Schurkenstücke

Gefälschte Vintage-Martin-Gitarren

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Fälschung einer 1932er OM-28

Mit Sammlern und Sammlerinnen kann man es ja machen. Sie sind immer auf der Jagd nach neuen Stücken, die ihre Kollektion komplettieren sollen. Dabei wird vielen oft ein mehr oder weniger ausgeprägter Charakterzug zum Verhängnis: Nennen wir es Gier, die einsetzt, wenn ein besonderes Exemplar auf dem Markt auftaucht. Wenn die Gier dann das Denken und Handeln dominiert, setzt oft der rationale Verstand aus oder wird auf Sparflamme reduziert.

So funktioniert der Sammlermarkt mit seinen speziellen Nischen im Netz, in Foren oder bei Auktionen. Alles an sich noch nicht so schlimm, wenn es nicht immer wieder Fälschungen der begehrten Objekte gäbe, die einem gründlich die Laune verhageln können. Und gefälscht wird alles und jedes, was dem Sammler vermeintlich Freude macht: Uhren, Autos, Wein, Kunstwerke – Hauptsache alt, sammelnswert und vor allem teuer.

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Je mehr Profit zu erzielen ist, desto aufwendiger und raffinierter werden die Nachahmungen. Bei Uhren sind die Fälscher mittlerweile so versiert, dass kaum noch ein Uhrmacher in der Lage ist, z. B. Exemplare der Marke mit dem „R“ sicher zu identifizieren. In der Malerei gibt es Bilder, bei denen selbst die größten Experten versagt haben und große Museen kleinlaut wurden.

Wenn man sich auf dem Markt für alte Gitarren umschaut, ist es nur logisch, dass auch hier die Schurken unterwegs sind. Alte Modelle von Fender sind automatisch verdächtig, da am einfachsten zu fälschen, zumal sich die Firma bei Neuware teilweise große Mühe gibt, die Bauteile schon ab Werk fachgerecht zu ramponieren, damit sie alt aussehen. Die Hersteller sind stolz auf „antik“ wirkende Instrumente, machen extra Profit und die Fälscher nehmen es dankbar entgegen. Für alle gibt es viel zu verdienen.

Okay, über falsche Strats, oder Les Pauls wundert sich kaum noch jemand (es sei denn, er hat eine für viel Geld erworben). Martin-Gitarren aus der Vorkriegszeit standen bislang nicht unbedingt im Verdacht, aus unseriösen Quellen zu stammen. Der Kundenkreis ist, verglichen mit E-Gitarren, deutlich kleiner und Akustikgitarren haben längst nicht so ein Image als Statussymbol. Soll nicht heißen, es gäbe keine Interessenten und wo potentielle Kundschaft existiert, lauern auch die Ganoven.

MARTINS GOLDENE ÄRA

Bei E-Gitarren gelten Modelle aus den 50erund frühen 60er-Jahren als Inbegriff einer hochwertigen Vintage-Gitarre und sind bei Sammlern ganz oben auf der Einkaufsliste, entsprechendes Bankkonto vorausgesetzt. Bei Instrumenten von Martin wecken die Jahrgänge 1925 bis 1940 die größten Begehrlichkeiten. Bis etwa 1925 waren die Gitarrenbauer bei Martin in erster Linie der Tradition verpflichtet und wenig experimentierfreudig. Der Markt für Flattop-Gitarren war noch überschaubar. Gibson machte in jener Zeit den Hauptumsatz noch mit Banjos und Mandolinen.

Seit etwa 1916 hatte Martin vor allem die Produktion von Ukulelen im Blick, um die Vorliebe für hawaiianische Musik zu bedienen. Gibson baute immer schon akustische Gitarren mit Stahlsaiten, und den stetig wachsenden Erfolg dieser Instrumente konnte man in Nazareth, Pennsylvania irgendwann nicht mehr ignorieren. Akustische Gitarren mit Stahlsaiten schienen die Zukunft zu sein. Also begann auch Martin seine Gitarren zu modifizieren.

