Reissues tonal neu gestylt

Fender ‘68 Custom Princeton Reverb & ‘68 Custom Twin Reverb im Test

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Aha, sie haben es wieder getan: Erneut beglückt uns Fender mit Replikas historischer Verstärkermodelle. Na, das hat inzwischen ja fast schon Tradition. Doch der Schein trügt: Vordergründig sehen sie aus wie detailgetreue Nachbildungen, tatsächlich sind die beiden Combos aber modifiziert bzw. nur bedingt deckungsgleich mit ihren Ahnen. Was sich die Entwickler wohl dabei gedacht haben?

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Jeder einigermaßen informierte Gitarrist weiß, dass Fenders Historie vor Produkten mit „legendärem“ Kultstatus strotzt. Auf dem Verstärkersektor ist vor allem die sogenannte Blackface-Ära ein Meilenstein (Blackface wg. des in schwarz gehaltenen Bedienfeldes). Im Zuge der Modellpflege wechselte das Design zum Silverface. In einer ersten Übergangsphase hatten die Combos und Amps 1968 noch die gleiche Technik wie zuvor, kamen aber eben mit einem anderen Grillstoff und einer Alu-Einfassung an der Front, weswegen auch häufig vom sogenannten Alu-Trim-Design gesprochen wird (offiziell: „drip edge“). Anderer Look, dieselben inneren Werte: Die Modelle dieser Phase werden von Vintage-Fans im Grunde genauso geschätzt wie ihre Blackface-Vorgänger. Und eben diese Tatsache dürfte wohl der äußere Anlass für die Entwicklung und Vorstellung unserer Testkandidaten sein.

Konstruktion

Müssen wir die Konzeption der Klassiker im Detail besprechen? Wohl kaum, so berühmt wie diese beiden Combos sind. Es dürfte jedenfalls für die meisten ermüdend sein, wenn ich an dieser Stelle Altbekanntes zum x-ten Mal herunterbeten würde. Kommen wir also lieber gleich auf das Wesentliche (im Zweifel werfe man bitte einen Blick auf die Übersicht). Zum Princeton gibt Fender an, dass das Klangregelnetzwerk modifiziert wurde, um „…modernen Spielern größere totale Flexibilität mit Pedalen bereitzustellen“.

Als zweite Änderung gegenüber der Technik von 1968 weisen die Spezifikationen eine verringerte negative Gegenkopplung in der Endstufe aus, was „… mehr Empfindlichkeit in der Ansprache und früheres Einsetzen der Übersteuerung“ ergeben soll. Modifikation Nummer 3 scheint die wohl drastischste zu sein, denn anstelle eines Lautsprechers, der den damals in den Sixties verwendeten Modellen der Marken Oxford und CTS gleicht, hat sich Fender für ein Modell von Celestion entschieden. Heh, was ist das, für den uramerikanischen Amp ein britischer Speaker?!

Randale im Gebälk, kann das gut gehen? Werden wir ja gleich sehen/hören. Es handelt sich jedenfalls um den Typ Ten 30, ein Lautsprecher mit Keramikmagnet aus der Originals-Serie, der nicht viel kostet bzw. sogar der preisgünstigste unter den Zehnzöllern von Celestion ist – was der Sache noch zusätzlich ein interessantes Geschmäckle gibt. Beim ‘68 Custom Twin Reverb sind die „Umbaumaßnahmen“ umfangreicher. Während der Federhall und die Vibrato-Sektion früher nur in einem Kanal funktionierten, sind die Effekte nun in beiden Kanälen aktiv. Diese selbst sind nicht mehr baugleich, sondern neu konzipiert. Sprich, ihre klangliche Ausrichtung ist nunmehr unterschiedlich.

Der Kanal links am Frontpanel trägt den Namen Custom. Er hat laut Fender eine modifizierte Bassman-Klangregelstufe, während der Vintage-Kanal, wie der Name schon verdeutlicht, die traditionelle Charakteristik bietet. Auch der ‘68 Custom Twin Reverb hat die reduzierte Gegenkopplung in der Endstufe und ist mit Lautsprechern von Celestion ausgerüstet. Es kommen zwei Stück des noch taufrischen VType (auch G12V-70 genannt) zum Einsatz, der erst Ende 2013 auf den Markt kam. Das ist speziell, denn Celestion schreibt diesem Lautsprecher einen „exciting modern vintage sound“ zu, der hart ausgesteuert „sizzling overdrive and raw rock tones“ produzieren soll.

