Axe-Fx in günstig?

Fractal Audio Systems AX8 im Test

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Nach dem reinen Effektgerät FX8 bringt Fractal Audio jetzt auch das AX8 mit Amp-Simulationen auf den Markt. Ist das jetzt etwa das „Budget“-Axe Fx II?

Fractal Audio Systems AX8_01
(Bild: Dieter Stork)

Zugegeben: Mit einem Straßenpreis von € 1699 handelt es sich nicht im klassischen Sinne um eine Budget-Lösung. Zieht man den Vergleich jedoch zu einem Axe-Fx II XL+ inkl. passendem Floorboard, so freut man sich vielleicht doch über die fast € 2000 Unterschied! Kann das AX8 alles, was das Axe-Fx kann? Nein, natürlich nicht. Kann es alles, was dir wichtig ist? Lass es uns herausfinden.

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Konstruktion

Wie von G66 − dem Direktvertrieb − gewohnt, kommt das Gerät perfekt verpackt im Doppelkarton zur Haustür. Im Gegensatz zur Konkurrenz in Gestalt von Line 6 wird hier aber nur das reine Gerät geboten. Keine besondere Verpackung, aber was soll man damit auch nach dem Auspacken? Und so hebt man das AX8 an seinem „Überrollbügel“ aus dem Karton und bekommt einen ersten Eindruck von der Wertigkeit. Klar, wir haben es hier mit einem Fractal-Audio-Gerät mit vierstelligen Preis zu tun. Da erwartet man perfekte Verarbeitung – und bekommt sie geliefert. Zum Einsatz kommt das vom FX8 bekannte pulverbeschichtete Stahlchassis mit Seitenteilen aus Flugzeug-Aluminium.

Und nachdem ich beim FX8-Test ja bemängelt hatte, dass manche Potis leider etwas wackeln, geht mein erster Griff hier natürlich zu den Knöpfen unter dem Display. Hmm, ja. Das fühlt sich gut an. Nichts wackelt, alles läuft rund und satt. Die Taster haben die gleiche (hohe) Qualität wie am Axe-Fx II und auch das Display ist ein alter Bekannter. Mit seinen 160×80 monochromen Pixeln gewinnt es heutzutage natürlich keine Preise mehr, reicht aber für alle Anwendungen gut aus. Erstmalig bei Fractal Audio gibt es nun auch acht Potis mit Direktzugriff auf wichtige Amp-Parameter und LED-Kränzen, die die Einstellung anzeigen.

Neben Drive, Bass, Mid und Treble finden sich hier auch Presence, Depth, Master und Level. Die elf Fußschalter kennt man wiederum in ähnlicher Form vom FX8. Auch hier wurden die Solid State Switches verbaut, welche sich seit dem MFC 101 in Version 3 auch im Floorboard des Axe-Fx finden. Die Knöpfe kommen ohne mechanische Schaltkomponenten aus und sollen so gegen jeglichen Ausfall gefeit sein. Auf der Rückseite finden sich neben dem Stromanschluss und dem Instrumenteneingang Stereo-Outs in Form von XLR und Klinke, sowie ein Stereo-Effektweg.

Dazu gesellen sich vier Anschlüsse für externe Switches oder Pedale, so wie S/PDIF-, USB- und MIDI-Anschlüsse. Gut ausgestattet kann man da nur sagen. Das Gerät bringt es trotz Stahl und Alu auf ein sehr angenehmes Gewicht von nur 5,4 kg. Wenn du jemand bist, der direkt ins Pult spielt, kannst du also sämtliches Gear für den nächsten Gig auf unter 10 kg beschränken.

Unterschiede zum Axe-Fx

Eine der wohl wichtigsten Fragen, die es zu klären gilt ist: Wo liegen die Unterschiede zum Axe-Fx? Wer sollte welches Gerät kaufen? Grob gesagt handelt es sich beim Axe-Fx II XL+ um das aktuelle Topmodell von Fractal Audio. Hier ist alles verbaut, was man sich wünschen kann. Für dieses Gerät wird die Firmware am schnellsten weiterentwickelt und hier hast du die Möglichkeit von Tone Matching, der Aufnahme von IRs, etc. Das AX8 ist auf Musiker ausgelegt, die den gleichen, genialen Sound suchen, sich aber nicht (ganz) so lange mit der Findung des selbigen auseinandersetzen wollen. Durch die Verschmelzung von Effektprozessor und Pedalboard ist es erdacht für den Musiker on the road. Natürlich muss bei dem Preis auch irgendwo gespart werden, und so sind nicht mehr die teuersten DSPs verbaut. Das führt zu gewissen Einschränkungen gegenüber dem Axe-Fx.

