Stil-Mix

Test: Ibanez FRH10N-BSF

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(Bild: Dieter Stork)

Eine schlanke Nylon-E-Acoustic ist jetzt keine völlig neue Erfindung, aber diese Ibanez packt das Thema nochmal ganz frisch an.

So kennen wir den japanischen Hersteller … immer wieder Nischen und Lücken im Portfolio ausfindig machen, immer für eine Überraschung gut sein. Diesmal werden moderne Formen, traditionelle Elemente und Reduzierung auf’s Wesentliche neu kombiniert. Gelingt der Spagat zwischen Klassikgitarren-Klang und E-Gitarren-Komfort?

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ELECTRIC FEELING

Die Korpus-Silhouette erinnert vage an ein klassisches E-Gitarren Modell mit „T“. Die Decke aus massiver Sitka-Fichte ist innen (wie eine Konzertgitarre) mit einem Fan-Bracing verstärkt und außen mit einem sehr schönen matten Brown-Sunburst-Finish versiegelt. Es gibt auch eine helle Natural-Variante. Was hier auf den ersten Blick fehlt, ist ein Schallloch, was natürlich Teil des Gesamtkonzepts ist. Es würde bei dieser Bühnengitarre nur unnötig das Feedback-Risiko erhöhen.

Ganz ohne ein solches muss man aber nicht auskommen: Wir finden eine ovale Öffnung, oben auf der nur 5 cm breiten Zarge aus Sapele. Hier bekommt der Spieler bei unverstärktem Einsatz ein wenig „Monitor“. Auch der zweiteilige Boden ist aus Sapele – einzige Auffälligkeit hier ist ein Deckel, der Zugang zur Elektronik gewährt. Leider ist er nicht sonderlich passgenau geschnitten und es ist auch nicht das entsprechende Stück Boden, was hier aufgeschnitten wurde. Andere Maserung … ist bei einer Großseriengitarre vielleicht auch zu viel verlangt.

Der angeleimte Hals ist aus Nyatoh. Das ist ein südostasiatisches Holz, welches übrigens nichts mit Nato oder gar Mahagoni zu tun hat. Der Hals steht sehr weit frei, der erste Kontakt zum Korpus entsteht an der oberen Griffbrettkante am 16. – unten sogar erst am 19. Bund. Insgesamt steht hier Playability an erster Stelle. Der perfekt gefeilte Knochensattel hat eine Breite von moderaten 45 mm, die 22 Bünde sind bestens poliert und verrundet und das Walnussgriffbrett bietet eine komfortable 16“-Wölbung und Orientierungspunkte auf der Sichtkante. Bis hierhin also wirklich eine E-Gitarre mit Nylon-Saiten.

Die Kopfplatte passt dann (für meinen Geschmack) nicht so richtig ins Bild. Es ist eine komplett traditionell gehaltene Schlitz-Kopfplatte mit gravierten, güldenen Mechaniken. Das wirkt ein bisschen altmodisch für diese moderne Gitarre. Gleichwohl erfüllen die Mechaniken natürlich ihren Zweck auf hohem Niveau. Dann noch zur Elektronik: Unter der Stegeinlage aus Knochen liegt der Ibanez T-bar Piezo-Tonabnehmer. Die dazugehörige Regeleinheit ist … nicht vorhanden! Hier wird sich auf das Allernötigste beschränkt – einzige Handhabe ist ein kleiner Mute-Knopf unten neben der Klinke-Ausgang/ Gurtpin-Kombi. Hier ist auch das Batteriefach für zwei CR2032- Knopfzellen und eine kleine Warn-LED.

