Custom Order

Masterpiece: Ibanez J.Custom JCRG2007

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(Bild: Dieter Stork)

Custom Order? Von Ibanez? Sensationell! Erstmals in seiner langen Historie bietet Ibanez‘ Custom Shop nach individuellen Kundenwünschen gebaute E-Gitarren an. Vorerst exklusiv für Europa und Japan.

Aus einem umfangreichen Optionen-Pool an Hölzern, Tonabnehmern, Hardware, Finishes usw. zusammengestellt, werden die Traumgitarren nach etwa drei Monaten geliefert – verspricht zumindest der Custom Order Prospekt. Der deutsche Händler Session hat eines dieser Custom-Shop-Unikate geordert und uns freundlicherweise für einen Test zur Verfügung gestellt. Andernfalls wäre die Gitarre wahrscheinlich schon längst bei einem Kunden gelandet, und wir hätten sie niemals zu Gesicht bekommen.

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QUAL DER WAHL

Im informativen und reichhaltig bebilderten Ibanez-Custom-Order-Prospekt findet man natürlich auch das entsprechende Custom Order Sheet, in dem man seine Wünsche ankreuzt. Allerdings sollte sich der/die Interessent*in vorab über Tonhölzer und Pickups informieren, um halbwegs einschätzen zu können, wie das Instrument am Ende in etwa klingen wird. Der Optionenkatalog sieht übrigens ausschließlich Ibanez- und Gotoh-Hardware bzw. DiMarzios-Pickups vor.

Die Endpreise dieser J.Custom-Modelle sind in 500-€-Schritten gestuft. Je nach Konfiguration liegen sie bei € 5999, € 6499 und € 6999. Für unser kunstvolles Showroom-Einzelstück lag die Kalkulation sogar noch einen Schritt darüber. In der Regel soll eine Order folgendermaßen ablaufen: Der Interessent konfiguriert anhand des Datenblattes sein Instrument bei seinem Händler, dieser schickt die Anfrage zu Meinl, dem deutschen Ibanez-Vertrieb. Dort werden die Daten in eine Eingabemaske übertragen, woraus sich eine der drei Preiskategorien ergibt. Weitere Aufpreise gibt es nicht, jedenfalls nicht im Rahmen des Options-Angebots.

Gibt der Kunde sein Okay, bekommt er 1-2 Wochen später von Meinl bzw. seinem Händler eine Fotoauswahl mit verfügbaren Deckenhölzern. Sollten dem Kunden diese nicht zusagen, erhält er eine E-Mail mit weiteren Deckenoptionen. Nach erfolgter Wahl und einer Anzahlung ist die Bestellung fix und die Fertigung beginnt. Während der Produktion informiert Ibanez den Kunden drei Mal mit Fotos über den Fortschritt.

SCHNAPPATMUNG

Neugierig öffne ich nach der Lieferung den Luxuskoffer und bekomme prompt Atemprobleme: die in verlaufendem, gedeckten Blau, Violett, Türkis, Gelb- und Brauntönen beeindruckend eingefärbte Decke und Kopfplattenfront aus exotischer Quitte, zahlreiche Goldparts – inklusive der Bünde –, Perlmutt, Abalone, Sumpfesche-Korpus mit spiegelglattem High-Gloss-Finish, der Hals per Polyurethan griffig satiniert – was für ein Hingucker!

Die Maserung des hälftig gefügten, natural-high-gloss-lackierten Sumpfesche-Bodies hat man mittels sparsam aufgetragenen schwarzen Füllers hervorgehoben und unter der Binding-freien, exotischen Quittendecke ein schwarzes Furnier eingearbeitet. Wie alle dieser J.Custom-Gitarren besitzt auch unsere Protagonistin das klassische Design der Ibanez-RG-Modelle: Moderner Strat-Style-Body mit eckigen Kanten aber bequemer Armauflage, ergonomischem Rippenspoiler und Halsübergang sowie tief geschnittenen Cutaways mit langen schlanken Hörnern. Die Rohrklinkenbuchse hat man schräg in die Zarge eingelassen.

Große Gotoh-Gurtpins bieten dem Gurt sicheren Halt, noch mehr aber die beiliegenden Gotoh-Straplocks. Drei separate, präzise Oberkante bündig abgedeckte Kammern beherbergen die drei Vibratofedern, die Klinkenbuchse und die penibel verdrahtete Schaltung, in der ich auf hochwertige Komponenten wie CRL-Dreiwegschalter, Kippschalter und Japan-Potis treffe.

Aus zwei Wenge- und drei Ahornstreifen wurde der extrem flache Asymmetric-Super-Wizard-Neck gesperrt, dem die ultra-präzise gefräste Halstasche keinerlei Spiel lässt und die vier einzeln eingelassenen Holzschrauben festen Sitz garantieren. Für beste Schwingungsübertragung ist somit gesorgt. Das Griffbrett aus Makassar-Ebenholz zeigt neben seiner überwiegend dunklen natürlichen Färbung auch einige hellere Bereiche. Auf Bindings hat man geschmackvollerweise verzichtet, da dieses neben dem prächtigen Tree-of-Life-Inlay zu viel des Guten gewesen wäre. Wer sich nicht an den Rankenblättern, die die Lagen markieren, orientieren kann oder möchte, kann natürlich die grünlich leuchtenden Sidedots nutzen.

