Kein Attitude, aber viel Attitüde – Billys anderer Signature-Bass

Retro-Review: Yamaha BEX-BS im Test

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Rockbassikone Billy Sheehan ist für Yamaha schon seit Jahrzehnten einer DER Werbeträger, im Triumvirat mit Nathan East und John Patitucci, die ebenfalls schon lange Signature-Modelle haben. Auch wenn es zwischendurch Bässe von und für Hochkaräter wie John Myung und Michael Anthony gab, sind diese drei geblieben.

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Verbandelt sind Billy und Yamaha seit den Tagen, als er den Bassposten in der Band von „Diamond Dave“ David Lee Roth übernahm. Über den am Ende aus der Kollaboration resultierenden Attitude-Signature-Bass schrieb Stefan Braunschmidt schon ausführlich in Gitarre & Bass 10/2016. Basis dieses Instruments, das mittlerweile in seiner dritten Inkarnation angekommen ist, ist „The Wife“, Billys schwer modifizierter alter Fender Preci. Nur der Body und Teile des Schlagbretts sind noch echt aus den 60ern. Der Hals ist – seinem großen Idol Tim Bogert nachempfunden – von einem 68er Telecaster Bass mit entsprechend fettem Format, der Halspickup ein Gibson Mudbucker, ein Tribut an die großen Gibson-Spieler der 60er wie Jack Bruce. Ähnliches (und mehr eigentümliche Features seines Fenders) findet sich in den Attitudes wieder, mit denen er aktuell wieder mit den Winery Dogs auf Tour ist.

Einen ganz anderen Weg beschritten Sheehan und Yamaha mit dem in der taiwanesischen Fabrik gefertigten BEX-BS.

YARDBIRDS

Das reguläre Serienmodell, der BEX4, ist ein hübscher Schraubhals-Bass mit halbakustischem Body. Ein Humbucker in Mittelposition und ein Piezo in der Brücke sind für die Tonabnahme zuständig, die Regler auf der Decke stellen die Gesamtlautstärke ein und die Balance zwischen beiden Abnehmern, in der Zarge sitzt ein aktiver 3-Band-Equalizer.

Einer der ersten Bassisten, die Billy beeinflussten und dessen Linien er versuchte, nachzuspielen, war Paul Samwell-Smith von den Yardbirds, der wie viele britische Tieftöner jener Zeit einen großen Semiakustik-Bass spielte. In diesem Fall einen Epiphone Rivoli, das Schwestermodell des Gibson EB-2.

Offensichtlich erinnerte der 2001 erstmals im Katalog als Gegenpart zu den semiakustischen AEX-Gitarren gelistete BEX Billy an seine alten Vorbilder, und die Idee eines weiteren, ungewöhnlichen Signature-Modells war geboren.

BEX-BS

Der Korpus aus Erle wurde größer gezogen, die Schulter auf der Bassseite runder, dafür das Cutaway schärfer. Auch die traditionell aussehenden Schalllöcher wurden durch ein zweiteiliges, fetziges Design ersetzt. Die Decke ist aus beeindruckend gemasertem Sycamore-Ahorn mit wilder Flamme, und da Billy seine Bässe gerne auch in ungewöhnlicheren Farben spielt, ist die mit einem vierfachen Binding eingefasste Front in Magenta lackiert. Für mich sieht es mehr nach blasser Himbeere als nach Telekom aus, jedenfalls harmoniert es sehr schön mit dem dunklen Rücken des Basses.

Der Hals ist schon ein ziemliches Monster: volle 45 mm misst er am verchromten Messingsattel, fast 25 mm dick ist er am (und mit dem) 1. Bundstäbchen – der Telecaster-Bass-Baseballschläger-Hals lässt grüßen! Ungewöhnlich für Billy, ist das Griffbrett hier aus Palisander.

Bis auf ganz wenige Spezialinstrumente wie einen älteren Double-Neck-Attitude, seinen Fretless- oder einen 8-Saiter-Attitude, bevorzugt er sonst stets Ahorn. Ein sehr hübsches Detail sind die Einlagen aus Abalone, die fünfteilig bis zum zwölften Bund gehen und darüber zu dritt das Fretboard zieren. Sorgfältig ausgesucht, ist die jeweils mittige Einlage die farbigste, die äußeren Inlays schon weniger schillernd, und die zusätzlichen beiden bis zur Oktave annähernd weiß.

