Ein echt heißes Eisen

Kurz & gut: Ibanez ICHI10-VWM Ichika Nito Signature im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Headless-Gitarren sind keineswegs neu. Auch für Ibanez nicht, denn bereits 1986 hatte der japanische Hersteller die Axstar AX75 am Start. Innovative, technisch komplexe Spieltechniken junger Gitarrist:innen veranlassten den japanischen Hersteller zur Entwicklung seiner Q- bzw. Quest-Reihe, die diverse kopflose Modelle umfasst.

Die ICHI10-VWM Signature entstand in Kooperation mit dem 27-jährigen japanischen Gitarristen Ichika Nito, dessen geschmackvolle Instrumentals, performt mit unkonventioneller Spieltechnik und glasklarem Clean-Sound (plus reichlich Hall), im Netz bereits millionenfach angeklickt wurden.

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FEDERLEICHT

Gerade mal 2,34 kg bringt die ICHI10 auf die Waage und empfiehlt sich damit auch als Reisegitarre, was ihre Gesamtlänge von knapp 81 cm unterstreicht. Für den Body findet Nyatoh Verwendung, welches zunehmend im Gitarrenbau verarbeitet wird. Mit 34 mm ist der Korpus exakt so dick wie der einer Gibson SG, wird jedoch zusätzlich durch großzügige Shapings von Armauflage, Rippenspoiler, unterem Cutaway und Halsübergang erleichtert. Das Resultat ist ein ansprechendes, extrem ergonomisches Design. Die Ibanez-übliche Rohrklinkenbuchse mündet direkt im Oberkante bündig verschlossenen E-Fach. Drei große Knöpfe bieten dem Gurt zuverlässig Halt, von denen die beiden unteren nicht nur für sicheren Stand sorgen – angelehnt an Amp, Wand, Tisch o.ä. –, sondern der Gurt auch spontan von Steh- auf Sitzposition verkürzt werden kann.

Der aus zwei Ahorn- und einem Bubinga-Streifen gesperrte Hals trägt ein Griffbrett aus Vogelaugenahorn. Um die Hölzer widerstandsfähiger gegen Witterungs- und Temperaturschwankungen zu machen und deren Resonanzeigenschaften zu optimieren, hat man sie hitzebehandelt (roasted). Vor der Zusammenarbeit mit dem japanischen Hersteller war Ichika Nitos Lieblingsgitarre das Ibanez Talman-Modell, dessen angenehm rundes Halsprofil 1:1 auf die ICHI10 übertragen wurde. Die präzise gefräste Halstasche und vier einzeln eingelassene Holzschrauben garantieren eine stabile großflächige Verbindung. Das Griffbrett bietet 24, inklusive der Kanten vorbildlich bearbeiteten, nickelfreien Jescar EVO gold Jumbo-Bünden Platz. Perlmutt-Punkte und fluoreszierende Sidedots erleichtern die Orientierung, Letztere sogar im Dunkeln.

Erleuchtend: Luminlay Sidedots (Bild: Dieter Stork)

Der perfekt abgerichtete Kunststoffsattel führt die Saiten zum Ibanez Custom String Lock, das auf dem parallel nach hinten versetzten Kopfplattenstummel von drei Schrauben gehalten wird. Diesen einteiligen Klemmblock, in welchem die Saiten eingefädelt und mittels Inbusmadenschrauben fixiert werden, hat Ibanez entwickelt, um auf spezielle (teure) Double-Ball-End-Saiten verzichten zu können.

Ibanez Custom String Lock (Bild: Dieter Stork)

Erstmals greift auch Ibanez auf eine Halsjustierung per Speichenrad zurück, das zwischen Griffbrettende und Hals-Pickup zugänglich ist. Korpusseitig werden die Endringe der Saiten in die einzelnen Reiter der Ibanez-Mono-Tune-Bridge eingehängt. Leicht zugängliche griffige Rändelknöpfe gestatten nicht nur geschmeidiges und präzises Stimmen, sondern auch relativ schnelle Saitenwechsel und Drop Tunings von gut zwei Halbtönen. Saitenlage und Oktave lassen sich komfortabel justieren.

