschlüsse

Wie die zuvor getesteten Meris-Pedale wirkt auch das Enzo sehr wertig und robust. Die güldene Lackierung trägt ihren Teil zur edlen Anmutung bei und die Haptik der Potis bestätigen dies. Sie lassen sich in der perfekten Schwergängigkeit drehen und so sehr feinfühlig einstellen – nicht ganz unwichtig bei Filtersweeps.

Alle Buchsen befinden sich auf der Stirnseite des Gerätes. Neben dem Eingang finden wir hier einen Left Out, einen Right Out und eine Buchse für ein Expression-, beziehungsweise MIDI-Pedal, so wie natürlich den Anschluss für das Netzteil. Schließt man einen weiteren Fußtaster an, so wird dieser zum Tap-Taster und funktioniert genau wie der auf dem Pedal. Kauft man für rund € 130 den proprietären Meris Preset Switch, so hat man direkten Zugriff auf die ersten vier Presets.

(Bild: Dieter Stork)

Wenn einem das noch nicht reicht, so kann man auch ein MIDI Board anschließen. Hierfür benötigt man allerdings das Meris MIDI Interface. Kauft man dieses, kann man zwar bis zu vier Meris Pedale per MIDI ansteuern, ist aber auch noch mal knapp € 110 los (plus mindestens € 10 für ein Netzteil, plus MIDI Controller). Zum Glück gibt es noch andere Hersteller, die ähnliche Konzepte verfolgen und so können scheinbar auch die günstigeren Boxen von Chase Bliss (ca. € 75) und Empress (ca. € 60) genutzt werden. Hier gilt es aber auf die passenden Versionen zu achten.

Warum ich das so ausführlich erkläre? Weil das Enzo so viel kann, dass du dir sehr schnell Presets wünschen wirst. Per MIDI lassen sich alle Knöpfe, Alt-Funktionen, das Expression Pedal und die Switches steuern. Du kannst sogar eine Clock synchronisieren und Presets senden und empfangen.

Wenn du eher der Typ bist, dem zwei Sounds reichen, solltest du unbedingt mal ein Expression-Pedal anschließen. Hiermit kann stufenlos zwischen zwei Sounds übergeblendet werden. Einfach in der Down Position alle Regler nach Wunsch einstellen, das Pedal in die Up Position bringen, alles nach Wunsch ändern und fertig.

Konzept und Bedienung

Die Meris Pedale sind bekannt für ihre Vielseitigkeit und hier ist das Enzo natürlich keine Ausnahme. Jedes Poti bietet eine alternative Funktion und es gibt einen extra Modus für globale Einstellungen. In diesem können beispielsweise der Input Modus (Mono oder Stereo In, Line oder Synth Level … ), ein Kill-Dry oder auch die Trails geregelt werden.

Letztere Einstellung erlaubt auch das Splitten des Signals in Wet und Dry, sodass man aus einem Ausgang in einen Gitarren-Amp und mit dem anderen in die P.A. oder einen Amp extra für die Synth Sounds gehen kann. Hat man alles grob eingerichtet geht es daran, sich mit dem Signalfluss vertraut zu machen:

Zunächst wählst du über den Taster unten rechts einen der vier Modi aus: Polyphonic, Monophonic, Arpeggiated oder Dry. Poly erkennt jede Note eines Akkords und weist dieser jeweils eine Synthesizer Stimme zu. Mono ist spezialisiert auf schnelle und akkurate Erkennung von einzelnen Tönen, was insbesondere bei Leads wichtig ist. Arp spielt nicht unbedingt festgelegte Pattern, sondern gibt die Töne eines Akkords entsprechend ihrer Lautstärke wieder. Bei einzelnen Tönen werden Harmonics gespielt.

Und auch der Dry-Mode ist gar nicht so langweilig, wie man zunächst vermuten könnte. Hier hat man einen klassischen Mono Pitch Shifter mit Bend-Effekten zur Verfügung, welcher durch einen Kompressor und ein Delay ergänzt wird.

