To boldly go where no bass has gone before

Faszinierend: Marleaux Spock im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Viele tolle Bässe, die ich zum Test bekomme, basieren auf Ideen, die bis in die Anfangszeit des E-Basses zurückreichen. Andere, ebenso tolle, kombinieren historische Bausteine neu und ganz mutige Modelle bringen größere Änderungen mit. Aber ein Bass, dessen neuartiger Entstehungsprozess wissenschaftlich initiiert und begleitet wurde? Das ist eine Premiere!

Wer ganz aufmerksam war, hat den Bass schon Mitte Juni auf dem Innovationstag Mittelstand in Berlin erspähen können. Am neuen Bass wird nämlich seit zwei Jahren geforscht und gearbeitet, in Zusammenarbeit mit dem Institut für Polymerwerkstoffe und Kunststofftechnik der TU Clausthal-Zellerfeld, das sich sonst auch mit Materialien für die Luft- und Raumfahrt oder die Formel 1 beschäftigt und überhaupt erst anregte, ein für den Bassbau geeignetes, neuartiges Faserverbundmaterial zu entwickeln, gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

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TO BOLDLY GO …

Ziemlich ungewöhnliche Einleitung, aber auch ein sehr ungewöhnlicher Bass, der da entstanden ist. Relativ normal ist noch der Hals aus drei Lagen Ahorn mit zwei Sperrstreifen aus nachhaltigem Alpilignum-Echtholzfurnier. Ein separates Griffbrett aus Ahorn mit leichter Flammung wurde ebenso aufgesetzt wie der recht dicke Kopfplattenaufleimer aus gleichem Holz. Die Marleaux-typische Kopfplatte zieren leichte Schaller-Mechaniken mit extra kleinen Flügeln, zwecks Gewichtsersparnis. Ungewöhnlich ist die Ausdehnung des Griffbretts, bietet es doch zusätzlich zum Nullbund noch ganze 28 Bundstäbchen, also exakt fünf Oktaven von der leeren H-Saite bis zum höchsten Ton. Dabei ist die Mensur, auch aus Gründen der reduzierten Hebelwirkung, eine mittlere, mit 32 Zoll.

Die Korpusform ähnelt dem schon bekannten M-Bass, der Marleaux´schen Singlecut-Variante. Auch das afrikanische Dibetou als Korpusholz kennt man von Marleaux schon lange. Viel zu Gesicht bekommt man davon beim neuen Modell nicht, von vorne sieht man nur einen schmalen Rahmen. Der gerade mal drei Zentimeter dicke „Body“ ist zu beiden Seiten des Mittelstreifens komplett ausgefräst, bis eben nur ein schmaler Steg stehen bleibt.

Gefräster Rahmen

Hätte es Marleaux dabei belassen, hätte der Bass jetzt große Ähnlichkeit mit diversen Reiseinstrumenten, aber der Rahmen trägt ja eine Decke. Und die ist das Herzstück des Instruments, denn hier findet sich das schon angesprochene Faserverbundmaterial. Haptisch erinnert es an grobe Kartoffel- oder Kaffeesäcke, was daran liegt, dass ich es hier mit exakt diesem Leinen zu tun habe!

Ein Laminat aus dem verwendeten Fasermaterial

Natürlich wird das Leinen nicht naturbelassen: Mithilfe einer formgebenden festen Werkzeugform und einer Folie wird ein Vakuum erzeugt und Harz in die Fasern gezogen. „VARI Verfahren“ nennt sich das (Vacuum Assisted Resin Infusion), und was sich hier so lapidar schreibt, steht am Ende eines langen Designprozesses.

Beispiel: Einsatz 3D-gedruckter Formen und einer Silikonfolie im VARI-Prozess

Denn als Formwerkzeug für diesen Bass wurden mehrere 3D-gedruckte Bausteine entwickelt, die sich wie ein Puzzle auseinandernehmen lassen, um leicht Korrekturen vornehmen zu können.

Modell der 3D-gedruckten Puzzleform in zwei verschiedenen Konstellationen

Am Ende hat Marleaux dann, nach mehrfacher Abstimmung der Rahmen- und Deckenform, die letzte, für gut befundene Version aus einer soliden MDF-Platte ausgefräst, um das Ergebnis festzuhalten.

