The real Jazzmaster

Japan Vintage: 1984 Fender D’Aquisto Elite

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Jazz-Fans unter Fender-Spielerinnen und Spielern sind eher die Ausnahme, und interessanterweise gibt es mit Ed Bickert und Mike Stern ausgerechnet zwei prominente Telecaster-User mit II-V-I-Bezug. Dabei gab es doch die Fender Jazzmaster, die alte Mogelpackung, die aber bei J Mascis und Tobias Hoffmann wirklich besser aufgehoben ist. Wobei letztgenannter in seinen Surf- und Soundtrack-affinen Instrumentals gar nicht so weit vom wahren Jazz weg ist – das aber auch bei Stratocaster- und Jaguar-Einsatz. Harte Zeiten für Dogmatiker …

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Mit einem Instrumententyp hat sich Fender – zugegebenermaßen nur als Ideenumsetzer – aber sehr eindeutig in Richtung der Jazz-Szene bewegt: Es geht um die großartige Archtop D’Aquisto Elite. Diese Gitarre geht zurück auf Jimmy D’Aquisto, den letzten und berühmtesten Auszubildenden und Mitarbeiter des legendären Master-Luthiers John D‘Angelico.

LEHRJAHRE

Am 09. November 1935 wurde James L. D’Aquisto in Brooklyn in eine italoamerikanische Familie geboren. Seine Gitarrenbauer-Karriere startete tatsächlich 1951 mit einem Besuch in D’Angelicos Ladenlokal – 1952 begann seine Ausbildung zum Werkstattfeger, Bierholer und letztendlich auch Instrumentenbauer. Nachdem John D‘Angelico 1959 einen Herzinfarkt erlitten hatte, trennte er sich von seinen Mitarbeitern und schloss das Geschäft.

Jimmy D’Aquisto, der keinen neuen Job gefunden hatte, konnte seinen Lehrmeister aber nach einiger Zeit dazu überreden, weiterzumachen. Leider wurde der legendäre John D‘Angelico nie wieder wirklich gesund, und nach mehreren weiteren Herzinfarkten und einer Lungenentzündung starb er am 01. September 1964 im Alter von nur 59 Jahren. Jimmy D’Aquisto blieb die Aufgabe, die letzten zehn in Arbeit befindlichen Archtops fertigzustellen und an die Kunden auszuliefern. Dann entschloss er sich, das Geschäft von den Erben zu übernehmen, verlor aber kurz darauf das Recht, den renommierten Namen „D’Angelico“ weiter zu nutzen.

SELBSTSTÄNDIG

„D’Aquisto Guitars“ war geboren und wurde schnell erfolgreich: Joe Pass, Grant Green und Jim Hall waren Jimmys Kunden – und diese Namen waren schon eine Bank in der Jazz- und Archtop-Szene. 1966 zog D’Aquisto dann mit seiner Werkstatt erst nach Huntington, Long Island um, zwei weitere Stationen folgten.

Jimmy schien getrieben zu sein, auch von der panischen Angst, dass er im gleichen Alter wie sein Lehrer sein Leben verlieren könnte. Tragischerweise geschah genau das Befürchtete: Er starb am 17. April 1995 im Alter von 59 Jahren. Wie auch die D’Angelico-Gitarren wurden Jimmy D’Aquistos handgebaute Archtops nach seinem Tod zu Fantasiepreisen gehandelt. Schnell kosteten sie mehrere 10.000 US-Dollar, für Spitzenmodelle sollen Sammler bis zu 500.000 Dollar bezahlt haben.

HAGSTROM

Wie gut, dass diese wunderbare Gitarrenbaukunst auch für Normalverdienende nicht ganz unerreichbar blieb: Denn Fender hat mit seinen D’Aquisto-Modellen genauso bezahlbare Denkmäler geschaffen wie der schwedische Hersteller Hagstrom mit seiner „Jimmy“. Noch schöner ist, dass diese Zusammenarbeit nicht etwa ein posthumes Lizenzgeschäft war, sondern noch direkt auf Jimmy D’Aquisto zurückging, der seine Instrumente auch für ganz normale working musicians zugänglich machen wollte.

