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Test: Boss GT-1000CORE

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(Bild: Dieter Stork)

Während das Boss GT-1000 nach wie vor die unbestrittene Führungsrolle bei Boss einnimmt, tritt diesem nun mit dem GT-1000CORE ein Jüngling zur Seite. Gleiche Power bei kleinerem Gehäuse? Das lässt aufhorchen.

Anders als die Konkurrenz, bei der die kleineren Geräte oft eine abgespeckte Prozessorleistung haben, bietet Boss hier die volle Power mit geringeren Abmessungen. Klar, man verzichtet auf etliche Fußschalter und einige Anschlüsse. Aber dafür passt das Core wohl auf jedes Pedalboard. Und wenn es wirklich so mächtig ist, wie es den Anschein macht …

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Aber bevor wir loslegen: Weil sich das Core und das reguläre GT-1000 so sehr ähneln, ist vieles auch schon im Test des großen Bruders in Ausgabe 09/2019 abgedeckt. Hier werde ich (auch) auf Unterschiede eingehen.

ÄUSSERE WERTE

Klar, dieser Teil ist einfach: Das Core ist deutlich kleiner als das Flaggschiff. Es hat die gleiche Größe wie die 500er-Serie von Boss, die viele wohl kennen dürften. Dabei sind die Stirnseite, so wie die linke Seite mit Anschlüssen gespickt: Wir finden zwei Klinkeneingänge, zweimal Send und Return, den Output mittels zweier Klinken, von denen eine auch für den Kopfhörer genutzt werden kann, eine Buchse für externe Expression- oder Control-Pedale, sowie den Stromanschluss (ein externes Netzteil wird mitgeliefert).

Die neun Klinkenanschlüsse auf der Rückseite dürften für die meisten Anwendungen ausreichend sein. (Bild: Dieter Stork)

Auf der Seite finden sich ein weiterer Anschluss für Expression/Control und MIDI In/Out. Letztere wurden hier nicht als normale MIDI Buchsen realisiert, sondern als TRS-Variante. Man benötigt also einen Adapter (der wiederum nicht beiliegt).

Für die Verwendung der MIDI-Anschlüsse braucht es einen Adapter. (Bild: Dieter Stork)

Die Front wird geziert von einem 256×80 Pixel großen Mono-LCD. Das ist für die Gerätegröße zwar OK, aber hier ist die Konkurrenz mittlerweile doch sowohl was die Auflösung, als auch die Farben angeht ein gutes Stück weiter. Unbestritten ist aber die gute Ablesbarkeit. Auch im direkten Sonnenlicht habe ich kein Problem, die Anzeigen auf dem Display zu erkennen. Parameter werden mit fünf gerasterten und drückbaren Potis unterhalb des Displays geregelt.

(Bild: Dieter Stork)

Das funktioniert sehr intuitiv und die Potis wirken höchst solide. Mir gefällt auch der gut platzierte, dedizierte Output-Level-Regler gut. Für alles Weitere gibt es sechs kleine Taster und das Select-Poti. Auch die Fußtaster kennt man aus den 500er-Geräten. Man kann sie lieben oder hassen. Sie haben einen recht kurzen Weg und keinen definierten Druckpunkt. Dadurch fühlen sie sich einfach etwas ungewohnt, aber durchaus gut an. Gut gefallen mir die LED-Balken über den Schaltern, die durch verschiedene Farben beispielsweise unterschiedliche Effekte anzeigen können. Natürlich gibt es das auch schon ewig, aber es wirkt hier wirklich hochwertig umgesetzt. Insgesamt ist das Gerät sehr gut verarbeitet, und ich würde mir null Sorgen machen, es mit auf Tour zu nehmen.

Zu den weniger offensichtlichen, technischen Änderungen im Vergleich zum Bruder zählt wohl das Thema Bluetooth. Während das GT-1000 praktisch drahtlos kommunizieren kann, wurde für das GT-1000CORE auf diese Funktionalität verzichtet. Irgendwie schade, denn das war wirklich praktisch und BT-Module kosten auch nicht die Welt – hier wollten die Produktmanager die Geräte wohl nicht noch weiter annähern.