Perfekte Kanten: Jescar EVO Gold Bünde (Bild: Dieter Stork)

24 vorzüglich abgerichtete, polierte Jescar-EVO-Gold-Jumbobünde aus einer nickelfreien, goldfarbenen Legierung verteilen sich über das Spielfeld. Besonders stolz dürfen die J.Custom-Gitarrenbauer auf die sorgfältigst verrundeten Bundkanten sein. Hinter dem perfekt ausgerichteten, von vorne verschraubten und auf extrem flache Saitenlage eingepassten Klemmsattel verstärkt ein Kragen den Übergang zur farblich abgestimmten, um 14° geneigten Kopfplatte. Ein Stringbar, der den Zugang zum Halsjustierstab erschwert, drückt die Saiten in die Sattelkerben. Entsprechend der Eleganz und des qualitativen Anspruchs der JCRG2007 hat man sich für Gotoh SGS510 Tuner entschieden.

(Bild: Dieter Stork)

Frei schwebend in die Korpusdecke eingelassen, demonstriert das bewährte Ibanez Lo-Pro Edge Vibrato selbst nach ausufernden Up- und Down-Bendings Stimmstabilität. Die geschmeidig drehenden Feinstimmer lassen sich komfortabel handhaben. Dank zweier Teflonringe lagert der steckbare Hebel völlig spielfrei in seiner Aufnahme, lässt sich jedoch auch recht schwer einführen.

Exklusiv für Ibanez hergestellte DiMarzio Fusion Edge Humbucker übertragen die Saitenschwingungen. Höhenjustierbar direkt im Korpusholz verschraubt, von goldenen Kappen geschützt und mit je zwölf goldenen Inbus-Polschrauben ausgestattet, werden sie per Dreiwegschalter, Master-Volume und Master-Tone verwaltet. Ein Coilsplit-Kippschalter deaktiviert die Halsspule des Neck-Pickups und die Stegspule des Bridge-Humbuckers.

E-Fach: Blitzsaubere Verdrahtung (Bild: Dieter Stork)

EARCATCHER

Dank Armauflage, Rippenspoiler und verrundeten Halsübergangs bietet die JCRG2007 trotz des gewohnt kantigen RG-Bodys hohen Tragekomfort und zeigt sowohl am Gurt als auch auf dem Bein beste Balance. Der asymmetrisch profilierte, extrem dünne Super-Wizard-Hals liegt angenehm in meiner Hand, auch wenn er sie keineswegs ausfüllt. Zusammen mit den vorzüglich bearbeiteten Bunddrahtenden gestatten die abgerundeten Griffbrettkanten schnelle, fließende Lagenwechsel. Die butterweich rotierenden Potis hat man ergonomisch günstig positioniert und die griffigen Reglerknöpfe etwa 3 mm in die Decke eingelassen.

An Korpus und Hals deutlich spürbar, präsentiert sich die Custom-Shop-Gitarre äußerst schwingfreudig. Sie spricht sehr direkt und akzentuiert an, zeigt schnelle, lebendige Tonentfaltung und klingt langsam und gleichförmig ab – eindeutige Indizien für die Qualität der verwendeten Tonhölzer und die Sustain-fördernde Eigenschaft des Ibanez Lo-Pro Edge Vibratos.

Beim trockenen Anspielen lässt die Japanerin mit kraftvollem, drahtigem Klangbild, Ausgewogenheit, Transparenz, Spritzigkeit und reichem Obertongehalt aufhorchen.

DiMarzio Fusion Edge Humbucker (Bild: Dieter Stork)

In Anbetracht der bei den DiMarzio Fusion Edge Humbuckern verwendeten Keramikmagnete liegt trotz ihrer gemäßigten DC-Widerstandswerte die Annahme nahe, dass Ibanez mit diesen Pickups eher die Metal-Fraktion anvisiert. Doch auch clean liefert die Gitarre eine vorzügliche Performance. Da der 24-Bund-Hals den Hals-Pickup rund 2 cm in Richtung Steg verschiebt, tönt er niemals bassüberladen sondern ausgewogen, offen vollmundig und definiert mit präziser Saitentrennung. Der Steg-Humbucker kommt derweil mit knackigen Bässen, prägnanten Mitten, spritzig-seidigen Höhen und einem breiten Obertonspektrum aus den Lautsprechern.

Soll es bissiger und aggressiver klingen, hilft dank der feinen Dynamik der DiMarzios intensiverer Anschlag; so einfach ist das. Der Simultanbetrieb beider Pickups hält glockig perlende Sounds für Arpeggios, Strumming und funky Rhythmusarbeit bereit. Naturgemäß dünnt die Spulentrennung die Klangbilder etwas aus, bringt noch mehr Glockiges ins Spiel, lässt sogar leichtes Näseln erkennen und liefert bei leicht reduzierten Ausgangspegeln eigenständige und praxistaugliche Singlecoil-Sounds. Für meinen Geschmack hätte Ibanez im Coil-Split-Modus die Stegspule des Hals-Pickups stumm schalten sollen, um dem Klang etwas mehr Fülle und Strat-Touch zu verleihen.

