Junior trifft Tele

Test: 25 Special 25 Custom TeeJay

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(Bild: Dieter Stork)

Michael Schneider aka „Der Doc“ ist unseren Lesern durch seine Kolumne „Repair Talk“ bekannt. Darüber hinaus ist er Autor eines Buchs zum Thema Gitarren-Service und genau das ist auch seine Hauptdomäne: Weit über die Grenzen des Ruhrgebiets hinaus gilt der Doc als Spezialist für Setups und Tuning von Gitarren. In diesem Jahr geht er mit einer eigenen Gitarren-Linie an den Start, in deren Konzeption die Erfahrung aus 30 Jahren Gitarrenwerkstatt eingeflossen ist.

Das Konzept hinter „25 Special – Fine guitars made by Doc M. Schneider“, so der volle Name, fußt auf einer Art Baukasten, dessen Kernstück ein funktionsoptimierter Hals mit einer kommoden Mensur von 25″ (ca. 635 mm) ist – daher (tadaaaah!) auch die Namensgebung.

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25 BAUKASTEN

Da die Ur-Idee der Twenty-Five dem Gedanken nachging, die Halsparameter auf höchstmögliche Stimmstabilität, vor allem auch für Vibratobetrieb bei anderen Modellen der Reihe, hin zu optimieren, weist der Hals einige optimierende Features auf: So ist die leicht abgewinkelte Kopfplatte so designed und konstruiert, dass die Saiten möglichst gerade (und daher reibungsarm) bei genügend Druck ohne Niederhalter (Umlenkung = Reibung) über den Sattel laufen.

Gerader Saitenverlauf ohne Niederhalter aufgrund der leicht angewinkelten Kopfplatte (Bild: Dieter Stork)

Um den Hals gut unter Kontrolle zu haben, kommt ein 2-Wege-Trussrod, der an der Kopfplatte zugänglich ist, zum Einsatz. Die Kopfplatte ist zwischen dem vierten Bund und dem (das sei schon verraten) in Höhe und Spacing perfekt aus- und abgerichtete Knochensattel besonders lang angeschäftet, was laut Doc einen sehr starren Verbund ergibt, der energetisch wenig verschluckt und die Energie also in der Saite hält.

Während die Parameter des 25er-Halses größtenteils fix sind, lässt die Wahl des Bodys (gemäß des Bausatzgedankens) Spielraum, um verschiedene Gitarrentypen zusammenzustellen, wobei S-Type- oder passende T-Type-Korpusse die gebräuchlichste Wahl sind.

Während die 25er-Hälse alle vom Rohholz bis hin zum fertigen Hals von Hand gefertigt werden, greift der Doc bei den Bodys größtenteils auf hochwertige Replacement-Parts zurück. Diese werden dann ggf. auf die 25er Mensur umgearbeitet. Das ist nicht als schnöde Kompromisslösung zu sehen, sondern bietet die Möglichkeit, aus einem breiten Angebot an Bauteilen die beste Zutat für den jeweiligen Baukasten herauszupicken. So kann die 25 als semisolid (z. B. Warmoth Mooncaster) oder aber vintage-orientiert (z. B. aufbauend auf einen geagten MJT-Body) daherkommen. Auch ein bereits liebgewonnener Korpus aus eigenem Bestand kann beim 25er Baukasten in den Mix mit aufgenommen werden.

CUSTOM TEEJAY

Kommen wir zu unserer Testgitarre. Doc Schneider: „Die Idee hinter der TeeJay lag eigentlich ganz simpel in der Materialverfügbarkeit. Anfang der 1990er-Jahre habe ich mehrere Bohlen brasilianisches Mahagoni erworben. Darunter auch eine mächtige Bohle von gut 1,5 m Länge bei einer Breite von 50 cm und einer Stärke von knapp 6 cm. Ein beeindruckendes Stück Holz. Etwas auf der schweren Seite, stand die Bohle immer wartend herum, da der Markt eher nach leichten Gitarren verlangt. Irgendwann kam mir die Idee, aus dieser Bohle zwei Gitarren zu bauen. Hals und Body aus dem gleichen Stück. Die Bodys einteilig. Es gab ja auch Epochen, in denen die etablierten Gitarrenhersteller etwas dichteres und schwereres Material verwendet haben. Das etwas höhere Gewicht tut dem Sound selten Abbruch – dichteres Holz kann den resultierenden Soundmix auch bereichern. Ältere Paulas oder Juniormodelle waren ja auch nicht immer leicht – klingen aber trotzdem.“

Die Idee war, den Telly-Twang (Tee) mit dem Druck einer LP Junior (Jay) zu kombinieren, wobei die Konstruktion eher an die Teleerinnert, wohingegen das verwendete Holz eher dem Gibson-Lager zuzuordnen ist. Der Hals ist wie oben beschrieben aus Mahagoni, hat ein mächtiges Profil („Knüppel“ wäre auch eine sehr passende Beschreibung) und trägt ein Griffbrett aus indischem Palisander. Dots in der Flanke und auf dem Griffbrett, hier allerdings aus der Mitte an den Rand gerückt, geben Orientierung.

