Nicht die erste beeindruckende Gitarre, die da aus Berlin-Neukölln zum Test anreist. Baboushka-Inhaber Nikolai Tomás ist nicht nur Gitarrenbauer, sondern hat auch als Musiker und Bandleader ein beeindruckendes Œuvre vorzuweisen. Der spätberufene Handwerker baut seine exklusiven Instrumente also aus Sicht des Musikers, genauer gesagt aus der des Gitarristen.
Mit seiner Folk-Pop-Band Poems for Laila, später auch mit Soloveröffentlichungen und Filmmusiken machte Nikolai Tomás seit 1989 immer wieder von sich reden und auch aktuell arbeitet er wieder an einem musikalischen Projekt. 2005 baute er für sich selbst eine erste Gitarre nach individuellen Vorstellungen, die ihm aber sofort wieder abgekauft wurde.
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Da immer wieder Musiker Interesse an seinen Kreationen zeigten und die Sache ihm mehr und mehr Freude bereitete, war der Gedanke an ein zweites Standbein geboren und Nikolai begann seine handwerklichen Ambitionen zu vertiefen. Heute gehört er mit seinen oft farbenfrohen Unikaten zu den unbedingt interessanten Gitarrenbauern im Land.
LIGHT AS A FEATHER
Für sein Modell Gipsycaster nahm Nicolai ein Stück Paulownia als Grundlage. Dieses schnellwachsende Holz genügt nicht nur den Anforderungen nach umweltschonendem Materialeinsatz, sondern eignet sich auch für den Bau besonders leichter Gitarren. Der Korpus der Gipsycaster aus diesem Material folgt wenig überraschend der namensgerecht assoziierten kalifornischen Bauweise, nur dass sich wohl kaum so ein US-Castervogel von lediglich 2,4 kg finden lässt. Weight doesn’t matter? Sehen wir später!
Aufsehenerregend jedenfalls ist auch die schillernde optische Gestaltung mit Farbgebung irgendwo zwischen Echsenhaut und psychedelischer Halluzination. Die Versiegelung mit dünn aufgetragenem Nitrolack belässt dem Holz ganz bewusst seine natürliche Struktur. Da ist nichts zugespachtelt oder übertüncht und der dadurch erzielte rustikale Charakter versprüht einen ganz besonderen Vintage-Charme.
Im Gegensatz dazu wartet der Hals der Gipsycaster mir definitiver Glätte dank seidig versiegelter und polierter Oberflächen auf. Der sauber in seine Halstasche gesetzte Hals aus geröstetem Ahorn mit angenehm griffig gestaltetem C-Format – Baboushka-Designs sind immer Schraubhalsgitarren – verfügt über ein Griffbrett aus roasted maple mit 22 sorgfältig verarbeiteten Medium-Jumbo-Bünden. Schwarze Dots markieren die Lagen.
Roasted Maple Neck mit geröstetem Griffbrett und Medium-Jumbo- Bundierung (Bild: Dieter Stork)
Die im Prinzip klassisch gestaltete, parallel herausgeführte Kopfplatte ist mit Kluson-Vintage-Mechaniken ausgestattet, präsentiert aber das von der Korpusfarbe unterlegte Firmenlogo auf einem eingefrästen Relief. Zugriff auf den Halsstab (Single Action Trussrod) gibt es ebenfalls vom Kopf her.
Firmentypisch: Kopfplatte mit gefrästem Relief (Bild: Dieter Stork)
Die Saiten – E und B passieren zuvor einen Niederhalter – werden über einen schmalen Sattel aus Knochen geführt und mit 648-mm-Mensur hinüber zur Kluson T-Style Bridge mit GraphTech Saddles und „string-through body”-Konterung geführt. Die Saitenreiter aus Tusq sind für die Schwingungsentfaltung von entscheidender Bedeutung. Dieser unter großer Hitze und hohem Druck hergestellte, mit Teflon imprägnierte, hochfeste Polymerkunststoff wird vom Hersteller als „Man Made Ivory”, also als menschengemachtes Elfenbein, vorgestellt.
Kluson-T-Style-Bridge mit GraphTech Saddles (Bild: Dieter Stork)
Elektrik: Der kroatische Hersteller Guitar Magnets ist bei uns noch nicht sehr bekannt, bietet aber unter dem Namen Q-Pickups ein erstaunlich umfangreiches Programm mit Fokus auf den Nachbau klassischer Tonabnehmer-Typen. Bei unserem Testkandidaten sorgt ein David-Gilmour-Pickup-Set für elektrische Kompetenz.
Auf das mit floralen Mustern versehene Pickguard aus Flugzeugholz (Modellbau) ist vorn in der Halsposition ein moderat gewickelter Humbucker (6,9 kOhm) mit patinierter Kappe geschraubt; einen offenen Single-Coil-Pickup von etwas höherem Widerstandswert (8,9 kOhm) finden wir in traditioneller Schrägstellung auf der Tele-Style-Bridge.
Zur Verwaltung stehen neben einem etwas hakelig laufenden Dreiwege-Schalter jeweils generisch arbeitende Volume- und Tone-Regler bereit, deren Knöpfe mit Auflagen in Korpusfarbe verziert sind. Alle Metallteile wurden sorgfältig von Hand einem Aging unterzogen. Zu erwähnen bleiben noch die erfreulich großen Gurtpins mit Schraubköpfen.