Verglichen mit den herkömmlichen Darmsaiten – Nylonsaiten gab es noch nicht – hatten Metallsaiten stärkere Zugkräfte. Die Instrumente mussten also stabiler beleistet oder gleich neu konstruiert werden. Einige Modelle gab es anfangs noch in zwei Versionen, für Darm- oder Metallsaiten. Aber die Zeit der Darmsaiten ging zu Ende. Neue Modelle kamen auf den Markt, längere Mensuren, 14-Bund Hälse und größere Korpusse. An der Spitze der Modellpalette rangierten Anfang der 1930er-Jahre die Orchestra-Modelle OM und die Dreadnoughts. Und alles aus diesen grob 15 Jahren, von 1925 bis 1940/41 gehört zum gesuchtesten, was es auf dem Vintage Markt gibt. Es ist Martins goldene Ära. Auf dem Sammlermarkt werden die Gitarren praktisch mit Gold aufgewogen.

DIE SCHURKEN KOMMEN INS SPIEL

Wie gesagt, der Kreis an betuchten Liebhabern alter Martins ist erheblich kleiner als etwa der von Teles, Strats oder Les Pauls, aber es gibt sie. Sicherlich in erster Linie in den USA. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass Fälschungen von Martin-Gitarren aus Europa kommen und hier vermarktet wurden. Die Spur führt nach Frankreich.

Zum jetzigen Zeitpunkt sind etwa 15 Exemplare dokumentiert, fast alle denkbaren modernen Korpusgrößen (0, 00, 000, OM,) 12-Bund, 14-Bund, alle Stile (18, 28, 40, 42, 45). Sicherlich sind noch einige unentdeckt. Das klingt nach einer geringen Stückzahl, aber jedes einzelne Stück ist für einen fünfstelligen Betrag angeboten und verkauft worden. Die Preisspanne dürfte, je nach Modell zwischen mehr als 10.000 und mehr als 50.000 Euro gelegen haben – und schon sind wir bei einem Gesamtumsatz im sechsstelligen Bereich.

Die Instrumente sind heute von Experten eindeutig als Fälschungen identifiziert, über die Hintergründe, die Abläufe, Verkäufer und Käufer gibt es hingegen nach wie vor nur Spekulationen. Die Initiatoren der Fälschungen sollen von Frankreich aus tätig geworden sein, von dort gingen offenbar Bauaufträge nach Osteuropa. Sehr viel mehr Erkenntnisse gibt es bislang noch nicht, denn die Drahtzieher sind untergetaucht und nicht mehr auffindbar. In Osteuropa gingen die Handwerker nach Vorlagen auf Fotos an die Arbeit und bauten Fälschungen einzelner Martin-Modelle so gut sie es konnten. Materialien wie Holz, Mechaniken und Inlays wurden offenbar zugeliefert.

All das kann man aus dem Katalog im Versandhandel für Instrumentenbauer bestellen. Der Vertrieb wurde wieder in Frankreich organisiert, auch über Zwischenhändler, die in Deutschland agierten. Und natürlich bot auch das Internet willkommene Hilfestellung: Bis vor kurzem war sogar noch eine Annonce auf einer einschlägigen Verkaufsplattform im Netz zu sehen. Der Händler hatte angeblich ein Ladengeschäft in Südfrankreich, allerdings ist dies jetzt auch nicht mehr auffindbar.

Fälschung einer 1927er 00-45
Fälschung einer 1927er 0-45
Fälschung einer 1934er 000-28
Fälschung einer 1929er 000-28

 

NACHLÄSSIGKEITEN

Es ist nicht einfach, eine falsche Martin zu entlarven. Man muss schon eine ganze Menge von Originalen gesehen, in der Hand gehabt oder sogar repariert haben, um die Unstimmigkeiten zu erkennen. Mehr oder weniger sichtbare Fehler hat jede der Fälschungen. Zum Beispiel ist das Deckenholz falsch. Originale sind mit Red Spruce (aka Adirondack Fichte) gebaut. Dieses Holz ist nur noch sehr schwer zu bekommen, da die Vorräte abgeholzt sind. Gängiges Deckenholz ist deshalb seit Jahrzehnten Sitka Fichte. Ein Gitarrenbauer sieht den Unterschied und er sieht auch, ob es sich um minderwertiges oder hochwertiges Holz handelt. Rio-Palisander oder ähnlich aussehender indischer Palisander sind hingegen noch aufzutreiben.

