Godfather Of Distortion

Die Geschichte des Electro-Harmonix Big Muff

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Mike Matthews, Gründer und crazy Mastermind der legendären Firma Electro-Harmonix, ist der Vater des Big Muffs. Erste Erfahrungen im Effektgeräte-Business sammelte er 1967, als er die Produktion des für Guild hergestellten Pedals Foxey Lady, eine OEM-Version des Mosrite Fuzzrite, nach dem Konkurs von Mosrite übernahm.

Mike Matthews

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Das erste, unter dem Markennamen Electro-Harmonix produzierte Effektgerät war der Linear Power Booster, ein simples, aber gut funktionierendes Booster-Pedal, das schnell zum Megaseller avancierte. Der nächste große Wurf wurde dann bereits der Big Muff, ein damals völlig neuartiges Fuzz/Distortion-Pedal. Mike Matthews und sein Kollege Bob Myer wollten ein Fuzz-Pedal mit Sustain und großen Gain-Reserven entwickeln – und läuteten damit die Geburtsstunde der Distortion-Pedale ein.

Der Big Muff besteht schaltungstechnisch aus vier Blöcken: Input Booster, Clipping Amplifier, Tone Stage und Output Booster. Das für damalige Verhältnisse neue Schaltungskonzept findet sich in der Clipping Sektion, wo ein bereits verzerrtes Signal durch eine weitere Gain-Stufe geschickt wird.

Dieses Schaltungsdesign verhilft dem Big Muff zu seinem charakteristischen Sound: Heftige Zerr-Reserven, je nach Stellung des Tone Potis entweder schneidend und sägend, oder violinartig weich und singend, mit einer leichten Absenkung der Mittenfrequenzen. Laut Mike Matthews soll Jimi Hendrix eines seiner ersten Modelle im Studio verwendet haben. Eine Aussage, die sich aber nicht belegen lässt. Bestätigt sind aber solche bekannten Musiker wie Carlos Santana, Robert Fripp, John Lennon und Steve Howe als Muff-User der ersten Stunde.

 

Muff Timeline

  • Triangle Muff – 1969 bis 1972
  • Ram’s Head Muff – 1973 bis 1975
  • Red Black Muff – 1976 bis 1981
  • Civil War Muff – 1991 bis 1992
  • Green Russian Tall Font Muff – 1993 bis 1995
  • Bubble Font Muff – 1996 bis 1997
  • Black Russian Muff – 1998 bis 1999
  • Big Muff Reissue – 2000 bis heute

 

Muff Modelle

Der Big Muff ist in unzähligen Varianten gebaut worden, selbst innerhalb einer Serie variieren die Bauteile ständig. Das erste Modell war die sogenannte Triangle-Variante, benannt nach der dreieckigen Anordnung der Potentiometer. Die Schaltung der frühen Versionen befindet sich noch auf einem frei verdrahteten Lochraster-Board, die späteren Varianten verfügen über eine geätzte Platine.

Der Triangle Muff liefert einen runden, warmen Grund-Sound und hat etwas weniger Gain-Reserven als die späteren Versionen. Gebaut wurde er zwischen 1969 und 1972. 1973 wurde der Triangle Muff durch die neue „Ram‘s Head“- Ausführung ersetzt – benannt nach dem Widderkopf-Logo in der unteren, rechten Ecke des Gehäuses.

Das neueste Modell im Video:

Der Ram‘s Head hat einen aggressiveren Grund-Sound mit mehr Höhen, sowie das charakteristische Mittenloch und größere Gain-Reserven. Prominenter User dieses Modells ist David Gilmour, der ihn auf vielen Pink-Floyd-Produktionen benutzt hat. Gebaut wurde er bis 1975. Die dritte Variante ist das „Red Black“-Modell, benannt nach der Farbe des Gehäuses. Die ersten Serien dieser Ausführung arbeiten noch mit Transistoren, die späteren mit modernen OP-Amps. Der Red Black Muff liefert noch mehr Gain und einen erweiterten Bassbereich. Gebaut bis zum Konkurs von Electro-Harmonix 1981 in diversen Schaltungsvarianten. Nach Jahren der Funkstille dann 1991 die Sensation: der Big Muff ist wieder da – jetzt „Made in Russia“!

