Radio-aktiv

Test: Godin Radium

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(Bild: Dieter Stork)

Die Korpusform und die lange Kontrollplatte mit der Schalt- und Regelmimik erinnern auf den ersten Blick an das gute alte Fender-Modell Telecaster, aber das war’s dann auch schon. Die Radium geht nämlich in fast jeder Hinsicht einen anderen, durchaus eigenständigen Weg.

Mit dem Modell Stadium hatte sich Godin zuvor bereits, und zwar wesentlich eindeutiger, dem beliebten Evergreen von Fender angenähert. Die neuen Radium-Versionen schließen gewissermaßen die Lücke zwischen den bereits gesetzten Modellen Radiator mit mehr Single-Cut-Appeal und dem Tele-style-Modell Stadium. Die zur Wahl stehenden Varianten in Winchester Brown und Carbon Black unterscheiden sich nicht nur optisch, sondern sind zudem mit unterschiedlichen Holzkombinationen ausgestattet.

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EINMAL MIT ALLES, BITTE!

Die vorliegende Radium-Version in Winchester Brown verfügt über einen flachen Korpus von 42,8 mm Plattenstärke, dreiteilig gefügt mit Mahagoni-Zentrum und angesetzten Flügeln aus kanadischem Laurentian Basswood (Linde). Der Hals aus Mahagoni ist kurz vor dem 16. Bund in den Korpus eingeleimt.

Mahagonihals, Set-Neck-Konstruktion (Bild: Dieter Stork)

Im ungebundenen Griffbrett aus Palisander mit 12″ Radius finden wir 22 klaglos sauber verarbeitete Medium-Bünde und cremefarbene Dots zur Lagenkennung. Beim Schwestermodell in Carbon Black ist im Übrigen der komplette Body aus Linde gefertigt und der Hals besteht aus Ahorn mit Griffbrett aus Palisander. Der obere Teil der im Winkel herausgeführten und symmetrisch gestalteten 3+3-Kopfplatte wurde angeschäftet. Ungewöhnlich ist die darauf geschraubte Auflage aus dreischichtigem Kunststoff (Pickguard-Material) mit gefrästem Godin-Logo. Die gekapselten Godin-Mechaniken mit kleinen Griffen laufen leicht und halten die Stimmung zuverlässig.

Über den Kunststoffsattel von GraphTech werden die Saiten mit 628-mm-Mensur hinüber zur Wraparound-Bridge auf dem Korpus geführt. Das einteilige Bridge-Tailpiece aus vernickeltem Leichtmetall steht auf kraftvollen Schraubbolzen und verfügt über längenkompensierte Saitenauflagen – etwa in der Art, wie man sie von Gibson Junior-Modellen her kennt.

Wraparound-Bridge mit längenkompensierten Saitenauflagen. (Bild: Dieter Stork)

Die Elektrik ist auf klangliche Flexibilität ausgelegt und umfasst zwei Custom-Godin-Humbucker mit Nickel-Kappe am Hals und am Steg und einen Godin-Custom-Cajun-Nickel-Single-Coil-Pickup in der Mittelposition. Die drei Tonabnehmer sind schlicht von oben in die Fräsungen geschraubt, was einen etwas rustikalen Charakter vermittelt. Auf der Kontrollplatte (etwas lang geraten, aber dafür 1 cm näher als bei der Tele an die Saiten gerückt) sind neben dem im Winkel eingesetzten Super-Pickup-Wahlschalter mit fünf Positionen ein generelles Volume-Poti und weiter hinten ein Tone-Poti mit Push-Pull-Funktion zur Spulentrennung der Humbucker positioniert. Nicht zu vergessen die Klinkenbuchse für den Anschluss der Gitarre, die am Ende der Platte zu finden ist.

Lange Kontrollplatte mit Super-5-Way-Switch und Push/Pull-Coil-Split-Option im Tone-Regler. (Bild: Dieter Stork)

Die in Summe sauber verarbeitete Winchester Brown Radium ist rundum mit einem Semi-Gloss-Finish versiegelt. Ein ordentliches Gigbag gehört zum Lieferumfang.

