Blast from the Past

Test: EVH 5150 Series Standard

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(Bild: Dieter Stork)

Über die Gitarren des Shredding-Urgesteins Eddie Van Halen könnten mittlerweile ganze Bücher verfasst werden. Mit der neuen 5150-Serie schreibt Eddie zusammen mit Fender unter der Marke EVH nun ein neues Kapitel – doch ist es ganz neu?

Was bisher geschah: Zu Beginn seiner kometenhaften Kar­riere bastelte Eddie Van Halen noch ziemlich viel selbst an seinen Gitarren herum und schuf unter anderem die berühmte „Frankenstrat“, eine Fender Strat mit einzelnem Hum­bucker in der Bridge-Position. 1982 konnte ihn die US-Gitarrenschmiede Kramer als Endorser gewinnen. Seit einigen Jahren betreibt nun Fender unter der Marke EVH die Pflege des Van-Ha­len-Gear-Sortiments und baut dieses immer weiter aus. So schließt sich nicht nur der Kreis zur Ur-Frankenstrat, die EVH seit einiger Zeit als Nachbau anbietet, sondern – mit der 5150 Serie – auch der zum Kramer Endorsement: Es handelt sich um eine Neu­auflage der ersten Kramer-Eddie-Van-Halen-Signature-Gitarre von 1983 – jetzt auch ohne Streifen.

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SHRED KLASSIKER

Wir schauen uns das Standard-Modell in der Farbe Satin Primer Grey aus der Serie näher an. EVH bietet auch noch eine Deluxe-Variante an, die im Unterschied zur Standard ein Ebenholzgriffbrett und aufwen­digere, glänzende Finishes hat. Die Standard gibt es auch noch in Army Drab (olive) und Rocket Red, beide ebenfalls matt lackiert. Die berühmten Stripes bietet EVH mit der Striped 5150 – die neue Serie ist quasi das Angebot für alle, die dem Van-Ha­len-Design nichts abgewinnen können.

Wie beim Kramer-Original ist der Korpus aus Linde und sieht zwar auf den ersten Blick nach Strat aus, weicht aber in der Formgebung etwas ab – der Korpus wirkt schlanker und länger gezogen. Als Grundlage diente da­mals die Kramer Pacer. Das Fender-Werk in Mexiko pro­duziert neben den EVH-Modellen auch die von Charvel (ebenfalls Teil der Firmengruppe), und so zeigen sich gewisse Ähnlichkeiten, beispielsweise zur Satchel Charvel Signature. Die Mexikaner scheinen inzwi­schen auf hochwertige, matte Finishes speziali­siert zu sein.

Informative Neck-Plate (Bild: Dieter Stork)

So auch beim Hals: Der ist komplett aus Ahorn und wurde mit mattiertem Urethan „eingerieben“ – fühlt sich sehr natürlich an und kommt schwitzigen Händen entgegen. Mit durchgehend 20 mm Stärke wird er auch in den hohen Lagen nicht dicker, die Sattelbreite dürfte mit 43 mm so gut wie jeder Hand genehm sein. Die Griffbrettkanten wurden penibel verrundet – EVH/Fen­der achtet hier wirklich auf jedes Shredding-komfortable De­tail. Die Kopfplatte ist in der typischen „Hockeyschläger“-Form der originalen Kramer gestaltet, gekapselte Gotoh-Tuner sorgen für die Stimmung. Von denen laufen die Saiten unter einem Stringbar durch den Locking-Sattel. Dann geht es weiter über 22 Jumbo-Bünde auf einem Compound-Radius von 12 bis 16 Zoll – ideal für weite Bendings und rasendes Genudel. Das Ahorn sowohl von Hals als auch Griffbrett ist fast „weiß“ und wird im Laufe der Zeit wohl eine wunderbare Patina anneh­men. Der Zugang zum Halsstab sitzt, wie bei einigen anderen hochpreisige­ren Modellen aus dem Fender-Imperium auch, am Ende des Halses: Mit einem dün­nen Schraubenzieher kann man dort die Hals­krümmung präzise und ohne Gefummel oder gar Abmontieren des Halses einstellen.

Anders als bei der ursprünglichen Frankenstrat und den ersten Kramer-Modellen sorgen in der 5150 zwei statt nur einem Humbucker für die Tonabnahme: Sowohl an Hals-, als auch Bridge-Position sitzt je­weils ein passives EVH-Wolfgang- Modell mit Alnico-2-Magneten und hohem Output. Zwei leichtläufige Potis – Volume und Tone – verwal­ten die Pickups. Coilsplit wird nicht angeboten.

Bewährt, zuverlässig, stimmstabil: Floyd Rose Vibrato mit D-Tuna (Bild: Dieter Stork)

Die Saiten kommen standesgemäß an einer Floyd Rose (FRT-O2000) Vibrato­einheit an, die nicht unterfräst ist. Am Feinstimmer der tiefen E-Saite befindet noch ein Schmankerl: ein sogenannter „D-Tuna“. Mit die­sem Schalter lässt sich die Saite sofort einen Ganzton nach unten stimmen – und wieder hoch. Wer das nicht will, kann den D-Tuna ausbauen und eine normale String-Locking-Schraube einsetzen (liegt bei). Leider nicht im Lieferumfang enthalten ist ein Gigbag, was in diesem Preissegment Standard sein sollte. Mit 3,48 kg wird die 5150 Standard wohl keinen Rücken überfordern.

