Des Zimmermanns neuer Hammer

LTD SCT-607B im Test

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Da haben wir sie also – die bis dato teuerste Gitarre der ESP Tochter LTD. Und wer sonst könnte eine solche Gitarre verdienen, wenn nicht Stephen Carpenter, Gitarrist der Deftones und seit Jahren fleißiger ESP Endorser.

LTD Gitarre in Schwarz

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Die klassische Form kann hier nicht über die Besonderheiten hinwegtäuschen. Eine Siebensaiter mit Baritonmensur und zwei so angeordneten Pickups sieht man nicht alle Tage. Schauen wir mal, was unter der Haube steckt.

Das „T“ in der Modellbezeichnung zeigt es an: Statt der Strat-Form bevorzugt Herr Carpenter mittlerweile wohl den Telly-Style. Das hier nichts nach Nashville schreit, dürfte im Folgenden schnell klar werden. Die LTD hat einen durchgehenden Hals aus Ahorn. Es verläuft also ein einzelnes Stück Holz vom hinteren Gurtpin bis zur Kopfplatte, an den Erlenseitenteile angesetzt wurden. Diese Konstruktion wird oft gewählt, wenn maximales Sustain erzielt werden soll. Als Brücke wurde eine Tonepros TOM mit locking-Funktion gewählt. Von dieser verlaufen die Saiten im flachest möglichen Abstand über die 24 Extra-Jumbo-Bünde. Diese verschwinden wiederum hinter dem Binding und sind ausgesprochen angenehm verrundet.

Der Graphit-Sattel leitet das ganze reibungsarm an die hauseigenen Locking-Mechaniken weiter. Die gesamte Hardware ist selbstverständlich in Schwarz gehalten, und passt so exzellent zur ebenfalls schwarzen Lackierung des Instrumentes und dem dunklen Ebenholzgriffbrett. Optischer Konterpunkt ist hier das auffällige Perloid. Manchem dürfte es ein wenig zu „drüber“ sein, ich persönlich empfand die Gitarre als sehr edel. Hier wird Wertigkeit ausgestrahlt. Und so ist nicht nur das dreilagige Pickguard mit Perloid besetzt, es gibt zudem auch ein Binding, welches Hals und Kopfplatte einschließt und sich auch im Firmenlogo wiederfindet. Leider weist das Binding an manchen Stellen kleine Einschlüsse auf – ein minimaler Verarbeitungsmangel, der technisch keinerlei Auswirkungen mit sich bringt. Und irgendwie muss sich das ESP Original dann ja auch noch abheben können. Deftones-Jünger kennen seit jeher die ungewöhnliche Kombination aus Mittel- und Stegpickup: Hier werkeln zwei EMG 81-7 Tonabnehmer.

Diese werden wiederum Tele-typisch durch Mastervolume und -tone geregelt und von einem Three-Way-Switch verwaltet. Die 27″-Mensur ist heutzutage auf Siebensaitern keine Seltenheit mehr, ist sie doch Garant für eine höhere Saitenspannung und liefert oft ein präziseres Attack. Wenn man nicht allzu kleine Hände hat, wird man sich auch schnell an sie gewöhnen. Lediglich die ersten paar Bünde erfordern ein ungewöhnlich weites Strecken der Finger (aber erzählt das nicht eurem Bassisten…). Ein häufig zu findender Nachteil der Bariton-Mensur ist die damit einhergehende Kopflastigkeit des Instrumentes. Diese ist auch hier vorhanden, lässt sich allerdings leicht auskontern. Auch die knapp 4,5 kg Gewicht der Gitarre empfindet man als weniger. Als Halsprofil kommt das bekannte „ThinU“ zum Einsatz. Für mich persönlich gehört der Hals der SCT definitiv zu denen mit der besten Spielbarkeit in der Siebensaiterwelt. Leider lässt das Cutaway den Zugang zu den höchsten Lagen nicht ganz zu. Dafür wird man mit einem sehr angenehmen Hals-Korpus Übergang entschädigt.

Praxis

Auch wenn diese Gitarre natürlich nach einem gesättigten Gainsound aus einem Verstärker-Boliden schreit, ist zunächst die akustische Inspektion an der Reihe: Hier gibt sich die LTD keine Blöße und gibt alles, was man hineingibt, akkurat wieder. Der Frequenzgang scheint schön gleichmäßig verteilt, lediglich die Höhen halten sich etwas zurück. Auffällig ist das gute AttackVerhalten. Das dürfte auch am Amp ein knackiger Spaß werden. Die Töne stehen schnell und präzise und klingen sehr lange aus.

Jeder Sustain-Enthusiast darf die Carpenter getrost in sein Arsenal aufnehmen. Jetzt aber mal den Amp anheizen. Und wie es sich so ergibt, musste sich die LTD zunächst im Drone-Umfeld mit heftigem Fuzz vorm Vintage-Amp beweisen. Das Sustain ist ein Traum. Der Sound leider für diese Anwendung nicht. Schnell wird der Marschbefehl an die Entwickler klar: „Durchsetzen soll sie sich, die Gitarre!“. Und dementsprechend ist der Sound mit Gain vor allem eines: Sehr differenziert und im ersten Moment gefühlt eher dünn.