Namentlich kann im AX8 jeweils nur eine Instanz von Amp und Cab (ein Cab-Block kann aber zwei Boxensimulationen enthalten) aktiv sein. Gleiches gilt für einige Effekte, wie bspw. den Reverb. Sehr rechenintensive Effekte, wie der Vocoder oder das Megatap Delay, gibt es nur im Axe-Fx. Ebenso verzichten muss man leider auf das Channel Strip Modeling und die Möglichkeit der globalen Blocks (etwas, was ich persönlich sehr schätze). Man kann übrigens keine ganzen Presets vom Axe-Fx II auf das AX8 übertragen, einzelne Blocks jedoch schon.

Und die Unterschiede zum FX8? Ganz einfach: Das FX8 ist als reines Effektgerät konzipiert und dementsprechend auf Line Level, Unity Gain und den Betrieb im Vier-Kabel-Modus ausgelegt. Dementsprechend kommt auch darauf optimierte Hardware zum Einsatz. Das AX8 bietet zudem Amps und Boxen. Es kann natürlich ähnlich wie das FX8 betrieben werden, wird aber in Extremsettings mehr Nebengeräusche produzieren. Im Normalfall sind aber alle drei Geräte sehr nebengeräuscharm.

Amps, Cabs, Effekte

Da die meisten Amps/Boxen/Effekte identisch zu denen des Axe-Fx II sind, und wir dieses in seinen verschiedenen Ausprägungen schon ein paar Mal besprochen haben, hier nur ein kurzer Abriss: Zur Verfügung stehen uns 222 verschiedene Amps (/Kanäle), über 175 mitgelieferte Impulsantworten von diversen Boxen und 24 Effektkategorien. Natürlich können auch hier Impulsantworten von Drittanbietern importiert werden und eine Effektkategorie wie Drive umfasst 34 verschiedene Zerrer.

Ihr seht schon: Jede Menge Möglichkeiten und kein Ende in Sicht. Denn eine der tollsten Tatsachen bei Fractal Audio ist, dass sie – bisher zumindest – regelmäßig gratis Updates veröffentlicht haben, welche den Funktionsumfang der Geräte oft deutlich erweitern und bestehende Features verbessern. Und selbst wenn dies mit sofortiger Wirkung aufhören sollte, haben wir hier ein erwachsenes Gerät mit nahezu allen Ingredienzien, die man sich wünschen kann.

Fractal Audio Systems AX8_02
(Bild: Dieter Stork)

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Praxis

Wenn wir die Specs so lesen, wird schnell klar: Wert wird hier auf einfache, schnelle Bedienung in der Live-Situation gelegt. Einen Kopfhörerausgang für das Üben zu Hause sucht man vergebens – aber den hatte das Axe-Fx in der ersten Version auch nicht. Also direkt mal ab an eine Endstufe und Box. Da ich mein „großes“ Axe-Fx alternierend sowohl mit Kopfhörern, als auch an einer Endstufe und Box nutze und nicht beides für jedes Preset eingestellt habe, geht mein erster Blick natürlich ins Menü um zu sehen, ob Poweramp- und Boxenmodeling aktiviert sind.

Da wir hier im Vergleich zum großen Bruder eine etwas veränderte Button-Struktur haben, hat es ein paar Sekunden gedauert um herauszufinden, wie man auf die sekundären Funktionen der Buttons zugreift, um ins Menü zu kommen („Shift“ drücken … So einfach kann’s sein). Als weitere Änderung in der Usability sind die Function-Switches (F-Switches) zu nennen. Diese bieten programmierbaren Schnellzugriff auf je zwei verschiedene Funktionen. So kann man schnell den Tuner aufrufen, von der Bank- zur SceneWahl schalten, etc. Wenn man vom AxeFx kommt oder dies kennt, ist der Rest der Nutzung fast gleich. Für alle Neulinge dürfte sich das Konzept sehr schnell erschließen.

