Die kopflosen Reiter

Test: Harley Benton Dullahan AT & FT

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(Bild: Dieter Stork)

Ein kopfloser Reiter … nichts anderes ist ein Dullahan in der irischen Mythologie. Also im Prinzip Christopher Walken im Film ‚Sleepy Hollow‘. Die vorliegenden Gitarren tragen ihren Kopf zum Glück nicht unter dem Arm sondern kommen gänzlich ohne aus …

Klar, Headless ist nichts Neues. Dennoch ist diese Instrumentengattung wieder aufgeblüht, sodass mittlerweile einige Hersteller ihr Portfolio erweitern. So auch Harley Benton, die es mit den Dullahan-Modellen auch Einsteigern und preisbewussten Spielern ermöglichen, die Faszination der Headless-Gitarren kennenzulernen. Vielleicht ist dir der Hype auch egal und du suchst einfach nur eine bezahlbare Reisegitarre? Auch dann könnte die Dullahan etwas für dich sein.

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HARDWARE UND VERARBEITUNG

Beide Gitarren kommen schmucklos und ohne Case daher, was bei dem Preis auch total in Ordnung geht. Ein passendes Gigbag kann separat bestellt werden. Auf den ersten Blick werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede klar: Natürlich sind die beiden Gitarren sich sehr ähnlich, sie teilen sich das gleiche Konzept und die gleiche grundlegende Korpusform. Damit wir das ganz grundsätzlich mal auseinander dividieren: Die graue ist die „AT“, die schwarze die „FT“.

Ich kann nur vermuten, dass AT hier für „Arched Top“ und FT für „Flat Top“ steht. So kann man es sich jedenfalls merken. Somit haben wir die wichtigsten Unterschiede auch schon geklärt: Während die AT eine gewölbte Decke aus Riegelahorn auf einem Mahagonikorpus trägt und mit einem Ebenholzgriffbrett versehen ist, weist die FT eine flache Decke (mit Bevel) auf, ist deckend schwarz lackiert und trägt ein Ahorngriffbrett zur Schau. Die Lackierung der AT fällt durchgehend gekonnt aus. Dürfte ich mir etwas wünschen, wäre sie etwas heller ausgeführt, da die Decke durchaus sehenswert ist und auch der zweiteilige Mahagonikorpus, der auf der Rückseite durchscheint, ganz ansehnlich daherkommt. Das ist aber natürlich reine Geschmackssache und die Gitarre sieht aus wie auf den Werbefotos versprochen.

Die Werkseinstellung ist bei beiden Instrumenten schon ziemlich gut, je nach Geschmack kann man die Saiten noch etwas tiefer legen. Es kommt auch bei meiner bevorzugten, recht flachen Saitenlage nicht zum Schnarren. Die Oktavreinheit sollte man dann aber doch noch genauer justieren, denn da geht noch was. Aber das ist ja alles in kurzer Zeit erledigt.

Nachdem zunächst für kurze Zeit Modelle mit 22 Bünden auf den Markt kamen, wurde der Tonumfang bei den Testmodellen nun um zwei Bünde erweitert. Und natürlich haben wir es hier, wie heutzutage gern gesehen, mit 24 Bünden aus Edelstahl zu tun.

Fährt man mit der Hand am Hals entlang, so merkt man, dass die Bünde bei beiden Instrumenten gut eingelassen und die Kanten angenehm verrundet sind. Optisch durchbrechen die Schlitze für die Bünde die Seiten des Griffbretts und wurden mal mehr, mal weniger gut aufgefüllt. Auch in der Lackierung beider Gitarren lassen sich kleine Mängel finden. Aber hier sei ganz klar gesagt: Bei diesem Preis geht das völlig in Ordnung, insbesondere weil haptisch ja alles passt.

Beide Griffbretter sind auf ihre Weise optisch ansprechend: Das Ahorn mit seiner Klarheit und den leichten Streaks und das schön dunkle Ebenholz, welches bei genauerem Hinschauen ebenfalls seine Maserung offenbart. Die Saiten laufen von einem GraphTech-Tusq-XL-Sattel zum WSC-Steg. Verstärkt wird das Signal von Roswell-Alnico-5-Humbuckern.

Die Aussparung erlaubt einfachen Zugriff auf die gut laufenden Mechaniken. (Bild: Dieter Stork)

IN DER HAND …

Was optisch schon offensichtlich ist, merkt man dann auch beim Spielen: Die Dullahan ist weitestgehend eine Stratocaster ohne Kopfplatte. Dementsprechend fühlt man sich sofort zuhause und muss sich eigentlich kein Stück umgewöhnen. Sitzend gespielt, ist sie somit natürlich prädestiniert für den coolen Einsatz in der Waagerechten.