Der Hals wird klassisch von vier Schrauben nebst Halsplatte bombenfest in der Halstasche gehalten und ist optimal ausgerichtet – die Saiten laufen kerzengrade und perfekt geführt übers Griffbrett, das mit Edelstahlbünden im Medium-Jumbo-Format meisterlich (da ist der Doc ein echter Chef!) bundiert ist.

Anders als beim Großteil der Serie, wo überwiegend High-End-Replacement-Bodys zum Einsatz kommen, hat der Doc den Body der TeeJay komplett selbst gebaut. Von der Form her klassisch Tele, hat dieser Body jedoch alle Komfort-Kontouren: Armauflage, Bellycut, ein verschlankter Korpus/Hals-Übergang (Contoured Heel), was dem Klassiker das Kantige nimmt und ihm komfortable Griffigkeit verleiht. Unterstützt wird die griffige Haptik des Bodys durch eine etwas schlankere Korpusstärke. Die TeeJay hat einen nur ca. 40 mm starken Korpus (statt klassischer Weise ca. 44,5 mm). Dies spart zudem auch noch etwas Gewicht ein, wobei die Gitarre mit 3,78 kg immer noch erwachsen wiegt.

Hals und Korpus sind mit einem Zweikomponenten-PU-Lack (Polyurethan-Lack) lackiert. Auch wenn bei einigen Gitarren-Connaiseuren gerne Nitro gesehen wird, hat dieser Lacktypus praktische Vorteile: Er löst sich nicht durch Handschweiß und wird nicht klebrig. Der Hals ist matt geschliffen und anschließend mit einer Politur seidenmatt gerieben. Ergebnis ist eine Griffigkeit, die an einen unlackierten Hals erinnert und sich einfach gut und schon eingetragen anfühlt.

Die Korpuslackierung war ein Experiment. Hier fehlt (abweichend vom gängigen Standard) der abschließende Klarlack. Die Lackierung besteht nur aus Grund/Füller plus einer Farblackschicht und ist somit sehr dünn. Diese letzte Lackschicht wird fein geschliffen und anschließend teilweise aufpoliert. Das Ergebnis ist eine leicht glänzende Oberfläche, die – wie schon der Hals – ein Gefühl von „gut eingespielt“ vermittelt, was durch ein ganz leichtes Ageing mit diversen Macken und gefaketen Gebrauchsspuren verstärkt wird. In Summe scheint das Experiment gelungen und hat mal so gar nichts mit Hardcore-Relic oder Ähnlichem zu tun.

Elektrisch wird die TeeJay durch zwei an den Grundgedanken der Vorbilder angepasste P-90-Interpretationen. Am Steg ein DiMarzio BluesBucker (P-90-Sound im Humbuckerformat und deshalb brummfrei, wobei überwiegend die stegferne Spule mit den Schrauben aktiv ist, die andere läuft ganz schwach zum „hum bucken“ mit), am Hals ein Seymour Duncan Quarter Pound flat tapped (also mit anzapfbarer Spule). Durch die Schaltung des 5-Wege-Schalters ergeben sich folgende Settings:

Pos. 1: Bridge-Pickup voll – P-90-Style voller Ausgang, brummfrei

Pos. 2: Bridge-Pickup gesplittet & Hals-Pickup angezapft – zwei Vintage-Singlecoils parallel, analog zur Zwischenstellung einer Telecaster

Pos. 3: Bridge-Pickup voll & Hals-Pickup voll – zwei P-90 parallel, analog zur Zwischenstellung einer Junior

Pos. 4: Hals-Pickup mit Spulenanzapfung – Vintage-Singlecoil am Hals

Pos. 5: Hals-Pickup voll – P-90-Style am Hals

Geregelt wird in Volume und Tone mit zwei 500er-CTS-Potis. Am Volume-Regler ermöglicht eine Treble-Bleed-Baugruppe das verlustarme Herunterregeln der Lautstärke.

