Modellpflege à la carte

Fender CS ’57 Deluxe Amp & ’57 Tweed Champ im Test

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Nach knapp zehn Jahren trumpft Fender mit einer Neuauflage berühmter Tweed-Klassiker auf. Neben dem Low Power Tweed Twin und dem Tweed Pro sorgen besonders die kleineren Combos wie der Tweed Deluxe und Tweed Champ für Aufsehen.

(Bild: Marlon Stork)

Es ist schon knapp zehn Jahre her, dass ich den „hand-wired“ Tweed Deluxe im Test vorgestellt habe. Damals handelte es sich wie beim Champ oder Tweed Twin um limitierte Auflagen dieser Klassiker. Die Freude für die Anhänger war also nur von kurzer Dauer. Zwischenzeitlich gab es die Eric-Clapton-Serie mit dem Twinolux oder dem Tremolux. Schließlich ein Custom- Modell des Tweed Deluxe für U2-Gitarristen The Edge. So schön das auch war, die Kunden sehnen sich zunehmend nach den Klassikern, so wie sie einst 1957 im Laden standen. Schließlich gehört etwa der Tweed Deluxe wohl zu den meist kopierten Boutique-Variationen auf diesem Planeten. Schon vor über zwanzig Jahren gab es Repliken von Kendrick, dann von Victoria, Mission Clark, Lazy J, Tungsten oder Twinsound Cream. Warum sollte sich der Inventor eines der wohl berühmtesten Combos aller Zeiten derart kühn die Butter vom Brot nehmen lassen? Sicher ist die Schaltung dieser kleinen Combos alles andere als ein Geheimnis. Im Grunde können sich bereits Novizen einen Bausatz vom Tube-Amp-Doctor kommen lassen und mit ein wenig Übung selbst Hand anlegen. Aber da sind noch die Feinheiten und Details, die nur dem Original zu gehören scheinen. Daher haben die Fender-Techniker auch eifrig Forschungsarbeit betrieben und sich diesen kleinen Unterschieden gewidmet. Daher stellt sich die spannende Frage, ob diese neuen Combos ihren Ursprüngen, Vorgängern und Boutique-Mitbewerbern wirklich gerecht werden oder sogar überlegen sind. Schließlich müsste es ja niemand besser können als Fender selbst.

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Bis ins letzte Detail

Augenmerk liegt offenbar tatsächlich auf den Feinheiten. Das wunderschöne Solid-Pine-Gehäuse fertigt Fender seit jeher so perfekt wie kaum ein Konkurrent. Der bernsteinfarbene Lacküberzug sorgt für diese verlockende Vintage-Anmut, die die kleinen Combos auch unter reichlich Mitbewerbern hervorhebt. Ein Tweed- Gehäuse ist einfach so klassisch wie eine blaue Jeans, ein paar Stoff-Sneakers oder eine Harley-Davidson. Es scheint dazu einfach keine Alternative zu geben. Zudem ist – wie ich in meinen Berichten zur Genüge dokumentiert habe – „small“ einfach beautiful. Kaum jemand möchte mehr „großes Holz“ aus dem Proberaum tragen, und leiser muss oder darf es auch wieder sein. Die 12 Watt des Tweed Deluxe scheinen da völlig ausreichend. Und die 5 Watt eines Champ sind für die meisten Bedroom-Situationen fast schon wieder zu laut.

Geblieben ist der extrem ordentliche Hand-wired-Aufbau. Da solches Handwerk zeitaufwendig ist, schlägt sich das natürlich im Preis nieder. Und schon bei der Auswahl der Bauteile gibt es ein paar versöhnliche Überraschungen. Einmal finden wir blaue Sprague-Elkos im Netzteil und schwarze Elkos des gleichen Herstellers an den Kathoden der Vorstufe. Diese Bauteile gelten nicht nur in den USA als erste Wahl, da sie den typisch warmen Klangcharakter eines alten Tweed-Amps unterstützen. Sogar der Kathoden-Widerstand der Endstufe ist wieder der gute alte Ohmite-Porzellan- Widerstand. Klasse! Dieses Bauteil entspricht sogar den Originalen aus den Fünfzigern. Überraschend auch der Verzicht auf Mallory-150-Koppelkondensatoren. Stattdessen hat man bei Fender eigene „Yellow-Cap“ Folien-Kondensatoren entwickelt, die dem unnachahmlich offenen Ton der Yellow Astrons aus den Fünfziger nacheifern sollen.

