Die Perlen des Gebrauchtmarkts

Kleinanzeigen Heroes: ProCo The Rat – für Bass

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Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.

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(Bild: Proco)

ProCo The Rat

Von den 1960ern bis 1980ern zeigte die Kurve bei den Gitarren-Sounds vor allem in eine Richtung: mehr Verzerrung! Bei den Bass-Amps ging es dagegen genau umgekehrt: weniger Verzerrung! Die technischen Unzulänglichkeiten der 60er wurden allmählich hinter sich gelassen, Röhrenmonster von Ampeg oder Transistor-Boliden von Acoustic beherrschten die großen Bühnen, bis schließlich in den 80ern Marken wie Trace Elliot für eine neue Dimension klarer Basswiedergabe sorgten.

Aber nicht alle folgten diesem Ideal immer sauberer Sounds. Entweder aus der Erkenntnis heraus, dass die zerrigen Sounds von einem dem Bass nicht gewachsenen Röhren-Amp doch ihren Reiz hatten, oder schlicht aufgrund einer anders angelegten Sound-Ästhetik.

Schließlich hatten schon Idole wie Jaco oder Larry Graham immer mal wieder zum Fuzz gegriffen, um den Bass besonders dramatisch hörbar zu machen. Neben Pedalen wie zum Beispiel dem Electro Harmonix Big Muff etablierte sich schnell die ProCo Rat als Evergreen der Bassverzerrung.

POSSIERLICHE NAGETIERE

Deren Heimat war ein Keller (selbstverständlich, was auch sonst?) in Kalamazoo, Michigan, einer Stadt, die ansonsten vor allem als Geburtsort und langjährige Fertigungsstätte von Gibson bekannt ist. Die ersten Ratten entstanden 1978 in Handarbeit und in einer Kleinstserie von zwölf Stück inklusive eines Prototypen. Das erste Serienmodell hörte auf „The Rat“ und bot Regler für Distortion, Tone, und Volume. Die zweite Version hatte statt des Tonreglers, der im Uhrzeigersinn gedreht die Höhen anhob, einen Filterregler, der in die gleiche Richtung die oberen Frequenzen wegnahm. Bei dieser etwas kuriosen Regelung, bei der ganz zugedreht der höchste Treble-Anteil zu hören ist, blieb es in der Folge. Nach den beiden großen Metallkisten verlor die Ratte 1984 den Artikel und schrumpfte auf ein freundlicheres Format. Änderungen in der Schaltung gab es dabei auch, subtil unterschiedliche Sounds sind die Folge.

1988 schließlich wurde nochmals das Logo überarbeitet, eine rote LED zeigte nun aus dem A an, ob das Pedal in Betrieb ist. In dieser Form ist der Treter im Prinzip bis heute erhältlich, allerdings ist seit 2002/2003 die Oberseite nicht mehr gerade, sondern leicht abgeschrägt. Während das eher kosmetischer Natur ist, war es eine weitere zu dieser Zeit vorgenommene Veränderung nicht: Der ursprünglich verwendete IC vom Typ Motorola LM308 war nicht mehr verfügbar und musste ersetzt werden. Aus diesem Grund suchen Sammler vor allem die älteren Exemplare. Aber keine Bange: Zum einen sind NOS-ICs noch zu bekommen, zum anderen klingen auch die aktuellen Pedale eindeutig „rattig“.

RATTUS BASSICUS

In seiner Bauweise mit zwei ineinandergreifenden Metall-U-Profilen gehört das Rat-Pedal definitiv in die Kategorie, mit der man ohne Bedenken Nägel in die Wand schlagen kann. Entsprechend gewichtig ist es dann auch. Aber dadurch, und dank seines einfachen Aufbaus, gehört die Ratte in die Abteilung unkaputtbar – maximal müssen die Potis mal gereinigt werden.

Wie so viele gerade ältere Gitarren-Pedale dünnt auch die Ratte den Bassbereich aus. Also gar nicht so gut für den Bass zu gebrauchen? Doch! Zum einen kann es, je nach musikalischem Umfeld, in dem man das Pedal nutzt, sogar von Vorteil sein, den Bass in der Zerre etwas zu zügeln, und dadurch mehr Durchsetzungsfähigkeit zu gewinnen. Zum anderen gibt es ja einen mittlerweile großen Markt an Pedalen, die einem selbst vollverzerrten Ton ein klares Signal beimischen. Entweder Fullrange wie beim Boss LS-2, Lehle Parallel SW II oder FF-Audiotechnik Royale TS, oder nach Frequenzbändern aufgeteilt wie beim KMA Tyler, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Auch Modifikationen sind (sogar ohne Löten) möglich, die die Rat in Richtung Overdrive mit höherem Bassgehalt bringt. Zur Ratte gibt es auf unserer Homepage im Archiv unter „Effektiv! Distortion: ProCo The Rat“ (12/2015) einen Artikel zur grundlegenden Schaltung, zur Modifikation einen unter „Hot Rod Mod: ProCo The Rat“ (02/2015).

PREISE

Da die Schaltung so einfach wie beliebt ist, gibt es etliche Nachbauten, zum Teil auch gleich basstauglich. Auch ProCo selbst ist die Bass-Fangemeinde nicht verborgen geblieben, also wurde der Juggernaut auf den Markt gebracht, der direkt einen Cleanblend eingebaut hatte – aber leider im Werkszustand wenig befriedigend klingt.

Da lohnt sich eher die Suche nach einem Original. Neben irrsinnigen Sammlerpreisen findet man da durchaus immer mal wieder Originale aus den 90ern für unter 100 Euro. Die aktuelle Ratte kostet gerade mal 85 Euro, gebraucht geht sie für 60 bis 70 Euro weg. Wenig Geld für einen haarigen Basston von gepflegtem Kurzhaar bis zu verfilzt dreckigem Pelz.


(erschienen in Gitarre & Bass 12/2021)

Produkt: Gitarre & Bass 12/2022 Digital
Gitarre & Bass 12/2022 Digital
Im Test: J. Rockett Uni-Verb +++ G&L Fullerton Deluxe LB-100 +++ Dowina Albalonga GACE HiVibe +++ Nik Huber Bernie Marsden Signature +++ Fender Acoustasonic Player Telecaster +++ Gibson Dave Mustaine Signature Flying V +++ Börjes JB-Custom 5 DLX-Multiscale +++ EarthQuaker Devices Ghost Echo by Brain Dead +++ Blackstar St. James 50/EL34 112 Combo +++ Harley Benton Double Pedal Series

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