Auffällig ist noch der Steg, hier kommt ein modifizierter Gotoh BSTC-1SN In-Tune zum Einsatz. Die klassischen Messingreiter sind vorkompensiert und ermöglichen das Einstellen einer brauchbaren Intonation. Der Konstruktion des Instrumentes geschuldet, muss der Steg in der Länge gekürzt werden. Die Saiten werden klassisch durch den Korpus geführt. Verarbeitung und Setup sind, das kann man so kurz und knapp festhalten, tipptopp.

Modifizierte Gotoh-In-Tune-Bridge (Bild: Dieter Stork)

PRAXIS

Hängt man sich die TeeJay an den Gurt (der von großen Pins sicher gehalten wird), fühlt sich alles sehr nah und in gutem Zugriff an. Tatsächlich muss ich mich an das Tele-Feeling mit kürzerem Hals erstmal gewöhnen. Das wirklich mächtige Shaping tut sein Übriges, aber nach kurzer Zeit hat man sich eingewöhnt und verliert sich schnell im Herumnudeln, so wunderbar eingetragen fühlt sich die Gitarre an; was auch am Setup und der fluffigen Bundierung liegen mag. Der akustische Ton ist breit und dick, hat aber dennoch genügend Höhen, Spank und Glanz und es knallt bei entsprechender Spieltechnik auch ordentlich. Hier wird die TeeJay ihrem Namen schonmal gerecht.

Am Amp setzt sich dieser Eindruck fort, dazu kommen die vielen interessanten Schaltungsvarianten. Zuerst die Sounds der vollen Pickups, also ohne Split/Tap: Der Steg-PU allein klingt, wie ein P-90 klingen soll: fett und warm und mit dennoch genug Höhen. Wenn man näher am Steg anschlägt, nagelt es schön, aber hat dennoch Kraft im Ton und wird nicht klirrig. Das funktioniert so in allen Sound-Schattierungen von Clean bis High-Gain. Schönes Ding.

Alleine damit könnte ich gut leben. Pos. 3, also beide Pickups voll und parallel, gibt einen breiten und großen Sound, der sich prima für etwas zurückgestellte Rhythmusarbeit anbietet, aber bei stegnahem und härterem Anschlag wunderbar honkt & tonkt; ein Sound, mit dem man in der Rockabilly-Band durchaus gut klarkäme. Der Hals-Pickup solo liefert fett, aber dennoch mit genug Höhenanriss und durchaus aufgeräumt ab.

Fehlen noch die Positionen 2 und 4 mit gesplitteten bzw. angezapften Pickups. In Pos. 2 liegt die klassische Tele-Mittelstellung an, das gibt mehr Höhen im Sound, klingt aber natürlich nicht mehr so fett. Gibt man Zerre drauf, hat man aber einen tragenden Lead-Sound, der auch gut mit einem Slide funktioniert.

Der angezapfte Hals-Pickup in Pos. 4 klingt im direkten Vergleich mit dem vollen schon merklich dünner, aber es klingelt schön und hat ein Extra an Transparenz. Naturgemäß muss man in diesen Positionen mit einem Pegel-Abfall leben, was einem aber auch wieder Möglichkeiten an die Hand gibt, in einem Song nicht nur sehr verschiedene Sounds, sondern auch Durchsetzungs-Ebenen einfach per PU-Wahlschalter abzurufen. Man muss sich etwas damit beschäftigen, wird dann aber auch mit klanglicher Vielfalt belohnt.

Der Body hat Shapings und eine Stärke von lediglich 40 mm (Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Wirklich schön, dass es im durchindividualisierten Gitarrenbau noch Ideen gibt, die überraschen. Und die in Konzept und Umsetzung dann auch noch überzeugen. Der 25 Special merkt man an, dass hier die Erfahrung eines Werkstattprofis eingeflossen ist. Und dass der Doc selbst auch ein Spieler ist, spürt man auch. Das Ergebnis ist eine Gitarre für Praktiker und hat dennoch nicht das Flair eines reinen Arbeitsgeräts. Design, Konstruktion und Funktion gehen hier eine Verbindung ein, die dem Spieler Freude bereiten wird, zu einem Preis, der auch absolut angemessen scheint. Gitarrenbau für Praktiker, Glückwunsch zum 30., Doc!

PLUS

● gelungener Tele/Junior-Mix
● Hölzer & Hardware
● Schaltung & Sound-Vielfalt
● Verarbeitung
● Setup & Spielbarkeit

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2021)

Produkt: Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
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