Die historisch unkorrekte 12AX7 in der Vorstufe ist der üblichen 12AY7 mit deutlich weniger Gain gewichen. Auch hier hat man sich eines Besseren belehren lassen. Und schließlich ist der Alnico Jensen einer Eigenentwicklung in Zusammenarbeit mit Eminence gewichen. Dieser Speaker bietet zwar den für den Deluxe-Ton unverzichtbaren Alnico-Hochton, aber zugleich auch in den Bässen den Celestion-typischen Keramik-Punch. Im Champ tönt sogar ein Alnico-Achtzöller der Edelschmiede Weber VST. Die Endstufen arbeiten mit zwei 6V6 beim Deluxe und einer einzelnen 6V6 beim Champ. Als Gleichrichter besitzen beide Modelle eine 5Y3-Röhre.

Klangforschung

Natürlich wollten wir herausfinden, ob die in der Werbung blumig beschriebenen Unterschiede zu den Vorgängern auch greifen. Daher habe ich mir von einem Sammler genau den Tweed Deluxe Amp besorgt, den ich vor 9 Jahren an dieser Stelle vorgestellt habe. Ist die neue Custom-Shop-Version des Tweed Deluxe wirklich so viel besser als ihr Vorgänger? Den Champ haben wir sogar mit einem Original von 1959 vergleichen können. Wer sich selbst kopiert, muss sich schließlich messen lassen.

Der Tweed Deluxe bietet seine typischen Tugenden tatsächlich noch überzeugender als sein Vorgänger. Er bleibt, dank der 12AY7, in der ersten Stufe länger Clean, ohne jedoch Lautstärke einzubüßen. Das liegt offenbar an dem effizienteren Lautsprecher, der im Vergleich extrem positiv auffiel. Sein Ton ist größer, luftiger und wesentlich konturierter. Der Jensen P12R des Modells von 2007 wirkt dagegen bedeckter, schwächer und weniger glanzvoll. Auch fehlt ihm die knackige Autorität im Bassbereich, die der neue Speaker spielend rüberbringt. Dieser klingt wirklich wie ein alter Jensen aus den Fünfzigern mit deutlich verbessertem Wirkungsgrad und Fundament. Die neuen Yellow-Caps scheinen dem Ton außerdem etwas Glanz und Durchzeichnung zu verleihen. Endlich hat der Deluxe auch mit einer Humbucker-Gitarre genügend Sparkle und Offenheit. Der Sound erinnert tatsächlich an alte Vintage- Modelle. So nah wie man eben mit neuen Komponenten den Vorbildern kommen kann.

(Bild: Marlon Stork)

Zudem fiel auf, dass das Taping der CTS-Potis irgendwie ausgewogener ausfiel als bei dem Vorgänger-Modell. Während dieser bei Lautstärke-Stellung „3“ praktisch voll aufgedreht erschien, ließ sich der aktuelle feiner und flexibler in der Lautstärke regeln. Damit behebt Fender ein Manko, das auch bei den besten Vintage-Amps mitunter nervte. Da die beiden Lautstärke-Potis des Instrumenten- und Mikrophone-Kanals interaktiv arbeiten, kann dieser Vorzug viel besser ausgeschöpft werden. Dreht man beispielsweise den Mikrophone- Kanal langsam zum Instrumenten- Kanal dazu, wird der Sound insgesamt wieder klarer und durchsichtiger. Das funktioniert wirklich ganz hervorragend und praktisch stufenlos.

Auch beim Champ sorgt dieses Feature für ein stark verbessertes Handling bei der Abstimmung. Der Amp bleibt länger clean und bietet dadurch mehr Optionen bei der Verwendung von Vorschaltgeräten wie Hall oder Delay, die das Original von 1959 nicht so gut verarbeiten konnte. Manchmal liegt der Vorzug eben in kleinsten Details.

Der neue Tweed Deluxe kommt mit dieser Ausstattung sogar einem Original gefährlich nahe. Man muss zugeben, dass so manche NOS-Röhre, etwa von RCA oder Sylvania, die Freude noch größer werden ließe, aber das kann ja jeder Besitzer selbst entscheiden. Mit alten Röhren bestückt, entfaltet sich der Amp zu noch größeren Höhenflügen. Vor allem der begehrte Crunch-Ton gelingt mit diesen Glaskolben noch überzeugender. Der neue Deluxe liefert offene und schmatzige Töne erster Güte. Man kann so manchem Tom Petty/Mike Campbell- Riff nacheifern, fettem Billy-Gibbons-Crunch, bösen Neil-Young-Feedbacks oder kultivierten Fusion-Sounds à la Larry Carlton. Und das alles nur mit einem Volume- und einem Tone-Poti. Es ist schon enorm, wie viele Sounds in diesem schlichten Paket stecken.