Unter Umständen wurde auch das falsche Material für das Schlagbrett genommen, manchmal sind historisch falsche Mechaniken verbaut, Decken- oder Bodenwölbungen stimmen nicht, die Verzierungen/Einlagen passen nicht oder sind schlampig ausgeführt. Es ist nicht bekannt, wer der oder die Handwerker waren, die im Auftrag der Franzosen tätig waren. Sie scheinen aber nach Vorlagen-Fotos gearbeitet zu haben und haben dabei unter Umständen ungewollt auch Umbauten, Reparaturen oder Modifikationen eins zu eins übernommen.

Im Netz war eine originale Martin 00-45 von 1920 zu sehen. Ihr Steg hatte nachträglich zusätzliche Einlagen bekommen, ein verziertes Schlagbrett war aufgeleimt worden und hinter dem Steg befand sich eine Elfenbein-/Knochenleiste. Alles auf den Fotos im Netz gut sichtbar. Und genau so wiederzufinden auf einer Fälschung, die als 00-45 von 1927 verkauft wurde. Kenntnisse über historische Martins waren bei den Handwerkern eben nur rudimentär vorhanden. Sie haben gebaut, was sie auf Bildern sahen oder was sie für richtig hielten.

Exemplare, die aus den 1920er-Jahren stammen sollten, haben teilweise einen Stahlstab im Hals – das gab es aber bei Martin erst ab etwa 1934. Auffällig ist bei den falschen Gitarren deshalb das hohe Gewicht. Echte Martins sind in der Regel federleicht. Ob mit oder ohne Stahlstab, es gibt ein Indiz, mit dem auch der Laie eine gefälschte Gitarre mit einem Blick durchs Schallloch enttarnen kann: alle Gitarren haben im Halsblock ein rundes Loch unterhalb der Decke, welches mehr oder weniger dilettantisch verdübelt ist.

Offenbar wurden beim Bau Rohlinge für den Halsblock verwendet, die über den Versandhandel bezogen wurden. Hier ist das Loch vorgebohrt, denn bei modernen Gitarren liegt hier der Zugang zum Halsstab. Aber eben nicht bei historischen, echten Martins! Auf diesem Halsblock findet sich auch die Seriennummer, welche bei den falschen oft schlampig eingestanzt ist.

Halsklotz mit grob verdübeltem Bohrloch sowie schlampig gestanzter Seriennummer

Echte Martins haben bis Baujahr 1934 sogenannte Barfrets im Griffbrett – einfache Stahlleisten, die ins Holz geschlagen wurden. Erst dann kamen „T-Frets“ zum Einsatz, so wie sie bis heute überall verwendet werden. Diese T-Frets finden sich auf allen bislang bekannten Fälschungen. Nun könnte man auch meinen, dass die Gitarren aufgrund ihres Alters einfach irgendwann neu bundiert worden sind. So einfach ist es aber nicht! Man kann die alten Bünde nicht mal eben gegen moderne austauschen. Die Barfrets benötigen einen Schlitz im Griffbrett von ca. 1,5 mm – sehr viel mehr als ein T-Fret. Moderne Bünde finden in den alten Griffbrettern keinen Halt. Also, mit einer Gitarre, die vor 1934 gebaut worden sein soll und moderne Bünde im Griffbrett hat, stimmt offenbar etwas nicht.

Kopfplatte mit zu stark gerundeten Kanten und schlecht ausgeführten Einlegearbeiten

UND NUN?

Ein Original von einer Fälschung unterscheiden, kann letztendlich sicher nur ein Fachmann, ein Gitarrenbauer, vielleicht ein Fachhändler. Die Firma Martin weiß von den diversen Fälschungen, will aber offiziell dazu nicht Stellung nehmen. Was soll der Betrogene machen? Ist die faule Gurke erst einmal erworben, wird es problematisch. Es gibt Fälle, da haben die Händler das Geld in voller Höhe zurückerstattet. Die Androhung schmerzhafter juristischer Konsequenzen hilft allerdings nur, wenn der Verkäufer nicht abgetaucht und unauffindbar ist.