Bereits 1968 hatte D’Aquisto auf Anfrage der schwedischen Firma Hagstrom einige neue Archtop-Jazz-Gitarren entworfen. Das Modell „Jimmy“ kam 1969 raus: ein handliches 16-Zoll-Modell mit einer etwas schmaleren Zarge und einer laminierten Fichtendecke. Korpus und Hals waren aus Birke gefertigt, das eingefasste Griffbrett bestand aus Palisander. Die Kopfplatte war im barocken D’Aquisto-Stil gehalten, so auch der Saitenhalter. Das neue Instrument hatte zwei Tonabnehmer, und von diesem ersten Modell wurden in Schweden angeblich 480 Gitarren gefertigt.

Hagstrom-Prospekt von 1975

Erst 1976 kam es zu einer erneuten Zusammenarbeit von Hagstrom und D’Aquisto, und die aktualisierte Jimmy hatte jetzt einen zweiteiligen Birkenhals mit mittigem Mahagonistreifen und protzige Grover-Imperial-Tuner an der Kopfplatte. Die Gitarre war in Cherry, Sunburst, Golden Sunburst, White und Natural erhältlich und sollte die elektrische Jazz- und Fusion-Szene ansprechen. Zwischen 1976 und 1979 wurden mehr als 1.200 dieser Instrumente gebaut. 1977 kam noch ein weiteres von D‘Aquisto entworfenes Modell mit rundem Schallloch (anstelle der klassischen F-Holes) ins Portfolio, von dem nur etwa 350 Stück produziert wurden.

FENDER

In den 1980er-Jahren kam es zu Jimmy D’Aquistos zweitem Kooperationsprojekt: Er sollte einen Teil der neuen „Fender Master Series“ entwerfen. Zu diesen Masterpieces gehörten u. a. die von Dan Smith entworfenen Solidbody-Modelle Esprit und Flame sowie die D’Aquisto-Archtops. Ursprünglich war geplant, letztere im Fender-Werk in Fullerton herzustellen. Letztendlich landete die Produktion dieser neuen Fender-Instrumente mit eingeleimtem Hals (die mit Gibson konkurrieren sollten) dann 1984 bei FujiGen Gakki, der japanischen Fabrik, die für die Herstellung von Ibanez-Instrumenten und auch der hervorragenden Fender-Japan-Linie bekannt war.

Neben der Fender D’Aquisto Standard mit zwei Pickups (die einige Parallelen zum weiter oben genannten Hagstrom-Modell aufwies), gab es noch die D’Aquisto Elite mit einem Pickup und die ähnliche D‘Aquisto Ultra, von der zwischen 1984 und 1987 aber nur ca. 25 bis 30 Modelle gefertigt wurden – die mit handgeschnitzter massiver Fichtendecke, Maple-Neck, Ebony-Griffbrett und schönem Iced-Tea-Sunburst-Finish absolute Highlights unter den japanischen Archtops sind.

Die D’Aquisto Elite wurde nur zum Start der Linie gebaut. Ihre Produktion begann 1984 im Custom-Shop von Fender Japan, bei FujiGen. Angeblich war Jimmy D‘Aquisto noch persönlich am Bau dieser ersten Serie beteiligt, was aber nicht konkret zu belegen ist. Die komplette japanische Elite-Produktion war jedenfalls für die USA bestimmt. Diese Gitarren hatten einen neuen Tonabnehmer mit mattschwarzer Kunststoffhülle und einer doppelten Reihe von Pole-Pieces; sie waren speziell von D‘Aquisto entworfen worden und wurden von Schaller gefertigt.

Ab 1989 gab es noch mal eine Reissue-Serie der Elite. 1994 übernahm dann der amerikanische Fender Custom Shop eine Zeitlang den Bau der D’Aquisto und stellte zwei verschiedene Modelle mit handgeschnitzten Fichtendecken her. Eine von Masterbuilder Stephen Stern gebaute Elite habe ich mal im Netz für knapp 13.000 Dollar entdeckt. Mmh. Und dann waren sie irgendwann Geschichte.

Jimmy D’Aquisto und Robben Ford in einem Fender-Katalog aus den 1980er-Jahren

ELITE

Mit der Fender D’Aquisto Elite hatte es der amerikanische Hersteller geschafft, ein elegantes, dazu handliches und sich dezent von der Gibson-Tradition absetzendes, modernes Archtop-Modell auf den Markt zu bringen. Die Kopfplatte hatte ein erweitertes Open-BookDesign, und anstelle der Metall-Tailpieces der Konkurrenz hatten Fenders D’Aquistos aus Ebenholz geschnitzte Saitenhalter, die etwas an den einer Violine erinnerten.