Big Muff Modelle

Mike Matthews vertrieb die russischen Sovtek-Röhren in den USA, bekam dadurch gute Kontakte nach Russland und begann 1991 – zuerst unter dem Label Red Army Fuzz und kurze Zeit später wieder unter Electro-Harmonix – den Big Muff in einer russischen Produktionsstätte herzustellen. Diese Versionen sehen sehr rustikal aus und wurden zudem noch in kultigen Holzkisten geliefert. Folgende Modelle wurden dort produziert: Der Big Muff „Civil War“.

Diese Version verdankt seiner grauen und blauen Bedruckung (wie die Farben der Uniformen der Unions und Konföderierten Truppen im amerikanischen Bürgerkrieg) seinen Namen. Diese Version ist sehr begehrt, dank des erweiterten Bassbereichs, der geboosteten Mitten, strahlenden Höhen und seines langen Sustains. 1993 kommt die zweite Variante, der „Green Russian Tall Font“, auf den Markt, der technisch dem „Civil War“ ähnelt. Kurze Zeit später wird er durch die sogenannte „Bubble Font“-Version ersetzt, die einen erweiterten Gain-Bereich und einen etwas giftigeren GrundSound aufweist. Die letzten Made-in-Russia-Modelle sind die „Black Russian“-Varianten. Das frühe Modell im großen Gehäuse entspricht in etwa der „Bubble Front“-Version, die spätere im kleinen Gehäuse ist dem USA-Reissue-Modell sehr ähnlich, das im Jahr 2000 die russischen Muffs ablöste und bis heute erhältlich ist.

Hier der fünfte Big Muff: Green Russian Tall Font.
Hier der fünfte Big Muff: Green Russian Tall Font. (Bild: Jens Markfeld)

Electro-Harmonix hat mittlerweile diverse Big-Muff-Modelle im Programm, wie z. B. den Nano Big Muff, den Bass Big Muff, den Germanium Muff, den Metal Muff usw. Eine besondere Variante stellt der Deluxe Big Muff dar – Electro-Harmonix‘ Antwort auf die zahlreichen Boutique Clones. Dem Deluxe Muff wurde eine semiparametrische Mittenreglung, ein Noise Gate und eine Attack-Regelung spendiert.

Mit einem Expression-Pedal lassen sich sogar Wah-ähnliche Effekte erzeugen. Dieses Pedal ist in der Lage, fast alle Sounds der klassischen Modelle zu reproduzieren, und zudem auch neue Muff-Klangfarben zu erzeugen. Ein Gehimtipp für Gitarristen stellt der Bass Big Muff dar, dessen Grundsound dem „Green Russian“ sehr ähnlich ist und nur in den Höhen etwas kratzbürstiger daher kommt.

 

Muff Models by EHX

Der Hersteller des Originals bietet heute nicht weniger als 15 verschiedene Muff-Versionen seines großen Klassikers an. Muffphoria, Stand: Juli 2015!

  • Big Muff Pi
  • Nano Big Muff Pi
  • Big Muff Pi with Tone Wicker
  • Nano Big Muff
  • Bass Big Muff Pi
  • Nano Bass Big Muff Pi
  • Metal Muff
  • Micro Metal Muff
  • Pocket Metal Muff
  • Deluxe Big Muff Pi
  • Deluxe Bass Big Muff Pi
  • Germanium 4 Big Muff Pi
  • Double Muff
  • Little Big Muff Pi
  • Muff Overdrive
  • Triangle Big Muff Pi

 

Muff Clones

Da sich der Muff noch immer großer Beliebtheit erfreut, ist er natürlich ein lohnendes Objekt für diverse Boutique-Effekt-Schmieden, Fernost-Clone-Companies und DIY-Abenteurer. Hier eine kleine Übersicht, die nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:

Mooer Triangle Buff

Authentisch klingender Triangle-Clone im Pedalboard-freundlichen Mini-Format, viel Muff für kleines Geld. Nemphasis The Muff Italienischer Boutique-Muff, der sich an den Big-Muff-Sounds von David Gilmour aus der „The Wall“-Ära orientiert. Guter Grundsound und tolle Optik.

Electronic Orange Pig Hoof

Boutique-Muff im „Ram’s Head“-Stil aus Tschechien. Gelungene Reproduktion, geringe Nebengeräusche und sehr hoher Output. Geheimtipp!

