Die Perlen des Gebrauchtmarkts

Kleinanzeigen Heroes: Richwood Delta RE-415

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Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.

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Richwood Delta RE-415

(Bild: Heinz Rebellius)

Neulich hätte ich mir fast eine Richwood Delta RE-415 gekauft. Rund 400 Euro wurde gefordert, und diese Gitarre hatte sogar die Modifikation bereits hinter sich, die standardmäßig allen Low-Budget-Gitarren dieses Typus angedient wird – T.V.-Jones-Pickups.

Denn was wie Gretsch aussieht, soll ja schließlich auch wie Gretsch klingen. Nun gut, ich habe zu lange gezögert, die Richwood war dann plötzlich weg. Umso schöner, dass mir dann ein Freund offenbarte, er besäße solch eine Gitarre – und das im Originalzustand. Bitteschön, da ist sie!

WILD ORANGE

Richwood ist eine Marke, die sich eine holländische Handelsfirma ausgedacht und in Fernost hat herstellen lassen. Sie ist seit Jahrzehnten auf dem Markt und hat in dem Preissegment, in dem sie unterwegs ist, nicht nur den Ruf, gute Qualität zu bieten, sondern trotz low Budget auch vor reichhaltiger Ausstattung und opulenten optischen Features wie Quilted und Flamed Maple, Abalone, Tree-of-Life–Einlagen etc. nicht zurückzuschrecken. Ich kann mich noch gut an eine der seligen „Pimp your Cheapo“-Serien dieses Fachmagazins erinnern, in der André Waldenmaier aus einer wirklich spektakulär aussehenden Richwood RE-135, eine Les-Paul-Kopie, eine gut funktionierende Gitarre machte. Nachzulesen unter: www.gitarrebass.de/richwood

Richwood-Instrumente wurden in den Zeiten, aus denen diese RE-415 stammt, noch in Korea gebaut. Und ja, den guten Ruf dieser Marke bestätigt auch die Delta RE-415, ein Kind der sogenannten Artist Series von Richwood. Thematisch will sie vor allem bei dem Teil des Gretsch-Klientels wildern, der über einen geschrumpften Geldbeutel klagt. Doch wer sich die Gitarre genauer anschaut, wird nicht nur die gute Verarbeitung feststellen, sondern eine Konstruktion, die rein gar nichts mit Gretsch am Hut hat – bis auf die orangene Farbgebung und das original Bigsby B70. So besteht z. B. der Body aus größtenteils hohl gefrästem Mahagoni – nur der Bereich unter dem Steg bis hinunter zur hinteren Body-Kante ist stehengeblieben, neben einem ca. 3 cm starken Randstreifen, auf den eine Fichtendecke geleimt ist.

Die Richwood Delta hat sich also als ein völlig anderer Gitarrentyp entpuppt, als ich erst annahm. Das spiegelt sich auch in anderen Features wieder, wie z. B. dem weniger steil gestalteten Hals-/Korpus-Winkel. Die Saiten verlaufen dadurch in einem relativ geringen Abstand zur Decke und erlauben weder die Verwendung eines Aufsatzsteges noch die Montage eines Bigsby ohne Andruckrolle. Vielmehr werden die Saiten unter der Andruckrolle des B70 in einem recht steilen Winkel hoch zur Rollenbrücke geführt. Die Stimmstabilität ist für dezentes Schimmerwerk absolut okay, doch wenn man sie optimieren will, könnte man das B70 unterfüttern, sodass der Anstiegswinkel geringer wird.

Auszug aus dem Richwood-Katalog von ca. 2005 (Bild: Richwood)

Die Ausstattung ist üppig: Umfassendes Binding überall und Gold-Hardware lassen keine Wünsche offen. Aber auch klanglich kann die Richwood glänzen – die Humbucker klingen in allen Bereichen zwischen clean und stark verzerrt wie gute PAFs, ihre Sounds liegen im attraktiven Zwischenraum zwischen ES-335 und Gretsch 6120. Auffällig istnoch die Sattelbreite von 43,4 mm, passend zu dieser recht großen Gitarre (maximale Breite des Unterbugs: 37,5 cm). Damit ist sie etwas kleiner als eine ES-335 und etwas größer als eine Duesenberg Starplayer TV. Mit 5 cm Zargenstärke trägt sie etwas dicker als die beiden anderen auf, was aber ihrer Handlichkeit nicht schadet, da ihr Rücken flach und eben nicht gewölbt ist. Und schlanker als eine Gretsch ist sie allemal.

Wer eine Gitarre sucht, die optisch an Gretsch und Duesenberg erinnern will, aber klanglich eher in Richtung Thinline und Semiakustik geht, der findet hier alles, was er braucht. Wer doch mehr in Richtung Gretsch-on-a-budget geht, der sollte seine Fühler nach einer Richwood Greaser RE-480 ausstrecken, denn dieses Modell hat all das, was solch ein Gitarrentyp erfordert.

Bigsby, Rollenbrücke, Master-Volume am Cutaway … (Bild: Heinz Rebellius)

PREISE

Im Jahr 2005 hat die RE-415 neu 575 Euro gekostet, ohne Koffer. Heute wird sie zwischen 350 und 450 Euro gehandelt – das ist ein richtig guter Preis für eine außergewöhnliche Gitarre.


(erschienen in Gitarre & Bass 10/2022)

Produkt: Gitarre & Bass 5/2022 Digital
Gitarre & Bass 5/2022 Digital
IM TEST: Zoom B6 +++ Framus Wolf Hoffmann WH-1+++ Valco FX KGB Fuzz, Bloodbuzz und Five-O +++ Sandberg California Central +++ Origin Effects Bassrig +++ Lava ME 2 Freeboost & ME 3 +++ One Control Strawberry Red +++ Fender Player Plus Meteora HH & Active Meteora Bass +++ Marshall 2525H & JVMC212 Black Snakeskin LTD

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