Vintage-Sound-Add-On

Strymon Flint im Test

Anzeige
Effektpedal von Strymon
(Bild: Dieter Stork)

 

Strymon, der Spezialist für digitale Stompboxes, bietet mit dem Doppeleffektgerät aus Hall und Tremolo ein Pedal an, das allen Vintage-Fans auf den Leib geschneidert sein sollte. Ein Vintage-Sound-Add-on für alle, die keinen Vibrolux-Reverb haben?

Anzeige

 

 

Dumm nur, dass die meisten Vintage-Maniacs an einer Digitalallergie leiden! Da gilt nur analog – am besten mit Röhren. Wer die beiden Effekte aber nicht bereits im Verstärker hat und nach Bodeneffektgeräten Ausschau hält, kann sich auf eine längere Suche einrichten. Analoge Tremolos in Boutique-Qualität gibt es zwar einige, aber bei (Feder-) Hallsystemen wird es schon schwieriger. Beides zusammen in einem Pedal gibt es meines Wissens bislang noch nicht. Aber vielleicht ist der Flint ja geeignet, Vorurteile abzubauen. Denn die Qualität von Strymons Digitaltechnik hat sich ja schon in anderen Geräten mit Vintage-Sounds bewährt …

 

Konstruktion des Strymon Flint

… und die Bauteilequalität und die Konstruktion auch. Strymon bleibt der bisherigen Bauweise treu und stattet das kleine Alukästchen gewohnt üppig mit fünf Potis, zwei Minischaltern und zwei Fußschaltern aus. Letztere funktionieren als Taster und schicken den Hall und das Tremolo jeweils in den Bypass. Ob ein True-Bypass die Hallfahne brutal abschneidet oder der Bypass zwar den Effekt ausschaltet, aber die Hallfahne belässt (spill-over), kann der Nutzer selbst entscheiden. Die Einstellung wird über die Sekundärfunktion der Potis vorgenommen – doch dazu später mehr.

Bleiben wir erst mal an der Oberfläche, die durch die aufgeräumte Anordnung Vertrauen erweckt. Der linke Teil des Gerätes gehört dem Tremolo. Über die beiden Potis Intensity und Speed wird der „Laut-Leise-Effekt“ in den klassischen Parametern geregelt. Ein ebenfalls zum Tremolo gehörender Minischalter bietet drei Voicings an, um Lautstärkeschwankungen zu emulieren. Die rechte Seite gehört dem Hall. Mit drei Potis (Mix, Decay, Color) ist der Halleffekt deutlich üppiger ausgestattet als ein gewöhnlicher Federhall. Auch hier gibt es noch drei Voicings über einen Minischalter, die den typischen Hallsound der 60er-, 70er- oder 80er-Jahre ertönen lassen.

guitarsummit-banner

Vintage meets Modern – auf dem Guitar Summit in Mannheim. Mehr Infos gibt’s hier!

 

Alle Anschlüsse des Flints befinden sich hinten: ein Klinkeneingang, zwei Buchsen für den Stereo-Ausgang, eine mit „exp“ bezeichnete Buchse und der Stromanschluss. Die digitalen Strymon-Geräte bieten keinen Batteriebetrieb an. Dafür liefert Strymon aber ein Steckernetzteil gleich mit. Die „exp“-Buchse hat es übrigens in sich. Sie ist multifunktional. An ihr kann nicht nur ein Expression-Pedal angeschlossen werden, mit dem man jeden beliebigen Parameter fernsteuern kann, sondern auch ein Tap-Tempo-Taster. Zur Auswahl, welcher Parameter per Fuß geregelt werden soll, hält man einfach den Tremolo-Fußschalter beim Einschalten gedrückt. Dann wird die Funktion des ersten bewegten Potis auf das Pedal gelegt. Da aller guten Dinge drei sind nimmt die Buchse auch noch den Strymon-Favorite-Schalter auf, der das Abspeichern eines Lieblings-Sounds ermöglicht. Toll was das Gerät alles kann.

Nicht toll, dass man davon erst mal nichts erfährt. Denn ein Manual liegt dem Gerät nicht bei. Eine englische Bedienungsanleitung muss man sich auf der Internetseite von Strymon downloaden.

Noch ein Beispiel gefällig, was das Strymon alles bietet? Die Inputbuchse kann durch interne Dip-Schalter auch zur Stereo-Buchse umgeschaltet werden. Das ist nicht ganz unwichtig, wenn man vor dem Flint bereits Stereo-Effekte hat und den räumlichen Stereo-Effekt auch getrennt durch den Hall bringen will. Ich bin es ja mittlerweile gewohnt, mir die Funktionsfülle der Strymon-Pedale online erklären zu lassen. Aber ich werde auch nicht müde, wie der alte Cato mein ständiges Verlangen zu wiederholen: „Ceterum censeo – eine (deutschsprachige) Bedienungsanleitung sollte den Strymons beiliegen!“

 

strymon_flint_1
Für alle, die keinen Vibrolux-Reverb haben: Vintage Tremolo und Reverb ganz ohne Röhren. (Bild: Dieter Stork)

 

