Ein eigenständiger Charakter

Ein Bass wie ein Baum: Baum Nidhogg Bass

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(Bild: Baum Guitars)

Oft führen mich die Namen skandinavischer Firmen, deren Gerätschaften ich teste, in die nordische Mythologie. Nun habe ich es also mit Nidhogg zu tun, einem Drachen und eher unangenehmen Zeitgenossen, der unter anderem an der Wurzel des Weltenbaums Yggdrasil nagt. „Der im Dunkeln zuschlägt“ klingt auch nur minimal freundlicher. So düster ist der Nidhogg Bass von Baum Nidhogg doch gar nicht …

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Die Marke Baum entspringt den Ideen und Entwürfen von Morten Bau. Er möchte in Aarhus schlichte Eleganz und großartigen Minimalismus zusammenbringen – simpel und raffiniert.

MIX & MATCH

Genug der Marketing-Texte, die sich am fertigen Instrument messen lassen müssen. Wie beschrieben wird dieses in Dänemark entwickelt, in Indonesien gefertigt und dann nach Dänemark verschifft, um dort die Endkontrolle zu durchlaufen und das endgültige Setup zu erhalten. Von da geht es dann beispielsweise auf meine Testbank. Der erste Eindruck ist gut: Der Versandkarton ist stabil und der Bass ist im gut gepolsterten Gigbag zusätzlich gut geschützt. Ich ziehe daraus einen Bass, der wie zusammengepuzzelt wirkt, aus etlichen Versatzstücken klassischer Bässe.

Und doch ist er für mich absolut stimmig. Das muss man auch erst einmal schaffen! Auch mit kompakterer Form und spitzer geschnittenem unteren Horn vermittelt der Korpus dezente Rickenbacker-Vibes, ohne zu sehr wie ein Abklatsch zu wirken. Der in der Farbe „Ocean Mist“ lackierte und mit einem Binding der Decke versehene Korpus ist relativ dünn und mit ca. 36 mm fast einen ganzen Zentimeter dünner als ein normaler Fender-Bass. Das hilft, das Gewicht angenehm tragbar zu halten, denn Mahagoni ist ein eher schweres Material. Auch das Schlagbrett unterstreicht die Rickenbacker-Vibes, während der goldene Drache an den Thunderbird erinnert (auch wenn er dem Firebird ähnlicher ist). Zu den vier Reglern kommen wir gleich noch. Sie regeln die beiden Pickups im Jazz-Bass-Format. Diese haben dank der Goldfolien-Einlage schon rein optisch ein eigenes Gesicht, hören auf den schönen Namen „Goldsound PowerJab“ und sind Single Coils mit Alnico-V-Magneten.

(Bild: Baum Guitars)

Der Hals ist aus geröstetem Ahorn. Mittlerweile ja fast ein Standard, nimmt das eigentlich helle Holz durch das Rösten bei hohen Temperaturen eine warm-braune Farbe an und soll dabei gleich noch an Stabilität und Resonanz gewinnen. Das Griffbrett ist aus natürlich dunklem Palisander und verfügt über schicke Einlagen sowie ein Binding. Zwanzig Bundstäbchen im schmaleren Vintage-Format wurden eingesetzt, der Sattel sieht ähnlich wie Tusq aus. Die Kopfplatte ist deutlich größer als nötig für die 2+2 angeordneten Mechaniken, lässt damit großzügig Platz fürs Logo und erinnert mich an einen Thunderbird-Headstock. Wenn Gibson damals die Mechaniken so angeordnet hätte … Baum beschreibt die Tuner als Leichtgewichte, real sind sie pro Stück vier Gramm leichter als die Kluson-Mechaniken aus der gleichen Fertigung, und 20 Gramm schwerer als echte Ultraleichte von Hipshot. Aber sie funktionieren!

(Bild: Baum Guitars)

Der Zugang zum Zweiwege-Stahlstab sitzt unter einem Plastikplättchen, dessen drei Schräubchen leicht zugänglich sind. Die Einstellung der Saitenhöhe und Oktavreinheit geht an der massiven Brücke leicht von der Hand. Die Ball-Ends werden einfach eingehängt, zumindest in der Theorie … In der Praxis ist der Reiter der E-Saite so weit hinten, dass diese praktisch aus- und eingefädelt werden muss. Verschoben werden die satt in ihren Nuten laufenden Saitenreiter per Schraube, der Saitenabstand ist fix. Die theoretische Option, die Saiten durch den Korpus zu fädeln oder in der Grundplatte einzuhängen, lässt Baum außen vor. Die Ball-Ends verraten, dass D’Addario-Saiten in der Stärke 45 auf 105 aufgezogen sind.