Geschmeidiges Stimmen: Ibanez Mono-Tune Bridge (Bild: Dieter Stork)

Als Tonabnehmer kommen neu entwickelte R1-Singlecoils mit mattierten Edelstahlkappen zum Einsatz. Hals- und Mittel-Pickup lagern im dreischichtigen Kunststoff-Pickguard, der Stegeinspuler direkt im Korpus. Verwaltet werden sie per Master-Volume, Master-Tone und Fünfwegschalter. Zusätzlich zu den gewohnten Pickup-Konstellationen bietet das passive dyna-MIX8-System mit dem kleinen Alter Switch drei weitere Sound-Varianten. Hier werden in den Positionen 1 und 5 des Fünfwegschalters die Hals- und Mittel- bzw. Mittel- und Steg-Pickups seriell quasi zu Humbuckern vereint und in Position 3 der Parallelbetrieb von Hals- und Steg-Singlecoil ermöglicht.

Viel Verkehr im E-Fach (Bild: Dieter Stork)

ERFRISCHEND NEU

In der Vergangenheit hatte ich schon die eine oder andere Headless-Gitarre in Händen. An denen hat mich jedoch immer gestört, dass deren Hälse im Nirgendwo enden, ich also keine Begrenzung hinter dem Sattel verspürte. Genau das hat Ibanez bestens gelöst, da der versetzte Kopfplattenansatz den ausgearbeiteten Kragen ersetzt, der bei zahlreichen Gitarren den Übergang zur Kopfplatte stabilisiert.

Erwartungsgemäß hängt die ICHI10 rückenschonend, bestens ausbalanciert und mit sensationellem Tragekomfort am Gurt und zeigt auch auf dem Bein Ausgewogenheit. Das runde Halsprofil schmiegt sich angenehm in meine Hand und lässt sich dank der trefflich verrundeten Bundkanten und des ergonomischen Halsübergangs entspannt bis in die höchsten Lagen bespielen. Zudem gleiten die Saiten bei Bendings geschmeidig über die polierten Kronen der hohen Bünde, die einerseits zu Tappings einladen, anderseits bei übermäßigem Druck auf die Saiten Verstimmungen verursachen, vor allem bei (Lagerfeuer-)Akkorden in den unteren Lagen.

Unverstärkt hält die Ibanez ICHI10 ein eher braves, alles andere als voluminöses Klangbild bereit. Obgleich der Nyatoh-Body Akzente in den unteren Mitten setzt und der Ahorn/Bubinga-Hals zusammen mit der Mono-Tune-Bridge und den Jescar-Bünden spritzig lebendige Höhen und Obertöne beisteuert, würde ich das Klangvolumen eher als defensiv bezeichnen. Andererseits punktet die Headless-Gitarre mit spontaner impulsiver Ansprache, blitzschneller Tonentfaltung und stabilem, gleichförmig abklingendem Sustain – alles Attribute, die die Spieltechniken Ishika Nitos unterstützen.

Die neuen Ibanez R1-Einspuler, von denen der Mittlere ein RW/RP-Typ ist, liefern deutlich mehr Output als beispielsweise Vintage-Pickups und extrem klare, definierte, transparente und lebendige Clean-Sounds, die sich über alle Frequenzen hinweg tonal wunderbar ausgewogen präsentieren. Angesichts des Einspuler-Trios erwartet man natürlich Strat-Klänge, deren Authentizität sich jedoch in Grenzen hält, wenngleich die Tendenzen erkennbar bleiben. So tönt der Hals-Pickup zwar kraftvoll und offen und bleibt auch bei High-Gain-Sachen definiert und differenziert, besitzt jedoch aufgrund seiner 24-Bund-Position nicht die Wärme und Ausstrahlung eines Vintage-Strat-Einspulers. Der Steg-Pickup glänzt indes mit knackigen Mitten, straffen, drahtigen Bässen und klaren, brillanten aber niemals harten oder gar harschen Höhen.

Mit leicht glockig perlenden, luftigen Klarklängen kommt der Mittel-Pickup dem Original ebenso am nächsten, wie die offen und leicht nasal tönende Kombi aus Steg- und mittlerem Singlecoil. Nicht ganz so ausgeprägt ist das Nasale bei der Paarung von Mittel- und Hals-Pickup, was der Position des Letzteren geschuldet ist. Insgesamt zeigen die R1s präzise Saitentrennung, hohe Transparenz und Definition. Abhängig von Position 1 oder 5 des Fünfwegschalters aktiviert der Alter Switch die dyna-MIX8-Schaltung und damit seriell verschaltete Kombinationen aus Hals- und Mittel- bzw. Mittel- und Steg-Pickups.