Zum hohen finanziellen Verlust kommt dann auch noch der Schmerz, übers Ohr gehauen worden zu sein. An dem gefälschten Instrument hat man mit Sicherheit keine Freude mehr, mag es auch noch so gut klingen. Schließlich fällt es den wenigsten Musikern leicht, sich für eine solche Investition zu entscheiden. So was macht man vielleicht einmal im Leben. Es tut weh, aber genau wie bei gefälschten Autos, Uhren, Wein oder Kunstwerken, es ist nicht immer das, wonach es aussieht. Manchmal ist das Objekt der Begierde echt falsch.

Danke an Willi Henkes (Antique Acoustics Tübingen) und Adrian Gosmann (BTM Guitars Nürnberg) für die Unterstützung bei der Recherche.

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2022)

Produkt: Gitarre & Bass 2/2023 Digital
Gitarre & Bass 2/2023 Digital
Im Test: J&D DX-100 +++ Jimmy Wallace Guitars MT +++ Solar Guitars AB1.4JN +++ Fender Acoustasonic Player Jazzmaster +++ Vintage Historic Series +++ Tech 21 SansAmp Character Plus Series +++ Baroni AFK150 +++ Paul Belgrado NaNo B4 Shortscale +++ Harley Benton MV4-PJ Gotoh BM +++ British Pedal Company Dumble Overdrive Special +++ JHS Packrat

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Einem Musiker passiert sowas hoffentlich nicht. Und mit dem Sammler, der das Stück “wood and steel” nur in den klimatisierten Schrank stellt, muss niemand Mitleid haben – im Gegenteil: Dadurch, dass er eine gewisse Zeit aus dem Rennen ist, hat er vielleicht einem Musiker die Chance gelassen, doch noch ein Original zu erwerben.

    Aber warum fallen Musiker auf diese Vintage-Legenden herein? Warum trauen sie nicht einfach ihren Ohren und dem Spielgefühl? Womöglich boostert es das Selbstvertrauen eines Musikers, wenn er auf einem legendären Intrument spielen kann. Das wäre wohl ein legitimer Grund – je nach Sichtweise aber auch ein bisschen armselig. Der Zweck heiligt die Mittel.

    Ich stehe da mehr auf die Geschichten von Gary Moore et al., die sich die ersten blutigen FInger der Legende nach auf einer No-Name mit 1cm Saitenabstand auf Bund XII geholt haben. Sollen sich die Sammler doch gerne auf solche Instrumente stürzen! Dann kommen sie wenigstens nicht in Versuchung, mit ihren Schwitzgriffeln die wirklich edle Ware zu kontaminieren.

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  2. Wer sich in diesem extrem hochpreisigen Markt bewegt und sich so wenig informiert, dass er auf solch plumpe Fälschungen reinfällt, dem ist nicht zu helfen!

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    1. Dazu muss man aber erst mal wissen, dass es überhaupt Fälscher und Fälschungen gibt. Davon ist vielen leider nichts bekannt. Und längst nicht jeder Musiker, vor allem im Hobby-/Freizeitbereich, liest Fachmagazine oder treibt sich in den einschlägigen Foren herum. Muss man diesen Leuten einen Vorwurf machen, nur weil sie ahnungslos an einen Kauf herangegangen sind? Wer gut informiert ist, der ist natürlich gewarnt und weiß sich zu helfen. Wer aber keinen Verdacht hegt und nicht weiß, was so alles an Fakes angeboten wird, der wird eben leicht zum Opfer. Wie erreicht man aber solche Leute? Durch Artikel wie diesen. Über Gespräche mit anderen Musikern, persönlich oder im Internet, oder natürlich im seriösen Fachhandel.

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  3. Da es bei einem Musikinstrument ja immer vorrangig um Spielbarkeit und besonders den Klang geht, ist es nicht zu verstehen, warum so ein Kult um diese alten Teile gemacht wird, denn dass diese grundsätzlich und immer klanglich alle neu gebauten überragen, ist absolut unbewiesen!
    Also Leute, nehmt eine Gitte in die Hand, fühlt sie, spielt sie, hört sie, und entscheidet euch dann – völlig unabhängig vom Alter, der Marke und dem ganzen sonstigen Kultigen drumrum!

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