Broad Tone vom Broad’Tron

Test: Gretsch Streamliner G2410TG

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(Bild: Dieter Stork)

Wer ein Freund des gepflegten Twangs ist, aber nur einen schmalen Geldbeutel hat, den beglückt Gretsch nun seit gut fünf Jahren mit der Streamliner-Serie. Deren neuester Vertreter, die G2410TG, erweitert die Zielgruppe nochmal deutlich.

Die Bezeichnung Streamliner ist an sich nicht neu im Katalog der US-Traditionsfirma. Bereits in den 1950ern rundeten diese Gitarren die Modellpalette im Budgetbereich ab. „Ideal!“, dachte man sich wohl bei Fender – die seit 2003 Gretsch lizenziert haben und unter deren Ägide die Marke zu neuer Blüte erstanden ist – und verwendet diese Bezeichnung wieder für die „Einsteigermodelle“.

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JAPAN – KOREA – INDONESIEN

Sieht doch nach Gretsch aus, könnte man meinen, und es dabei bewenden lassen. Sind die nicht alle gleich? Halt, halt – der Teufel steckt bei der Unterscheidung der inzwischen imposanten Gretsch-Gitarrenauswahl im Detail. Immerhin reicht die Preisspanne von wenigen hundert Euro bis zu mehreren Tausendern. Deshalb lohnt es sich, auf die Details zu achten, um eine Kaufentscheidung zu treffen. Bis vor wenigen Jahren wurde das untere bis mittlere Preissegment bei Gretsch von der Electromatic-Linie bedient. Die sind im Preis jedoch gestiegen. Gretsch fehlte eine neue Lösung für den Einsteigerbereich – et voilà, die wurde mit der Streamliner-Serie gefunden.

Was unterscheidet die Modellreihen? Die hochpreisigen Gretsch-Gitarren, die mit einer „6“ in der Modellbezeichnung beginnen, werden in Japan gebaut. Was da aus dem Terada-Werk kommt, ist allerfeinste Qualität mit krassen Fertigungsdetails, und hat entsprechend seinen Preis. Die Electromatic-Modelle (beginnen mit einer „5“) wurden und werden in der Regel in Südkorea hergestellt, ein Land, das in puncto Qualität bei der Gitarrenherstellung mittlerweile auch auf eine lange Tradition zurückblicken kann und sich nicht mehr hinter der japanischen Fertigung verstecken muss, die Ausstattung und Verarbeitung der koreanischen Gretschs ist aber nicht ganz so erlesen wie die der japanischen. Die Streamliner dagegen kommen aus Indonesien, so auch unsere G2410TG, und sind im Vergleich einfacher ausgestattet und verarbeitet. Irgendwo muss sich der niedrigere Preis ja bemerkbar machen.

KONSTRUKTION

Der voluminöse, komplett hohle Korpus ist aus gesperrtem Ahorn. Bei der G2410TG ist er nur 2,25 Zoll (5,5 cm) tief, also etwas schmaler als traditionell. Der Hals ist hier aus Nato und schert sich wenig um Vintage-Orthodoxie: Auf dem Griffbrett aus Lorbeerholz mit dem üblichen 12″-Radius prangen 22 Medium-Jumbo-Bünde. Für Saitenspannung sorgen wertige, namenlose Grover-Style-Mechaniken, die Drähte laufen mit 628mm Mensur über eine Tune-O-Matic-artige Brücke. Löblich ist die Fixierung der Brücke auf der Decke. Wer punkig reindrischt oder exaltierte Bendings durchzieht, muss sich nicht sorgen, dass das Teil in der Hitze des Gefechts verrutscht – durchaus ein Problem bei traditionellen Gretschs, wie ich aus leidvoller Erfahrung bestätigen kann.

