Kleinanzeigen Heroes: Squier Obey Graphic Series

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Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.

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Squier Obey Graphic Series

Es war ein genialer Marketing-Schachzug: Um 2005 herum holten die Verantwortlichen von Squier die Streetart-Ikone Shepard Fairey ins Boot, um Gitarren für eine junge Generation zu designen, die vom bisherigen Angebot auf dem Gitarrenmarkt gelangweilt war.

Dabei spielte die E-Gitarre endlich wieder eine wichtige Rolle, denn Punk, Grunge & Alternative lieferten den Soundtrack für einen Lifestyle, der vor allem von Skateboarding, Streetart und dem Zeitvertrieb in den jeweiligen Communities geprägt war.

Musik war wieder Ausdruck von Protest und Individualität, sorgte für Identifikation mit dem Anderssein und transportierte ein starkes Gemeinschaftsgefühl der jeweiligen Communities. Und denen ging es vor allem darum, sich von der langweiligen Masse der Spießer und Karrieregläubigen abzuheben; weder Vergangenheit noch Zukunft zählten, sondern nur das Hier und Jetzt.

Shepard Fairey 2011 (Bild: Fuzheado)

Shepard Fairey war einer der angesagten Künstler dieser Szene und bewegte sich sowohl in der Welt der Streetart als auch in der des Skateboardings und der Musik – z.B. mit seiner Band Nøise. Bereits als Student an der Rhode Island School of Design erlangte er Berühmtheit durch seine Aufkleber „Andre The Giant Has A Posse“, aus der später die weltweite Obey-Giant-Kampagne hervorging.

Diese Kampagne hatte einen durchaus sozialkritischen Hintergrund. Das Wort „obey“ (englisch für „gehorchen“) forderte dazu auf, kritisch über den allgemeinen Gehorsam nachzudenken und ihn infrage zu stellen, um etablierte Normen und Autoritäten anzuzweifeln, zu kritisieren und das Bewusstsein für soziale und politische Themen zu schärfen. Shepard Fairey war die Ikone, die dem Marketing-Plan von Squier zu Aufmerksamkeit, künstlerischem Ausdruck, aber auch zu Street Credibility verhelfen sollte. Und genau das sollte auch passieren.

Obey Dissent HSS Stratocaster
Obey Collage HSS Stratocaster (Bild: Rebellius)

STICKER & PUNK

Squier war natürlich nur am Rande an den politischen Hintergründen der Obey-Kampagne interessiert. Ihnen ging es vor allem darum, diese neue Generation, die nur schwer über herkömmliche Wege zu erreichen war, für sich zu interessieren. Die neue Gitarrenserie sollte also zu denen passen, die alles hinterfragten und offen für Neues und Anderes waren.

Fairey knüpfte in seiner Arbeit für Squier an die Musik an, die ihn selbst am deutlichsten beeinflusst hatte – vor allem die englischen Punkbands der ersten Stunden, Bands wie The Clash, Sex Pistols oder The Damned. Shepard Fairey erzählt, dass er sich von Joe Strummers (The Clash) 1966er Telecaster zu seinen Squier-Obey-Designs inspirieren ließ: eine von unzähligen Punk-Gigs arg ramponierte Gitarre, übersät mit Aufklebern und im Punkjargon als „Ignore Alien Orders“-Tele bezeichnet – wie es ein fetter Sticker auf der Tele befahl.

Vorbild für die Obey Series: Joe Strummer und seine „Ignore Alien Orders“-Telecaster. (Bild: Joe Kerrigan)

Fairey entwarf für die geplanten Modelle drei verschiedene, vollflächige Oberflächenmuster, die mittels eines fotografischen Verfahrens auf die Gitarrendecke aufgebracht und abschließend mit Klarlack versiegelt wurden. 2005 ging die Squier Obey Graphic Series mit zwei Strats (HSS Dissent und HSS Collage) und zwei Teles (HS Collage und HS Propaganda) an den Start, preisgünstig hergestellt in Indonesien.

Obey Collage Telecaster HS (Bild: Rebellius)
Obey Propaganda Telecaster HS (Bild: Rebellius)

SPECS

Bei allen Gitarren der Serie wurden bewährte Duncan-Designed-Humbucker am Steg verbaut, und die sogenannte RustAndWorn-Hardware sorgte für einen charakteristischen Punk’n’Roll-Style. Soweit ich weiß, ist dies bis heute die einzige Squier-Serie, die werkseitig mit einer reliced Hardware angeboten wurde.