UNTERSCHIEDE ZUM GT-1000

Das haben wir sogar schneller als gedacht abgearbeitet. Denn anders als bei der Konkurrenz kann die Core-Version bei Boss fast das Gleiche wie das große Vorbild. Das Einfache vorweg: Das Core ist deutlich kleiner, bietet aber die gleichen Amps, Effekte, Speicher für Presets und IRs etc. Verzichten muss man auf „richtige“ MIDI-Ports, Balanced Output, einen dedizierten Kopfhöreranschluss, ein paar Fußschalter, so wie das Expression Pedal und die Buchse zur Steuerung eines Amps. Zudem löst das Display des Core deutlich geringer auf (512×160 beim GT-1000) und bietet kein Bluetooth. Dafür braucht es weniger Strom und ist eine ganze Ecke günstiger. Ich finde die Unterschiede sind produktseitig gut herausgearbeitet und sinnvoll gewählt worden. So sollte jeder eine passende Entscheidung treffen können, welches er bevorzugt.

BEDIENUNG UND SOUND

Der erste positive Eindruck entsteht direkt beim Einschalten: Wo sich andere Modeler durchaus mal eine gewisse Bedenkzeit gönnen, ist das Boss sofort am Start. Selten wirklich entscheidend, aber dennoch irgendwie nett.

Man kann sich entweder groß die Nummer des Presets, den Namen des selbigen, die Belegung der Fußschalter oder die Effektkette anzeigen lassen. Da wird man sicher schnell seinen Favoriten finden und alle Modi sind durchaus sinnvoll. Drückt man die beiden rechten Fußschalter gemeinsam, so wechselt man vom Preset-Modus zum Manuellen Modus und hat so drei Effekte auf den drei Fußschaltern. Gute Sache. Die linken beiden Fußschalter aktivieren den Tuner, welcher mir insbesondere in seinem „Peterson-like“ Stream-Modus gut gefällt und schnell und präzise reagiert. Das erste Preset (Premium Drive) mundet mir gleich ziemlich gut.

Es mogelt kein Sustain hinzu und ist nicht so überladen wie manch andere Werks-Presets das früher immer waren. Man muss etwas um seinen Ton kämpfen, aber es klingt top. Schauen wir genauer hin, so haben wir es hier auch „nur“ mit Drive, Amp, EQ und Reverb zu tun. Also ein verhältnismäßig einfaches Preset. Spricht durchweg für das GT-1000CORE, dass sowas schon so gut klingt. Möchte man nun noch ein Delay einfügen, sucht man sich einfach ein deaktiviertes im Preset und drückt „Select“ um es zu aktivieren. Möchte man es verschieben, so hält man Select gedrückt und dreht, bis einem die Position gefällt.

Wenn man von anderen Modelern kommt, ist diese Herangehensweise etwas gewöhnungsbedürftig, aber keinesfalls schlecht. Und tatsächlich: Wenn man es darauf anlegt, so kann man alle verfügbaren Effektblöcke in einem Preset zeitgleich aktivieren. Also beispielsweise auch vier Delays plus ein Multi-Delay pro Preset zusammen mit Flanger, Phaser, Chorus, Tremolo, vier EQs, Compressor, Noisegates, Amps und Wah. Sollte man das tun? Vielleicht nicht. Klingt es gut? Wohl kaum. Aber wenn man es etwas feiner abstimmt als einfach nur alles zu aktivieren, dann kann man natürlich sehr viele spannende Sounds erzeugen. Dabei sei gesagt, dass nur das Multi-Delay in seiner Art (Tape, Shimmer, Reverse … ) regelbar ist.

Die anderen vier Delays sind einfache – aber gute – Digitaldelays. Gehen wir weiter durch die Presets, so gefällt mir das „The Power of MDP“-Preset gut. Das Fuzz im Preset klart gut am Volume-Regler auf, reagiert aber noch ein bisschen weniger dynamisch, als das echte Fuzz, welches ich zu Testzwecken danebengestellt hatte. Das ist systembedingt in solchen Geräten nur sehr schwer zu lösen und klingt auch wirklich OK.

Die Presets bilden ein breites Spektrum ab und lassen sich auch mit wenigen Tweaks gut auf die eigene Nutzung anpassen. So bleibt einem der komplette Neuaufbau von Null an erspart. Möchte man das dennoch machen, so fällt auch hier (wie im Test des großen Bruders) wieder auf, dass Boss eher auf eine eingeschränkte Anzahl an Amps setzt. Das sollte man aber bitte im Bezug auf die Konkurrenz verstehen. Während im Fractal mittlerweile gefühlt ein Marshall pro Baujahr gemodelt ist, setzt Boss hier auf 23 Amp-Simulationen, die teils aus eigenem Hause kommen, teils an berühmte Vorbilder angelehnt sind. Man findet also auch hier seinen Twin, das Brit Stack, einen Recti oder das Orange Stack. Ich muss hier einfach nochmal wiederholen, was ich auch schon beim großen Boss schrieb: Manchmal ist es sehr erholsam und spannend zugleich nicht in alte Muster verfallen zu können und einfach zu denken „ach, nehme ich halt die Soldano Simulation, passt schon“. Hier ist also die Chance gegeben etwas Neues zu entdecken – und zugegebenermaßen das Risiko, dass man etwas Altes vermisst.