Als nächstes in der Effektkette kommt der Multi-Mode-Filter. Hier kannst du aus sechs verschiedenen Filtertypen wählen, drei davon Ladder Filter und weitere drei State Variable Filter. Nun, wo die grundlegende Tonformung abgeschlossen ist geht es in die Ring-Mod Sektion. Diese kann auch mit dem Filter Envelope als Modifier genutzt werden. Als letztes in der Kette findet sich das two tap Delay mit Modulationsmöglichkeiten und Stereo Out.

All diese Funktionen können über ein oder mehrere Potis eingestellt werden. Und hier liegt auch mein einziger Kritikpunkt: Wenn man auf die Sekundärfunktionen der Potis zugreift, muss man sich gut merken, was wo liegt, weil es keine Beschriftung gibt. Zudem verstellt man nun einen Knopf der ja auch etwas anderes regelt. Merkt man sich also nicht, dass man gerade den Ring Modulator ausgeschaltet hat, so wundert man sich vielleicht, wieso das Sustain auf Minimaleinstellung ist. Um das Pedal also wirklich on-the-fly bedienen zu können, ist schon einiges an Training vonnöten.

Womit wir dann wieder bei dem Wunsch nach Presets wären. Auch die beigelegte Anleitung dürfte gerne deutlich ausführlicher ausfallen. Hier machen mittlerweile andere Hersteller vor, wie auch komplexe Pedale gut erklärt werden können. Auf der Meris-Homepage gibt es zwar eine etwas längere Version zum Download, aber auch diese dürfte gerne noch mehr Hilfestellung geben und zählt stattdessen fast nur Funktionen auf.

(Bild: Dieter Stork)

Sounds

Tja, so ein Synth-Pedal ist leider erklärungsbedürftiger als ein Drive. Apropos, warum ist ein Pedal namens Enzo eigentlich kein rotes Drive Pedal? Aber ich schweife ab. Nachdem die Funktionen nun auf technischer Ebene verstanden sind, kann man ausprobieren, ob auch alles so funktioniert, wie man sich das vorstellt und die ersten Sounds basteln.

Als ich darüber nachgedacht habe, was ich gerne aus einem Gitarrensynthie hören möchte, kam mir als erstes „Dinosaur“ von King Crimson in den Sinn. Der 1995 erschienene Track klingt zu Beginn so, als wäre er noch in den 80ern entstanden und ist live ohne Keyboarder gar nicht so einfach nachzuahmen. Hier kommt das Meris ins Spiel. Nach kurzem Test hat sich folgende Einstellung als passend erwiesen: Im Poly Modus, ohne Pitch zu ändern, mit Ladder Filter etwas über 12 Uhr, dem Mix ebenso, Sustain auf 15 Uhr, dem Filter aus und geringer Modulation kriegt man den Sound schon ganz gut hin. Und jetzt habe ich nicht mal alle Parameter beschrieben.

Wie klingt das? Wirklich genial. Ich hatte etwas Sorge, dass Synthies heutzutage zu kitschig-künstlich wirken, aber das Meris klingt in allen Situationen organisch und rund. Die Einstellung am Filter muss hierbei mit etwas Fingerspitzengefühl geschehen, es entstehen recht schnell große Änderungen im Sound. Sweept man hier mit einem Expression Pedal durch, so kann man sich schon fast wie ein DJ fühlen. Es ergeben sich für Gitarristen recht ungewohnte und dramatische Sounds.

Da es keinen Mastervolume-Regler gibt, sollte man damit rechnen, auch mal lautere Sounds in die Anlage zu schicken, da Synths naturgemäß ein volleres Klangspektrum abgeben als Gitarren oder Bässe. Hier hat Meris aber mit der automatischen Anpassung der Lautstärke einen super Job gemacht.

Hat man nun einen Sound gefunden den man mag, so kann man sich langsam ans verfeinern machen. Besonders interessant finde ich hierbei die Modulation der Delays. Schaltet man diese aus, klingt es im direkten Vergleich fast schon langweilig und eindimensional. Dreht man sie ganz auf, wird sie als soundformendes Instrument wahrgenommen. Hier haben tatsächlich alle Einstellungen ihren Reiz.