Standardmäßig gelangt man pro Preset in die Übersicht der Schalterbelegung, man hat also quasi sein virtuelles Pedalboard vor sich auf dem Display und sieht direkt, wie die Fußschalter belegt sind. Möchte man Änderungen im Preset vornehmen, so schaltet man auf das sogenannte „Grid“ um, eine Matrix-Darstellung des Signalwegs. Auf diesem kann man nun Effekte, Amps und Boxen verbinden. Sehr simpel, sehr intuitiv. Wenn man denn mal Kritik am Axe und seinen Kollegen hört, so betrifft dies meist die Usability oder das Tweaking.

Doch ganz ehrlich: Man kann auf den ersten Seiten der Amps und Effekte eigentlich alles Wichtige einstellen. Natürlich kann man auch in eine der vielen weiteren Seiten im Parameterbaum abtauchen, aber jetzt mal Hand auf’s Herz: Wenn wir analoge Amps benutzen, haben wir meist nur die Einstellungen, welche uns das AX8 direkt zugänglich auf der Front bietet. Und wenn du schon immer mal wissen wolltest, wie ein AC30 mit KT88 Endstufe und erhöhtem Bias klingt, so kannst du das hier einstellen – musst du aber nicht. Erst in der letzten Ausgabe habe ich den Line6 Helix getestet. Hat der ein besseres Interface? Ja. Macht das viel aus? In meinen Augen nein.

Natürlich fände ich es schön, wenn das AX8 auch mit einem größeren, schärferen Display ausgeliefert werden würde und die coolen kapazitativen Switches des Helix hätte. Aber außer der einfacheren Zuweisung der Footswitches macht mir das das Leben nicht leichter. Die kleinen, einzelnen Displays über den Switches des Helix fehlen einem aber schon ein wenig. Jetzt aber zu den Sounds: Wenn du das Axe-Fx II kennst, so weißt du, wie das AX8 klingt. Obwohl hier weniger Rechenleistung vorhanden ist, so sind die Algorithmen auf dieser Architektur scheinbar perfekt lauffähig. Getestet wurde auf beiden Geräten jeweils mit der Firmware (Quantum) 1 – für das Axe-Fx II war Q2 bereits verfügbar, für das AX8 jedoch nicht. Ich habe dann diverse Amps und Effekte gleich eingestellt und zwischen den Geräten hin- und hergeschaltet.

Auch mit verschiedenen Gitarren ergaben sich weder im Sound, noch im Feeling Unterschiede. Für alle, die den großen Bruder noch nicht selber erleben durften: Wir haben es hier meiner Meinung nach mit dem zur Zeit besten Modeling zu tun. Erst letztens wurde es durch Cliff Chase, den Mann hinter Fractal Audio, mit der Veröffentlichung der Quantum Firmware auf ein neues Niveau gehievt. Mit dem Kemper kopiert man Sounds auf sehr hohem Level, mit Fractal Audio, Line6 und Konsorten kreiert man sie. Und das kann Fractal Audio momentan einfach am besten. Wie im Helix-Test beschrieben, sind die Geräte klanglich mittlerweile sehr nah aneinander, lediglich das Feeling war für mich beim Axe-Fx noch realistischer.

Fractal Audio Systems AX8_03
(Bild: Dieter Stork)

Die Preset-Auswahl des AX8 wurde sehr geschmackvoll gestaltet. Statt – wie bei Konkurrenten oft üblich – möglichst viele Effekte in ein Preset zu bringen, fängt man hier erst mal mit beeindruckenden Ampsounds an. Simulationen von allen namhaften Verstärkerherstellern geben sich hier die Klinke in die Hand. Und dann klingen sie auch noch alle gut. Wie so oft, wähle ich mich wieder mal schnell zum Soldano Preset durch und genieße, wie nah man sich hier am Original befindet und wie dynamisch so ein Brocken aus Soft- und Hardware reagieren kann. Es ist fast schon langweilig, den Sound in diesem Test beschreiben zu wollen. Denn es gibt einfach keine Kritikpunkte. Ein Fender klingt wie ein Fender klingen sollte, ebenso verhält es sich bei Marshall, Vox, oder Exoten wie Cameron, Bludotone und vielen weiteren.

