Test: Jens Towet Fingerpicker Michi Weirauch Custom Cut

Anzeige

(Bild: Dieter Stork)

Interessante und hochwertige Instrumente entstehen in fast jedem Winkel Deutschlands. Diese schöne Steelstring kommt vom Niederrhein.

Anzeige

Und ihre Geschichte hat gleich zwei Protagonisten. Da ist zum einen der Geigen- und Gitarrenbauer Jens Towet – er lebt und wirkt in Kevelaer, hat seine Ausbildung 2004 abgeschlossen und auch Erfahrungen in England gesammelt.

Zum anderen würde es diese Gitarre ohne Michi Weirauch nicht geben, ein umtriebiger Singer/Songwriter und Produzent mit starken (deutschen) Texten und Melodien und einem Hang zu schwarzen Akustikgitarren. Aktuelles Album: ‚menschgemacht vol.1‘.

JENS’ MASSARBEIT

Die Towet Fingerpicker ist eine Steelstring im Dreadnought-Format mit einem rund verlaufenden „venezianischen“ Cutaway. Der Korpus besteht selbstverständlich aus massiven, ausgesuchten Hölzern. Für Boden und Zargen kam Palisander zum Einsatz, die Decke ist aus Fichte. Dank der weißen Bindings um Korpus- und Griffbrettkanten sind die Konturen der Towet gut in Szene gesetzt. Zentraler Blickfang auf dieser gänzlich schwarzen und auf Hochglanz polierten Sixstring ist die aufwendig gearbeitete Schalllochumrandung aus Perlmutt. Ansonsten dominiert schlichte Eleganz: Kein Schlagbrett, kein Purfling und keinerlei sonstiges Lametta sind in Sicht.

Edler Blickfang: Schalllochumrandung aus Perlmutt (Bild: Dieter Stork)

Der Cedro-Hals ist am 14. Bund angesetzt. Das Griffbrett aus Palisander kommt mit einer Wölbung von 12″ und bietet 21 Bünden aus Neusilber Platz. Diese sind perfekt poliert und an den Enden echte Handschmeichler. Es gibt nur ein Griffbrett-Inlay im 12. Bund, das mir zuerst Rätsel aufgibt, bis dann der Groschen fällt … da steht „MW“ für Michi Weirauch. Und ja, im oberen Binding der Griffbrettkante sind kleine Dots für gute Spiel-Navigation eingelassen.

Die Saiten sind mit Pins aus Ebenholz im Steg aus gleichem Holz fixiert und gehen über die kompensierte Stegeinlage über den präzise gefeilten Sattel Richtung Kopfplatte. Beide Auflagen sind aus Knochen, die Mensur ergibt sich aus deren Abstand von exakt 650 mm. Die recht großzügig dimensionierte Kopfplatte ist perfekt unsichtbar angesetzt und mit sechs schwarzen geschlossenen Mechaniken von Schaller bestückt – ganz nach Kundenwunsch. Die Initialen JT aus Perlmutt sind hier das Einzige, was nicht schwarz ist.

Dieses Arbeitsgerät für Michi Weirauch soll sowohl im Studio als auch auf der Bühne Dienst tun – da ist natürlich ein gutes Pickup-System gefordert, und mit dem installierten L.R. Baggs Session VTC kann man da sicher nichts falsch machen. Diese hochwertige Einheit detailliert zu beleuchten, würde hier zweifelsohne den Rahmen sprengen – es gibt auf www.gitarrebass.de aber einen Testbericht mit dem vielsagenden Untertitel „Das Studio am Schalllochrand“.

MICHIS KOMFORTZONE

Den Hals der Towet zu kritisieren oder zu bewerten, verbietet sich im Grunde, denn er ist genau so geformt, wie es der Auftraggeber wollte. Anlass zu Kritik gibt es aber auch nicht, denn das Shaping fühlt sich klasse an, liegt gut in der Hand. Es geht von einem flachen C-Profil in den tiefen Lagen zu einem D-Shape in den höheren Registern über. In den höchsten Lagen helfen dann der flache Halsfuß und das Cutaway dem Spielfluss auf die Sprünge. Das ist schon amtlich gemacht!

Das Griffbrett fühlt sich breit und aufgeräumt an, ganz so, wie man sich das von einer „Fingerpicker“ wünscht. Misst man dann nach, kommt man auf ganz durchschnittliche 44 mm Breite am Sattel. Das ist wohl Gitarrenbau-Kunst. Bespielen lässt sich diese Black Beauty fast wie von selbst. Die Saitenlage ist super-low, mir fast schon zu komfortabel. Bei etwas deftigerer Spielweise handelt man sich da schon mal ein Schnarren oder Klacken ein. Andererseits ist das für schnellere Läufe und bequemes abendfüllendes Akkordspiel natürlich perfekt.

Eine wichtige Anmerkung: Auch wenn diese Gitarre auf dem Modell „Fingerpicker“ basiert, so ist sie im besten Sinne ein Allrounder. Zum Sound: Jens Towet präsentiert uns hier eine Gitarre mit ganz viel Licht im Klang, enormer Frische, flinkem Attack, sattem Sustain und detaillierter, breit aufgestellter klanglicher Auflösung … eben mit all den guten Dingen, die einem ausgesuchte Hölzer und fachliches Können bescheren können.

Über Anlage transportiert das L.R.Baggs-System sehr gekonnt die Sound-Details ins Elektrische. Einziger Wermutstropfen: das tiefe G am 3. Bund der E-Saite möchte sich sofort zu einem Feedback aufschaukeln – da muss man sich die Dynamik-Stellschraube am L.R.Baggs-Preamp mal genauer vornehmen.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Um den Gitarrenbau in Deutschland muss man sich wirklich keine Sorgen machen. Auf der Landkarte mit bemerkenswerten Luthier-Wohnsitzen können wir ein Fähnchen beim niederrheinischen Kevelaer platzieren. Wer sich immer schonmal eine Gitarre auf den Leib schneidern lassen wollte, ist bei Jens Towet genau an der richtigen Adresse – das hat er mit seinem Fingerpicker-Modell für Michi Weirauch eindrücklich bewiesen. Dass so ein Maßanzug seinen (berechtigten) Preis hat, muss natürlich jedem klar sein.

PLUS

● auf den Kunden zugeschneidert
● Hölzer, Hardware
● Verarbeitung
● Bespielbarkeit

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2021)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.