Big Muss Modelle
(Bild: Jens Markfeld)

Fredric Effects Green Russian

Tall-Front-Green-Russian-Clone aus London. Ein Muff mit einer dunkleren Klangfarbe und einem singenden, warmen Grundsound. Mit MXR-Style Gehäuse und Hardware-True- Bypass.

Skreddy

Marc Ahlfs von Skreddy FX ist ein absoluter Big-Muff-Spezialist. Diverse Muff-Style-Pedale sind im Programm. Hier zwei Beispiele: Skreddy Top Fuel, eine sehr aufwendige Muff-Weiterentwicklung, die mit acht (!!) Transistoren zu Werke geht. Das Top Fuel gehört zur aggressiveren Muff Fraktion. Das Skreddy P19 ist eine großartige „Ram’s Head“-Variation mit schaltbarem Mittenboost.

JHS Muffuletta

Der „Swiss Army Muff“! Die Boutique-Schmiede JHS hatte die geniale Idee, nicht weniger als fünf klassische Muff-Schaltungen und eine Muff-Eigenkreation in ein Gehäuse zu packen! Alle gefragten Varianten sind vertreten: Civil War, Black Russian, Ram´s Head, Red Black (Pi), Triangle und eben die eigene JHS-Variante. Im direkten Vergleich mit den alten Originalen kann man nur den Hut vor JHS ziehen, denn die typischen Merkmale aller Modelle sind erstaunlich gut getroffen. So kann man schnell „seinen“ Muff finden.

Die eigene JHS-Variante ist eine Art modernisierter Muff, er klingt transparenter mit gut definiertem Bassbereich – klasse! Der Tone-Regler wurde von einem „Green Russian“ übernommen, der laut JHS den besten Wirkungsgrad hatte. Das Ganze im pedalboardfreundlichen Gehäuseformat in MXR-Größe – was will man mehr?

Big Muss Modelle
(Bild: Jens Markfeld)

Weitere Muff-Clones im Schnelldurchlauf

  • Blackout Effectors Musket Fuzz
  • Buffalo FX Patriot – „Civil War“-Style • Buffalo RH-X76 – „Ram’s Head“-Version mit Mittenpoti
  • Mojo Hand Colossus – ein Muff mit Mittenpoti
  • Orion Ramlon – Ram’s Head Style
  • Orion Russlon – Green-Russian-Style
  • Wren & Cuff Box of War – „Civil War“-Muff
  • Wren & Cuff Carprit – „Ram’s Head“-Version
  • Wren & Cuff Tall Front Russian – die grüne Muff-Variante
  • Wren & Cuff Tri Pie 70 – Triangle-Muff

User & Songs

Der Big Muff ist auf einer Vielzahl von Pop- und Rock-Produktionen der letzten 40 Jahre verwendet worden. Hier eine kleine Auswahl:

  • The Carpenters – ja, genau die, kaum zu glauben!! In ihrem Song ‚Goodbye To Love‘ ist ein von Tony Peluso gespieltes Gitarrensolo mit typischem Muff- Sound zu hören.
  • Carlos Santana benutzt den Big Muff bei der Studio-Version von ‚Hope You‘re Feeling Better‘.
  • Grand Funk Railroad! Mark Farner hat den Muff sehr häufig benutzt, als Anspieltipp sei ‚Paranoid‘ empfohlen.
  • Pink Floyd. David Gilmour ist Mr. Big Muff! Bis heute verwendet er den Muff auf allen Pink-Floyd- und Solo- Produktionen, und das seit der ‚Animals‘-Tour 1977. Erst spielte er den „Ram‘s Head“, später bei ‚Pulse‘ den „Civil War“ und auch Clones, die Pete Cornish ihm gebaut hat. Anspieltipp: ‚Comfortably Numb‘ und der brachiale Zerr-Sound im Intro von ‚Sorrow‘.
  • U2! The Edge verwendet den Muff z. B. bei ‚Bullet In The Sky‘.
  • Metallica setzten den Muff u. a. bei ‚Pulling Teeth‘, ‚For Whom The Bell Tolls‘ ein.
  • Wolfmother. In ‚Dimension‘ und ‚Woman‘
  • The Black Keys. In ‚10 A.M. Automatic‘ und ‚Till I Get My Way‘
  • Red Hot Chilli Peppers. ‚Strip My Mind‘ und ‚Wet Sand‘
  • Dinosaur Jr. in ‚Mountain Man‘
  • The White Stripes. ‚Dead Leaves And The Dirty Ground‘, ‚Aluminum‘ und ‚Red Rain‘
  • Bush. In ‚Glycerine‘
  • Nirvana, In ‚Breed‘
  • Und nicht zu vergessen, das Mudhoney-Debüt ,Superfuzz BigMuff‘ von 1988, das den Verzerrer auch beim Nichtmusiker-Publikum zum Begriff machte. Jack Endino hat die EP der Grunge-Band aus Seattle produziert, natürlich für das legendäre Label SubPop!

