Deimel Guitarworks Doublestar Bolt Tone im Test

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E-Gitarre von Deimel Guitarworks, weiß, stehend
(Bild: Dieter Stork)

 

Das symmetrische Design der LP Junior stand Pate für die Doublestar von Frank Deimel, keine Frage. Doch Moment mal: Korpuskonturen, Schraubhals aus Ahorn, lange 648 mm Mensur, Vibrato-Brücke mit Tele-Appeal, einzelner Pickup, aber Dreiwegschalter? Da ist der alten Lady wohl nicht nur ein ordentliches Lifting verpasst worden – das müssen wir natürlich genauer wissen.

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Frank Deimel baut schon seit seiner frühen Jugendzeit Gitarren. Nach langen Jahren des Customizing und der Herstellung von Einzelstücken im Kundenauftrag hat der Berliner Gitarrenbauer und erfahrene Servicemann nun erstmals zwei standardisierte Modelle auf den Markt gebracht. Die nicht eben überraschende Optik täuscht aber nur bei oberflächlichem Blick darüber hinweg, dass Frank mit seinen Modellvariationen mehr als nur den Weg der Verfeinerung geht. Eher haben wir es mit zeitgemäßer Optimierung, mit Fortschreibung und Neuauslegung zu tun. Er zollt den grundlegenden Designs der Vergangenheit Respekt, aber nur um dann auf bewährter Grundlage seine Erfahrungen und Ideen einzubringen. Das 50er-Jahre-Konzept mit heutigen Möglichkeiten konstruktiv fortzuschreiben und an die gestiegenen Ansprüchen moderner Spielpraxis anzupassen, das ist ein ehrenwertes Ziel – schauen und hören wir also mal, was da noch geht.

 

Konstruktion der Deimel Guitarworks Doublestar Bolt Tone

Die Gibson Double Cutaway Junior gehört zu den großen ikonischen Gitarren-Designs. Seiner kurzen Lebenszeit zum Trotz (1958 – 1963) brannte sich das ehemalige Schülermodell später als definitives Rock’n’Roll-Animal prägend in unsere Gitarristenherzen ein. Das gradlinig Einfache, Unmittelbare und Pragmatische der Konstruktion hat Generationen von Gitarrenbauern nachhaltig beeinflusst, ja selbst der Kronprinz der großen amerikanischen Stromgitarrenerfinder, Paul Reed Smith, wäre ohne dieses Ur-Design gar nicht denkbar. Wenn etwas stimmt, dann stimmt es eben und trotzdem ist die Zeit ja nicht stehengeblieben. Was auf diese gesunde Grundlage gestützt heute mit kenntnisreicher Widmung noch so alles möglich ist, das zeigt Frank Deimel eindrucksvoll mit seiner Doublestar.

Der einteilige Double-Cutaway-Korpus des Testmodells besteht aus einem planen Brett bester Sumpfesche (Stärke knapp 42 mm), welchem jedoch neben gut verrundeten Kanten im Bereich der Armauflage und am Boden oben noch zusätzliche Komfortkonturen im Stil der Stratocaster verschafft wurden.

Der einteilige, kräftig rundlich gestaltete Hals aus prachtvoll gemasertem Riegelahorn ist anders als bei der historischen Vorlage auf den Korpus geschraubt. Der konisch abschließende Halsfuß ist dafür tief in die präzise geschnittene Korpustasche eingesetzt und dort vom Boden her ohne Platte mittels dreier in Hülsen geführter Schrauben toleranzfrei fixiert. Im Griffbrett aus Ebenholz mit Compound Radius (9,5″-12″) sitzen 22 sauber verarbeitete Jumbobünde (Wagner) mit perfekt abgefasten Kanten. Perl-Dots an den üblichen Stellen markieren die Lagen. Der leicht herausgeführte Kopf erhielt im Winkelübergang der Rückseite eine verstärkende Volute. Seine konische Form erlaubt eine recht gerade Saitenführung von den Wickelzylindern der Kluson-Mechaniken hinüber zum polierten Knochensattel. Zugriff auf den eingelegten Halsstab gibt es ebenfalls vom Kopf her.

 

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(Bild: Dieter Stork)

 

Am Korpus werden die Saiten (Mensur 648 mm!) von einer Vibrato-Bridge gehalten. Dabei handelt es sich um ein modifiziertes Callaham-System mit Eindreharm und Stahlblock, das mit längenkompensiert eingerichteten Tele-Messingsätteln von Glendale ausgestattet wurde.

Der in Stegposition platzierte einzelne Soapbar-Singlecoil-Pickup von Curtis Novak bietet über den Tap-Toggle genannten Dreiwegschalter drei Abgriffsmöglichkeiten seiner Wicklung: vorn 5,5 kOhm, Mitte 8,5 kOhm und hinten 11 kOhm. Jeweils ein Volume- und Tone-Regler geben Kontrolle über die Elektrik.

