Double & Single, Thinline & Hollow

Anniversary Twang: Gretsch G5420T-140 & G5622T-140 im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Zur Feier des 140-jährigen „Double Platinum“-Jubiläums präsentiert Gretsch limitierte Modelle mit Bigsby in exklusiver Aufmachung. Diese zwei hier stammen aus der erschwinglichen Electromatic-Reihe.

Gretsch baut keineswegs schon 140 Jahre lang Gitarren, denn der Einwanderer Friedrich Gretsch aus Mannheim eröffnete zwar 1883 seinen ersten Music Shop in New York, stellte aber zunächst Tambourins und Trommeln her. Erst sein Sohn Fred baut die Firma ab 1910 mit der Fertigung von Banjos und Ukulelen aus, in den 20er-Jahren ergänzt um eine Schlagzeugproduktion. 1927 kommt dann erstmals eine kleine Reihe von Tenorgitarren dazu, aber auch Archtops lassen nun nicht mehr lange auf sich warten. Die klassische Ära der Gretsch-Gitarren hat begonnen.

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Nach der glorreichen Zeit der 50er-und 60er-Jahre kam der Niedergang, aber auch der Wiederaufstieg aus der Asche. Heute ist Gretsch unter dem Dach von Fender wieder bestens und breit aufgestellt. Zum Jubiläum gibt es neben teuren in Japan gefertigten Anniversary-Ausführungen auch erschwingliche Modellversionen, wie dieses nette Pärchen aus chinesischer Produktion.

DOUBLE & SINGLE, THINLINE & HOLLOW

Bei der G5 420T-140 Electromatic 140th Anniversary handelt es sich um eine Hollow-Body-Single-Cut mit laminiertem und in Wölbung gepresstem Ahornkorpus. Die Decke finden wir von einem sogenannten Trestle Block Bracing unterbaut. Darunter versteht man parallel gesetzte Deckenleisten, die von einem abstützenden Block mit Anschluss an den Boden unterhalb der Bridge ergänzt wird. Das soll neben der Stabilisierung der Konstruktion auch helfen, Rückkopplungen zu vermeiden. Durch die Erhöhung der Steifigkeit mittels Kontakt von Top und Boden dieses speziellen Interieurs will man ebenfalls ein schnelleres Attack-Verhalten und die Verbesserung des Sustains erreichen. Vintage-inspirierte Bindings fassen Decke und Boden effektvoll ein.

Der Hals aus Ahorn mit klassischem C-Profil trifft in Höhe des 14. Bundes auf den Korpus, das gut gerundete Cutaway gibt dennoch guten Zugriff auf die hohen Bünde. Im gebundenen Griffbrett aus Laurel (Lorbeer) mit 12“-Radius finden wir 22 sauber kantenglatt verarbeitete Bünde und Hump-Block-Einlagen aus Perlmutt. Auf die Kopfplatte im Matching-Headstock-Design (gespiegelte Korpusfarbe) ist eine Anniversary-Plakette zum 140-jährigen Jubiläum geschraubt; offene Mechaniken im Vintage-Stil ergänzen die Ausstattung. Zwischen dem NuBone-Sattel von Graph Tech und der Adjusto-Matic-Aufsatzbrücke schwingen die Saiten mit einer Mensur von 62,5 cm; ein lizenziertes Bigsby B60 Vibrato Tailpiece kontert die Saiten.

Wabbeln funktional begrenzt, Look aber obercool: Bigsby Vibrato (Bild: Dieter Stork)

Elektrische Ausstattung: Zwei FT-5E Filter‘Tron Humbucking PUs lassen sich mit dem oben vorn auf die Decke gesetzten Drei-Wege-Schalter einzeln oder zusammen aktivieren und werden von individuellen Lautstärkereglern plus Master-Tone und Master-Volume mit Treble-Bleed-Schaltung kontrolliert. Die Gitarre ist in der Farbe „Two-Tone Pearl Platinum over Stone Platinum“ deckend lackiert.

Die G5622T-140 Electromatic 140th Anniversary Center Block Double-Cut mit Bigsby bezieht sich ebenfalls auf historische Gretsch-Modelle. Sie kommt mit Double-Cutaway-Korpus aus laminiertem Ahorn, dem ein gekammerter Mittelblock aus Fichte Stabilität und Feedback-Resistenz verleiht. Der Hals aus Ahorn mit Thin-U-Profil ist in Höhe des 18. Bundes in den Korpus eingeleimt. Das eingebundene Laurel-Griffbrett (12“-Radius) teilen sich 22 Medium-Jumbo-Bünde und Neo-Classic Thumbnail Inlays aus Perlmutt. Die in den Korpusfarben lackierte Kopfplatte verfügt ebenfalls über eine Anniversary-Plakette, aber über geschlossene Die-Cast Tuners. Die Mensur entspricht dem Schwestermodell, jedoch laufen die Saiten über eine verankerte Adjustomatic Bridge zum B70-Vibrato von Bigsby.

