Rack Attack

Line6 Helix Rack & Control im Test

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Nach dem Helix für den Boden ist nun auch die Rack Variante mit passendem Floorboard erhältlich. Passend zum Test gibt es auch die Firmware in Version 2.0.

(Bild: Dieter Stork)

Das Line6 Helix in der Version für den Boden haben wir ja bereits in vorgestellt (siehe hier). Damals war die Rack- Variante zwar schon angekündigt, allerdings noch nicht verfügbar. Durch die Software-Version 2.0 sind nochmals weitere Features, Amps und Effekte hinzugekommen. Schauen wir mal, inwiefern hier also ein ganz neues Gerät vor uns steht.

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Eine edle Erscheinung

Wie auch die Bodenversion, wirkt das Helix Rack sehr edel und aufgeräumt. Spätestens durch die 3HE kommt das große Display perfekt zur Geltung. Für ein solch komplexes Gerät weist es erstaunlich wenige Buttons auf. Ins Auge stechen sofort die sechs Potis unter dem Display, welche die jeweils angezeigten Parameter ändern. Fast ist es also, als hätte man seine normalen Amp- oder Effektpotis vor sich. Auch die Größe und Platzierung des Volume-Reglers machen klar: Hier wird Wert auf direkte und einfache Bedienung gelegt. Die Rückseite zeigt sich schon etwas üppiger bestückt. Kein Wunder, kommen hier doch zu den schon großzügigen Möglichkeiten der Bodenversion noch ein weiterer Anschluss für ein Expression Pedal (nun drei), ein gebufferter Guitar-Thru, AES/EBU-In und ein Wordclock-Anschluss mit Terminator-Switch hinzu.

Das war es auch fast schon an Unterschieden zwischen den Geräten. Das Line6 Helix Control Floorboard wirkt wie aus dem Boden-Helix ausgeschnitten. Es besteht aus Metall und wirkt dadurch sehr robust. Durch die gut gewählte Größe passt es auch in ein 19″-Rack und kann so sehr einfach transportiert werden. Auch hier finden sich 12 Fußschalter mit jeweils eigenen Scribble Strips (die kleinen Displays), auf denen angezeigt wird, wie der Taster belegt ist. Eindeutig eines der Killer-Features dieser Geräte und sonst nur in Top-of-the-Line-MIDI-Boards wie dem Liquid Foot + oder dem RJM Mastermind GT zu haben. Dazu kommen die farbigen LED-Ringe um die Schalter. Frei konfigurierbar und sehr praktisch.

Dazu gesellt sich noch ein generelles Display zur Anzeige des Preset-Namens. Wie auch beim Rack, kann man hier drei Expression Pedale und einen Switch anschließen. Auch ein USB Port für potentielle Updates ist vorhanden. Über den sogenannten „Host“ kann man das Floorboard mittels beiliegendem, circa 7,5 m langem, CAT-5 Kabel direkt mit dem Helix Rack verbinden. Praktischerweise erhält das Floorboard über diese Verbindung sowohl seinen Strom, als auch die Steuersignale. Es ist also nur dieses eine Kabel nötig, welches auf der Bühne nach vorne zum Board gelegt wird. Super Feature. Leider lag beim Testgerät kein Kabel bei (das hatte wohl ein vorheriger Tester aus Versehen in seinen PC gesteckt!?). Zu Hause stellt einen das kaum vor Probleme, da es sich bei den benötigten Kabeln um normale Netzwerkkabel handelt. Im Live-Setting wird man es aber schwer haben auf einer Bühne jemanden zu finden, der einem ein solches leihen kann. An dieser Stelle hat Fractal Audio das Problem mit einem quasi überall verfügbaren und deutlich bühnentauglicheren XLR-Kabel besser gelöst. Aber was soll‘s. Kauft man halt zwei CAT-5 Kabel und hat Ruhe.

Rack vs. Bodenmulti

Überschlagen wir doch mal kurz, was uns die jeweilige Version des Helix kosten würde: Der Boden-Helix: ca. € 1500 plus ca. € 140 für ein Case. Also: ca. € 1640. Die Rack Version: € 1400 für den Helix Rack, € 400 für den Helix Control, ca. € 70 für ein Expression Pedal (gerne mehr…), € 80 für ein 3HE Rack, € 100 für ein Pedalboard. Summa summarum ca. € 2050.