Gestimmt wird mit Gotoh GB528 mit einer feinen Übersetzung von 1:26, die theoretisch in der Gängigkeit eingestellt werden können, wofür aber die jeweils gegenüberliegende Mechanik komplett abgebaut werden müsste … Naja, sie laufen auch so noch sahnig und zuverlässig. Am anderen Saitenende schwächelt der BEX-BS auch ein wenig: Die Brücke, eigentlich ein Yamaha-Standard-Teil und auch auf vielen anderen Bässen der Marke zu finden, zeigt einen leichten Tail-Lift, hebt also hinter den fünf Schrauben leicht von der Decke ab. Das habe ich tatsächlich bei mehr als einem BEX-BS beobachtet. Was speziell dieses Modell so anfällig macht, weiß ich nicht. Aber auch hier: Sie hält noch und wäre leicht zu tauschen. Richtig ausgetobt hat sich Sheehan bei der Elektronik.

Auch die Attitude LTDs sind ja schon recht ausgefuchst, mit Mono/Stereo-Betrieb und Potis, die einerseits die Betriebsweise umschalten und andererseits den Humbucker am Hals mit einem Höhen-Cut noch mehr Richtung Mudbucker schubsen – aber alles passiv. Den aktiven Attitude Custom gab es zwar auch, soweit ich weiß hat Billy ihn aber nie eingesetzt. Der BEX-BS startet mit zwei Humbuckern, die in Billys eigenen Worten für „tonal versatility“ platziert wurden; der vordere interessanterweise eben nicht direkt am Hals, sondern mit deutlichem Abstand. Da Yamaha das gleiche Gehäuse für unterschiedliche Innenleben verwendet hat und die Kataloge sich da ausschweigen, hilft nur, die Pole-Pieces abzuklopfen: zwei Reverse-P arbeiten hier.

NEUES REGELWERK

Extra für diesen Bass wurde ein völlig neues Regelwerk entwickelt: Die beiden Einzelpotis regeln die Lautstärke je Pickup, die oberen Knöpfe der Doppelstöcker sind jeweils eine passive Höhenblende pro Abnehmer. Die Kondensatoren sind für ordentliche Höhendämpfung ausgelegt, die getrennte Regelbarkeit à la Stack Knob Jazz Bass kann für subtile Unterschiede genutzt werden.

Ein Druck auf den Schalter bringt diesen nicht nur auf Billys speziellen Wunsch zum Leuchten (in Blau, und ziemlich hell), er wechselt auch wenig subtil in den aktiven Modus, in dem man an den unteren Ringen Bässe und Höhen boosten und cutten kann. Das zugehörige Batteriefach sitzt ebenso auf der Rückseite wie eine E-Fach-Abdeckung, durch die schmalen Schalllöcher ginge hier nix. Prioritäten lassen sich an der Positionierung der Regler ablesen, die exponierteste Stellung hat der Volume-Regler für den Steg-PU. Der ist also schnell runtergedreht, um den Abnehmer Richtung Hals zu betonen. Der BEX-BS ist ein großer Bass, mit einem wie schon gesagt wirklich fetten Hals, und insgesamt nicht der Allerbequemste. Die Decke ist gerade, als einziges Shaping ist der Body hinten oben etwas stärker verrundet.

GROSSE SOUNDS

Wenn man sich darauf einlässt, belohnt er aber auch mit einem fetten Ton. Satte Tragkraft hat selbst der Stegabnehmer solo, vom Halspickup ganz zu schweigen, der sich passiv mit komplett heruntergedrehtem Tone-Regler dem Mudbucker-Territorium annähert – und dennoch sehr schön konkret bleibt. Wo ich es bei den meisten Bässen lobe, wenn der Ton beim Umschalten von passiv auf aktiv möglichst gleich bleibt, finde ich es beim BEX-BS großartig, wie der Bass eine völlig andere Stimme bekommt. Die Lautstärke bleibt dankenswerterweise ziemlich gleich, aber schon ohne Einsatz des EQs kommt hier ein pianoähnlicher Ton zu Gehör, mit klarem Draht in den Höhen, dezent reduzierten Mitten und sauberen Bässen, was sich an der schön arbeitenden Klangregelung noch feinstimmen lässt. Da die Umschaltung auch zwischen aktivem EQ und passiven Tonblenden wählt, geht es auf Wunsch mit einem Knopfdruck von rund, warm und passiv zu knallig präsentem aktiven Geläut.

Genau der Klaviersaiten-Sound überzeugte Rodrigo González von den Ärzten so, dass er den BEX-BS exzessiv auf dem Album ‚Geräusch‘ (2003) einsetzte, und auch danach immer wieder für Aufnahmen hernahm. Neben den vielen kleinen und nicht so kleinen, extra für diesen Bass entwickelten Details sowie dem Willen und der Fähigkeit, das auch konsequent umzusetzen, ist eben tatsächlich diese tonale Vielfalt beeindruckend und überzeugend – eingelöst wie versprochen!


(erschienen in Gitarre & Bass 12/2023)

Produkt: Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
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Kommentar zu diesem Artikel

  1. So … nun hat Billy also nicht nur “das Tier”, sondern auch noch einen eher hübsch daherkommenden Semi von Yamaha!
    Klasse!

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