(Bild: Dieter Stork)

Elektrik: Zwei Black Top Broad‘Tron Humbucking Pickups geben der Double Cut ihre elektrische Stimme. Wiederum sind die Tonabnehmer per Drei-Weg-Toggle-Switch anwählbar und werden von individuellen Lautstärkereglern plus Master-Volume (Treble-Bleed) und Master-Tone verwaltet. Die allgemeine Verarbeitung auch dieser Gitarre können wir rundum tadellos nennen. Die kontrastierende Farbgebung der G5622T mit „Two-Tone Stone Platinum über Pearl Platinum“ ist im Verhältnis zum Partnerinstrument quasi auf links gezogen.

KLASSISCHE FORM – MODERNE NORM

Optisch kommt dieses Gretsch-Pärchen mit seiner alterierend aufeinander abgestimmten Farbgebung absolut harmonisch rüber. Wo liegen die Unterschiede? Beide Modelle folgen klassischen Mustern, sind also von der Handhabung her für Gretsch-Kenner wenig überraschend. Mit Korpustiefen von 6,5 cm (Single Cut) und 4,4 cm (Double Cut) liegen sie für ihre Modellkategorie im jeweils gewohnten Bereich. Damit haben wir im Grunde auch schon den wesentlichen Unterschied beschrieben, was die Handhabung inklusive der Erreichbarkeit der hohen Bünde, aber nicht zuletzt auch die differierende Klangumsetzung angeht.

Beide Gitarren spielen sich gut, auch wenn die Halsprofile natürlich auf die persönliche Neigung hin zu überprüfen sind. Die volumenreiche G5420T Single Cut fühlt sich etwas stattlicher an, bietet eine komfortable Armauflage. Sie fällt mit ihrem gängigen Classic-C-Profil und perfekt eingerichteter Saitenlage angenehm in die Hand und beeindruckt mit ausgeglichenem Stimmverhalten bei guter akustischer Lautstärke. Die G5622T Double Cut dagegen wird den Fans von etwas breitschultriger ausgelegten Halsprofilen bestens gefallen, denn das Thin-U-Shaping bietet bei vergleichbar gutem Setup dem Daumen seitlich etwas mehr Stützfläche. In Sachen Sound ist sie auch deutlich anders ausgerichtet, kommt kompakter und direkter, aber auch leicht kühler rüber. Beide Basis-Sounds haben fraglos was auf ihre Art.

Am Amp zeigen die Anniversary-Gitarren dann auch elektrisch die modelltypischen, bzw. von der differierenden Bauweise beeinflussten Klänge, differenziert nochmals durch die unterschiedlichen Pickups. Die FT-5E Filter’Tron Pickups der Single Cut Hollowbody weisen Gretsch-typische Widerstandswerte von 4,2 und 4,7 kOhm auf; die Black Top Broad’Tron Humbucker der Double Cut Thinline sind etwas stärker ausgelegt.

Filter’Tron Pickups der Single Cut (Bild: Dieter Stork)

Die G5420T Hollowbody mit dem vollen Korpus und ihren auf klare und höhenreiche Tonübersetzung ausgerichteten Filter’Tron Pickups lehnt sich deutlich an das klassische Sound-Ambiente traditioneller Gretsch-Gitarren an. Die offene Strahlkraft sorgt in Verbindung mit dem hohlen Korpus für einen gewissen Bauch im Tonverhalten, aber auch für perkussiv markante Federkraft. Bei klar eingestelltem Verstärker liegen bemerkenswert charaktervolle Sounds mit bester Saitenseparation im Akkord an. Sehr schön crunchy kommen beide PUs einzeln und mit zusätzlichem Perlfaktor nicht zuletzt auch in ihrer Kombination bei etwas frecheren Einstellungen an den Start. Aber übertreiben darf man es mit der Lautstärke und kräftigerem Zerrcharakter dann doch nicht, will man nicht mit Feedback kämpfen. Da geht zwar schon was und man kann ja auch mit Rückkopplungen arbeiten, aber High Gain ist selbstredend nicht wirklich das Metier einer gestandenen Hollowbody, für Sounds in der Richtung eignet sich die schmale Schwester deutlich besser.