(Bild: Dieter Stork)

Es läuft also auf die alte Frage hinaus: Warum sollte ich mehr Geld für die Rack- Lösung ausgeben? Nun, da gibt es natürlich gute Gründe von denen jeder selbst wissen muss, wie wichtig sie ihm sind. Spielt deine Band oft in engen Venues und beim Pogo kann auch schon mal jemand auf deinem Helix landen? Oder sind deine Bandkollegen oder euer Publikum bekannt dafür, ihre Appletinis im Eifer des Gefechts über den Boden zu verteilen? Nun, in solchen Fällen freust du dich vermutlich darüber, nur einen neuen Footcontroller kaufen zu müssen, statt ein komplett neues Gerät. Durch die Effekt-Loops des Helix kannst du auch ganz bequem deine eventuell weiter verwendeten Bodeneffekte in eine Rackschublade verbannen, sodass auch diese nicht mehr so stark den rauen Tour-Gezeiten ausgesetzt sind. Solltest du sie natürlich nachregeln wollen und daher vor dir auf dem Boden brauchen, musst du wiederum lange Kabel vom Rack nach vorne und zurückziehen. Hatte ich mal – macht keinen Spaß.

(Bild: Dieter Stork)

Doch neben diesen Überlegungen bietet die Rack Variante ja auch bereits erwähnte weitere Anschlüsse. Möchtest du bspw. dein Equipment mittels AES/EBU-In anschließen, so musst du zwangsläufig die Rack-Version kaufen. Ähnliches gilt, wenn eure Shows über eine Wordclock getaktet werden. In dem Falle kann die Rack-Version das Clock-Signal deines Interfaces empfangen und den eigenen Output darauf synchronisieren. Solltest du dir des Weiteren Gedanken über die Kompatibilität der Systeme machen, hier die Entwarnung: Presets lassen sich frei zwischen der Boden- und Rackversion austauschen.

Neue Firmware, neue Features

Eine der großen offenen Fragen beim vorherigen Test war ja die Update-Politik von Line6. Während bspw. Fractal Audio dafür bekannt ist, das Axe-Fx regelmäßig mit gratis Updates auszustatten, welche oft neue Funktionen oder Amp-/Effektsimulationen mitbringen, sah das bei Line6 bisher durchwachsener aus. Oft gab es nur sehr wenige Bugfix-Patches und wenn mal neue Ampsims zu haben waren, kosteten diese oft zusätzliches Geld.

Bisher scheint diese Politik beim Helix nicht verfolgt zu werden. Es gab mittlerweile diverse kleinere Updates und im Juli ist endlich die Version 2.0 erschienen, welche unter anderem neue Amps, Effekte und ein „Snapshot“-Feature mit sich brachte. Zum Zeitpunkt des Tests war sogar schon 2.01 veröffentlicht, wiederum mit kleineren Anpassungen und Fehlerbeseitigungen. So darf es gerne weitergehen.

Was sind nun Snapshots? Wenn du aus der Fractal-Audio-Ecke kommst, so kennst du ein sehr ähnliches Feature bereits unter dem Namen „Scenes“. Wenn nicht, hier eine kurze Erklärung: Bei Presets änderst du jeweils dein komplettes Setup. Du kannst bei Preset 1 mit einem Overdrive in einen simulierten Marshall spielen und diesen durch ein Delay veredeln. In Preset 2 hingegen möchtest du vielleicht einen Chorus in einen Fender spielen. Kein Problem. Nur entstehen beim Umschalten von Presets zwangsläufig kurze Pausen und oft gibt es Probleme dabei, ein Delay oder Hall ausklingen zu lassen (das ist kurzgesagt sehr rechenintensiv). Einen Snapshot kannst du dir nun wie ein feststehendes Setup vorstellen, bei dem du „nur“ Parameter ändern kannst.

Du kannst also nicht auf einmal einen Fender-Amp nutzen wo vorher keiner war. Du kannst aber innerhalb eines Presets von einem (bereits verbauten) Amp zum anderen schalten und den Chorus ausschalten, am Distortion das Gain ändern und den Flanger voll aufdrehen, den du schon immer mal benutzen wolltest. Line6 beschreibt das in der tollen Bedienungsanleitung (auf Englisch) auch sehr charmant mit: „Wolltest du schon immer heimlich ein Octopus sein um ständig Amp- und Effektsettings während des Songs ändern zu können?“ Du hast hier also die Möglichkeit, bis zu acht Snapshots in einem Preset zu speichern und somit acht komplett unterschiedliche Ausprägungen deines Setups zu nutzen.