Vergleich des Aufbaus über die gefräste Form zur Verwendung bei Marleaux (links) und die gedruckte Form samt Silikonfolie (rechts)
Arbeitsplatz zur Erstellung der Laminate bei Marleaux

Die Uni kann weiterhin mit der mehrteiligen Puzzle-Form aus dem 3D-Drucker arbeiten, die Änderungen einzelner Teile erlaubt, ohne das große Ganze neu drucken zu müssen, was Zeit und Material spart. Der letztlichen Gestaltung sind wenig Grenzen gesetzt. So wurde als Decklage des Laminats auch schon ein T-Shirt verwendet, dessen Druck dann durch das Epoxidharz sichtbar war.

Aus einem alten T-Shirt erstellte Oberfläche

Farben und Farbverläufe sind ebenfalls machbar.

Anguss von Laminaten bei Verwendung von Pigmenten
Aufbau mit Fließfronten und optische Effekte bei Punkt- und Kurvenanguss
Deckenlaminat bei Verwendung von Beize
Durchscheinende Wirkung bei Beleuchtung von hinten

Beim Testbass ist auch das Harz eingefärbt, neuere Exemplare haben gefärbte Fasern und durchsichtiges Harz, was noch transparenter und leuchtender aussieht.

Steg-, Pickup-Entwicklung und Sound auf Seite 2 … 

Produkt: Jack Bruce 1943 – 2014
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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ja, kann sein, dass das ein ziemlich guter Bass ist. Allerdings sei die Frage gestattet, wo dieser horrende Preis herkommen soll? An den CNC-Arbeiten oder den Hölzern kann’s nicht liegen, das ist heutzutage normal. Wenn’s am Wunderwerkstoff liegt, hat die Entwicklung versagt. Oder wird hier einfach ein 100% Aufschlag für den guten Namen fällig? Selbst den würde ich angesichts der mangelhaften Bedienung in Frage stellen. Für mich sieht das nach Abzocke aus, egal wie der Sound oder die Optik sind.

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    1. Seh’ ich auch so, kommt hinzu, daß Marleaux sich für so global hält, daß nur noch English kommuniziert wird, und das kostet ja auch Geld. Andere bauen such sehr gute und schöne Bässe, aber zu realistischen Preisen!

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    2. Zustimmung!
      Eher was für Moma oder Vitra Design Museum. Ich stell mich mal in den Regen und wage zu bezweifeln, dass die freischwebende Saitenbefestigung aus Holz lange mitmachen wird. Außergewöhnlich, muss noch lange nicht sinnvoll oder gut sein. Die Potis auf der Rückseite zu versenken, lässt sich weltfremder gar nicht erfinden. Spätestens beim zweiten Mal da ran müssen und man hat die Nase voll.

      Das Holz so zu schwächen, halte ich in Folge als für nicht sonderlich stoßfest. Da diese Konstruktion auch ordentlich arbeiten und verziehen wird, kann ich mir gut vorstellen.
      Ich finde das Instrument schon super und schönes muss es ja auch mal geben, aber ich bin von dem immer mehr zunehmende Boutique Gehabe überdrüßig. Es gibt Grenzen. Is mir zuviel Voodoo. Gute Bässe gibt es auch für 800 Euro.
      Irgendein Reicher Sammler oder Megaprofi wird hier schon zuschlagen. Aber auf der Bühne wird man das feine Designstück wohl nicht sehen.

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      1. Was ist denn hier los, macht mir mal den Herrn Marleaux und seine Arbeit nicht madig! Es kann doch jeder selbst entscheiden was er kauft und was nicht.

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  2. Guten Frühling allerseits,
    Meiner Meinung nach baut Marleaux wirklich gute Bässe. Neben Schack, Sandberg, Warwick und viele mehr, ein echt gutes, deutsches Produkt.
    Ich versuche mal bewusst aufzuzeigen was Heike and Gerald Marleaux eigentlich erarbeitet und aufgebaut haben. Das gehört zweifelsfrei zur Spitzenklasse der E-Bass Baukunst. Ich meine nebst der Handwerkskunst gehört viel Fantasie, Innovationsgeist und Kreativität, wenn man eigene Wege gehen will und nicht einfach das Fender Urmodell nimmt und mit dem eigenen Produktenamen schmückt. Mag man denken was man will und von mir aus auch noch über den Preis streiten. Für mich ist das Spock Modell einmal mehr ein wirklich beeindruckendes und gelungenes Erzeugnis. Es ist kein inflationär hergestelltes Fließbandprodukt. Wem es gefällt und es sich leisten mag, soll es zum veranschlagten Preis kaufen und wer die Entwicklungsarbeit als Selbstverständlichkeit betrachtet und diesen Bass nur als Endprodukt reduziert bewertet, der soll es halt lassen. Ganz einfach.

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