Die Siebensaiter-Versionen der bekannten EMG Klassiker 81 kontern die trocken angespielt empfundene klangliche Zurückhaltung sehr effizient aus. Nun gut, dann nutzen wir sie mal in dem ihr angedachten Setting: Präzise High-Gain Riffs, die einen umhauen. Und das klappt ganz hervorragend. Schnell verwandelt sich der „dünne“ Eindruck in ein Bewundern der Präzision, mit welcher hier vorgegangen werden kann. Man trifft den eher harschen, aber dennoch fetten Sound der letzten Deftones-Platten sehr genau, gerade wenn man noch Bass und weitere Gitarrenspuren ergänzt. So dürfte diese Axt die erste Wahl für Bandplayer sein, die wissen, was sie wollen und präzise spielen können. Für den Bedroom-Player, der es mit einer Gitarre schon fett haben muss, wären sicher andere Instrumente die bessere Wahl. Ist das jetzt Kritik? Keinesfalls. Viel eher bin ich beeindruckt, wie „anders“ eine Gitarre auch klingen kann.

Den Punch und die Durchsetzungsfähigkeit, die hier geboten werden, sucht man sonst oft vergebens. Die Saitentrennung bleibt selbst bei höchsten Gain-Ebenen erhalten und nichts matscht. Wie Herr Carpenter auch selber betont, nutzt er zu 99% den Steg-Pickup. Und das aus gutem Grund. Hier liegt die Magie der Gitarre. Hier drückt es, hier wird das Maximum dessen geliefert, was man sich von der LTD wünscht. Der Mittel-Pickup und die Zwischenstellung bieten beide eher leichte Variationen des Themas an, als vollkommen neue Sounds. In der Mitte wird es ein wenig wärmer und weniger präzise. Die Mittelstellung kann sehr gut mit der Höhe der Pickups beeinflusst werden und bietet die bekannten Sounds mit ein wenig hohlerem Charakter an. Viele Gitarristen dürfte übrigens der MittelPickup beim Spielen stören. Je nachdem, wie tief man gewöhnlicher Weise mit dem Pick in die Saiten eintaucht, kann es gut passieren, dass man hier hängen bleibt.

Die gute Nachricht: Selbst wenn man ihn ziemlich weit runterschraubt, um dieses Problem zu umgehen, klingt er noch brauchbar und kann sinnvoll als zweite Soundebene eingesetzt werden. Mastervolume- und -tone-Regler wirken hier auf ihre gewohnte Weise und gerade das Volume wird sehr angenehm über einen langen Regelweg des Potis reduziert. Hier klaren die Tonabnehmer auf, ohne zu hart oder zu dumpf zu werden. Also durchaus auch was für Leute mit Einkanalern. Und Clean? Klar, das geht auch. Dank der Pickups bleibt es hier auch clean, clean, clean. Der Sound ist nach wie vor sehr prä- zise und lässt gerade in diesem Setting vielleicht ein bisschen Wärme vermissen. Andererseits kommt man somit auch ohne Probleme durch die komplexesten und überladensten Effekt-Setups ohne sich über Klangmatsch Gedanken machen zu müssen.

Alternativen

Die Konkurrenz ist nicht sehr breit aufgestellt. Natürlich gibt es etliche Siebensaiter auf dem Markt, und viele Firmen nutzen die 27″-Mensur oder vergleichbares. Schecter und Ibanez bspw. bieten beide Siebensaiter mit verlängerter Mensur zu ähnlichen Preisen an. Doch wenn man auf die ungewöhnliche Pickup-Konstellation der Carpenter steht, gibt es alternativ eigentlich nur eines: Eine andere Carpenter. Immerhin gibt es ja auch noch die „normale“ LTD SC-607B (also ohne „T“ im Modellnamen). Diese wartet mit einer Strat Form auf, lässt allerdings das Perloid vermissen. Dafür ist sie auch fast € 200 günstiger. resümee Nicht grade günstig für eine LTD. Vor allem, weil es nicht mal ein Case oder sonstige Goodies dazu gibt.

Andererseits weiß man das vorm Kauf ja schon. Und was man geboten bekommt, bewegt sich auf unzweifelhaft hohem Niveau. Bis auf kleinste Details stimmt die Verarbeitung so wie bei kaum einer Korea-Gitarre, die ich in Händen hatte. Die Bespielbarkeit ist dank des Halsprofils und der ultra-niedrigen Saitenlage ein Traum.

Der Sound steht dem in nichts nach, auch wenn man sich bewusst machen muss, dass man sich hier einen Spezialisten ins Haus holt. Wer auf der Suche nach kompromisslos klarem und durchsetzungsstarkem Sound ist und vor allem verzerrt spielt, dürfte hier eine potentielle Traumgitarre gefunden haben. Und schick ist sie zudem, was will man mehr? Fazit zu Stephen Carpenters neuem Werkzeug: Ich war ein bisschen wehmütig, als ich sie wieder zurückschicken musste. Und das wärst du auch!

Plus

• Saitentrennung

• Durchsetzungsfähigkeit

• Spielbarkeit

• Saitenlage

• Halsprofil

Minus

• leichte Kopflastigkeit

Produkt: Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
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