Die klassische Position bedienen moderne ergonomische Formen dann doch einen Tick besser, aber natürlich geht auch das. Dank des Lebendgewichts von etwa 2,7 kg lässt sich die Dullahan auch am Gurt wunderbar tragen, lange Zeit spielen und ist dazu auch prima ausbalanciert.

Beim ersten, akustischen Anspielen ergibt sich ein kleiner, aber doch deutlich wahrzunehmender Sound-Unterschied zwischen den beiden Modellen. Beide klingen recht ausgewogen und bilden das erwartete Frequenzspektrum gut ab. Während das graue AT-Modell etwas voller und mit mehr Schub daherkommt, betont das schwarze FT-Modell einen Tick mehr die Mitten und Höhen und spielt insgesamt etwas schneller und spritziger auf. Der Unterschied bewegt sich allerdings in Dimensionen, bei denen ich davon ausgehe, dass die Serienstreuung ebenso dazu beiträgt, wie die verbauten Hölzer es tun.

Spielt man die Gitarren ein wenig länger, so fällt auf, dass die Stimmstabilität zwar in Ordnung geht, aber der bei anderen Systemen (beispielsweise der Hardware von Strandberg oder ABM) doch unterlegen ist. Das geht mit einem Blick auf den Preis natürlich wieder in Ordnung. Und wer möchte, kann ja hier nochmal aufrüsten. Tatsächlich fühlen sich beide Gitarren sehr gut an und lassen sich schnell spielen.

Das Cutaway gewährt guten Zugang auch zum 24. Bund, während der Halsübergang diesen wieder etwas mindert. (Bild: Dieter Stork)

Das Cutaway erlaubt guten Zugang zu den höchsten Bünden, der durch den recht blockigen Hals-Korpus-Übergang wieder etwas verwehrt wird. Ein kleines Manko fällt mir dann doch noch auf: Wechselt man schnell in tiefe Akkorde, sodass die Hand auch mal Kontakt mit dem Sattel bekommt, so merkt man, dass dieser recht scharfkantig ausfällt. Das kenne ich so von anderen Instrumenten nicht. Wäre es meine Gitarre, würde ich eine kleine Feile für die Ränder bemühen.

… UND AM AMP

Der akustische Eindruck in den Unterschieden beider Modelle setzt sich 1:1 am Amp fort. Gemeinsam haben sie hier, dass die Pickups nicht vollends zu überzeugen wissen. Sie bilden beide Dullahans etwas mumpfiger ab, als dies unplugged rüberkommt. Vom Output her liegen die Tonabnehmer im Mittelfeld meiner Vergleichsgitarren, hier ist man also breit aufgestellt und hat alle soundtechnischen Möglichkeiten.

Persönlich gefällt mir die schwarze FT besser. Sie behält einen Teil ihrer akustischen Spritzigkeit bei und setzt sich somit insgesamt besser durch. Nur um sicherzugehen, dass das nicht alles nur eingebildet ist, habe ich beide Instrumente mal durch einen Real Time Analyzer geschickt, um mir die Frequenzbänder näher anzusehen. Die FT bietet etwas mehr Output in den tiefen Mitten und über 4k. Hebt man bei der AT die entsprechenden Bänder mittels eines Equalizers an, so klingen die beiden Modelle tatsächlich sehr ähnlich.

Der Hals-Humbucker ist mir generell etwas zu dumpf, mit dem Bridge-Sound könnte ich gut leben. Und man darf nicht vergessen, dass die Split-Sounds ja auch noch zur Sound-Vielfalt beitragen. Auch da gibt es Pickups, die mehr Lebendigkeit versprühen, aber das geht schon klar. Ich habe bei den Tests gerne den Split-Sound des Bridge-Humbuckers als zweite (niedrigere) Gain Ebene für manche Songparts genutzt. Stellt euch den Wechsel auf den „Mirrors“-Part von ‚21st Century Schizoid Man‘ vor. Ohne hier was am Amp zu ändern kann man so blitzschnell zu einem passenden Sound wechseln.