Ambitioniert dann auch die Bakelit-Abdeckungen für das Tremolo und das zusätzlich mit Kupferfolie isolierte Elektrofach, welches selbstredend mit bestmöglichen Komponenten von CTS und Sprague, sowie einem Toggle Switch mit Goldkontakten ausgestattet ist.

Ein Schlagbrettchen aus rotbraunem Tortoise Celluloid und große Gurtpins komplettieren die Ausstattung. Die Gitarre bekam eine dünne Nitro-Lackierung in Paper Moon White; ihr Hals wurde klar lackiert. Die technische Ausführung ist in allen Aspekten höchst detailgenau und spielförderlich auf den Punkt gebracht – deutscher Gitarrenbau in Bestform!

 

Die Deimel Guitarworks Doublestar Bolt Tone in der Praxis

Das Deimel-Doublestar-Modell fühlt sich abseits seiner Junior-Optik eher wie eine Stratocaster an. Dank der langen 648 mm-Mensur stellt sich der Saitenzug, verglichen mit einem Gibson-Modell, grundsätzlich straffer dar. Der kraftvoll rundliche Hals fällt überaus angenehm in die Hand und macht sofort klar, dass wir es hier mit einem hervorragenden Instrument zu tun haben. Die perfekt und kantenglatt verarbeiteten Bünde, der sich elegant nach oben hin öffnende Compound Radius, der große, frei zugängliche Tonumfang – das alles mündet sofort in Spielfreude pur. Dem will und darf das akustische Tonverhalten der Gitarre natürlich nicht nachstehen, ein Anspruch, den die Doublestar auch sofort souverän bestätigt. Akkorde klingen stramm und geschlossen, das Attack-Verhalten ist grandios und das Schwingverhalten überzeugt mit atemreich ausgeglichenem Tonverlauf.

Gehen wir in den Amp, so werden die guten akustischen Vorgaben durch die elektrische Wiedergabe sogar noch bekräftigt. Der einzelne, speziell für Frank Deimel angefertigte Soapbar-P90-Pickup von Curtis Novak liefert drei Sounds durch den Abgriff von unterschiedlichen Wicklungen per Tap-Toggle. Heraus kommen dabei gut gestaffelte Sounds, die dieser Ein-Pickup-Gitarre eine ungewöhnliche klangliche Beweglichkeit geben.

In der ersten Schaltstufe bekommen wir zunächst einen recht nageligen, tendenziell etwas dünnen und eckigen Klang auf die Ohren. Selbst der aber verfügt schon über eine erstaunliche Strahlkraft und aalt sich förmlich im langen Sustain der Gitarre. Richtig Sinn macht dieser Spar-Sound dann im angehobenen Crunch-Modus, wo er mit scharf durchsetzungsfähigem Twang und viel Tele-Appeal aufwartet.

Ganz anders dann schon Schaltstufe zwei (Mittelstellung), die mit deutlichem Sprung nach vorn und saftigem P90-Sound aufwartet. Knochige Bässe, offene Höhen und ein Klangbild von fast schon akustischer Transparenz zählen zu den Stärken dieses Abgriffs, der im Grunde den amtlichen P90-Klang offeriert, wie man ihn kennt und liebt. Er sorgt für transparente Stimmgliederung in Akkorden und bietet dann im Zerrbetrieb jene trockene Attitüde, die selbst in High-Gain-Schaltungen noch für unglaublich plastische, trennscharfe Tonbilder sorgt. Satter Anriss, gutes Dynamikverhalten, bestens konturierte Linien – Klasse!

Bei voller Ausnutzung der Wicklung (Schaltstufe 3) machen die Höhen wohl etwas zu, im klar gefahrenen Amp taugt das aber immer noch für wirklich ansprechende Akkord-Sounds. Natürlich strunzt der Bursche jetzt mit einem satten Mittenbauch, der das Signal im Zerrmodus kraftvoll nach vorn durchdrückt. Der Ton reagiert immer noch schnell und leicht auf den Anschlag, der Anriss ist nun aber deutlich schmutziger als in der vorhergehenden Mittelstellung. Das hat etwas von reißendem Papier und die ineinanderschmelzenden Linien vermitteln kraftvoll rauen Rock’n’Roll in Bestform. Überhaupt scheint mir diese Gitarre mit den knurrigen Sounds, dem charaktervoll kompakten Growl die ideale Rock-Gitarre. Aber sie bietet eben auch erweiterte Möglichkeiten durch die angelegte Klangdifferenzierung.

 

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(Bild: Dieter Stork)

 

Das Vibratosystem mit seinen Tele-Messingreitern ist an fünf Federn schwebend aufgehängt, biet einen demgemäß ordentlich festen Hebeldruck, funktioniert in dem gesetzten Rahmen eines Vintage-Typen aber ansonsten gut.