Nicht unbedingt das, was man gemeinhin mit antiken Fender-Modellen in Verbindung bringt. Im Übrigen betont das Infomaterial, dass besondere Transformatoren verbaut werden, die wie ehedem vom Hersteller Schumacher kommen und den alten Originalen entsprechen sollen. Beide Combos werden inklusive eines Zweifachfußschalters (ohne LEDs) im alten Design ausgeliefert. Chromglänzend, schick, ein sehr hochwertiger Winkelstecker von Switchcraft am anderen Ende des trittfesten Kabels, aber die knapp bemessene Länge von nur ca. 3,6 Meter ist weniger erfreulich. Schauen wir uns die Verarbeitung an.

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Platinen, die Röhrenfassungen sind aber handverdrahtet

Äußerlich gibt es in der Hinsicht auf jeden Fall nichts zu meckern. Das Finish der Gehäuse ist topp. Die Rückwände passen saugend, das Tolex ist sauber geklebt und zugeschnitten, die Frontbespannung korrekt aufgezogen. Im Prinzip entspricht auch das Verstärkerchassis bei beiden Combos in seiner Machart dem Vorbild, heutzutage sitzen auf den vier Halteschrauben aber nicht Muttern, die Schrauben fassen statt dessen in eingelassene Gewinde. Und an der Rückseite verschaffen zusätzlich drei dicke Holzschrauben dem Chassis Halt. Röhren von Groove Tubes (Fender hat die Firma vor einiger Zeit gekauft), Fassungen und Halterungen von Belton, hochwertige, außen am Knebel feuchtigkeitsgeschützte Schalter … die Substanz ist qualitativ tadellos. Natürlich können die Bauteile der Verstärker in dieser Preisklasse nicht auf Turretboards o. ä. frei kontaktiert sein.

Nein, die Schaltungen sind auf Platinen aufgebaut, allerdings mit separat im Chassis stehenden, von Hand kontaktierten Röhrenfassungen. Eine Besonderheit zeigt der Twin. An der Rückwand ist innen neben der Fußschalterbuchse – reichlich verkabelt – eine kleine Platine angebracht, die erst bei genauerem Hinsehen preisgibt, dass sie ICs und weitere SMD-Bauteile trägt. Dabei scheint es sich um einen Schaltkreis zu handeln, der die Cockroach der Vibrato-Sektion ersetzt. Die „Kakerlake“, dieses Bauelement aus Lampe und LDR, das bei vielen alten Fender-Amps das Pulsieren des Low-Frequency-Oscillators dem Signal aufmoduliert, ist jedenfalls nirgendwo zu sehen (der Princeton ist anders gestrickt, sein Vibrato benötigt nur eine Triode bzw. einer halbe 12AX7). Und die Verkabelung der kleinen Platine führt genau an die richtige Stelle; dennoch ist das Vibrato nach wie vor „tube driven“, sprich bei dem LFO selbst handelt es sich um die typische Röhrenschaltung.

Praxis

Es würde mich nicht wundern, wenn der eine oder andere Gitarrist unseren beiden Testkandidaten skeptisch gegenübersteht. Anlass dazu gibt es durchaus, denn unter den bisherigen historisch orientierten Modellen waren/sind durchaus welche, die, na sagen wir mal, etwas gewöhnungsbedürftig klingen. Wegen ihrer Wiedergabe in den Höhen, die im Vergleich zu den Originalen kühler wirkt, man könnte auch sagen härter, weniger geschmeidig. Sind sie deswegen schlechte Combos? Nein, beileibe nicht, aber manche Gitarristen rümpfen darüber halt die Nase. Und man fragt sich nun natürlich, ob unsere beiden 68er auch so drauf sind. Was den ‘68 Custom Princeton Reverb angeht, lautet die Antwort schon einmal ganz klar: nein. Der Combo formt die Höhen und das obere Ende des Spektrums so klar und durchsichtig wie man es erwartet, wirkt dabei aber eher freundlich und weich.

Oh ja, das schmeichelt dem Ohr. Und es kommt noch schöner. Aus dem kleinen Gehäuse lösen sich mit Leichtigkeit kraftvolle Bassanteile. Der Princeton klingt daher erfreulich voluminös. Alle Achtung, man möchte ob der warmen Fülle ja fast in Verzückung geraten. Wer denkt so noch – wie früher – daran den Speaker gegen einen 12“-Typen zu tauschen?! Noch ein bisschen von dem wohlklingenden Federhall dazu … das ist Fender-Clean vom Feinsten. Die Freude wächst noch, weil der kleine Combo relativ hohen Schalldruck erreicht und äußerst gefällig auf den Attack des Spielers anspricht, einerseits sehr sensibel, andererseits nachgiebig und doch dynamisch entschlossen. Dank der Effizienz der beiden Klangregler ist die Wiedergabe stets homogen abstimmbar und gerät auch nicht aus den Fugen, wenn man sie in den Overdrive-Bereich hinein aussteuert.