Auch bei längerem Spielen gefällt mir die Ergonomie und Haptik beider Gitarren wirklich gut. Ich bin mir sicher, dass man hier lange Spaß haben kann. Persönlich würde ich vielleicht früher oder später die Tonabnehmer austauschen, aber das ist nichts, was man unmittelbar machen muss. Und da es bereits andere Harley-Benton-Modelle mit EMGs gibt … da kann man ja auch mal gucken.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Harley Benton ermöglicht hier einen günstigen und durchaus gelungenen Einstieg in die Welt der Headless-Gitarren. Sind die beiden Dullahan-Schwestern perfekt verarbeitet und klingen wie Modelle die viele tausend Euro kosten? Nein. Aber die kleinen Unschönheiten, die hier und da auffallen, haben entweder keinen Einfluss auf Spielgefühl und Sound oder lassen sich recht einfach beheben. Das war also Meckern auf hohem Niveau, und auch meine Strandberg (für deren Preis ich knapp vier Dullahans hätte kaufen können) ist vom Lack her nicht perfekt – was soll‘s.

Lediglich die Roswell-Tonabnehmer wissen mich nicht vollends zu überzeugen. Sie halten das natürliche Potential der Dullahans etwas zurück und lassen beide Modelle dumpfer und lebloser klingen, als diese in natura sind. Sind es deswegen schlechte Tonabnehmer? Nein, das nun auch nicht. Sie sind flexibel nutzbar und klingen mit kleinen EQ-Tweaks gleich deutlich frischer und besser. Der Rest der Gitarre stellt jedenfalls eine so gute Basis dar, dass ich denke, man kann lange Zeit Spaß damit haben. Eine klare Antestempfehlung für all jene, die nicht gleich mit einem Köpper in den Headless-Pool springen wollen, sondern lieber die Treppe nehmen und erstmal schauen wollen, welche Temperatur das Wasser hat. Tauchen kann man dann später immer noch.

PLUS

  • Preis/Leistung
  • Edelstahlbünde
  • Ergonomie
  • Spielbarkeit
  • Gewicht

MINUS

  • Tonabnehmer etwas dumpf

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2021)

Produkt: Fender Stratocaster
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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Sehr geil. Hans Thomann wieder.Hammer

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  2. Zitate: „…ist vom Lack her nicht perfekt-was soll‘s“.Und zuvor: „…auch in der Lackierung beider Gitarren lassen sich kleine Mängel finden“ ….bei diesem Preis geht das völlig in Ordnung“.Hallo,merkt ihr noch,welchen Unsinn ihr da schreibt? Soll dies etwa ernsthaft bedeuten,daß eine schlecht ausgeführte Lackierung (besonders bei „günstigen“ Gitarren) vom Kunden sowieso stillschweigend akzeptiert werden „muß“,und faktisch „eigentlich“ gar kein Mangel darstellt??? Diese Zitate sind doch nun völlig absurd,ein absoluter Widerspruch,der letztendlich doch nur die schlampige Lackierung/Verarbeitung von Seiten der Gitarrenhersteller toleriert.

    Ehrlich gesagt,hier frage ich mich zwingend,weshalb es dann eigentlich „Testberichte“ der Medien gibt,die offensichtlich bestehende Makel,bzw. Mängel spontan einfach „schön reden“,und somit zukünftig die von vielen Gitarrenfabrikanten doch so eindringlich propagierten eigenen Produkt- Endkontrollen schließlich ersatzlos eingestellt werden könnten.

    Dies hätte dann zur Folge,daß die Kunden völlig blind darauf vertrauen sollten,stets eine neue Gitarre (egal,in welchem Preissegment) ab Werk zu erhalten,die zwar endgefertigt,jedoch schlußendlich keine Endkontrolle mehr durchläuft.

    Vielleicht ist dies ja bereits die Realität,-ansonsten würden Makel/Mängel ja nicht mehr vorkommen.Keinerlei Endkontrollen bedeuten für die Unternehmen auch viel weniger Kosten und obendrein eine enorme Zeitersparnis.Vorteil für die Firmen,nachteilig für uns Kunden.

    Fazit: verschont uns bitte zukünftig mit derartigen „schönen Reden“,bleibt besser objektiv,und fokussiert eure Testberichte auf bewährte Kritiken!
    Vielen Dank!

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    1. Superrichtig,
      für 400 Euro muss ich 2 Woche arbeiten, 399 Euro auchGeld

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    2. Da liegst du völlig richtig. Diese Methode wird in der Fahrzeugproduktion schon seit einigen Jahren angewandt. Die Qualitätsprüfung wird per Garantie den Kunden übertragen. Berühmt sind die Rückrufaktionen.

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