Fassen wir zusammen: die Deimel Doublestar bedient sich zwar der Silhouette einer Les Paul Junior, aber nur, um dann das ursprüngliche Gibson-Konzept vollkommen auf den Kopf zu stellen, oder, wenn man so will, zu „fenderisieren“. Strukturell betrachtet bleibt von der Juniorkonstruktion recht wenig erhalten: Der Korpus bekam nicht nur Strat-Konturen, auch die Federkammer des Vibratosystems entkernt die Korpusmitte, was aus konstruktiver Sicht anstelle der massiven Plattenbauweise mit durchgehenden Holzfasern beim Gibson-Modell eher der Rahmenkonstruktion einer Stratocaster ähnelt. Die ausgewählten Tonhölzer entsprechen überdies ebenfalls denen von Fender-Instrumenten – völlig anderes Konzept also mit Sicht auf die Vollmahagonikonstruktion bei Gibson. Dazu gesellt sich noch die 648-mm-Mensur und das Vibratosystem – vom verwendeten Pickup-Typen und der äußeren Formgebung einmal abgesehen ist da also mehr Fender drin als Gibson, oder anders gesagt: Der Deimel kreuzt hier die beiden großen grundsätzlichen Designs amerikanischer Stromgitarrenhistorie und heraus kommt ein Enkel der sich gewaschen hat. Was der nicht kann? Gute Frage: so klingen wie eine Junior. Die nämlich – ich kann, und das ist natürlich unfair, nur ein frühes Gibson-Modell zum Vergleich heranziehen – hat das größere Herz, die wärmere Ausstrahlung, ist aber dafür auch eingeschränkter in ihren Möglichkeiten.

 

Resümee

Frank Deimel stellt mit seiner Doublestar einen wunderbaren Hybriden vor, der Elemente der LP Junior, der Strat und der Tele in Harmonie vereint, ja zu einem neuen klanglichen Höhepunkt führt. Die Spieleigenschaften sind kaum zu übertreffen, wenn man ein Freund kraftvoller Halsprofile ist, denn dieser rundlich fluffige Hals fühlt sich einfach grandios an und das komplette Griffbrettregister öffnet sich den greifenden Fingern mit zwanglosem Zugang. Besonders zu loben ist neben der schlüssigen Konstruktion auf der Grundlage bester Tonhölzer die elektrische Stärke der Gitarre. Der tolle Soapbar-P90-Custom-Pickup von Curtis Novak bietet mit drei Abgriffsmöglichkeiten der Wicklung eine differenzierte Klangstaffelung, die vom Tele-Twang über eine höchst gesunde kernige P90-Basis bis hin zum saftigen Rock-Sound reicht, also viel mehr, als man in einer Ein-Pickup-Electric gemeinhin erwarten würde. Starke Gitarre also in Summe, deren enorme Substanz sich zwar aus den Quellen der großen Gitarrenentwürfe der 50er-Jahre speist, diese aber keineswegs verwässert, sondern in höchst zweckmäßiger und zeitgemäßer Ausrichtung fusioniert und mit frischer Kraft ausstattet. Einziger Wermutstropfen ist der hohe Preis der Deimel Doublestar, aber dafür erhält der Interessent eben auch ein höchst exklusives, meisterlich handgebautes Instrument besonderer Klasse.

 

Übersicht

Fabrikat: Deimel Guitarworks

Modell: Doublestar Bolt Tone

Typ: Solidbody-E-Gitarre

Herkunftsland: Deutschland

Mechaniken: Kluson Deluxe, TonePros, gekapselt

Hals: Riegelahorn, einteilig, aufgeschraubt

Sattel: Knochen

Griffbrett: Ebenholz, nicht eingefasst, Perl-Dots

Radius: Compound 9,5″- 12″

Halsform: sattes D-Profil

Halsbreite: Sattel 42,8 mm; XII. 51,4 mm

Halsdicke: I. 23,0 mm; V. 24,1 mm; XII. 25,7 mm

Bünde: 22, Jumbo

Mensur: 648 mm

Korpus: Sumpfesche, einteilig

Oberflächen: Paper Moon White, dünne Nitrolackierung

Schlagbrett: Tortoise Celluloid

Tonabnehmer: Curtis Novak Custom Soapbar P90-Typ mit drei Abgriffen von 5,5, 8,5 und 11 kOhm

Bedienfeld: 1x Volume, 1x Tone, 1x Dreiweg-Tap Toggle

Steg: Callaham mit Glendale Intone Cutting Edge Brass Saddles

Hardware: mattiert

Gewicht: 3,3 kg

Lefthand-Option: ja

Vertrieb: Deimel Guitarworks

10829 Berlin

www.deimelguitarsworks.de

Zubehör: Hiscox Case

Preis: ca. 2585

 

Plus

  • Design/Konstruktion
  • Optik
  • Effektiver Stilmix
  • Tonhölzer
  • Schwingverhalten/Ansprache
  • Curtis Novak P90-Pickup
  • Tap-Schaltung / drei Sounds
  • Bridge/Vibrato
  • Spieleigenschaften
  • Verarbeitung

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