 

Muff Net

  • www.bigmuffpage.com Die ultimative Big-Muff-Seite von Kit Rae, sehr detailliert und informativ mit vielen Detailbildern.
  • www.gilmourish.com Eine umfangreiche Seite über David Gilmour mit ausführlicher Big-Muff-Dokumentation.
  • www.ehx.com Die Website des Herstellers Electro Harmonix.

 

 

Electro-Harmonix Deluxe Big Muff im Test

Braucht die Welt mehr Big Muffs? EHX-Chef Mike Matthews meint: Ja! Denn nachdem in den letzten Jahren bereits mehrere modernisierte und miniaturisierte Reinkarnationen seines 60er-Jahre-Sauriers sein Frankensteinlabor in NYC verließen, präsentiert er der staunenden Muff-Gemeinde einen neuen Über-Muff, der deutlich umfangreicher ausgestattet ist. Neben den bekannten Reglern für Volume, Tone und Sustain (= Verzerrung) finden sich einige ungewohnte Regler und Anschlüsse zur Klangaufbereitung des Muff-Erlebnisses an Bord! Der Effekt selbst wird durch den mit Bypass titulierten True-Bypass-Schalter aktiviert, ein weiterer Minischalter aktiviert einen Bass-Boost, der gerade bei höhenreichen Einstellungen des Tone-Reglers den Sound nach unten hin abrundet. Schön. Und fett.

Der aktuell Deluxe Big Muff vereint viele Sounds der Muff- Geschichte in einem Gerät.
Der aktuell Deluxe Big Muff vereint viele Sounds der Muff-Geschichte in einem Gerät. (Bild: Jens Markfeld)

Attack nimmt dem Sound etwas die „Wolle vom Fell“ und erhöht die Dynamik und somit die Durchsetzungsfähigkeit. Ebenfalls schön! Das flexibel einstellbare Gate unterdrückt nicht nur erfolgreich Brummen und Rauschen in Spielpausen, sondern kann auch abgehackte Sounds à la Rammstein oder Jack White kreieren. Durch einen zweiten Fußschalter (Mids) wird eine weitere Klangbearbeitungssektion dazugeschaltet, die optisch durch ein rot abgesetztes Layout kenntlich gemacht ist. Hier wird ein Mid-Boost samt zuständigem Level-Regler aktiviert.

Während FREQ eine durchstimmbare Mittenfrequenz definiert, bestimmt LEVEL, ob die ausgewählte Frequenz angehoben oder abgesenkt werden soll. Dies ist ein sinnvolles Feature, um für bestimmte Songs oder Passagen einen zweiten Muff-Sound mit entweder mehr Durchsetzung oder z. B. mehr „Nähmaschine“ abrufen zu können. Klasse! Ein weiterer Mini-Switch bestimmt, in welchem Mittenspektrum der FREQ-Regler operieren soll – von breit- bis schmalbandig sind drei Positionen anwählbar. Der Anschluss eines Expression-Pedals ermöglicht zudem das dynamische Durchstimmen des Mittenfilters per Fuß, ein Effekt, der sich wirkungsvoll bis hin zu extremen Wah/Muff-Filter-Sounds einsetzen lässt.

Electro Harmonix ist mit dem Deluxe Big Muff nicht nur ein mit vielen neuzeitlichen Features ausgestattetes Update eines Klassikers gelungen, sondern die Firma bietet allen Zerr-Freaks eine flexible Experimentalstation, die zudem klanglich mitten im besten Muff-Land angesiedelt ist. Vertrieb: ausgesuchte Musikläden. Eine Händerliste gibt es unter www.ehx.com

AUTOR: Olaf Markfeld, FOTOS: Jens Markfeld

Produkt: Treble Booster im Test
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