(Bild: Dieter Stork)

NYLON SOUNDS

Die FRH hängt tatsächlich wie eine E-Gitarre am Gurt, und das mit einem Gewicht von nur 1,95 kg! Ein guter Start in die Komfortzone. Der Hals bietet ein sattes Profil, das gut die Hand ausfüllt. Dank des schmalen Griffbretts, dessen Wölbung, der guten Saitenlage und der perfekten Bünde spielt sich die Ibanez – auch für einen Steelstringer wie mich – sofort wie von selbst. Leichter kann man es einem Quereinsteiger nicht machen, auf eine Konzertgitarre umzusteigen. Es geht federleicht durch alle Lagen, man kann sogar in einem gewissen Maße die hohen drei Saiten benden.

Noch im Unplugged-Modus wird mir dann klar, wie groß die klangliche Wirkung des kleinen Zargen-Schalllochs ist. Die Ibanez hat nämlich eine ganz akzeptable Eigenlautstärke, bis man einmal das Schallloch mit der Hand zuhält – dann kommt da nicht mehr viel. Über Klinkekabel mit dem Amp verbunden, macht man sich erstmal Sorgen wegen der fehlenden Regelmöglichkeiten. Diese verfliegen aber schnell, denn schon bei neutraler Verstärker-Einstellung bekommen wir einen ausgezeichneten Klang geboten. Es sind nur ganz kleine Anpassungen nötig, dann passt’s.

(Bild: Dieter Stork)

Braucht man auf der Bühne einen Tuner, Effekte, einen Solo-Boost oder Ähnliches, muss man das extern über Pedale oder am Mischpult organisieren. Da ich das sowieso derart regele, gibt es bei mir persönlich für das nicht vorhandene Cockpit keinen Minuspunkt. Manch einer mag das aber anders sehen.

Der hauseigene T-bar-Pickup macht eben auch einfach einen guten Job. Es klingt sehr natürlich nach Konzertgitarre, die Saiten werden ausgewogen (gleich laut) verstärkt. Spielkomfort und Klang sorgen für maximalen Spielspaß. Das klingt jetzt schon ein bisschen nach dem:

RESÜMEE

Du suchst eine Konzertgitarre für den Live-Einsatz oder angenehm leises Sofa-Noodling? Eine Gitarre die so bequem ist und so leicht bespielbar wie eine E-Gitarre? Eine Nylonstring, die über Amp oder Anlage natürlich, ausgewogen und authentisch klingt? Eine Klassikgitarre die nicht so furchtbar klassisch aussieht? Bitteschön … hier ist die FHR10N von Ibanez.

PLUS

● frisches Design, schönes Finish
● exzellente Bespielbarkeit
● ein bisschen Akustik-Klang dank Zargen-Schallloch
● natürliche, ausgewogene E-Sounds

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2023)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Scheint mal etwas völlig anderes hinsichtlich einer Hybridgitarre zu sein,als man es z.B. von der Fender Acoustasonic gewohnt ist.Den hölzernen Deckel mit schlechter Paßgenauigkeit für das Elektronikfach hätte Ibanez evtl. besser gleich aus recyceltem Kunststoff (der „Nachaltigkeit“ wegen) fertigen sollen.

    Das winzige „Schalloch“ auf der oberen Zarge ist fürwahr ungewöhnlich und schaut optisch schon etwas merkwürdig aus.Nylonstring-Gitarren sind ja aktuell wirklich nicht so der absolute Überflieger,aber vielleicht hat Ibanez mit dieser neuen Hybridgitarre jetzt eine Marktnische gefunden,die preislich und klanglich auf einem noch vertretbaren Level rangiert?

    Falls möglich,werde ich diese besagte Neuheit irgendwann mal bei meinem (noch existierenden) Gitarrenhändler in der Nähe antesten.Manchmal sind so genannte Innovationen ja durchaus positiv zu bewerten,wer weiß?

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    1. es lohnt sich zu probieren, die Gitarre ist lohnenswert. Als eher E-Gitarrist fühle ich mich “zu Hause” und kann auch klassische Stücke spielen (Vivaldi, zum Beispiel) und es tönt sehr authentisch mit dem Feeling einer E-Gitarre. Mal was anders, mit oder ohne Verestärker.

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