FLEXIBLE EIGENSTÄNDIGKEIT

Sieht man einmal von der Korpusform und der Kontrollplatte ab, finden wir in der Godin Radium mehrheitlich Zutaten und Konstruktionsprinzipien, die absolut nichts mit einer Telecaster zu schaffen haben: Set-Neck, 3+3-Kopfplatte, Wraparound-Bridge und elektrische Ausstattung weisen in eine komplett andere Richtung.

Zunächst aber fügt sich die 3,4 kg schwere Radium mit ihren gut gesetzten Konturen lässig aufs Knie, hängt aber auch bestens ausgewogen am Gurt und richtet sich dank der großzügig geschnittenen Anlagebucht am Boden mit bester Griffbrettaufsicht aus. Ihr angenehm rundlich profilierter Hals kommt unserer greifenden Hand einladend entgegen, die flach eingerichtete Saitenlage und kantenglatt abgerichtete Bünde fördern lässiges Spiel.

Die schlüssige Konstruktion mit Hals und Korpuszentrum aus Mahagoni in Verbindung mit der Wraparound-Bridge ermöglicht ein kraftvoll durchzeichnetes Klangbild, das Wärme und Offenheit in Einklang bringt. So weit, so stimmig. Der Amp ist vorgeheizt. Hören wir uns also nun einmal an, was die verbaute hauseigene Elektrik aus diesen guten Grundlagen alles machen kann.

Der Custom-Godin-Humbucker am Hals mit Medium-Output transportiert das schon akustisch gesunde Klangvolumen mit angemessener Rundung und gespreizter Stimmlichkeit, zeigt aber nicht sehr großen Tiefgang. Dafür ist die Darstellung leicht, frei und gut definiert. Transparent aufgezogene Akkorde mit knackig schlanken Bässen und sauberer Saitenseparation sorgen für lichte Tonbilder mit fast schon akustischem Appeal. In Zerrpositionen lassen sich damit kompakte Powerchords erzielen, Linienspiel profitiert von der sauberen Intonation und Stringenz der Umsetzung bei guter Tonlänge.

Godin Pickups in HSH-Konfiguration (Bild: Dieter Stork)

Der Humbucker in Stegposition ist auf weniger Widerstand gewickelt als der Kollege am Hals, was ja eher selten der Fall ist. Er bietet damit einen schlanken Twang, der in der Tendenz fast schon eher Singlecoil-Fans erfreuen wird. Wer fette Bässe erwartet, schaut natürlich etwas schlicht aus der Wäsche. Dafür bietet der Humbucker aber im Overdrive eine enorm straffe, kompakte Kontur und bissig zuschnappende Leads mit griffigem Mitten-Quack.

Diese beachtliche Eigenständigkeit im Klang-Design ist also durchaus zu loben. Gute Ergänzung ist der Singlecoil in der Mittelposition, auch wenn er klanglich ebenfalls etwas zwischen den Stühlen sitzt. Allein geschaltet liefert er schon den typisch trockenen, leicht hohlen Sound, hat aber nicht viel mit einem Tele-Hals-Pickup gemein. Er agiert zurückhaltend, aber mit guter Definition und in Kombination mit den anderen Pickups macht er sich dann natürlich auch noch nützlich. In den Zwischenpositionen des Schalters liegen damit die erwartet ausgedünnten Sounds der zusammengeschalteten Pickups an, wobei nur die Außenspulen der Humbucker aktiviert sind. Diese Sounds eignen sich u.a. bestens für das funky Rhythmusspiel.

Bonus: Bei gezogenem Tone-Regler hören wir in den Außenpositionen durchaus achtbare Singlecoil-Sounds. Diese zweite Klangebene vermittelt allerdings eine spezielle Schärfe, die im Zerrkanal, vor allem bei aktiviertem Steg-Pickup, eine zusätzliche Portion Chili ins Menü mischt. Da schießen dir zwar die Tränen in die Augen, aber es macht dennoch überraschend viel Spaß, sich mit diesen stacheligen Twang-Sounds auseinanderzusetzen.