Der Champ eignet sich besonders gut für Recording- oder Practice-Situationen. Der Weber-Speaker tönt offen und crisp, was besonders bei geringeren Lautstärken angenehm erscheint. Ab Lautstärke 4 beginnt ein sehr schöner Crunch-Bereich für Riffs oder Blues-Linien. Voll aufgedreht wird der Ton aufgrund des kleinen Gehäuses etwas „boxy“ und „fuzzy“. Für Slide oder Blues-Harp sind diese Sounds schon klasse, aber für Gitarre vielleicht etwas zu matschig. Die Stärken liegen eindeutig in den unteren bis mittleren Lautstärke-Bereichen. Hier überzeugt der Amp genauso wie sein großer Bruder. Beide liefern einen leicht komprimierten, singenden Tweed-Ton, der unabhängig vom Musikstil immer zu passen scheint.

Resümee

Bei den beiden Tweed-Modellen des Fender Custom Shops handelt es sich nicht nur um Neuauflagen, sondern viel mehr um deutlich verbesserte Versionen dieser Klassiker. Neue Speaker, eigens entwickelte Kondensatoren und Korrekturen in der Röhrenbestückung sorgen für noch größere Nähe zu den Vorbildern aus den Fünfzigern. Trotz der üppigen Upgrades sind die Preise im Vergleich zu den Vorgängern vor knapp zehn Jahren allerdings gleich geblieben. Das allein verdient ein dickes Lob!

Plus

  • Klangqualität
  • Design
  • Verarbeitung
  • Neuerungen

 

Aus Gitarre & Bass 11/2016

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Man muß nicht zwangsweise diese Fenderkiste für überteuert kaufen, das
    ist nur was für Freaks die glauben das Gras wächst hinter ihren Ohren.
    Es gibt preiswerte und absolut gleichwertige Amps anderer Hersteller!
    Fazit: Fender ist nur noch teuer für das was man bekommt aber es wird
    halt daran geglaubt!!! Und wers glaubt…..
    JR

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    1. Genau meine Meinung. Fender kopiert sich seit Jahrzehnten selbst. Wie schaffen es kleine Hersteller wie z.b. Marble aus Holland ihre Amps qualitativ hochwertiger zu bauen und das auch noch für einen attraktiveren Preis. Die haben vernünftige Speaker verbaut ,einen Reverb und eine EQ-Sektion.

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  2. ich habe mir diesen neuen deluxe amp bestellt und ihn ausgiebig getestet und ihn am ende wieder zurückgeschickt. Er schafft es niemals never ever diesen “bösen” Neil Young Sound hinzubekommen auch nicht voll aufgedreht! Er bleibt clean!

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  3. ich hab ihn getestet mit meiner schwarzen Gibson Les Paul mit P90 Tonabnehmern und Bigsby und mit meiner Gretsch 6136 White Falcon. was ich auch noch erwähnen muss: Er ist im Preis verdammt teurer geworden als vor 10 Jahren. Damals hätte ich ihn für unter 1800 euro bekommen. Heute müsste ich ca 2100 hinlegen!

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  4. ich hatte mir sogar die Mühe gemacht und einen Vergleichstest zwischen der Tube Amp Doctor Version des Tweed Deluxe mit Alnico Speaker und dem Fender Tweed Deluxe durchgeführt. Ergebnis: Der sehr günstige TAD Amp klingt im Vergleich weniger druckvoll als der Tweed Deluxe. Der Tweed Deluxe ist in den Mitten unten rum druckvoller. Aber den Neil Young Sound kriegen beide nicht hin. keine Chance. Ohne meine Boden Effektgeräte geht da nichts. Ich hab deshalb auch beide Amps wieder zurückgeschickt. Den Fender 57 Champ hab ich mir vor ca 6 Jahren gekauft. Der erfüllte die Erwartungen. Zusammengeschaltet über ne ABY Box klangen Tweed Deluxe und Champ bei aufgedrehtem Champ besser.

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  5. Ich verstehe die Empfehlung des Champ als Aufnahme-Amp nicht. Das Grundbrummen ist nicht zu bändigen und ich spreche von einem “Neugerät”. Ohne den Ton im unteren Bereich massiv zu beschneiden geht da gar nichts, man erhält lediglich einen agressiven Mosquitosound ohne jegliches Fundament. Das einzige im Ansatz verwendbare Mikro dazu ist das Shure – und das mit einem Mindestabstand von 30 cm.

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  6. Danke für den tollen Bericht. Ich hatte mir den Fender 57 Custom Deluxe vor einem Jahr gekauft und kann Udo Pipper nur zustimmen: Ein großartiger Verstärker, und tatsächlich bin auch ich von dem Lautsprecher beeindruckt.
    Zur Musik: Ich spiele vor allem Jazz bzw. Jazz-Blues, mein Klangideal ist das Midnight-Blue-Album von Kenny Burrell, das mit einem ebensolchen Tweed Deluxe (5E3) eingespielt wurde. Diesem Sound bin ich jetzt näher denn je. In der Band verwende ich den Tweed Deluxe als Clean Platform am Edge of Breakup („Cleanish“). Durch die Mittenbetonung setzt er sich viel besser durch als mein Deluxe Reverb.

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