RustAndWorn-Hardware und Duncan-designed Humbucker bei allen Obey-Modellen (Bild: Rebellius)

(Bild: Rebellius)

Während bei allen vier Modellen Ahorn-Hälse mit Palisander-Griffbrett verwendet wurden, kamen beim Body je nach Gitarrentyp unterschiedliche Hölzer ins Spiel: Basswood (Linde) für die Strats und Agathis für die Teles – also durchaus passende Hölzer zur jeweiligen klanglichen Ausrichtung. Der squiersche Rotstift bescherte den Gitarren mehrteilige Bodys – bei einer Tele Collage zählte ich fünf, bei einer Strat Collage drei Stücke.

Während die Teles einen einteiligen Strat-Steg mit String-thrubody-Saitenführung haben, bekamen die Strats ein modernistisches 2-Punkt-Vibrato, das für mein Gefühl für die thematische Ausrichtung dieser Serie irgendwie deplatziert wirkt. Überhaupt scheint mir die Idee, eine Obey-Strat anzubieten, nicht die hellste gewesen zu sein. Denn keine andere Gitarre war in der alternativen Szene mehr verpönt als die Stratocaster, mit der die Eltern- und Großeltern-Generation ihren langweiligen Blues gezupft hatten. Aber gut – zumindest grüßte eine große Strat-Kopfplatte im Stil der 70er-Jahre majestätisch von oben!

Klanglich und spieltechnisch können die Gitarren der Squier Obey Series rundum überzeugen, wenn man angecrunchte oder verzerrte Sounds bevorzugt. Der Steg-Pickup wirft ein richtiges Pfund in den Ring, die jeweiligen Singlecoils agieren deutlich leiser und naturgemäß dünner – durchaus passend z.B. zu Arrangements der Alternative-Musik, wo oft cleane und voll verzerrte Sounds abwechseln. Für mich persönlich zählen die jeweiligen Hälse zu den Highlights dieser Serie – sie fühlen sich deutlich besser an als die meisten Squier-Hälse, die ich kenne. Profil und Beschaffenheit sind sehr gut getroffen.

Squiers Plan, mit der Obey-Serie bei einem Publikum zu landen, das sich einen Dreck um Vintage, Riegelahorn, Floyd Rose und andere vermeintliche Fehlentwicklungen der E-Gitarrengeschichte scherte, ist seinerzeit voll aufgegangen. Dazu trug ein weiterer, cleverer Schachzug bei …

Man war sich bewusst, dass viele dieser Kids nur äußerst ungern ihr Geld in einem dieser spießigen, uncoolen Gitarrenläden ausgeben wollten, in dem ihre Großeltern bereits ihre Strats gekauft hatten. Also schuf man die Möglichkeit, Obey-Graphics-Instrumente auch in Skateboard-Läden kaufen zu können! Also in den Läden, in dem es neben den Gitarren vor allem Decks, Rollen, Caps und die neuesten T-Shirts gab, und wo man unter sich und Seinesgleichen bleiben konnte.

PREISE

Obwohl die Gitarren der Squier Obey Graphic Series das Potenzial hätten, zu begehrten Sammlerstücken zu werden, scheint dies auf dem Markt noch nicht angekommen zu sein. Vielleicht passen ihr Design und ihr kritisch-politischer Hintergrund tatsächlich gerade nicht in unsere heutige glattgebügelte Welt? Glücklicherweise bedeutet das für uns, dass wir meistens nicht mehr als 300 Euro ausgeben müssen, oft sogar deutlich weniger. Gelegentlich tauchen zwar preistreiberische Angebote ab 600 bis hin zu 1200 Euro (!) auf, diese können jedoch getrost ignoriert werden.

Außerdem fällt auf, dass deutlich mehr Obey Telecaster als Stratocaster angeboten werden – ein klarer Hinweis darauf, dass weniger Strats als Teles verkauft worden sind. Was meine These von oben bestätigt, dass in dieser Serie das Strat-Modell eigentlich deplatziert war. Eine Obey Graphic Jazzmaster an der Seite der Telecaster hätte hingegen für ein mächtiges Ausrufezeichen in dieser Serie, die 2010 eingestellt wurde, sorgen können.


(erschienen in Gitarre & Bass 09/2023)

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