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Der typische, dank seiner speziellen Phasentreiberstufe eigentümlich heisere Charakter des Princeton kommt über den Celestion-Lautsprecher mit der gewohnten Markanz zur Geltung. Und ist besonders britisch? Na ja, es steckt (bei Overdrive) durchaus eine spezielle, rotzige Note darin, aber die amerikanischen Gene überwiegen doch nach wie vor. Den Grenzbereich zwischen Clean und deutlicheren Verzerrungen meistert der Princeton elegant. Besonders die harmonische Zeichnung von Akkorden sticht hier hervor. Es hat durchaus auch Charme, den Princeton mit maximalem Volume-Pegel zu betreiben. Das ergibt z. B. feine Blues-Leadsounds, wenig komprimiert, transparent, ehrlich im Umgang mit dem Charakter des Instruments. Man muss dann allerdings auf die Bassanteile achtgeben, denn mit der oben zitierten voluminösen Klangabstimmung kommt man hier nicht weit.

Das Klangbild matscht wenn man die Bassanteile nicht nachregelt/reduziert. Wirklich problematisch ist auf dieser Ebene der Halleffekt. Er bekommt ein zu starkes Eingangssignal und wird allein schon deswegen undifferenziert (lässt sich mit wenig technischem Aufwand anders abstimmen). Zudem ist die Ausklingzeit des Federsystems recht lang; sie liegt quasi am oberen Ende dessen was bei stärkerer Dosierung verträglich scheint.

 

Also: Reverb bei Vollgas pfui, allerdings bei Clean bis Overdrive hui. Jedoch, dass der Effekt ob der Empfindlichkeit des Potis diffizil zu dosieren ist, bleibt stets ein kleines Ärgernis. Der Vibrato-Effekt arbeitet dagegen ohne Fehl und Tadel. Das weiche Pulsieren gefällt unter anderem, weil es dem schwebenden Ton eines Vibraphons nahekommt. Okay, dann ist jetzt der ‘68 Custom Twin Reverb an der Reihe. Hehe, hat sich genau den Richtigen ausgesucht, um zu zeigen was er kann. Wird sich gleich wundern, wenn er quasi seinem Erzeuger gegenübersteht. Hier vor Ort gehört nämlich zu meinen bevorzugten Referenz-Amps das Original, ein extrem gepflegter Alu-Trim-Twin, wirklich von 1968. Schön und gut, dadurch kann man gewisse Anhaltspunkte finden, wir wollen jedoch nicht unfair werden.

Die beiden treten ob der Unterschiede in ihren Ausstattungen sozusagen in unterschiedlichen Gewichtsklassen an. Sie dürfen sich für harmloses Sparring die Hände schütteln, gehören aber nicht wirklich gemeinsam in den Ring. Auffällig ist, dass der neue Twin in der Sound-Formung etwas forscher, offensiver ans Werk geht. Was mit den Lautsprechern in Zusammenhang steht, aber auch grundsätzlich eine Eigenheit der neu entworfenen Elektronik ist. Die Ansprache ist stabil bis stramm. Der Combo macht mächtig Druck. Ein austrainierter Energie-Bolzen wenn es um Dynamik geht. Nichts anderes dürfte der User erwarten, wenn er sich für so einen Muscle-Combo interessiert. Die klanglichen Unterschiede in den beiden Kanälen sind deutlich wahrnehmbar.

Der Vintage-Kanal offeriert stilgerecht das klangliche Klischee: Luftiger Ton mit einer Überhöhung der oberen Mitten, betonte Brillanz, satte Bassreserven. Die Klangregelung arbeitet intensiv und bietet große Variabilität. Dem steht der Custom-Kanal in nichts nach, doch schreibt er eine ausgewogenere Frequenzkurve. Seine Wiedergabe ist fetter, dichter, in den unteren Mitten stabiler, zwar wie sein Nachbar detailreich und durchsichtig, aber milder, weniger offensiv in der Brillanz. Dass das sehr von Vorteil sein kann, zeigt sich bei der Nutzung von Distortion-Pedalen. Im Custom-Kanal leben die meisten wohlgelaunter auf, können ihr Format klanglich ausgewogen entfalten.