Obwohl: Klingt ein Dumble so wie im Axe? Ich weiß es nicht, ich habe noch keinen gespielt. Aber selbst wenn nicht: Alles was ich „in Echt“ kenne wird hier sehr realistisch abgebildet. Und das was ich nicht kenne kann ich zum Experimentieren nutzen und mich daran erfreuen, wie geil die Sounds sind, die ich damit erschaffen kann. In dem Moment ist es mir auch egal, wie nah das am Original ist. Ähnlich geht es mir bei den Effekten. Da sind einige bei, die ich gut kenne, und andere die mir vermutlich nie über den Weg laufen werden. Aber alle klingen einfach richtig gut. Schade finde ich hier, dass man nur einen Reverb-Block nutzen kann. Somit ist es aktuell nicht mehr möglich, über ein gehaltenes Echo wiederum mit Hall zu spielen.

Die Potis für den Direktzugriff auf die Amp-Funktionen machen einem das Leben wirklich bedeutend leichter. Oft scrolle ich durch Presets oder Amps, um mal neues zu finden und einfach ein bisschen zu dudeln. Und auch wenn es nur Sekunden dauert am Axe-Fx ins Menü zu gehen und die Bässe am Amp etwas zurückzunehmen, so ist es doch noch eine Ecke komfortabler dies direkt auf der Front zu tun.

Resümee

Ist das AX8 nun das Budget Axe-Fx? Auf jeden Fall. Klar, von einer Budget-Lösung im klassischen Sinne kann man bei diesem Preis wohl nicht sprechen. Gegenüber der Konkurrenz – u. a. ja auch aus eigenem Hause – steht das Gerät preislich aber vernünftig da, zumal der Straßenpreis noch weit unter der UVP liegt. Sowohl Soft- als auch Hardware sind auf höchstem Niveau. Und ob man auf ein zweites Reverb, einen zweiten Amp und ähnliche Dinge verzichten kann, muss jeder selber entscheiden. Für mich bleibt mein Axe-Fx II XL das Werkzeug der Wahl. Würde ich aber aktuell nach einem Bodengerät in diesem Preissegment suchen, so fiele die Wahl zwischen dem AX8 und dem Helix schwer. Das Helix liegt von der Bedienung her vorne und hat einige Nettigkeiten wie den Kopfhörerausgang und die vielen USB-Kanäle zum Recording an Board.

Das AX8 trumpft mit der vollen Amp- /Boxen- und Effektauswahl von Fractal auf und klingt einen Ticken besser. Schwere Wahl. Ich persönlich würde wohl wieder zum Fractal-Audio-Produkt greifen, aber ich kann jeden gut verstehen, der das Helix bevorzugt oder sein Heil sogar in einer deutlich günstigeren Lö- sung sucht. Und bevor hier jemand sagt, das Gerät gäbe es ja in Amerika günstiger: Ja, stimmt. Aber rechnet mal Fracht, Zoll und Einfuhrumsatzsteuer drauf. Und bedenkt dann, dass ihr beim Europavertrieb automatisch drei Jahre Garantie kriegt (das kostet in den USA extra). Dann klingt der Preis auf einmal sehr vernünftig. Schlussendlich steht hier ein absolutes Profi-Gerät vor mir, von dem ich restlos überzeugt bin. Gerade die Verknüpfung von Effektprozessor und Fußboard finde ich sehr sympathisch. Der Preis ist also hoch, aber absolut angemessen. Alle, denen das Axe-Fx bisher immer zu teuer war, sollten hier unbedingt hellhörig werden.

 

Plus

  • Haptik
  • Verarbeitung
  • Sounds/Effektqualität
  • Schaltmöglichkeiten
  • Flexibilität
  • Direktzugriff auf Ampregler

 

Fractal Audio Systems AX8_profil

Produkt: Gitarre & Bass 9/2022 Digital
Gitarre & Bass 9/2022 Digital
Im Test: Soldano SLO Mini +++ Harley Benton JJ-45OP und JP-45OP +++ Jensen Speakers Impulse Responses +++ Maybach Stradovari S61 „True Specs“ Masterbuild +++ LTD Phoenix-1000 +++ Epiphone B.B. King Lucille Bone White LTD & ES-335 +++ Keeley Electronics Halo Andy Timmons +++ Universal Audio UAFX Woodrow '55, Ruby '63 & Dream '65 +++ Baton Rouge X11S/FJE-AB Acoustic

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