Bei dem stilechten Bigsby-Vibrato handelt es sich um eine in Lizenz hergestellte Einheit, nicht um das teure Original. Sieht also aus wie Gretsch, also kommt auch Gretsch raus? Jein! Die Pickups nennen sich Broad’Tron BT-2S. Der Name soll eine Verwandschaft mit den auf Gretsch-Gitarren traditionell verbauten Filter’Trons suggerieren, jedoch steckt kein Filter’Tron in der Gitarre: Es handelt sich um normale Humbucker mit einem mittelhohen Output (Widerstand um die 9 kOhm).

Filter’Tron-Lookalikes: die Broad’Tron BT-2S (Bild: Dieter Stork)

Die Schaltung ist vereinfacht – der berüchtigte „Mud-Switch“ (ein schaltbarer High-Cut) fehlt, jedoch hat der Hersteller der Gitarre das bekannte Master-Volume am unteren Horn spendiert. Dazu gibt es ein Master-Tone-, sowie zwei Volume-Potis für den jeweiligen Pickup. Die G2410TG kommt ohne Gigbag, aber mit Einstell-Zubehör. Sie liegt uns im wohlig-braunen „Village Amber“ vor, was stark an das legendäre Country-Gentleman-Modell erinnert, ebenso wie die goldene Hardware. Wer es etwas weniger „old school“ will, kann zu Ocean Turquoise oder einem natürlichen Finish („Single Barrel Stain“) greifen, goldene Hardware befindet sich auf allen. Die G2410TG kommt perfekt eingestellt aus dem Karton, mit für die Preisklasse respektabler Qualität bei Verarbeitung und Komponenten.

PRAXIS

Der mittelschlanke Hals mit seinem wohligen „U“-Shape fällt gut in die Hand, und das durchaus modern anmutende Griffbrett liefert das für Gretsch typisch butterweiche Spielgefühl. Mit nur 3 kg Gewicht strapaziert die G2410TG den Rücken nicht übermäßig und neigt auch nicht zur Kopflastigkeit. Trocken gespielt gefällt mir die saubere, strahlende Natur des Tons.

Vor allem gezupfte, komplexe Akkorde machen viel Spaß, da sie schön ausklingen und sich herrlich-schaurig mit dem Bigsby „verbiegen“ lassen. Das Grundtimbre ist dabei recht hell und silbrig. Im Vergleich dazu tönt meine japanische Tennessee Rose weicher und lieblicher. Vom gefürchteten Dengeln billiger Einsteiger-Semiakustik-Gitarren ist die Probandin jedoch weit entfernt. Die akustische Lautstärke hält sich in Grenzen – um Lebensabschnittsgefährt*innen nicht zu wecken, ist sie zu laut, aber die Nachbarn sollten ruhig schlafen können.

Am Verstärker setzt sich der silbrige Eindruck überraschenderweise besonders beim Halstonabnehmer fort. Der ist bei Gitarren im unteren und mittleren Preissegment durchaus mal problematisch, nicht so hier: Luftig und klar ertönen die Höhen, mit viel Reminiszenz an den akustischen Klang der Gitarre. Das zahlt sich auch mit etwas Haar im Klang aus: Der Hals-Pickup liebt Crunch. In der Mittelstellung der beiden Tonabnehmer perlt der Akustik-Archtop-Beigeschmack weiter trocken aus den Boxen. Schaltet man auf den Bridge-Pickup, zeigt sich dann aber doch, dass es sich nicht um einen „echten“ Filter’Tron handelt, sondern um einen Humbucker – er ertönt deutlich abgerundet und warm im Ton, dabei jedoch nicht zu belegt.

Damit eignet er sich durchaus für eine Schippe mehr Gain. Er erinnert mich etwas an die bei Fender oft verbauten Shawbucker. Ein Schelm, wer da an Verbindungen im Firmenimperium denkt. Der Gretsch-Connaisseur mag hier die Nase rümpfen, aber seien wir ehrlich: Die Gitarre wird dadurch auch etwas vielseitiger als das orthodoxe Original. Wer viel Filter’Trons spielt, der weiß, dass die mit Gain durchaus auch mal giftig zuschnappen können, Richtung Tele, und einen eher mageren Output haben. Und das passt eben nicht überall. Die G2410TG dagegen bietet „Broad’Tron“ im wahrsten Sinne des Wortes: Die Pickups liefern breit gestreut für verschiedenste Genres ab. Wer mehr Twang braucht, der kann ja zu einer der zahlreichen Schwestern im Sortiment greifen, die das zielgerichteter bringen.