Die Gitarre ist tadellos verarbeitet ohne jeglichen Mangel und kommt mit 0.009er-Saiten. Wie immer rate ich jedem dazu, vor seinem ersten Saitenwechsel an einem Floyd Rose ein Tutorial zu studieren – der kann sonst den Adrenalinspiegel ungesund hochtreiben.

ANHEIZEN

Präzision, meine Herren, Präzision. Das ist das Wort, welches mir sofort in den Kopf schießt. Dieses Griffbrett ist für hochtechni­sches, akkurates, modernes Spiel ausgelegt. Da behindert nichts die Flitzefinger, da muss man nicht mit den Tönen ringen. Wunder­bar schmiegt sich der schlanke, aber nicht zu dünne Hals mit sei­nem matten Finish in die Hand.

Erwartungsgemäß klingt die 5150 Standard akustisch gespielt eher dünn, mit geringem Bassfundament sowie perkussiven Hö­hen und Mitten. Dennoch liefert sie ordentliches Sustain, und gezupfte Akkorde klingen sauber und rund aus, ohne Flirren, Buzz und Scheppern. Wer härter reinlangt, sollte die Saitenlage etwas nach oben schrauben.

Anders als bei Strats, sitzt die Klinkenbuchse hier auf der Zarge. (Bild: Dieter Stork)

Freilich will die 5150 an den Amp, und da lassen wir sie auch ran. Die Pickups klingen erwartungsgemäß recht laut, so mancher schwachbrüstige Amp wird hier ganz schön angeheizt, und das bisher recht zahme Overdrive-Pedal könnte plötzlich nicht mehr „clean“ genug einstellbar sein.

Im Zusammen­spiel mit der Konstruktion sowie den Hölzern von Hals und Korpus klingt der Hals-Pickup erfrischend hell, ohne jeden Mumpf – wer hier mehr Wärme für jazzige Einlagen seiner Prog-Rock-Combo braucht, wird das Tone-Poti bemühen müssen. In der Mittelstel­lung perlt der Sound durchaus, für die absolut schmalzige Power­balladen-Begleitung ist er aber eventuell nicht zahm genug – hier macht sich das Fehlen eines Coilsplits bemerkbar. Der Bridge-Pick­up liefert ein knackiges Klangbild mit starken Mitten, und treibt schwächere Vorstufen wie gesagt rasch in den Breakup.

Geben wir Dreck dazu, wird schnell klar, dass dies natürlich das eigentliche Metier der 5150 Standard ist. Heiße, starke Mitten bei­ßen sich durch jeden Mix. Die Höhen klingen nicht zu schrill, im Bass zeigt sich die Gitarre aufgeräumt und knackig mit schnellem Attack. Mit einer deutlichen Mitten-Betonung dürfte sich die 5150 Standard in jedem noch so wüsten Bandkontext durchsetzen. Flageolet-Töne, Dive Bombs, präzise Runs mit viel Legato – alles geht und wird von der Gitarre unterstützt. Auch hier kommt einem wieder „Präzision“ als Schlagwort in den Sinn, und die Gesamt­komposition der Gitarre – Hölzer, Pickups, Vibrato – erweist sich als hervorragend für die Zielgruppe abgestimmt. Das Floyd Rose arbeitet dabei wie gewohnt verstimmungsfrei, und auch der D-Tuna funktioniert so präzise und zuverlässig, wie er soll.

RESÜMEE

Die neue 5150 Standard von EVH ist sicherlich nichts für den Vintage-Aficionado, wohl aber für den Fingerakrobaten mit offener Attitude für die Gitarrenstile der Moderne. Wegen der doch recht harten Pickups würde ich sie nicht als Allrounder in der Top-40-Kapelle sehen; auch für eher wärmere Klänge – Blues, Jazz – ist ich sie weniger geeignet, selbst wenn man die Optik völlig außer Acht lässt. Für alle anderen modern ausgerichteten Musikstile mit vor­herrschend verzerrtem Klangbild ist sie ideal.

Der „No Nonsense“-Approach macht sie zu einem schlanken, agi­len Arbeitstier, das bis ins kleinste Detail für die Zielgruppe – tech­nisch versierte Metalgitarristen – designt wurde. Angesichts der tadellosen Verarbeitung und liebevollen Gesamtkomposition mit hochwertigen Teilen geht der Preis total in Ordnung.

PLUS

  • extrem gute Bespielbarkeit
  • tadellose Verarbeitung
  • präzise Tonentfaltung

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2020)

Produkt: Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Kleine Korrektur zur Einleitung: Edward’s Frankenstrat war keine modifizierte Fender Stratocaster. Edward hat die Gitarre aus einem body und Hals von Boogie Bodies zusammengebaut, die er von Wayne Charvel in dessen kleinem Laden gekauft hatte. Den pickup hatte er aus einer alten 335 ausgebaut, das Tremolo war ursprünglich ein original Fender (vintage)trem. Erst später (nach den VH1 Aufnahmen) hat Edward das Fender trem gegen das damals brandneue Floyd Rose getauscht.

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