Klanglich ist die G5622T Double Cut nicht nur dank ihres schlanken Bodys mit durchgehendem Mittelblock deutlich anders aufgestellt. Mit ihren kräftiger ausgelegten Pickups bietet sie auch die etwas forscher zugespitzte Tongestalt. Straff in der allgemeinen Darstellung, aber dennoch mit der Gretsch-typischen Klarheit und Offenheit gesegnet, kommt dieses Modell mit knackigen Bässen, plastischen Mitten und zupackenden Höhen zum Ohr. Gute Durchsicht im Akkord bietet also auch die Double Cut und ebenfalls kommt der Ton anschlagsgerecht und schnell in Position.

Mehrklänge erscheinen im Vergleich allerdings kompakter und mit etwas mehr Anschlagskompression. Das wiederum zahlt sich aus in Overdrive-Positionen des Amps. Powerchords federn knochentrocken und mit plastischer Präsenz vor. Mit dem Plektrum lassen sich Töne mit markantem Aufriss gestalten, Linien rollen mit klarer Definition der einzelnen Noten aus den Speakern.

Die Sounds sind gut abgestimmt und verfügen grundsätzlich über alles, wofür man Gretsch liebt. Trocken und perkussiv in der unteren Etage, eher schlank in den Mitten, aber frisch und schmissig in den zwirbelnden Höhen. Wer drückenden Twang etwa für Country-Rock, aber auch durchaus mehr will, der liegt hier mit dem schön bissigen Steg-Pickup absolut richtig!

Und das Bigsby? Nun, funktional ist das in seinen engen Grenzen genauso, wie wir das kennen. Den Unterschied in Sachen Tonbeeinflussung macht in diesem Fall allerdings der stärkere Andruck auf die Bridge der G5622T-140 Double Cut durch die niederhaltende Rolle des B70, was sich in einem etwas strafferen, fokussierteren Ton äußert.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Gretsch lässt sich nicht lumpen, was sein Jubiläum angeht und präsentiert mit den Anniversary-Modellen G5420T-140 und G5622T-140 tadellos gefertigte Electrics von klassischer Anmutung und origineller Farbgebung. Elegante Optik und tadellose Fertigungsqualität sind aber nur eine Seite der Medaille, welche erfreulicherweise in beachtlich starken Klangeigenschaften beste Ergänzung findet. Die G5420T-140 Hollowbody bietet mit ihren zurückhaltend gewickelten Filter’Tron Pickups den klassischen Gretsch-Sound, knackig trocken mit ordentlichem Höhenschuss und feiner Klangauflösung, aber auch akustischer Federkraft dank des hohlen Bodys.

Mit der Double Cutaway G5622T-140 machen wir dann einen Schritt in die Neuzeit, denn dank Mittelblock und ausgangsstärkerer Broad’Tron-Pickups eignet sich diese Thinline deutlich besser für rockige Spielweisen. Da glänzt sie förmlich mit perkussiv scharfem Aufriss und drückender Präsenz, ohne dabei ihre Gretsch-Gene zu verlieren. Nimmt man diese Gitarren in die Hand, so ergibt sich die angelegte Tendenz von ganz allein. Die Anniversary-Modelle decken das Spektrum nicht nur großzügig ab, sie wahren das Erbe und feiern zugleich die Zukunft. Bravo – der Boden ist damit bereitet für viele weitere erfolgreiche Jahre mit dem unverzichtbaren Gretsch-Sound! Wir gratulieren!

PLUS

  • klassische Designs
  • Pickups
  • Sounds
  • Handhabung
  • Bigsby
  • Verarbeitung

MINUS

  • Hollowbody verträgt keine großen Lautstärken (baubedingt)


(erschienen in Gitarre & Bass 08/2023)

Produkt: Gitarre & Bass 2/2023 Digital
Gitarre & Bass 2/2023 Digital
Im Test: J&D DX-100 +++ Jimmy Wallace Guitars MT +++ Solar Guitars AB1.4JN +++ Fender Acoustasonic Player Jazzmaster +++ Vintage Historic Series +++ Tech 21 SansAmp Character Plus Series +++ Baroni AFK150 +++ Paul Belgrado NaNo B4 Shortscale +++ Harley Benton MV4-PJ Gotoh BM +++ British Pedal Company Dumble Overdrive Special +++ JHS Packrat

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Bei allem Respekt vor dieser grossen Marke – Made in China geht garnicht

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