Lässt sich noch erwähnen, dass Konstruktion und Art der Gitarre kein Sustainmonster ergeben – für sahnige Gary-Moore-Leads bieten sich andere Gitarren eher an. Für AC/DC, Indie und generell alles was growled, crunched, fuzzed und gnarled – aber sicher doch!

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Die neue G2410TG ist die Gretsch für den Spieler mit begrenztem Budget, der zwar den Gretsch-Look und -Feel will, dabei aber auf „That Great Gretsch Sound“ gar nicht mal so viel Wert legt, sondern im Gegenteil, eventuell für Gretsch gar untypische Musikstile auf dem guten Stück darbieten oder schlicht mehr Dampf an den Amp senden will. Für so manche Spieler ist zudem das Format vieler GretschModelle einfach etwas zu unhandlich. Ich denke da auch an die wachsende Zahl der jungen Spieler:innen. Hier schiebt sich die G2410TG mit schlankerem Format ins Bild, hat aber dennoch genug „Bauch“, um nicht ins Thinline-Territory abzugleiten und das Gretsch-Dasein nur noch zu mimen. Ein im besten Sinne des Wortes preiswerter Allrounder und schöner Einstieg in die Welt der Gretsch-Gitarren.

PLUS

  • gute Bespielbarkeit
  • gute Verarbeitung
  • präzise Tonentfaltung
  • vielseitig einsetzbar

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2021)

Produkt: Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
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Kommentare zu diesem Artikel

  1. mit 4,28 mm halsbreite wird´s verdammt eng beim spielen !

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  2. Wenn der Grundklang hell und silbrig ist, warum klingt gerade der Bridge-Humbucker warm und rund? In zahlreichen Testberichten zeigte sich ja, dass gerade bei den Pickups immer wieder Kritik laut wird. Ich könnte auch sagen, wenn, dann spart bitte beim Draht, durch weniger Wicklungen. Den Fehler, eine vollkommen hohle E-Gitarre zu kaufen, würde ich auch nicht noch einmal machen. Wer recht nah am Amp steht, weiß was ich meine.

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  3. Je weiter ich mich in die Streamliner Serie einlese, je uninteressanter wird sie für mich. Jeder schreibt etwas anderes und irgendwie ist das Resumée für mich: Sie scheint nicht besser oder schlechter zu sein als jede andere Hollowbody in dieser Preisklasse. Ich bin sogar langsam fast schon enttäuscht, daß es sie nicht optional mindestens mit Roswell Filtertron Tonabnehmern gibt. Die kommen an vintage Gretsch Filtertrons recht nahe heran. Das würde mir die Streamliner Gitarren dann richtig schmackhaft machen und mir die Kaufentscheidung abnehmen. Sicher mögen sie echte Gretsch Gitarren sein, aber wenn sie qualitativ eher bei der orangen vom großen T oder dem großen Jungen aus Köln anzusiedeln sind, gebe ich lieber für eine andere einen bis 2 Hunderter weniger aus und investiere das Ersparte in Filtertrons und “gretschifiziere” mir diese klanglich. Am Ende ist egal, was auf dem Headstock steht, der Klang ist entscheidend. Und weder die neuen Braodtrons noch die in der Electromatic Serie verbauten Black Tops liefern diesen unverwechselbaren hohlen hölzernen Ton, den man von alten Aufnahmen her kennt. Selbst bei fast 600 €uronen, die für viele Leute schon die finanziell tragbare Obergrenze darstellen, wäre dieses kleine aber wichtige Detail, der Filtertron nämlich, das Typischste an einer Gretsch. Mit dieser Meinung stehe ich übrigens nicht alleine.

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