Zu beachten vielleicht noch: Der schräg angeordnete Super-Pickup-Wahlschalter kann für bestimmte, etwas offensiver ausgeführte Spieltechniken ein Problem darstellen, da der recht nah und in Schlagrichtung positionierte Blade Switch dann schnell zu ungewolltem Umschalten führt. Bei normaler Spielweise ist die Handhabe aber eher komfortabel.

RESÜMEE

Mit dem Modell Radium stellt der kanadische Hersteller Godin eine Gitarre von androgyner Bauweise vor, die aber nicht ganz so giftig und gefährlich daherkommt wie ihr Name suggerieren will. Eher haben wir ein optisch schlichtes Instrument in Händen, das aber konsequent auf möglichst flexible und praxisorientierte Anwendung ausgerichtet ist. Klanglich emanzipiert sich diese Gitarre mit etwas anderen Tonfarben von den vielleicht vorschnell mit ihr assoziierten Modellen, was aber absolut kein Schaden ist.

Weder baut sie auf das Deep End vergleichbarer Mahagonikonstruktionen, noch ist sie klangfarblich mit einer der üblichen Schraubhalsgitarren zu verwechseln. Ihr Klangangebot ist dennoch stimmig und variantenreich. Klar lässt sich mit ihr auch ordentlich abrocken, aber rechne damit, dass sie dabei ihren eigenen Standpunkt in der Klangdefinition vertritt. Sie bietet einfach ein breites Repertoire an originellen Sounds, die zu entdecken sich wirklich lohnt. Da der Godin Radium auch noch rundum beste Handhabung zuzugestehen ist, kann das Urteil nur lauten: viel Gitarre zum günstigen Preis – empfehlenswert!

PLUS

  • stimmiges Crossover-Design
  • Schwingverhalten
  • Godin Pickups
  • schalttechnische Flexibilität
  • vielfältige Sounds
  • Hals, Handhabung
  • Verarbeitung
  • Preis/Leistung

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2020)

Produkt: Fender Stratocaster
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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Immer wieder alter Wein in neuen Schäuchen

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  2. Godin baut eigentlich ganz gute Gitarren.Eine Schönheit ist dieses Modell mit der sehr unpassenden Namensgebung „Radium“ in „Winchester Brown“ aber wohl eher nicht.Reine Geschmacksache,mir gefällt sie optisch nicht so gut.Aber,eine alte Tele sieht ja auch nicht besonders hübsch aus,ist halt doch zweckmäßig und ein „Arbeitstier“ für die Bühne.
    Die Anordnung der Klinkensteckerbuchse bei der Godin scheint mir auch etwas deplatziert,denn direkt neben dem Poti wird es anscheinend recht eng.Dieses „Problem“ hat Leo Fender vergleichbar mit seinem Telecaster Korpus Modell zweifellos bedeutend besser gelöst,und setzte die Klinkenbuchse kurzerhand in die untere Zarge!
    Ob Mahagoni- oder Lindenkorpus macht soundmäßig schon einen sehr großen Unterschied im jeweiligen Klanggefilde aus.Und optisch sowieso.
    Wenigstens wurde das Design der Godin Kopfplatte endlich einmal modifiziert.Sieht jetzt bei diesem Modell viel gefälliger aus.
    Ansonsten eine im Design eher sehr unauffällige Elektrische aus Kanada.
    Die typischen Klangeigenschaften sollte man(n) doch besser immer persönlich vor Ort im Gitarrenshop ausprobieren dürfen.
    Testberichte sind ja allgemein ganz nett,jedoch verlasse ich mich selbst stets auf den eigenen ausgiebigen Test im Fachgeschäft,sofern dies in dieser total nervigen Zeit wegen der Corona Pest Pandemie momentan überhaupt noch möglich ist.
    Der Preis scheint in Ordnung zu gehen,denn ein Godin Gigbag ist ja sogar auch noch im Kaufpreis inklusive.

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