Einen großen Anteil am Sound nehmen Boxen(simulationen) ein. Natürlich unterstützt das Boss auch Impulsantworten. Diese kann man über spezielle Software ins Gerät laden. Anders als bei der Konkurrenz gibt es hier keinen eigenen Cab-Block, der im Signalweg platziert werden kann. Man scrollt ganz ans Ende der Signalkette und wählt beim Output eine zuvor geladene IR aus. Das ist recht kontraintuitiv und es verhindert auch, dass man Effekte nach der IR nutzen kann (was man ja mit Delay, Reverb, etc. durchaus tun könnte).

Ich schätze, dass einige Interessenten auch ein kleines Multieffekt für ihr Board suchen. Und da kann das Boss natürlich punkten. Die Effekte sind zurecht bekannt und beliebt und klingen durch die Bank gut. Rechnet man den Preis von einigen der Einzelpedale hoch und summiert nur das auf, was man braucht (sagen wir mal Compressor, EQ und Delay), so rechnet sich das Boss eigentlich oft schon. Und kann dabei ja so viel mehr. Gerade dafür ist der Manual Mode super, in dem man nun drei Effekte manuell ein- und ausschalten kann. Und es spricht ja nichts dagegen, das Signal konstant über eine Amp-Simulation für einen Probenraummitschnitt oder auch FOH abzunehmen.

ALTERNATIVEN

Wir gehen mal davon aus, dass du dich für kleine, leistungsstarke Multieffekte mit Amp-Simulation interessierst. Klar, die großen Geräte, wie ein Kemper Stage, Line 6 Helix, das Headrush oder eben das Boss GT-1000 haben nochmal ganz andere Anschlüsse und eine andere Bedienung. Aber wir sind ja hier im Bereich der platzsparenden Konkurrenz. Und neben dem GT-1000CORE muss man natürlich ganz klar das Line 6 HX Stomp nennen. Es kostet ca. € 40 weniger, ist – meinem Empfinden nach – einfacher zu bedienen und wirkt moderner. Dafür hat das Boss mehr Power, kann also mehr Effektblöcke zugleich verarbeiten. Zudem hat es eine geringere Stromaufnahme, was sich ggf. darin widerspiegelt, dass du eben kein neues Netzteil kaufen musst.

Wenn man wirklich viel weniger ausgeben möchte, einem aber das kleine Format gefällt, so kann man sich durchaus mal das Zoom G3n anschauen, das mir ganz gut gefiel. Auch das Mooer GE150 könnte einen Blick wert sein. Ist einem der Preis egal und es geht einem nur um die Performance, so sei das Fractal Audio FM3 empfohlen. Es kostet natürlich auch gleich etwa doppelt so viel und ist trotz gleicher Zahl an Fußschaltern eine ganze Ecke größer.

RESÜMEE

Nachdem mit dem GT-1000 endlich mal wieder ein großer Wurf von Boss auf den Markt kam, stellt die Core-Version natürlich keinen erneuten großen Umbruch dar. Nicht jeder braucht die schiere physikalische Größe und Anzahl an Anschlüssen und Schaltern des GT-1000, doch viele werden sich an den reichlichen technischen Optionen und der Rechenpower erfreuen. Während die Effekte super klingen wirken die Amp-Sounds mittlerweile im Vergleich etwas in die Jahre gekommen. Das Niveau ist heutzutage aber dermaßen hoch, dass man hier natürlich mehr als solide Sounds erhält. Die Bedienung wäre mit Bluetooth noch ein wenig einfacher gewesen, aber irgendwas muss dann ja auch gestrichen werden. Somit ist es eine gute Idee, eben jene Power im kleinen Format und mit maximaler Ausstattung für die Größe anzubieten. Wer in erster Linie live spielt und ein (Haupt-)Tool für seinen Sound sucht, wird sich eher das GT-1000 anschauen. Wer nur zuhause spielt oder sein Board um spezifische Sounds erweitern will, für den ist das Core genau richtig.

PLUS

  • einfache Bedienung
  • Effekte & Sounds
  • wertige Verarbeitung
  • volle Power im kleinen Paket

MINUS

  • IRs umständlich zu erreichen


(erschienen in Gitarre & Bass 07/2021)

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