Inspiration für ein Synthie-Pedal liefern natürlich entsprechende Pioniere wie Terry Riley, Joe Zawinul oder Vangelis. Unsereins wird aber vielleicht eher an den Sound aus Black Sabbaths ‚Who Are You?‘ denken. Für diesen wiederum spielt der Filter Env Regler eine große Rolle. Hier kann man wunderbar das Ansteigen und Abfallen des Tons regeln.

Begibt man sich in den Arpeggiator-Modus, so denkt man zunächst vielleicht an die üblichen Möglichkeiten. Durch die tollen Dreingaben wie den Ring Mod und das Delay finde ich mich aber auf einmal bei Sounds wie ‚Subterranean Homesick Alien‘ von Radiohead wieder.

Wem das alles irgendwann zu viel wird, der wechselt für eine kurze Verschnaufpause in den Dry Modus und hat Kompressor, Delay und Pitch Shifter zur Verfügung. Alleine der Kompressor ist schon eine Menge Geld wert. Hier wird der Sound wunderbar verdichtet und Unregelmäßigkeiten im Spiel werden ausgebügelt. Dazu den Filter wieder etwas zudrehen, Modulation fast auf Vollgas und man hat einen wunderschönen, effektierten Cleansound zur Verfügung. Regelt man hier noch eine Oktave per Pitch hinzu, kommt man schon fast in Shimmer-artige Gefilde.

Resümee

Meris zeigt mal wieder, was in einem kleinen Gehäuse so alles möglich ist. Unglaublich, wie viele verschiedene Sounds in diesem Pedal stecken. Und auch wenn man zunächst der Synthesizer- Idee etwas kritisch gegenübersteht, so sollte man den Test unbedingt wagen. Die goldene Kiste ist prall gefüllt mit musikalischer Inspiration. Die vielen Möglichkeiten wollen natürlich auch irgendwie gesteuert werden und so hat jedes Poti nicht ganz unwichtige Sekundärfunktionen.

Die ersten Male wird man im Handbuch nachschauen müssen, was jetzt wie belegt ist, aber mit etwas Übung wird es immer leichter. Konnte ich mir bei den Schwesterpedalen Polymoon und Mercury7 noch vorstellen, dass man zwischen Songs schnell manuell Settings ändert, braucht man für das Enzo fast zwangsläufig Presets, um es live nutzen zu können. Hier wird dann der Preset Switch oder der MIDI Adapter fällig. Leider beides nicht ganz günstig aber natürlich ein super Weg, um auch weitere Pedale anzusteuern.

Die Konkurrenz ist eher rar gesät. Das Boss SY-300 kostet mit ca. € 660 deutlich mehr, ist aber auch noch umfangreicher und richtet sich eher an Musiker, die noch tiefer in die Synth-Welten abtauchen möchten. Das genaue Gegenteil ist wohl das Electro Harmonix Synth9. Es ist mit knapp € 230 günstiger, und will erst gar nicht groß feingetunt werden, sondern setzt direkt auf neun Presets.

Das Meris richtet sich an alle experimentierfreudigen Musiker, die sich nicht scheuen, auch mal eine Bedienungsanleitung zu lesen. Gibt man dem Gerät etwas Zeit, entstehen wunderbare Klänge, welche man noch nicht 1000 mal gehört hat. Damit setzt das Enzo die Meris Historie ideal fort. Wer sich auch nur ansatzweise in diesem Review wiedergefunden hat, wird viel Spaß mit dem Enzo haben. Für die gebotene Leistung ist der Preis fast schon als günstig zu bezeichnen.

PLUS

  • Sounds
  • Inspiration
  • alle Modi toll und differenziert nutzbar

MINUS

  • beiliegendes Manual zu kurz
  • durch Doppelbelegung Einstellung der Potis manchmal unklar

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2019)

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