Der Strymon Flint in der Praxis

So, nach diesem kleinen Ärger will ich mich jetzt aber wieder mit Strymon versöhnen. Und das fällt wie erwartet gar nicht schwer. Beginnen wir mit dem Halleffekt und stellen ganz nüchtern fest: „Klanglich zeichnet sich die Reverb-Einheit des Strymon nicht nur durch die Effektvielfalt sondern auch die Qualität des Klanges aus.“ Nee im Ernst: Ich bin beeindruckt. Sobald der Hall an ist, hat man nicht nur den Eindruck von räumlicher Tiefe, sondern auch von Wärme. Die drei Sounds des Minischalters sind deutlich zu unterscheiden. Ich gebe aber gerne zu, dass ich mich nicht für einen Favoriten entscheiden kann. Alle drei sind klasse! Weiteres Finetuning erlaubt der Color-Regler, der den Hall dunkler oder brillanter macht. Das wichtigste Feature ist meines Erachtens aber der Decay-Regler, der jede Penetranz, jedes Scheppern und jedes Metallische im Hall wirksam eliminieren kann. Das ist ein deutlicher Mehrwert gegenüber dem Federhall in Verstärkern. Da kommt auch der eigentlich ganz ordentlich klingende Hall im Fender Deluxe nicht mehr mit. Auf das letzte Quäntchen räumliche Tiefe, das röhrenbetriebene Hallspiralen bieten, verzichte ich gerne angesichts der wunderbaren Klangqualität und Klangfülle des Strymon.

Es würde schon verwundern, wenn das Tremolo der Effektqualität und der umfassenden Ausstattung des Reverbs nachstehen würde. Tut es auch nicht! Allerdings wird das nicht auf den ersten Blick deutlich, da einige wichtige Funktionen versteckt sind: z. B. der Lautstärkepoti! Ein häufig genannter Mangel von Tremolo-Effekten ist nämlich der gefühlte Lautstärkeverlust bei aktiviertem Tremolo. Nicht alle Tremolos erlauben den Lautstärkeausgleich über einen Levelboost. Auch der Strymon hat keinen Poti dafür vorgesehen. Aber es geht trotzdem. Der scheinbare Lautstärkeverlust kann über die Zweitfunktionen der Potis, die durch Drücken beider Fußtaster erreicht werden, ausgeglichen werden. Leider erschließt sich das nicht so einfach, denn wie bereits erwähnt, gibt es die Bedienungsanleitung bei Strymon nur online und die Potibeschriftung informiert auch nicht über die zum Teil sehr nützlichen Zusatzfunktionen. Daher an dieser Stelle ein kleiner Exkurs zu den Sekundärfunktionen des Tremolos. Zuerst die bereits erwähnte Lautstärkefunktion: Angeboten werden da je ein 3-db-Boost oder Cut für das Tremolo und den Hall. Dann die Auswahl, in welcher Reihenfolge der Flint arbeitet – also ob das Signal zuerst das Tremolo und dann den Hall oder umgekehrt durchlaufen soll. Last, but not least, kann über die Sekundärfunktion des Speed-Potis eingegeben werden, wie das Tremolo auf eingetappte Geschwindigkeiten reagieren soll. Möglich sind 1/16, 1/8, 1/4 und Triolen. Aha, man bemerke: die Geschwindigkeit kann per Fuß eingegeben werden. Dazu muss man allerdings einen optionalen Fußtaster an die „Exp“-Buchse anschließen. In Sachen Ausstattung und Funktion gibt es da wohl nichts zu meckern. Und klanglich? Auch nicht! Das Tremolo vermittelt in jeder Einstellung die Weichheit und Tiefe, die man von einem Vintage-Tremolo erwartet. Über den Minischalter wird eine so große Vielfalt von Schattierungen abrufbar, dass eigentlich keine Wünsche offen bleiben. Die „’61-harm“-Einstellung liefert helle, schimmernde und schwebende Klänge, die „’63-tube“-Einstellung die warmen und tiefen Wellen und wenn man die „’65-photo“-Einstellung bei voller Intensität fährt, stößt man bereits in die Gefilde der modernen Tremolo-Sounds vor, die den Ton so richtig brutal zerhacken. Und das alles absolut sauber und nebengeräuschfrei!

 

Resümee

Nach dem Test steht fest: Der Flint ist deutlich mehr als ein „Vintage-Sound-Add-on“. Das kleine Kästchen liefert eine beeindruckende Menge ebenso beeindruckender Klänge. Die Qualität beider Effekte ist hervorragend und die Vielfalt geht weit über das hinaus, was man für einen Vintage-Sound braucht. Wieder einmal zeigt Strymon, wie man Vorurteilen gegenüber der Digitaltechnik effektiv begegnet. Besonders interessant scheint mir der Hall-Effekt. Auch wer meint, bereits einen guten Hall in seinem Verstärker zu haben, könnte überrascht sein, wenn er den Flint ausprobiert. Der Preis bremst die Euphorie zwar etwas – aber wenn man bedenkt, dass man mit dem Flint gleich zwei Spitzeneffekte erwirbt, relativiert sich das wieder.

 

Übersicht

Fabrikat: Strymon

Modell: Flint

Gerätetyp: Hall- und Tremolo-Effektpedal für E-Gitarre

Herkunftsland: USA

Anschlüsse: In, Out left, Out right, Exp, 9 V DC

Regler: (Tremolo-) Intensity, (Tremolo- ) Speed, (Reverb-) Decay, (Reverb-) Color, (Reverb-) Mix

Schalter: jeweils On/Off (True Bypass), 2x 3-fach Minitoggle für Tremolo und Reverb

Maße: 114 x 101 x 64 LBH/mm

Vertrieb: B4 Distribution

53498 Bad Breisig

www.b4-distribution.com

Preis: ca. 299

 

Plus

  • Soundvielfalt
  • Soundqualität
  • Funktionen
  • Netzteil im Lieferumfang

 

Minus

  • versteckte Sekundärfunktionen
  • Manual nur online

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.