Sounds und Resümee auf Seite 2

(Bild: Baum Guitars)

SOUNDS!

Was eingestellt werden kann, habe ich gerade geschrieben. Was eingestellt werden muss, ist … nichts. Als hätte ich Baum meine Vorgaben für eine komfortable Bespielbarkeit geschickt, kommt der Bass aus dem Bag. Natürlich drehe ich trotzdem an allem und bin mit dem Ergebnis voll zufrieden. Ähnlich wie beim Rickenbacker verzichtet der Nidhogg auf Shapings, wenn man mal von einer sehr leichten Verrundung des Korpusrückens absieht. Wie sehr das stört, muss man ausprobieren. Ich bin den 4001/4003 gewohnt und komme damit gut klar, was sicher auch eine Frage der (Spiel-)Haltung ist. Leicht zieht es den Bass am Gurt wie auf dem Schoß in die Waagerechte, leicht ist er aber auch. Insgesamt also komfortabel!

Apropos Gurt: Die Pins sind Schaller-Lock-kompatibel, allerdings sind keine Gegenstücke für den Gurt enthalten. Trocken gespielt ordnet sich der Bass klar als Schraubhals-Bass ein. Er hat ein mittellanges Sustain, einen holzigen Ton und eine gute und gleichmäßige, aber nicht allzu zackige Ansprache. Dann mal an den Amp damit! Auch wenn die Regler in der Anordnung nach Rick aussehen, sind sie in der oberen Reihe Volume und Balance (mit einer rastenden Mittelstellung bei ca. 5 auf den nummerierten Knöpfen) und unten einmal passive Tonblende je Pickup.

Das ergibt zunächst einen Sound, der so klingt, wie der Bass aussieht: eine jazzbassige Attitüde mit guten Bässen, schönen Mitten und klaren Höhen – und einem leichten Mitten-Honk à la Rick. Neben den gut aufeinander abgestimmten Tonabnehmern spielt deren Positionierung eine wesentliche Rolle. Der Steg-Pickup sitzt an der klassischen 60er-Jahre-Position, der Hals-Pickup ist aber gegenüber dem normalen Jazz Bass um drei Zentimeter nach vorne gerückt. Da schwingt die Saite anders, es entstehen andere Obertöne – und im Zusammenspiel ergibt sich der beschriebene Ton. Das Balancepoti entpuppt sich als unsubtil. Einen Mischsound außerhalb der Mitte gibt es nur in einem winzigen Bereich, dann ist nur noch einer der beiden Abnehmer zu hören. Der am Hals klingt dabei offen und recht neutral – ein schöner Breitbander.

Am Steg liegt spürbar mehr Leistung an und es gibt reichlich Mitten, an denen Jaco seine Freude gehabt hätte. Noch vokaler wird es, wenn das Tonpoti weit zugedreht wird. Mit dem anderen Potentiometer wird der Halspickup kompakt abgerundet, er bleibt aber immer freundlich – Precieskes ist ihm eher nicht zu entlocken. Dafür tut sich Überraschendes im angesprochenen schmalen Mischbereich knapp links und rechts der Mittenraste. Wenn ich mit den Höhenblenden spiele und eine davon kräftig herunterdrehe, klingt das nicht nur unterschiedlich – womit das Vorhandensein zweier Regler seine Berechtigung erfährt –, sondern teilweise auch verdammt nach Thunderbird! Obwohl der Korpus aus Mahagoni besteht, ist der Rest so unterschiedlich, dass das für mich überraschend kommt!

(Bild: Baum Guitars)

RESÜMEE

Tolles Gerät, der Weltenbaumwurzelnager-Bass! Bei allen Verweisen, Zitaten und Anlehnungen ist der Baum Nidhogg ein eigenständiger Charakter, der mit seiner Ausstattung und Qualität überzeugen kann – und vor allem mit tollen Sounds, von denen es einige gibt! Dieses Chamäleon (auch eine Art Mini-Drache, oder?) lässt sich zudem sehr gut bespielen und liegt mit seinem guten Gewicht auch bei längeren Proben und Gigs noch angenehm in der Hand. Eine klare Antestempfehlung also – mit dem kleinen Haken, dass man die Instrumente so gut wie nicht in Läden findet und sie direkt bei Baum kaufen muss. Dafür hat man eine 45-tägige Testzeit mit kostenloser Rücksendung innerhalb Europas. Da es auch immer mal Angebote und B-Ware gibt, lohnt sich ein Stöbern auf der Website auf jeden Fall!

Plus

● Sounds

● Bespielbarkeit

● Spielgefühl

● Konzept

● Pickups

● Setup

Minus

● Einhängen E-Saite


(erschienen in Gitarre & Bass 11/2025)

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