Die D’Aquisto Elite im seriösen Klavierlack-Finish

Die Elite besaß ein Griffbrett aus Ebenholz, Blockeinlagen und einen Humbucker-Pickup in der Halsposition. Dieses Modell wurde zeitweise auch von Jazz-Legende Jimmy Raney und seinem Sohn Doug gespielt, ansonsten war die Gitarre aber offensichtlich kein echter Markterfolg. Die auf der vorherigen Seite zu sehende, schöne Fender D’Aquisto Elite Archtop im Two-Tone-Sunburst wurde 1984 gebaut.

HOMECOMING

Ich liebe Archtops mit einem Pickup! Solche Instrumente strahlen einfach eine besondere Klarheit aus, und außerdem lassen sie kaum eine andere Wahl, als sich aufs Spielen zu konzentrieren. Das abgebildete Sunburst-Modell hat schon eine kleine Reise hinter sich. Ursprünglich gehörte meine Fender D’Aquisto Elite mal dem großartigen Jazz-Gitarristen Lorenzo Petrocca, der sie weiterverkaufte, und dann landete sie vor ca. zehn Jahren irgendwann bei mir. Ein tolles Instrument, das ich eine Zeitlang sehr sehr viel gespielt habe.

Irgendwann habe ich im G.A.S.- Aufräumwahn – vermutlich weil ich Geld für eine andere Gitarre brauchte und mir das Sunburst-Finish nicht mehr so ganz gefiel – die schöne Elite an Jakob Schulze, den Gitarristen der Hamburger Punkrock/Crossover-Band „Swiss + die Andern“ verkauft. Mit einem Zettel im Zubehörfach, auf dem stand „… und wenn du sie mal wieder loswerden möchtest, melde dich zuerst bei mir!“ Da waren also doch schon dezente Zweifel im Spiel, ob das alles so richtig war …

Jakob wollte also auch mal jazzen und hat diese Gitarre anscheinend auch ein paar Jahre gespielt. Meinen Zettel muss er aber übersehen oder vergessen haben, und so wanderte die dicke Fender weiter zu Henrik Kolenda, einem anderen Hamburger Profi-Gitarristen. Henrik meldete sich dann Ende 2022 bei mir mit einem Hinweis auf seine eBay-Kleinanzeige, in der ich meine alte D’Aquisto Elite wiedersah! „Du warst so blöd …“, dachte ich über mich, kratzte das Geld zusammen und irgendwann war sie dann wieder da. Glücklich, auch ein paar wirklich gute Musiker in ihrem Leben getroffen zu haben, bevor sie zurück zum Sofakantenspieler musste. 😉

Die D’Aquisto Elite ist eine wirklich originelle, gut aussehende und hervorragend klingende, moderne Archtop, mit der man aufgrund ihrer schlanken Konstruktion auch als Solidbody- oder Semiacoustic-Player zurechtkommt. Und sie klingt! Hier haben Ideen eines genialen Gitarrenbauers und die japanische Handwerkskunst perfekt zueinandergefunden.

Natürlich sind weder die Hagstrom Jimmy noch die Fender D’Aquisto ganz echte James-D’Aquisto-Gitarren – denn er hat sie wohl in der Regel nie zu Gesicht bekommen. Aber er hat sie entworfen und ganz sicher darauf geachtet, dass sein Name nur auf einem hochwertigen Produkt steht. Thank you, Jimmy! Mehr demnächst!

FEATURES

● 16″-Korpus
● Zargenhöhe ca. 7 cm
● laminierte Fichtendecke
● Hals, Zargen und Boden aus Ahorn
● 24 3/4″-Mensur (wie eine Gibson ES-175)
● Halsbreite: 1. Bund 44 mm / 12. Bund 53 mm
● Ebenholz-Griffbrett
● Ebenholz-Saitenhalter und -Reglerknöpfe
● Schaller D‘Aquisto Humbucking-Pickup
● Schaller-Mechaniken mit Fender-Aufdruck und Ebenholz-Flügeln

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2023)

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