Durch den dabei erzeugten Humbucker-Effekt legt nicht nur der Ausgangspegel zu, sondern zugleich auch untere Mitten und Bässe. Der Sound wird lauter und fetter, Nebengeräusche verstummen gänzlich, jedoch bleibt bei Akkordspiel ein Teil der Transparenz und Klarheit auf der Strecke, und zwar in beiden Paarungen.

Klanglich ist das nicht mit traditionellen Humbuckern zu vergleichen, da die Abstände der beteiligten Spulen zu groß sind. Der Sound geht eher in Richtung fette In-Between-Klänge, wie wir sie von den Zwischenstellungen 2 und 4 des Pickup-Schalters kennen. Bringt man bei aktivierter dyna-MIX8-Schaltung den Fünf-Wege-Schalter in Mittelposition, sind Steg- und Hals-Pickup parallel am Start, und zwar mit wunderbar luftigem Clean-Sound, während sich die beiden anderen Alter-Klänge eher für Zerrsachen empfehlen.

Sowohl das Volume- als auch das Tone-Poti arbeiten über ihre kompletten Regelbereiche gleichmäßig und präzise. Ein im Volume-Regler integrierter Treble-Bleed-Schaltkreis minimiert Höhenverluste beim Herunterdrehen.

RESÜMEE

Ibanez hat mit der ICHI10 ein echt heißes Eisen im Feuer, das mit exzellenten Clean-Sounds für die mitunter verträumten, mit Hall angereicherten Instrumentals Ichika Nitos wie geschaffen ist. Dennoch liefert die Gitarre auch in rockigeren Musikgenres beste Performances ab, zumal die Kombis benachbarter Einspuler durch den RW/RP-Mittel-Pickup und die beiden Humbucker-Modes selbst bei High-Gain-Sounds frei von Brumm- oder anderen Störgeräuschen bleiben. Das Stimmen und Wechseln der Saiten lässt sich mit dem Custom String Lock bzw. der Mono-Tune Bridge ebenso kinderleicht bewerkstelligen wie ganztönige Drop Tunings.

Nicht nur aufgrund ihres geringen Gewichts, der ergonomischen Shapings und des runden Halsprofils bietet die Signature-Gitarre höchsten Spielkomfort, sondern auch dank ihrer respektablen Schwingeigenschaften. Die vorbildlich verarbeitete ICHI10 ist ausschließlich im Vintage White Matte Finish erhältlich. Weitere Farbvarianten und Ausstattungen findet man in der Ibanez Q-Serie. Kurz: erstklassige Gitarre zum überaus fairen Preis.

PLUS

  • Sounds & Soundvielfalt
  • Dynamik & Sustain
  • dyna-MIX8-Schaltung
  • geringes Gewicht
  • Spielbarkeit
  • Verarbeitung
  • Preis/Leistung


(erschienen in Gitarre & Bass 07/2022)

Produkt: Gitarre & Bass 2/2024
Gitarre & Bass 2/2024
IM TEST: Charvel Pro-Mod So-Cal HSS +++ Engl E670FE Special Edition +++ Ortega Guitars Tour Player +++ Ampeg Venture V3, VB112 und VB115 +++ Ibanez Iceman IC420FM +++ Walrus Audio Fable +++ Meta Guitars Veil Bass +++ Fender CS Early 55 Strat Trem & Hardtail +++ Lakland Skyline Decade

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Schaut wirklich schon etwas seltsam aus.Hier hätte man wenigstens (wie bei der damaligen B.C.Rich Virgin mit Speedloadersystem) eine Kopfplatte ansetzen können,dies wäre dann optisch nicht gar so auffällig gewesen.Und das matte Lackfinish dieser Neuen von Ibanez ist auch nicht gerade mein Ding.Klangeigenschaft hin oder her,-eine E.Gitarre sollte mir auch im Aussehen gut gefallen,was jedoch bei dieser neuen ICHI-10 absolut nicht der Fall ist.Das „Ding“ sieht irgendwie so unvollständig und darum sehr merkwürdig aus.Meine eigene subjektive Meinung.Vielleicht gibt es ja Jemanden,dem dieses komische,polarisierende Design auf Anhieb sogar gut gefällt? Was soll´s,über Geschmack darf man auch seine ganz persönliche Meinung haben.Besonders in diesem Forum.

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