Am zerrenden Amp setzen die DiMarzios das Mittenpotenzial der Gitarre gut dosiert in Szene und verleihen zugleich den Höhen mehr Biss und Aggressivität ohne aufdringlich oder gar nervig zu werden. Dies zieht das Klangbild quasi etwas auseinander und lässt es trotz aller Kompression offener und luftiger, unten herum aber auch druckvoller erscheinen. Leadsounds dringen sehr akzentuiert aus den Lautsprechern und lassen sich mit nuanciertem Anschlag wunderbar variieren. Sogar die Coil-Split-Klänge können sowohl beim Powerchording als auch beim High-Gain-Solieren überzeugen. Mit den gleichmäßig und kontinuierlich arbeitenden Potis lassen sich Ausgangspegel/Gain bzw. die Höhen präzise und intuitiv kontrollieren.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Angesichts eines schon optisch derart beeindruckenden Instruments fällt es dem Guitar Nerd schwer, mit der gewohnten Objektivität und Unvoreingenommenheit einen Test anzugehen. Diese Ibanez JCRG2007 ist etwas ganz Besonderes. Nicht nur weil sie gleichermaßen Unikat, Kunstwerk und Eyecatcher ist, sondern weil sie demonstriert, was der japanische Custom Shop möglich macht. Sie klingt fantastisch und ist in allen Belangen vorbildlich verarbeitet.

Diese (mindestens gleichen) Qualitäten haben aber auch bereits andere Ibanez-Gitarren bewiesen. Über den exorbitanten Preis ließe sich natürlich streiten, mindestens diskutieren. Was man jedoch Gibson, PRS, Fender, ESP und vielen anderen E-Gitarrenherstellern inzwischen zugesteht, sollte Ibanez nicht verwehrt werden.

PLUS

  • Unikat nach Kundenwunsch
  • Sounds
  • Schwingfreude
  • Dynamik & Sustain
  • Qualität Tonhölzer

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2021)

Produkt: Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
Die Yamaha SG1801PX Phil X Signature im Test von Gitarre & Bass!

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Lobhudelei bis zum Abwinken? Ich besitze eine ältere,weitaus „günstigere“ streng limitierte Version (damals 12 Stück nur für Europa!) einer Ibanez RGT Prestige /Made in Japan/charcoaled /Team J. Craft/E.-Gitarre,die ich damalig,aufgrund ihres hervorragend griffigen Halsradius und wegen ihres sehr guten Klangverhaltens beim Händler in Berlin kaufte.Der Hals dieser besagten Gitarre ist mehrstreifig und durchgehend.Ein stabiler schwarzer Kunststoffkoffer mit bordeauxrotem Plüsch-Interieur war inklusive.Ich besitze sie noch heute,bekam später sogar noch ein persönliches Schreiben vom damaligen Ibanez-Roland Meinl Deutschland Vertrieb zugesandt,aus dem konkret hervorging,daß es von eben diesem Gitarrenmodell lediglich 12 Exemplare fürEuropa gab.Zusätzlich schickte man mir noch eine originale Ibanez Blouson Jacke (Größe S) mit zahlreichen Ibanez Emblemen und blauer Reißverschluß Zipper Applikation in Form und Gestalt eines kleinen Ibanez „Goose“ Headstocks.War zu dieser Zeit eine nette Geste,es ist aber leider schon ewig lange her.Heute wird auf Anfrage noch nicht mal mehr ein aktueller Ibanez Gesamt Produkte Katalog aus Papier zugeschickt,denn der derzeitige neue Ibanez Deutschland Vertrieb ist traurigerweise schon lange nicht mehr das,was man einst vom alten Ibanez Management als ehemaliger Stammkunde gewohnt war! Da hat sich sehr vieles zum Nachteil des ehemaligen Stammkunden geändert.Finde ich schade.Ist aber so.
    Ob man nun „unbedingt“ eine handgefertigte Gitarre für etwa runde 7.500,- €uro ordern muß,bleibt dahingestellt,denn letztendlich entscheidet dies jeder ganz für sich selbst.Die gegenwärtige Konkurrenz an perfekt gestylten Elektrischen Custom-Edel-Gitarren zu horrenden Preisen,ist mittlerweile so groß wie nie zuvor.Besonders einheimische Gitarrenbauer fertigen heute mitunter sehr anspruchsvolle Gitarren,die teils zu 100% in reiner Handarbeit (ohne CNC-Fräse!) zu sehr fairen Preisen entstehen.Bereits in meiner unmittelbaren Nähe (Landkreis Oberhavel/bei Berlin) gibt es seit etlichen Jahren einen sehr guten Gitarrenbauer,dessen Kundenaufträge sich in letzter Zeit extrem häuften,was ja unbedingt für seine top Qualität spricht!
    Weshalb sollte ich da überhaupt noch bei einem japanischen Gitarrenfabrikanten ordern?!? Das Gute liegt oft viel näher,als man denkt.

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