Das ist letzten Endes der entscheidende Vorteil: indem man am Ausgang seines Pedalboards mit einer AB-Box die Kanäle wahlweise anspricht, wird man erfreulich variabel. Und sei es nur um bei Verwendung unterschiedlicher Instrumente ad hoc die passende Wahl des Grund-Sounds treffen zu können. Oder man splittet den Signalweg an geeigneter Stelle auf, um die beiden Kanäle mit zwei unterschiedlichen Anordnungen von FX-Pedalen zu füttern. Das Schöne daran ist: Dank der Tatsache, dass der Reverb und das Vibrato (anders als früher) in beiden Kanälen zur Verfügung stehen, muss man keine Kompromisse eingehen. Was die Qualität der Effekte angeht, kann der Federhall genauso überzeugen wie beim Princeton.

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Der billigste 10“-Celestion macht hier eine blendende Figur

Das Decay, die Ausklingzeit ist wiederum lang, das Dosieren indes erfordert (wiederum) Fingerfertigkeit. Das Vibrato pulsiert im Twin eckig, ähnlich einer Sägezahn-Modulation mit etwas ungleichen Flanken. Während in Bezug darauf das Für und Wider reine Geschmackssache ist, stellen die begleitenden Nebengeräusche ein kleines Manko dar. Beim Aufdrehen des Intensity-Reglers entwickelt sich Rauschen. Ist der Effekt eingeschaltet, addiert sich hierzu ein tieffrequentes Pulsgeräusch. Nicht schlimm, noch dezent und tolerierbar (aber immerhin lauter als beim Original). Hätte man das beim heutigen Stand der Technik nicht besser machen können?

Das Thema Overdrive spielt beim Twin vermutlich für viele potentielle Anwender eine untergeordnete Rolle, denn wenn der Combo in die Sättigung geht (Volume ca. 5), ist er bereits ziemlich laut. Selbst voll aufgerissen belässt er es (ohne Zuhilfenahme von Boostern) bei wenig gesättigten Anzerrungen. Nur wer es sehr kernig geradeaus mag, wird den Combo auf diese Art und Weise in Szene setzen. Oder anders ausgedrückt: Er ist das cleane, vielleicht leicht anzerrende Arbeitstier für Pedal-User, die in einem (noch) kompakten Format mit satter Leistung zu ihren Gigs auflaufen wollen. Aber Achtung, das Gewicht ist alles andere als „kompakt“. Wir reden hier von knapp 30 kg. Das zieht einem die Arme ganz schön lang.

Alternativen

Ja, die gibt’s natürlich reichlich auf dem Boutique-Sektor. Vieles von dem, was sich dort tummelt, sind ja im Grunde sogar Derivate der hier vorgestellten Modelle. Doch sparen sich die Hersteller in vielen, wenn nicht den meisten Fällen den Vibrato-Effekt, und einen Federhall haben auch längst nicht alle Amps/Combos der Sound-Couturiers. Schon von daher stehen die beiden neuen Fender-Combos souverän da. Betrachtet man nun noch die Preisebenen ist klanglich wie konzeptionell Vergleichbares kaum in Sicht.

Resümee

Princeton und Twin sind bei Fender als originalgetreue Blackface-Reissues schon länger im Programm. Insofern kann man es nur als logisch und folgerichtig verstehen, wenn die 68er-Replikas mit einer anderen Identität versehen wurden. Und es hat Ihnen gut getan. Der Princeton so voluminös, markant und kultiviert, der läuft seinem Blackface-Bruder ja fast den Rang ab. Ein ‘68 Custom Twin Reverb mit erheblich breiterem Klangspektrum und anderem Timbre im Grundton, auch das hat viel Charme und wird manchem besser gefallen als die puristisch traditionelle Ausrichtung. Substanz und Performance bewegen sich bei beiden Combos auf hohem Niveau. Preis und Leistung stehen daher zweifellos in einem gesunden Verhältnis.

Plus/ Minus

+ Sound, Variabilität
+ Dynamik/Ansprache
+ harmonische Verzerrungen
+ hoher Schalldruck
+ Full Vintage: wohlklingender Federhall +Vibrato
+ Twin: Custom-Kanal
+ geringe Nebengeräusche
+ Verarbeitung & Qualität der Bauteile

– Reverb diffizil zu dosieren
– Twin: Nebengeräusche im Vibrato-Effekt

Produkt: Gitarre & Bass 8/2023
Gitarre & Bass 8/2023
IM TEST: Ibanez BTB 805MS +++ FGN Mighty Jazz Dark Evolution +++ EVH 5150 Iconic 15W 1X10 Combo +++ Gretsch G5420T-140 und G5622T-140 +++ Fender Nile Rodgers Hitmaker Stratocaster +++ Driftwood Purple Nightmare Tube Preamp Pedal +++ Hagstrom Swede NewGen und Super Swede NewGen +++ Markbass Little Mark IV, Little Mark 58R & MB58R 102P +++ Shure GLX-D16+ Dual Band Digital Wireless Guitar Pedal

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