(Bild: Dieter Stork)

Neben diesem tollen Feature sind auch neue Amps und Effekte hinzugekommen. Besonders erwähnenswert sind hier die drei Kanäle (Rhythm 1, Rhythm 2 und Lead) des Mesa Mk IV. Passend dazu gibt es auch den 5-Band-EQ des Mk IV als eigenständigen EQ. Auch ein neues Fuzz, Tremolo und ein Vintage Digital Delay sind hinzugekommen. Klanglich nehmen sich die alte und die neue Firmware nichts. So gilt mein Fazit vom letzten Test nach wie vor: Die Modelle klingen sehr gut und authentisch, das Modeling ist auf sehr hohem Niveau. Nach wie vor gefällt mir persönlich das Axe-Fx II besser, weil es sich einen Hauch authentischer anfühlt, aber wer weiß, vielleicht legt Line6 hier ja demnächst auch noch nach. Das könnten sie im Übrigen ruhig bei den Reverbs tun. Diese sind noch aus der alten Modeling Generation übernommen und spätestens jetzt, wo ich das Gerät länger kenne, fällt auf, dass diese in höheren Mix Einstellungen eben nicht auf dem gleichen Level sind wie die aus einem Axe-Fx II oder einem hochklassigen Stand-Alone-Reverb wie dem zuletzt getesteten Empress Reverb (Test in Ausgabe 10/2016). Alles im Mix kein großes Problem, aber ein wenig schade, wenn man die anderen – teils sehr hochwertigen – Effekte als Referenz nimmt.

Alternativen

… bietet der Markt natürlich einige, aber Line6 hat sich hier geschickt mittig platziert. Wer High-End-Modeling möchte, kauft ein Axe-Fx II XL (ca. € 2700) mit passendem MIDI-Controller (MFC-101 für ca. € 800). Mit den gleichen Sounds, aber weniger Prozessorpower bietet sich das AX8 für ca. € 1700 als gute Alternative zum Line6 an (Test siehe hier). Wer lieber fertige Sounds nutzt statt selber zu bauen greift zum Kemper (ca. € 1700, € 2150 mit Floorboard). Wem das jetzt alles zu teuer war, der findet im Atomic Amplifire für ca. € 630 vielleicht sein abgespecktes Modeling-Glück.

Resümee

Line6 macht – wie schon bei der Boden- Version des Helix – ziemlich viel richtig und überzeugt in erster Linie durch eine exzellente Bedienbarkeit und eine flache Lernkurve. Die Sounds stehen diesem in nichts nach und können sich in die höchsten Gefilde der aktuellen Modeling- Technologie einreihen. Auch wenn ein Axe-Fx II oder ein Kemper noch das letzte bisschen authentischer klingen, so sind dies Nuancen die in den meisten Anwendungsfällen zu vernachlässigen sind. Bei den Effekten verhält es sich ähnlich, hier könnten lediglich die Reverbs und vielleicht das ein oder andere Fuzz mal aktualisiert werden, schlecht sind sie aber keinesfalls.

Lohnt es sich nun die Rack-Variante statt des Bodenmultis zu kaufen? Klar, diese Entscheidung ist ganz stark abhängig vom Einsatzzweck und den persönlichen Vorlieben. Ich persönlich würde wohl zum Rack greifen. Neben den oben erwähnten Vorteilen kann man dies meist auch angenehmer zu Hause aufstellen um zu spielen oder Sounds zu programmieren. Als ich das dicke Boden-Schlachtschiff auf meinem Schreibtisch stehen hatte, war das schon etwas störend. Zudem würde ich ungern öfter € 1500 mit den Füßen treten als nötig, da kommt mir der reine Controller schon haltbarer vor.

Unterm Strich kann ich den Helix in der Boden- und Rackversion nur empfehlen. Der Preis ist sehr angemessen und die Bedienung dermaßen einfach und durchdacht, dass jeder sehr schnell sehr viel Spaß mit dem Gerät haben wird. Es wird kräftig geruckelt am Axe-Fx-Thron!

Plus

  • Sounds
  • Bedienung
  • Anmutung
  • Displays
  • Anschlussvielfalt


Aus Gitarre & Bass 11/2016

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